Noch feinde mögen ietz, noch waffen mehr erschrocken
Da Virmondts Helmen mich, und creutze thut bedecken.
Historische Nachricht
von der Röm. Kayserl.
Groß⸗Botschafft
nach
Constantinopel,
welche auf allergnädigsten Befehl
Sr. Röm. Kayserlichen und Catholischen Majestät
Carl des Sechsten/
nach glücklich vollendeten zweyjährigen Krieg,
Der Hoch⸗ und Wohlgebohrne des H. R. Reichs Graf
Damian Hugo von Virmondt /
rühmlichst verrichtet.
Worinnen ganz besondere Nachrichten von der Türken Policey, Religion,
Griechischen Antiquitäten und andern merkwürdigen anderswo vergeblich gesuchten
Sachen / zu finden; dabey vieles mit den accuratesten Kupfern erläutert ist.
Aufgesetzt von
Gerard Cornelius von den Driesch /
Sr. Excellenz Secretair und Historiographus.
Nürnberg /
zu finden bey Peter Conrad Monath. 1723.
Der
Hoch⸗ und Wohl⸗Gebohrnen
Frauen /
Frauen Maria
Elisabeth
Reichs⸗Freyin von Burscheid /
Des Reiligen Römischen Reichs verwittibter
Gräfin von Virmondt /
Meiner Gnädigsten Frauen.
Hoch⸗ und Wol⸗Gebohrne Reichs⸗Gräfin,
Gnädigste Frau Frau!
NAchdeme ich mich einmal entschlossen /
die vor mehr denn einem Jahr in La⸗
teinischer Sprach heraus gegebene
Beschreibung der Kayserl. Groß⸗
Botschafft an die Ottomannische
Pforte ins Teutsche zu übersetzen /
war es unnöthig / mich lang darauf zu besinnen/ wo⸗
hin meine Zuschrifft müste gerichtet seyn; sintema⸗
len
)( 3
- 12 -
DEDICATIO.
len sich alsobald meinen ersten Vorstellungen eine
vornehme Reichs⸗Gräͤfin praesentirte / welche an dem
Lob dieser rüͤhmlichst verrichteten Gesandtschafft kei⸗
nen geringen Theil nimmt: verstehe aber darunter nie⸗
mand anders / als Eu. Hoch Gräfl. Excellenz,
meine Gnädigste Frau / die / gleichwie Sie an un⸗
serm unvergleichlichen Helden und Staats⸗Mann
Damian Hugo / des Heil. Römischen Reichs Grafen
von Virmonde/ als Jhrem ehedessen hochschäͤtzba⸗
ren Gemahl selbsten / also auch an dessen Verrich⸗
tungen / Glück / Ruhm und Ehre den grösten An⸗
theil hat / daß derowegen Eu. Excellenz die
Zuschrifft solcher Ubersetzung von mir als eine un⸗
umgängliche Schuldigkeit billig fordern köͤnnen.
Die unvergleichlichen Thaten dieses unsers Teut⸗
schen Cyneas sind bekannter / als daß ich selbige der
Welt erst offenbahren solte / auch mehr und grösser /
als daß ich sie alle zu erzehlen und zu wiederhohlen
geschickt wäre: Ja wer sich unterstehen wolte/ de⸗
nenselbigen einen neuen Glanz beyzusetzen / wurde
eben so viel ausrichten/ als wann er Wasser in den
Strom / oder Hitze zu der Sonnen / zu tragen ge⸗
dächte: So haben mich auch schon andere dieser
- 13 -
DEDICATIO.
dieser Mühe überhoben / welche durch öffentlich heraus
gegebene Schrifften solche der Welt laͤngstens vor
Augen gelegt. Doch der letzt zu Passarowitz her⸗
gestellte Friede/ und die der ganzen Christenheit dar⸗
durch zugewachsene Vortheile/ samt denen den Erz⸗
Herzoglichen Hauß Oesterreich zugefallene König⸗
reiche und Läͤnder sind solche Dinge / um welcher
willen Ihme auch nach dem Tod nicht allein wir /
sondern die ganze Nach⸗Welt biß zu ewigen Zeiten
sich zu aller Dankbarkeit und Ruhm billich verbun⸗
den erkennen muß.
So geruhen demnach Eure Hoch⸗Gräfliche
Excellenz diese von mir aus dem Lateinischen ins
Teutsche übersetzte Türkische Reiß⸗Beschreibung ei⸗
ner Kaiserlichen Groß⸗Botschafft / welche auf solchen
vortheilhaftigen Frieden erfolget / und von dem Frie⸗
dens⸗Stiffter selbst mit seinem höͤchsten Ruhm und
Ehren geendiget worden / Euerer Hoch⸗Gräflich.
Excellenz aber aus vielfäͤltigen Ursachen allein
gebuͤhret/ in Gnaden an und aufzunehmen / als die den
Herrn Groß⸗Botschaffter / Höchstseel. Andenkens /
mit seinen klugen Anschlägen/ tief ausgesonnenen
Reden / und vornehmen Unternehmungen uns wie⸗
der
)()(
- 14 -
DEDICATIO.
derum gleichsam lebendig vorstellen. Womit zu
Eu. HochGräfl. Excellenz beständiger Wol⸗
gewogenheit mich gehorsamst recommandire/ und
mit unterthänigsten Respect verharre
Eu. Hoch⸗ und Wol⸗Gebohrnen /
Meiner Gnädigsten Frauen /
schuldigst⸗gehorsamster,
Gerard Cornelius von den Drisch.
Vorrede
An den geehrten Leser.
DJejenige / welche gegenwäͤrtige Historie zu
lesen sich gefallen lassen / belieben vor
allen Dingen sich zu versichern / daß
sie darinnen nichts finden werden / was
nicht mit der Wahrheit uͤbereinstimmet;
sintemahlen ich entweder selbst meinstens
darbey gewesen / wann sich etwas zugetragen / und
es mit Augen angesehen: oder zum wenigsten von de⸗
nenjenigen vernommen/ die durch langen Auffenthalt
in diesen Läͤndern solches aus der Erfahrung gewust.
Noch vielweniger aber wird darinnen was anzutreffen
seyn / welches nur auf blossen Muthmassungen / die /
wie es öfters geschiehet / aus andern Buͤchern heraus
gezogen sind/ oder auf des gemeinen Mannes ungegrüͤn⸗
deter Einbildung beruhet / welche letztere so unwahrschein⸗
lich / als jene verstümmelt ist: daher es dann kommt /
daß / weil mancher nur nachsagt oder schreibt / was ande⸗
re vor ihm gesagt oder geschrieben / ohne daß er seiner Mei⸗
nung einen rechten Grund hatte / so viele Unwarheiten
in der Welt herum fliegen; angesehen immer eine Falsch⸗
heit aus der andern entstehet / welche / ob sie gleich An⸗
fangs
)()( 2
- 16 -
Vorrede.
fangs nicht viel zu bedeuten scheinet / doch nach und nach
einen merklichen Zusatz bekommt / und unter dem Deck⸗
Mantel der Warheit sich so lang verstecket / biß diese end⸗
lich mit grosser Mühe herfüͤrbricht / und jener die Masque
abziehet. Und dieser Warheit / welche die Historie am
meisten zieren muß / werde ich mich sorgfäͤltig befleissigen /
im uͤbrigen aber unbekümmert bleiben / ob einige vielleicht
dieselbige nicht wol vertragen köͤnnen. Gleichwol
soll diese bey vielen so verhasste Sache nicht aller Annehm⸗
lichkeit beraubet seyn / indem die Erzehlungen fremder Sit⸗
ten / als etwas / das die meisten nicht ungerne hoͤren /
allenthalben mit eingemischt werden; und wann al⸗
so die mancherley Eigenschafften der Menschen sich dem
Leser vor Augen stellen / kan er dasjenige / was ihm
am besten duͤncket / auslesen / und sich eigen machen / das
übrige aber / als etwas unanständiges verwerffen. Dann
man muß nicht meynen / als ob einiges Volk in der Welt so
barbarisch / oder von der Erbarkeit und wol⸗anstäͤndigen
Sitten so gar entfernet wäre / noch auch das allgemeine
Verderben sie so gar unbändig gemacht haͤtte / daß sie
nicht auch noch vieles an sich haben solten / wordurch
man etwas lernen und zu seinem Vortheil anwenden koͤn⸗
te / wann wir es nur selbsten darzu gebrauchen wolten.
Sind nicht die so vielfäͤltige Reisen in fremde Laͤnder von
unsern Vorfahren darzu angestellet / und heranwachsen⸗
der - 17 -
Vorrede.
der Printzen und adelicher Jugend einiger Zweck in der⸗
gleichen Vornehmen dahin gerichtet / daß sie verschiedener
Völker Gebraͤuche und Sitten dabey erlernen / und das⸗
jenige an ihrer eigenen Person vorstellen sollen/ was sie
angemerket / daß andere beliebt und ansehnlich machet?
Dann eben daher entstehet der Nutzen von so vielfältigen
Fatiguen auf der Reise / und die Jhrigen empfangen sie
bey ihrer Zuruckkunft mit so viel groͤsserer Freude / je mehr
sie gute Sitten mit nach Hauße bringen. Kluge Reisen⸗
de sollen demnach denen Bienen nachahmen / welche nur
den Thau und das Honig aus denen Blumen samm⸗
len / nicht aber denen Spinnen / die nichts als Gifft dar⸗
aus zu ziehen wissen. Diejenige / welche eher die Laster
als Tugenden an denen Nationen gewahr werden / las⸗
sen sich gemeiniglich auch von ihnen zum Bösen verleiten /
weil man in anderer Leute Untugenden nicht geschwin⸗
der vollkommen wird/ als wann wir dieselbige mitma⸗
chen. Wann aber hier meines Thuns nicht ist / jemand
zu unterrichten / oder zu bestraffen / so wende ich mich viel⸗
mehr wiederum zu derjenigen Materie / welche ich vor⸗
habe. Man erwarte demnach keinesweges von mir /
was andere bis zum Eckel schon vor mir zu thun ge⸗
wohnt gewesen / daß sie alle Kleinigkeiten / die ein jeder
aus ihnen täglich verrichtet / und andere nichts bedeuten⸗
de Dinge aufs genauste erzehlen. Jch habe mir vorge⸗
nommen / gelehrten und verständigen Personen eine Hi⸗
storie
)()( 3
- 18 -
Vorrede.
storie zu schreiben / nicht aber dem gemeinen Pöbel / Kin⸗
dern und alten Weibern etwas vorzuplaudern / als mit
welchen Sieben⸗Sachen unsere Buchläden ohne dem biß
zum Uberfluß angefuͤllt sind. Ich werde aber daselbst
meine Erzehlung anfangen / wo ich meine Reise ange⸗
tretten. Dann ob ich schon nicht läͤugne / daß die Erzehlun⸗
gen des vorhergehenden Kriegs; die Ursache und Folge⸗
rung desselben; die Zeit / da man zum Friedens⸗Tractaten
geschritten; den Ort / die Gerechtsame und andere darzu
gehörige Sachen / nicht unfuͤglich mit angebracht werden
könnten: so habe ich doch solches allhier darum uͤbergan⸗
gen / weil noch alles davon bey jederman im frischen An⸗
denken / und uͤber dieses schon zum oͤftern gedruckt wor⸗
den ist. Anbey habe auch dafüͤr gehalten / daß es billich sey /
unsern in die Kaiserliche Residentz⸗Stadt Wien so praͤch⸗
tigen und dergleichen noch nie gesehenen Einzug dieser
Beschreibung mit beyzufüͤgen / weil es dessen Kostbar⸗
keit wol verdient / und die Verwandtschafft mit der
Haupt⸗Materie erfordert.
Noch eines / geliebter Leser! welches ich zu erst hat⸗
te melden sollen: Ich habe vor einiger Zeit das aus mei⸗
ner lateinischen Beschreibung gezogene teutsche Com⸗
pendium, so zu Augspurg edirt ist/ in die Hande be⸗
kommen / und aus dessen Vorrede so viel verstanden /
daß der Verleger desselbigen für meine Arbeit nicht ge⸗
ringen Estime bezeigt / wofür ich ihn auch verbunden;
Vorrede.
doch kommt mir dieses bedenklich vor /
wann er un⸗
ter
andern setzt / daß man dem Herrn Auctori solcher
teutschen Beschreibung das Zeugnis geben
müͤsse / wie
er sich dabey accurat, verständig und deutlich erwiesen
habe: Ich finde aber im Ansehen der Accutatesse noch
sehr vieles auszusetzen / also daß es scheinet / der Ubersetzer
müsse mich an vielen Orten nicht recht
verstanden haben /
ohnerachtet die Worte
im Lateinischen der geringsten
Schwürigkeit nicht unterworfen; und weil diejenige/
so nicht Latein verstehen / gar leicht
die daselbst vorge⸗
laufenen Fehler mir imputiren koͤnten/ wäre dieses
ei⸗
nige schon
capable gewesen / mich zu einer neuen und
accuraten
Ubersetzung zu obligiren/ damit ich nicht an⸗
derer Versehen mir
unverschuldet muͤsse aufbuͤrden las⸗
sen; damit man aber das bekannte
Sprichwort dißfalls
gegen mir nicht
gebrauchen darf /
si accusare
sufficit,
quis innocens
erit, will ich aus einer grossen Anzahl
nur ein paar Exempel zu meinem Beweiß
anfuͤhren / und
den geneigten Leser das
Urtheil anheim stellen / aus was
für
einer Quelle solche gar grobe Fehler moͤgen geflossen
seyn: Es setzt nemlich der Verfasser des
Compendii
pag.
159. wo ich von der zu des Grafen von
Oettingen
Zeiten entstandenen Feuers⸗Brunst
gedenke: so brann⸗
ten daselbst kurz vor seiner Ankunfft 1072. Haͤusser
auf einmal ab; und dieses soll eben
dasjenige heissen /
wann ich in meiner
Lateinischen Historie gesetzt:
Modi-
cum
- 20 -
Vorrede.
cum ante Oetingii
Comitis in urbem adventum do⸗
morum LXXII CIC uno
incendio deflagrarunt
: Viel⸗
leicht hat er sich nicht einbilden köͤnnen
/ daß auf einmal
so viel Haͤuser abbrennen
sollen / weswegen er auch vor⸗
her / da er die Zahl zu benennen gleichfalls noͤthig gehabt
hätte / nur gesagt / daß unglaublich viel
Häͤusser und
Palläste / nemlich im Jahr
1718. in die Asche gelegt wor⸗
den; Doch wie es heißen muß /
kan in gegenwartiger Be⸗
schreibung p. 173. nachgesehen werden. Aus einerley
Quelle schreibt sich muthmaßlich
derjenige Fehler her / wel⸗
cher bald darauf / nemlich p. 168. folgt / wo er vorgibt /
die Botschaft hätte nach dem Aufbruch von
dem Groß⸗
Vizir einen andern Weg nehmen
muͤssen / dieweil sich
eine von denen
Sultaninen / an einen gewissen Ort
begeben häͤtte / diesen Zug in verborgenen mit anzusehen.
Wann ich dieses also angesetzt / wuͤrde
ich mir haͤßlich wie⸗
dersprechen / weil ich an einem andern Ort gedacht / daß
sich keine von ihnen aus dem Serrallien
begeben duͤrfe:
es lauten aber meine
Lateinischen Worte ganz anders /
und zwar
also:
discedentes admonebamur, via
nobis
alia esse redeundum:
expectare in propinguo aliquà
Sultanum, qui videre nos desideret.
Solte es einem wol
zu verdenken seyn / wann man auf die
Gedanken käme /
das Wöͤrtlein
aliquà
habe den
Ubersetzer in den Kopf ge⸗
bracht / es muͤße durch Sultanum eine
Weibs⸗Person ver⸗
standen werden? Doch ich bekenne es selbst / das wäre gar
zu
- 21 -
Vorrede.
zu grob geschlägelt / sintemaln ja die Lineola über den
Buchstaben à und das nachfolgende qui ein anders an⸗
zeigen. Es sey nun aber wie ihm wolle / so
ist gleichwol
gewiß / daß es kein
Druck⸗Fehler / und meine Lateini⸗
sche sehr deutliche Worte auch keine
Gelegenheit zu sol⸗
chen Verfall haben geben köͤnnen. Wie nun aber aus
diesen Kleinigkeiten / wie absonderlich das letztere in An⸗
sehen der Materie /
keineswegs aber in Regard des
Grammaticalischen
Jrrthums ist / sich von dem übrigen
leicht ein Concept formiren laͤßt: also siehet man
doch
daraus / daß der Verfasser mich /
will nicht sagen die
Sprach / an vielen
Orten nicht recht verstanden / und
könnte
ich ohne Muͤhe noch wichtigere Fehler vorbringen /
wann es gegenwäͤrtig die Zeit / und der noch uͤbrige Raum
des Papiers zulassen wolte; ich will es
aber hiemit zu
meiner benoͤthigten Defension, daß man mir die daselbst
vorgelauffene Fehler nicht imputiren solle/ genug seyn las⸗
sen / und nur noch mit ein
paar Worten zeigen / daß oft⸗
gemeldter Verfasser jenes Compendii auch
nicht fidel
gehandelt / und wo er einen Ubersetzer
abgeben sollen /
vieles darzu gesetzt /
woran ich niemalen gedacht / und
seinen
Gedanken einen gar zu freyen Lauf vergöͤnnet.
Was das erste anbelanget / daß er nemlich vieles darzu
gesetzt / was mir auch nicht einmal im
Traum beyge⸗
fallen
/ so mag zum Beyspiel dienen / wann er pag. 89.
von einem Mann erzehlt / der seiner Frauen / welche in
des
)( )(
)(
- 22 -
Vorrede.
des Herrn
Botschafters Quartier ihre Zuflucht genom⸗
men / nachgelauffen / und wegen dieser
Frechheit von
den Tuͤrcken in die Eisen
geschlagen / aber doch auf sein
Verlangen
dem Herrn Botschafter ausgeliefert worden.
Gewiß! ich weiß von allen diesen
nichts / ist auch in
meiner Lateinischen
Erzehlung nicht mit einem Wort da⸗
von gedacht worden; solte er es aber von
einem andern
haben erzehlen hören / so
wäre es nöthig gewesen / wann
er
dergleichen hie und da zusammen geraftes Zeug dem
Leser communiciren wollen / den Titul
ganz anders
einzurichten / und meinen
Namen dabey zu menagiren.
Daß er aber seine Gedanken allzufrey herum spatzieren
lassen / beweiß ich daher / weil er z. E.
wo ich des Orts
Jenihaan gedacht / und
angemerckt / daß man es auch
Novihaan
nenne / er gleich die Derivation aus dem La⸗
teinischen genommen / und gemeinet,
dieses Wort seye
aus Novi und Haan
zusammen gesetzt / und müͤsse so viel
bedeuten / als das neu⸗gebaute Han/ da ich doch mit
bessern Recht dafür halte / man müsse die
Bedeutung
eines solchen Worts von der
Landes⸗ und nicht der Rö⸗
mer Sprach herfüͤhren. Doch habe ich mich in meiner
Beschreibung unbekuͤmmert gelassen / wo
das Wort
Jenihaan seinen Ursprung her hat
/ kan auch nicht ei⸗
gentlich sagen / wann es nach seiner Art Jinehan ge⸗
schrieben wird / ob man alsdenn mit der
Etymologie
vird zurecht kommen können. Er
pflegt sich aber der⸗
glei⸗
- 23 -
Vorrede.
gleichen Freyheit / welche ich ihm zwar
nicht mißgönne /
in Benennung der Wöͤrter
hin und wieder zu gebrauchen /
und Wusta
Bassa Palankese / Sarebrud / Serembe rc.
zu schreiben / wo ich mich ganz anderer Namen bedie⸗
net; allein / wann er dieses thun / und
sich für einen so
guten Kenner der
Tuͤrkischen Namen darthun wollen /
hätte
er sich / da er hin und wieder so weit von meinem
lateinischen Original abgewiechen / nicht
für einen Uber⸗
setzer desselben ausgeben sollen. Von dergleichen
Schrot und Korn ist es auch / wann er
vorgibt / die
Bulgarischen Weibs⸗Personen
müsten in dem ersten
Jahr ihres
Eh⸗Standes / das von dem Bräutigam für
sie erlegte Geld an ihrem Leib tragen / da sie es doch
freywillig thun / und für eine
sonderbahre Zierde hal⸗
ten / wann sie viel anhaͤngen köͤnnen / angesehen nach
deren Menge ihre Schoͤnheit und Stand estimiret wird.
Jedoch ich erinnere mich / daß ich mit niemand zu con⸗
trovertiren/ sondern nur mich zu defendiren /
und ande⸗
rer Leute
Fehler von mir zu decliniren habe; daß aber
welche in meine eigene Arbeit
eingeschlichen / wird
nachfolgendes
Register zeichen / so zum theil die Eilfer⸗
tigkeit des Druckers verursacht / und der
geneigte Leser
auser einigen andern hier
nicht angezeigten / nach
seiner
Höflichkeit vor Durchlesung dieses Werks
corrigiren wird;
Vorrede.
Am Blat 89. Linie 1. ließ: für und; liesen. lin. 10. ließ: Princeßin des
Kaisers rc. am Bl. 96. lin. 25. ließ: für gaben; geben. am Bl. 99. lin.
30. ließ: Donau. am Bl. 102. lin. lezt ohn eine l. der die Mühle. am
Bl. 103. lin. 13. l. diesen. am Bl. 104. lin 23. u. 24. l. Jenihaan einen.
am Bl. 105. lin. 10. l. zärter. am Bl. 112. lin. 25. l. für ziehen; nehmen.
am Bl. 124. lin. 22. l. Verschnittenen. am Bl. 129. lin. 26. l. nicht.
am Bl. 161. lin. 16. l. Jaour. lin. 19. l. Fasten. am Bl. 170 lin. 33. l. aus
ihren Landen. am Bl. 208. lin. 7. l. gegen das End. am Bl. 215. lin. 11.
l. für auch; uͤber. am Bl. 220. lin. 27. l. Ordens⸗Tracht. am Bl. 228.
lin. 20. Quarantaine. am Bl. 239. lin. 30. l. nach. am Bl. 242. lin. 15.
setz ein (,) am Bl. 290. lin. 32.l. haben alsobald. lin. 33. bleibt haben weg.
am Bl. 297. lin. 14. l. Vetter. am Bl. 304. lin. 20. l. Quarantaine am
Bl. 346. lin. 12. l. kommen. am Bl. 473. lin. 6. nochmaln.
Anbey habe dem geehrten Leser den rechten und vollständigen Ti⸗
tul desjenigen Buchs communiciren wollen, dessen der Patriarch zu
Jerusalem gedacht, als einige von den Unsrigen zu Sophia mit ihm ge⸗
sprochen (siehe p. 450.), damit diejenige, so Liebhaber von dergleichen
Nachricht sind, eigentlich wissen mögen, wovon solches handele, und
wann es zum erstenmal edirt worden, weil aus angefüͤhrten Patriar⸗
chens Worten nichts zuverlässiges hiervon kan geschlossen werden.
Es ist demnach derselbige folgendes Innhalts:
Synodus Jerosalymi⸗
tana adversus Calvinistas haereticos, orientalem Ecclesiam de DEO
rebusque divinis haeretice, ut sentiunt ipsi, sentire mentientes, pro reali
potissimum Praesentia, Anno M. DC LXXII. sub Patriarcha Jerosolymo⸗
rum Dosithaeo celebrata. Interprete Domno M. F. è Congregatione
Sancti Mauri, Ordinis Sancti Benedicti. Parisiis M. DC. LXXVIII.
Hier⸗
aus ist nun so viel zu sehen, wider wem eigentlich die Schrift gerichtet,
was darinnen tractirt wird, und daß nicht vor ungefehr 20. biß 30. son⸗
dern vielmehr vor länger als 40. Jahren dieselbe von gedachten Pa⸗
triarchen, wie aus der Vorrede des Buchs zu sehen, dem Frantzösischen
Gesandten zu Constantinopel dasselbige zugestellt, und zum Druck re⸗
commendirt, auch endlich 1676, das erstemal, wegen seiner häͤuffigen
Druckfehler aber bald darauf, nemlich 1678. noch einmal in Griechi⸗
scher und Lateinischer Sprach aufgelegt worden. So viel mag auch
hievon für diesesmal genug seyn. Der geehrte Leser lasse sich meine
Arbeit gefallen, und bleibe gewogen
Dem Auctor.
Historische Nachricht
Von der
Röm. Kaiserl. Groß⸗Botschaft
nach Constantinopel.
Erstes Buch.
Erste Abtheilung.
ALs die von Jhro Röm. Kaiserl. Majestät
angesetzte Zeit zu dem sehr prächtigen Einzug
Jhro Excellenz Grafen von Virmonds /
Kaiserl. Groß⸗Botschafters an die Otto⸗
mannische Pforte/ herbey gekommen, und
vorhero alle benöthigte Anstalten auf das sorg⸗
fältigste gemacht worden, hat der Herr Botschafter den 26.
Der Ein⸗
zug der
Kaiserl.
Groß⸗Bot⸗
schaft in
die Stadt
und nacher
Hof.
April, 1719. an einem Mitwochen solchen durch die Stadt nach
der Burg auf das prächtigste gehalten. Alles hat sich üͤber densel⸗
bigen verwundert, und wird man auch wol, so lang Wien stehet
davon reden.
Es haben die
Wol⸗Ehrwüͤrdigen Patres, Augustiner⸗Or⸗
dens / nahe
bey Wien, in der Vorstadt, auf der Land⸗Strassen
nach Ungarn, einen Garten, wohin sich
der Herr Botschafter
in aller Frühe mit seinem gantzen
Adel, Bedienten, Edel⸗Knaben /
Knechten, Heyducken, und allen
übrigen, so diesen Einzug zieren
helfen solten, begeben; woselbst sich
auch viele Freunde und Clien⸗
A
ten
- 28 -
2
Erstes Buch / Erste Abtheilung
/
ten von Jhm
eingefunden, bey demselbigen ihr Compliment abzu⸗
legen, und ihre Reverenz zu bezeugen. Hierauf wurde ohngefehr
um 10. Uhr/ nachdem
einem jeden sein Platz, welchen er in dem
Zug halten muste,
angewiesen worden, zu dem voͤlligen Einzug der
Die Stadt⸗Garde
und derer
Führer.
Anfang gemacht. Den
Vorzug hatten sechzig Mann von der
Stadt⸗Garde, unter
Anführung des Herrn Stadt⸗ und Kaiserl.
Führer.
Leib⸗Garde⸗Hauptmanns, Jacob Victor von
Picky, und Herrn
Hauptmann,
Wacht⸗Meister Lieutenant von Rosenfeld, welchen
vier Leibschützen: 12.
Hautboisten, Fagotisten und Wald⸗
hornisten, ein Pfeiffer und vier Trommelschläger aber den Fuß⸗
Der Vor⸗
laufer. Knechten vorgiengen. Diesen folgte ein
Vorlaufer / Christian
Kraft, dessen
wir uns nachgehends auf der Reise statt eines Quar⸗
Die Kai⸗
serl. Cour⸗
riers.tier⸗Meisters bedienet haben. Hierauf kamen zwey Kaiserl. Orien⸗
talische Courriers, Jsaac de Luna
[1],
und Johann Georg Jorkowitz,
Die Stall⸗
Knechte.in schöͤnen rothen mit Gold bortirten
Kleidern zu Pferd. Her⸗
nach ritte ganz allein des Herrn
Groß⸗Botschafters Stallmeister,
Johannes Brinckmann, auf einen mit silbernen Zeug
schoͤn aufge⸗
butzten
Rappen: deme vier Reit⸗Knechte paar und paar in des
Die Hand⸗
Pferde.
Herrn
Groß⸗Botschafters Livrée folgten. Diesen wurden zwölf
von Seiner Excellenz
eigenen Hand⸗Pferden, welche mit
roth⸗sammeten und
etlichmal mit breiten guͤldenen Borten ver⸗
bremmten
Decken aufs kostbarste gezieret waren, von eben so viel
Die Trom⸗
peter und
Paucker.Reit⸗Knechten nachgeführet. Alsdann kamen acht Trompeter
Paucker, und ein
Paucker zu Pferd, deren Namen sind: Jacob Jaroch,
Franz Reichard, Joseph
Schmied, Andreas Rieß, Albrecht und
Augustin Sesler, Gebrüdere; Franz
Sondermar, Philipp Schab⸗
schneider,
Anton Winkler, deren silberne Trompeten mit silbernen
und güldenen Quasten
gezieret, die Paucken aber gleichfalls von
Silber und mit einer
sehr reich von Gold und Silber gestickten Pau⸗
cken Fahne behenkt waren, auf welcher letztern der Kaiserl. Adler, in
dessen Mitte aber das
Oesterreichische Ertz⸗Hertzogliche Wap⸗
pen von Gold und Silber gestickt zu sehen gewesen. Alle erst erzehlte
Personen waren in roth⸗mit Gold und
Silber verbraͤmten gefluͤgel⸗
ten Röcken,
gelb⸗sammeten mit Silber starck verbortirten Fut⸗
ter⸗Hemdern, und weisen Federn auf den Huͤten, gekleidet.
Die Haus⸗
Officiers.Bald darauf zeigte sich der Hof⸗Meister, Johann Michael
Kern, mit noch funfzehen andern des Herrn Groß⸗Botschafters
Hauß⸗
- 29 -
3
Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
Hauß⸗Officiern, je drey und drey zu Pferd, in roth-ganz mit Gold
besetzter Kleidung; es sind aber selbige gewesen: Franz Jacob Zaun,
Paul Michael Zwenhof, beiderseits Cammer⸗Diener; Jgnatz A⸗
dam Mayer, Johann Gottlieb Haueisen, zwey Speiß⸗Meister;
Johann Baptist Cervi, Zuckerbecker; Johann Georg Wolfa⸗
rum, Kuchelmeister; Niclas Frankenberg, Apothecker: Anton
Morelli, Feldscheerer; Johann Semler und Joseph Ernst Schmied,
zwey Mahler; Bertrand Dierna, Canzelist; Swibert Holzbauer,
Capell⸗Meister; Johann Bernhard Meyer, Adam Meyers Bru⸗
der / Johann Henrich Heckmann / Gerhard Cornel von den Driesch,
des Herrn Groß⸗Botschafters Secretarien: hierzu kom⸗
men noch die zwey Leib⸗Aertzte Hr. Andreas Dorscheus, und Daniel
Lambert von Hulin, wovon der erste diesen Einzug zwar nicht mit
beygewohnet, weil er aber nachgehends bey allen andern Ein⸗ und
Auszügen diesen Platz bekleidet, haben wir seiner nirgend füͤglicher
als hier gedenken koͤnnen. Denen jetztgedachten folgten in reicher
teutscher Kleidung, von unterschiedenen Farben, sechs neu⸗ ange⸗
nommene und drey alte in Tuͤrckischer Tracht gekleidete Kaiserl.
Sprach⸗Knaben, davon die ersten sechse heisen: Johann Latour, Die Orien⸗
talische
Sprach⸗Knaben.
Ludwig Toutsaint, Anton Seleskowitz, Franz Joseph Meyer,
Carl Ludwig Momartz, Heinrich Christoph Penkler; die drey letz⸗
tern aber: Carl Momartz, des vorigen Bruder, Johann Petro⸗
witz, und Johann Götz. Zu diesen stoßten diejenige, welche der Die Can⸗
zellisten
und übrige
vom Hof⸗Kriegs⸗Rath.
Hof⸗Kriegs⸗Rath zu des Herrn Botschafters Diensten mitgeschi⸗
cket hat, als: Urban Holtzbauer, Uhrmacher; Ferdinand Eurich,
Franz Xavier Kemmeter, Johann Christoph Kastner, Canzelisten;
Hermann Paul Cramer, Cassirer; ingleichen die zwey Kaiserl.
Die Doll⸗
metsch.Dolmetschen der Orientalischen Sprachen: Johann Henrich Vor⸗
ner von Sonnenhold, dies Orts anwesender Aeltere zur rechten,
und der erst neulich darzu erwehlte Johann Godschalk, zur linken,
auf Türckisch gezierten Pferden, zwischen ihren auf Tüͤrckisch ge⸗
kleideten Dienern zu Fuß: zu welchen beiden zu Belgrad noch der
dritte, Namens Niclas Theyls, angenommen worden, der vor
diesem den Holländern in dergleichen Verrichtung lang gedienet,
und derowegen zu vermuthen war, er muͤsse eine grosse Erkäͤnntnis
in den Tuͤrckischen Affairen erlangt haben. Nicht lang hernach⸗
Der Hof⸗Marschalk.præsentirte sich der Hof⸗Marschalk, Herr Carl Ludwig, Baron
von
A 2
- 30 -
Erstes Buch / Erste Abtheilung.
4
von Seebach, Obrist⸗Wachtmeister unter dem Graf Virmondti⸗
schen Regiment, und zwar ganz allein zu Pferd, in einem überaus
reich mit Gold verbräͤmten rothen Kleid, dessen zwey eigene Die⸗
Die La⸗
quayen der
Edelleute. ner neben dem Pferd hergiengen. Nechst diesem erschienen der
Edelleute Laquayen zu Fuß, je drey und drey neben einander, alle
in gelben Futter⸗Hemden / und rothen reich bordirten Röcken ge⸗
Die Edel⸗
leute.kleidet; und hierauf der zweyte Adel selbst, wiederum drey und
drey, nemlich die Herrn: Ferdinand von Schopen, Anton
Joseph von Weipler, Anton Jgnatz Jmhof von Schillsberg und
Schwambach, Jacob Mattoni / Ferdinand Steger, Ferdinand
Preitenacher von Preitenau, Theodor Managetta von Lerchen⸗
au, Michael Sautermeister, Johann Ludwig Camber, Philipp
Wilhelm Franken, Franz Christoph Joseph von Demerath, Her⸗
mann Adolph Aussem, Christian Philipp Freyherr von Glimberg,
Adam Friederich Freyherr von Studenitz, und Adam Dominicus
Freyherr Locherer von Lindenheim.
Diese Zahl wurde erstlich zu Wien noch vermehret durch Abel
von Wettstein, zu Preßburg aber von Franz Anton Freyherrn von
Schmiddegg, und letztlich zu Grichisch⸗Weisenburg von Otho
Friederich von Obschelwitz / Kaiserl. Ingenieur-Hauptmann, alle
in den kostbarsten Kleidern und reichsten Pferd⸗Zeug. Der Mit⸗
lere in der ersten Linie füͤhrte an einem roth⸗sammeten und mit Gold
Die Fahn
und der
Fähndrich
der Edel⸗
leute.rings um besetzten Pandalier eine roth⸗seidene und von Gold be⸗
schwehrte Standart, so auf der einen Seiten des Hn. Groß⸗Bot⸗
schafters Stamm⸗Wappen præsentirte, auf der andern aber war
eine durch die Wolken herfuͤrbrechende Sonne zu sehen, und in der
Luft zeigten sich zwey in einander geschlossene Hände, unter wel⸗
chen ein Lorbeer⸗Cranz gemahlt war, welcher auf der Welt⸗Kugel
ruhete, mit dieser Beyschrifft: Mutuis officiis, durch wechsels⸗
weise Freundschaft; davon die Bedeutung unschwehr zu erra⸗
then, als welche um des gemeinen Volkes willen in so leichten Wor⸗
ten verfasset war, und anzeigte, daß, gleichwie die Sonne nach
vertriebenen Wolken klärer herfür scheinet, und denen untern Ge⸗
schöpfen ihren Einfluß kräftiger mittheilet: also auch nicht zu zwei⸗
feln sey, es werde nach beygelegter Kriegs⸗Unruhe die nunmehro
glänzende Friedens⸗Sonne denen Menschen bessere Zeiten verschaf⸗
fen, und die Gemüther der beiden Kaisere dermassen vereinigen,
daß
- 31 -
5
Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
daß Sie anjetzo mit noch einmal so fester Freundschaft einander zu⸗
gethan seyn werden, als sie vorhero in Feindschaft wider einander
gestanden, woraus dann nicht geringer Nutzen so wol füͤr ihre eige⸗
ne Person, als auch für ihre Länder zu hoffen stehet.
Aber wiederum auf die Haupt⸗Sache zu kommen, so praesenDer Secre⸗
tair von der
Botschaft.
⸗
tiret sich auf das neue Hr. Joseph von Dierling, des Heil. Röm.
Reichs Ritter, und dermaln Legations-Secretair, auf einen schön
gezierten und wol gewachsenen Pferd / in einem roth⸗weislecht mit
Gold reich gesticktem Kleid. Dieser trug, nachdem der Herr Groß⸗
Botschafter von Jhro Röm. Kaiserl. Majestät die Ab⸗
schieds⸗Audienz genommen, und gnädigst entlassen worden, oͤffent⸗
lich in der rechten Hand Jhro Majestät Credenz⸗Schreiben in
einem weiß gewöͤlkten mit Gold schoͤn ausgestickten Umschlag, so wol
da wir zu Jhro Majestät der regierenden Kaiserin / und
beiden verwittibten Kaiserl. Höfen / als zu letzt durch die Stadt
zuruck kehrten. Gleich auf selbigem folgte die Geistlichkeit, oder die Die Geist⸗
lichkeit.
Ehrwürdigen Väter, und Hr. Joseph Lovina, aus der Gesell⸗
schaft Jesu; Robert Leeb, aus der Abtey vom H. Creutz im Wie⸗
nerwald; Johann Adam Müller, aus dem Stift Borken in West⸗
phalen; und Stringarius de Nano, welche alle Geistliche bey der
Gesandtschaft waren; ingleichen der Hochwürdigste, Hoch⸗ und
Wolgebohrne Graf Ernst von Schrattenbach / Benedictiner Or⸗
dens⸗Abt zu Domben, Prälat bey der Gesandtschaft, und Seiner
Eminenz des Hn. Cardinal⸗Priesters Hanibal Graf von Schrat⸗
tenbach, wie auch Bischoffen zu Olmütz Herr Bruder, und Seiner
Ertz⸗Bischöflichen Gnaden von Salzburg Franz Anton Grafen
von Harrach geheimder Rath: jene zierte die geistliche Eingezogen⸗
heit besser, als Sammet und Purpur: der Herr Prälat aber liesse sich
anbey in einem seidenen vielfaͤrbigen Kleid, und langen Mantel mit ei⸗
nem auf der Brust herab hangenden kostbaren Creutz, und grüner
seidener Schnur auf dem Hut sehen. Zu Grichisch⸗Weißenburg
kam noch ein anderer Priester aus der Gesellschaft Jesu darzu, mit
Namen Miroslawitz; und schon zu Wien fanden sich noch zwey
andere ein, die zwar nicht bey dem Einritt, jedoch aber bey dem
Kaiserl. allergnädigsten Hand⸗Kuß gewesen, aus dem Orden der
PP. Trinitarier, nemlich Josephus a Jesu Maria, und Andreas a S.
Ger⸗
A 3
- 32 -
Erstes Buch / Erste Abtheilung /
6
Gertrude, denen ein Lay⸗Bruder, Dionysius, mit gegeben wurde,
welcher ihnen auf der Reise Handreichung thun solte. Nebst die⸗
sen war auch ein Armenianischer Priester aus der Grichischen Kir⸗
che zugegen, samt noch einem andern aus dem Orden des H. Fran⸗
cisci, welcher Capistranus geheissen, und aus Päbstlichen Befehl
forthin sich als Missionarius in Orient um der daselbst befindlichen
Catholischen willen aufhalten wird.
Die La⸗
quayen des
ersten Adels Nach diesen nun kamen 13. Laquayen des Adels vom ersten
Rang je drey und drey zum Vorschein, welche an Kostbarkeit der
Livrée die von dem zweyten Rang uͤbertroffen. Kurz hierauf folg⸗
ten die Herrn Cavaliers selbsten, deren einer Jhro Röͤm. Kai⸗
serl. und Cathol. Majestät würklicher Cammer⸗Herr, die
andern aber unterschiedliche vornehme Ordens⸗Ritter, Obrist⸗Lieu⸗
tenants, Rittmeistere, Hauptleute, und alle von Haus aus gebohr⸗
ne Grafen und Freyherrn aus denen vornehmsten und aͤltisten Ge⸗
schlechten waren. Es sind aber solche gewesen: Graf Olaguer Se⸗
bastida, Graf Franz Bertram Arnold von Neßelrode und Rei⸗
chenstein, Emanuel Graf von Kollovrath, Freyherr Otto von
Rhomberg, Bertram Ludwig Freyherr von Zweifel, Georg Jo⸗
hann Raban Gottlob Freyherr von Hörte, Philipp Joseph Jo⸗
hann Leopold Graf von Königl, Michael Victor Graf von Bielins⸗
ki, Maximilian Graf von Scherffenberg, Michael Graf von
Thierheim, Michael Emanuel Graf von Althan, Carl Graf von
Bathyani, und Johann Marggraf von Besora. Diesen fügte sich
noch vor unserer Abreiß aus Ungarn bey Graf Norbert von Kollo⸗
Die Fahn
und der
Fähndrich
des ersten
Adels. vrath, obgedachten Emanuels Hr. Bruder. Absonderlich machten
des H. Röm. Reichs Graf Franz Bertram Arnold von Neßel⸗
rode und Reichenstein, einem nahen Anverwandten des Hn. Groß⸗
Botschafters / welcher der mittelste in der ersten Ordnung gewe⸗
sen, seine holdselige Gebehrden, und die Jhm und Seinem Ge⸗
schlecht angebohrne Annehmlichkeit und edelste Sitten nicht weniger
Ansehen, als seine kostbahre vom rothen Tuch mit Gold gestickte
Kleidung. Das Pferd, worauf er gesessen, ware schwarz⸗braun⸗
lecht, muthig, und reich aufgebutzt; uber die linke Schulter hienge
Jhm ein von weisem Sammet mit Gold reich gestickter und rings
mit schwehren guldenen Franzen besetzter Bandelier: auf dem Kopf
hatte
- 33 -
Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
7
hatte Er eine ganz weise Parucke und einen mit Gold reich besetzten
Feder⸗Hut; in der rechten fuͤhrte Er ein auf weisen Atlas mit Gold
und Silber / wie auch allerhand lebhaften Farben gestickte und mit
guldenen Quasten behenkte Reuter⸗Fahne, so auf einer Seite die un⸗
befleckte Empfangnis der allerreinesten Jungfrau und Mutter GOt⸗
tes, auf der andern aber das Erz⸗Herzogliche Stamm⸗Wap⸗
pen deren Oesterreichischen Kaisere mit einem weisen Balken in
einem rothen Feld vorstellte: Die Beyschrifft war aus dem hohen
Lied genommen: Et macula non est in te, zu teutsch: und kein
Mackel ist in dir. Der uͤbrigen Kleidung war nach eines jeden
Gefallen eingerichtet, und einige davon mit Gold oder Silber ge⸗
stickt, andere mit Spanisch⸗oder Französischen Borten aufs reich⸗
ste besetzt, denen die kostbarsten Pferde mit ihren fuͤrtreflichen
Schmuck noch ein schoͤneres Ansehen gegeben. Bald darauf folgten Des Groß⸗
Botschaf⸗
ters La⸗
quayen.
des Hn. Groß⸗Botschafters eigene Laquayen, welche an der Zahl
dreisig ausmachten, und zu Fuß in ihren gelben mit Silber ausge⸗
machten Futter⸗Hemdern, rothen mit guldenen Borten besetzten
Röcken, weisen Federn auf den Hüten und Haar⸗Beuteln verse⸗
hen einher tratten.
Endlich sahe man auf einem hohen und stolz⸗trabenden Pferd Der Groß⸗Botschaf⸗
ter.
Jhro Excellenz den Herrn Groß⸗Botschafter selbst in eigener
Person herankommen. An Kostbarkeit der Kleidung und uͤbrigen
Schmuck übertraf er die andern alle. Ein Spanisches Mantel⸗
Kleid, welches auf neue Art und von dem reichsten guldenen Zeug
verfertiget war, aus welchem mehrerer Annehmlichkeit halber zwi⸗
schen dem Gold die hohe rothe Feuerfarb ein wenig hervorblickte,
und mit mehr den Hand⸗breit silbernen Spitzen rings herum Falten
weis belegt war / zierete seinen Leib. Der Mantel, von gleichem
Zeug und auf gleiche Weise behenkt, ware inwendig mit Purpur⸗
Seiten belegt; der Umschlag aber mit gleich reichen und breiten
Spitzen besetzt. Auf seinem Haupt stutzte ein in grader Hoͤhe stehen⸗
der grosser weiser Feder⸗Busch, dessen Spitzen roth gefaͤrbt, er selbst
aber von einer sehr kostbarn Diamantenen Schlinge zusammen ge⸗
halten wurde. Das Pferd, welchem an Muth, Ansehen und Kunst
ohne dem keines gleich, machten die guldene mit schwehren Crepinen
gezierte Decken oder Waldrappen, die Trensen, Mähn⸗Flecht und
Schnal⸗
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8
Erstes Buch / Erste Abtheilung /
Schnallen von gleicher Kostbarkeit, noch eine bessere Parade. Es
liesse sich führen, regieren, und wenden, wie es seinem vornehmen
Bereiter beliebte. Bald machte es niedrige, bald hohe Sprünge, wie
es das Schul⸗Recht mit sich brachte, und stolzierte mit seinem Herrn so
gravitätisch daher, gleich als ob es wüste, weme es zu tragen die Ehre
hätte. Neben dem Steigbügel gingen linker Hand zu Fuß der Hr.
Der Berei⸗
ter.Bereiter Daniel Zeckmann, Fähndrich unter dem Virmondtischen
Regiment, in Gold verbräͤmter Kleidung, hinter ihm zwey wol auf⸗
gebutzte dem Hn. Botschafter zugehörige Stall⸗Knechte, deren ei⸗
ner eine roth⸗sammete mit goldenen Borten besetzte Pferd⸗Decke auf
Die Hey⸗
ducken.der Achsel nach trug. An statt der Trabanten gingen zu beiden
Seiten zwölf grose auserlesene Heyducken, welche mit einem bis auf
die Hüfte kurz⸗gelben Wammes, und langen rothen mit Silber aus⸗
gemachten Mantel bekleidet waren, deren Kostbarkeit die von Sil⸗
ber gegossene Knoͤpfe und Blatten, wie auch die mit des Herrn Bot⸗
schafters Wappen gezeichnete Taschen, mit Silber beschlagene
Wehrgehenk, Schwerdter⸗Hefte und Scheiden verdoppelten; wo⸗
bey sie in der Hand einen silbernen Pusikan oder Streit⸗Kolben mit
einem schwehren Knopf führten. Auf dem Kopf trugen sie roth⸗
sammete Hauben mit Silber umfasset, denen die weiß und schwarz
vermischte in die Hoͤhe stehende Straussen⸗Federn noch ein besseres
Ansehen gaben.
Zu nechst hinter dem Herrn Botschafter riete der Ober⸗
Der Ober⸗
Stallmei⸗
ster.Stall⸗Meister Sixtus Anton Ostmann, Freyherr von Leyh in ei⸗
nem Silber⸗reichen Kleid. Auf diesen folgten unmittelbar 14. Edel⸗
Die Edel⸗Knaben. Knaben / deren Ober⸗Röcke von Scharlach mit Gold⸗durchbroche⸗
nen Borten reichlich besetzt, die Unter⸗Kleider aber von Silber⸗
Stücken mit seidenen Blumen waren: auf den Huten spielten weise
mit Gold gezierte Federn / und führten roth⸗sammete stark mit Gold
verbrämte Pferdes⸗Decken. Jhre Namen sind folgende: Leopold
Anton Pernöber, Johann Baptist Kempf, Johann Plum, Wil⸗
helm Rieß, Christoph Kimling, Franz Joseph Pfoder, Adam Ru⸗
pert, Caspar Drit, Franz Alexander Holz⸗Bauer, Johann Fer⸗
dinand Altmann, Max. Vrinz, Joseph Neveu, Joseph Freyherr
Die Leib⸗
wacht.von Tiefenbach, und Joseph Freyherr von Rueßenstein. Dann
zeigte sich des Herrn Groß⸗Botschafters Leib⸗Wacht, welche aus
dreisig Granadierern bestunde, in gleicher Ordnung und einerley
Klei⸗
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Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
9
Kleidung, die von zweyen Rottmeistern oder Corporaln und einem Die Offi⸗
ciers der
Leib⸗
wacht.
Feldwaibel geführet, und von Hn. Carl Joseph von Melzern / vor⸗
maln gewesenen Obrist Wachtmeistern, commandiret wurde, unter
welchem Herr Friederich Anton Schötteler als Fähndrich stunde.
Jhre Kleider waren von Scharlach, und mit Silber praͤchtig aus⸗
gemacht; über die Schultern hinge eine schwehre silberne Schnur
herab, der Guͤrtel war von gleichem Werth und Gattung, die La⸗
dungs⸗Tasche zum Pulver und Bley schoͤn von Silber gestickt, das
Degen⸗Gehang von gelben Sammet und gleicher Kostbarkeit: auf
dem Kopf sasse eine rare von Bären⸗Peltz zugerichtete Haube, wor⸗
an sich vorne ein üͤbersilberter Adler zeigte, von hinten aber der
schöne lange Schweif herunter hinge. An der Seiten hatte ein je⸗
der seinen Degen, in der rechten Hand aber entweder die Fahnen⸗
Spitze, oder eine scharf geladene Flinte mit aufgeflanztem kurzen
Seiten⸗Gewehr; in welcher Positur auch alle Unter⸗Officiers un⸗
ter ihnen zu sehen waren. Vorher gingen zwey Hautboisten, zwey Die Musi⸗
canten der
Leibwacht.
Fagotisten, und zwey Waldhornisten, ein Pfeiffer und Trommel⸗
schläger mit einer messingen Trommel: diese alle waren mit schoͤnen
neuen Kleidern, von rothen und gelben Tuch, mit Gold und Sil⸗
ber verbrämt, mundirt, und mit schwarz⸗ und gelben Federn auf den
Hüten versehen: der uͤbrigen Granadiere Schilde bestunden aus
Massiv⸗Silber, worzu noch die Patron⸗Taschen mit silbernen Bor⸗
ten reichlich besetzt gewesen. Die vorgetragene Fahne zeigte zu beiDeren
Fahne.
⸗
den Seiten im Obern⸗Theil die unzertheilte H. Dreyfaltigkeit /
im unteren einen doppelten Adler mit den gluͤckseeligsten Anfangs⸗
Buchstaben des Glorwuͤrdigsten Namens Seiner Römisch⸗
Kaiserl. und Königl. Majestät / C. VI. bemerket. Der
Mannschaft, die gewiß die auserlesenste ware, hatten die borsteten
Hauben, so ihren Kopf bedeckte, ein noch heroischeres Ansehen ge⸗
macht. Weiter kamen acht ausbüͤndig geschmuckte Maul⸗Thiere, Die Maul⸗Thiere.
welche mit schönen Reiger⸗Federn aufgebutzt, und mit roth⸗samme⸗
ten mit Gold verbortirten Decken, gleich den Hand⸗Pferden, belegt
waren; am Hals hiengen ihnen an einer aus Gold und Seiden ge⸗
würkten Schnur und Quasten verguldete Gloͤcklein, anbey waren
sie mit roth⸗sammeten, von Gold gestickten Maul⸗Köͤrben versehen.
Dieser Aufbutz hat denen sonst niedertraͤchtigen Thieren gleichsam
B
einen
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10
Erstes Buch / Erste Abtheilung /
einen neuen Geist und Muth mitgetheilet, welches sie mit ihren stol⸗
zen und hochtrabenden Gang gar merklich angezeiget. Sie wur⸗
den von dreyen darzu gehörigen Knechten gefuͤhret, deren schoͤne
Livrée mit dem obbeschriebnen uͤbereinkame; der erste aber von ih⸗
Der Fal⸗
ken⸗Mei⸗
ster.nen ist auf einen absonderlichen Maul⸗Thier voran geritten. Zu
letzt kam noch ein Falken⸗Meister, Jacob Brooms, zu Pferd, auf
Jäger⸗Art angekleidet / mit einem Hirsch⸗Fänger an der Seite, und
einer grün⸗sammeten mit goldenen Borten besetzten Falkner⸗Taschen;
Die Ober⸗Köche. deme noch vier Ober⸗oder Meister Köche Claudius Page, Michael
Zecha, Christian Groß⸗Mejer, und Johann Pichard in der Ord⸗
Stadt⸗Garde. nung folgten. Den völligen Aufzug aber beschlossen abermal unter
An⸗ und Aufführung des Hn. Stadt⸗Garde⸗Lieutenants, Martin
Minkowitz / 40 Fuß⸗Knechte von der hiesigen Stadt⸗Militz.
Nun in dieser Ordnung, wie sie von mir jetzt beschrieben wor⸗
Der Zug
nach der
Burg.den, sind wir aus oben bemeldten Garten zum Stuben⸗Thor hin⸗
ein, um den Bischofs⸗Hof über den Graben und Kohlmark die Mi⸗
chaeler Kirchen vorbey zwischen der Reichs⸗Canzley, dem Dietrich⸗
steinischen Haus und Minoriten⸗Closter durch das nechst daran
stossende offene Thor auf den Burg⸗Platz unter Trompeten⸗ und Pau⸗
cken⸗Schall auch übrigen klingenden Spiel, mit fliegenden Fahnen und
erhöheten Standarten eingeritten, wobey uns jederzeit eine unbe⸗
schreibliche Menge Volkes begleitete / welche so wol die Weege der
Vorstadt, als auch alle Gassen und Ringmauern der Stadt, ja so
gar die Fenster in den Haͤußern eingenommen und angefuͤllt, so daß
es nicht anders ließ, als wann alle Einwohner vors Thor hinaus ge⸗
lauffen / an statt ihrer aber anders woher Leute bey tausenden in die
Stadt gebracht worden wären.
Ankunft
auf den
Burg⸗Platz. Bey Anlangung auf den grossen Burg⸗Platz stellte der Mar⸗
schalk die, so in der Livrée waren, in schöͤnste Ordnung, die uͤbrige
aber ritten fast bis zu der Brücken der innern Burg, stiegen daselbst
ab, und begleiteten so dann den Hn. Groß⸗Botschafter / der nun
allein ritte, zu Fuß über besagte Brücke in die innere Burg, allwo
derselbige gleichfalls abstieg, und mit Vorhergehung aller Vorbe⸗
nannten die grosse Stiegen hinauf gieng, da immittelst die Ubrigen
von dem Gefolg in der von dem Marschalk gestellten Ordnung bis
zu des Herrn Groß⸗Botschafters Zuruckkunft auf dem grosen
Burg⸗Platz stehend geblieben, und die ganze Zeit hindurch mit der
im
- 37 -
Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
11
im Gewehr stehenden Stadt⸗Militz ihre Musicanten sich tapfer höͤren
lassen. Jm Hinauf und Vorbeygehen der Trabanten und Hatschie⸗
ren, welche beiderseits im Gewehr stunden, wurde der Herr Groß⸗
Botschafter von allen den Seinigen bis an die Ritter⸗Stuben, wo
die Pagen, Haus Bedienten, und üͤbrige Canzley⸗Verwandte bis
zu Seiner Ruckkehr auf Jhn warteten, von den Edelleuten aber
bis in die erste Anti-Chambre, in welchem selbige gleichfalls stehend
geblieben, und von dem ersten Adel bis in die zweyte Anti-Chambre
begleitet. Daselbst ist der Herr Groß⸗Botschafter von Einfüh⸗
rung zur
Audienz.
Jhro Röm. Kaiserl. und Cathol. Majestät würklich
geheimen Rath / Obrist⸗Cammerern und Rittern des gul⸗
denen Vlieses / Hn. Rudolph Sigismund / des Heil. Rom.
Reichs Erb⸗Schatz⸗Meister / Grafen von Sinzendorf /
empfangen, bald auch hernach bey Sr. Kaiserl. Majestät
durch denselbigen angemeldet, auch auf so gleich allergnädigst ertheilte
Bewilligung in die Raths⸗Stuben zur Audienz eingeführt worden;
daselbst von Seiner Kaiserl. Majestät der Hr. Groß⸗Bot⸗
schafter das an den Groß⸗Sultan gestellte Creditiv-Schrei⸗
ben, welches auf weiß Pergament mit guldenen Buchstaben ge⸗
schrieben, und von der Kaiserl. geheimen Hof⸗Kriegs⸗Canzley ge⸗
wöhnlicher massen ausgefertiget war, eigenhaͤndig empfangen, und
von Seiner Röm. Kaiserl. und Catholischen Majestät
sich beurlaubet, so dann bey dem verstatteten Kaiserl. Hand⸗Kuß
die allerhöchste Gnade sich ausgebetten, daß Seine Kaiserl.
Majestät allergnädigst geruhen moͤgte, dem ersten und zweyten
Adel, wie auch übrigen Vornehmern seines Gefolgs den Kaiserl.
Hand⸗Kuß gleichfalls zu verstatten, welches auch Jhro Kaiserl.
Majestät allergnädigst verwilliget: worauf vor Se. Kaiserl.
Majestät welche in einem schwarzen Mantel⸗Kleid vor einem
mit einem roth-sammeten Teppich bedeckten Tisch gestanden, alle
nach der Ordnung zum Hand⸗Kuß gelassen worden. Jndem aber
dieses vorging, stunde zu Jhro Kaiserl. Majestät linker Hand
der Herr Groß⸗Botschafter / welcher bisweilen mit dem Finger
andeutete, was für ein Amt ein jeglicher bey der Botschaft verwaltete.
Von
B 2
- 38 -
12
Erstes Buch / Erste Abtheilung /
Von Seiner Römisch⸗Kaiserl. Majestät begab sich
der Hr. Groß⸗Botschafter mit seinem Gefolg zu Jhro Ma⸗
jestät / der regierenden Römischen Kaiserin Elisabetha
Christina: von dar zu der Kaiserl. Frau Mutter / der ver⸗
wittibten Römischen Kaiserin Eleonora Magdalena, wie
auch zu der gleichfalls verwittibten Römischen Kaiserin Ama⸗
lia Wilhelmina / weiland Sr. Majestät / Kaiser Josephs /
Glorwürdigsten Andenkens / hinterlassene Kaiserl. Frau Ge⸗
mahlin; folgends zu der regierenden Kaiserl. Majestäten
Durchlauchtigsten Erz⸗Herzoginnen Maria Theresia /
und Maria Anna / so fort auch zu denen weyland Kaiserl.
Majestäten Joseph und Leopold Glorwürdigster Gedächt⸗
nis hinterlassenen Durchläuchtigsten Erz⸗Herzoginnen / Ma⸗
ria Josepha, Seiner Durchlaucht des Chur⸗Prinzens
von Sachsen nunmehro Durchlauchtigsten Gemahlin, und
Maria Amalia / des Chur⸗Prinzen aus Bayern gleichfalls
Durchlauchtigsten Gemahlin / wie auch Maria Elisabeth
und Maria Magdalena / um von Jhnen ebener massen die Ur⸗
laubs⸗Audienz zu nehmen. Zu denen verwittibten Roͤmischen
Kaiserinnen / und vier letzt gedachten Erz⸗Herzoginnen sind
wir durch deren Obrist⸗Hof⸗Meistere und Kaiserl. Geheime
Räthe und Cammerer die Hochgebohrne Herren Joseph
Folk des H. R. Reichs Fürst von Cardona, Max. Guidobald
des H. R. Reichs Graf von Martinitz / Joseph Jgnatz
des H. R. Reichs Graf von Paar / Gundacker Poppo des
H. R. Reichs Graf von Dietrichstein / Gotthard Helfried
des H. R. Reichs Graf von Weltz / zu denen zwey erst ge⸗
nannten Erz⸗Herzoginnen aber von deren Frau Aya Anna
Dorothea des Heil. Röm. Reichs verwittibter Gräfin
von Thurn und Valsaßina / gebohrnen Gräfin Ratuit
von Suches, welche auch im Namen Jhrer Durchlauchten
wegen deren noch zartesten Alters bey dem Hand⸗Kuß die Abschieds⸗
Complimenten empfangen, und beantwortet. So sind auch von der
regierend⸗ und denen verwittibten Kaiserinnen allergnädigst,
und
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Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
13
und von sämtlichen Durchlauchtigsten Erz⸗Herzoginnen / in Ge⸗
genwart allerseits Hof⸗Damen gnädigst zum Hand⸗Kuß gelassen
worden nicht nur der Kaiserl. Herr Groß⸗Botschafter bey der
gehabten Audienz, sondern auch dessen Cavaliers, Edelleute, in⸗
gleichen die Hauß⸗Officier und übrige andern alle.
Indeme wir nun so beehrt und begluͤckt entlassen worden, hat
ein jeder wider seine vorige Stelle eingenommen, und sich üͤber die
Brücke bey der Schweitzer⸗Wache nach seinem Pferd begeben, wel⸗
che durch das lange Ausruhen noch muthiger worden: der Herr
Groß⸗Botschafter aber hielte so lang auf der Brucken auser der
Schweitzer Wacht, und sahe seine Suite vorbey gehen, bis die Hey⸗
ducken eintrafen, da dann Derselbige in seinen vorigen Platz sich ver⸗
fügte, und in derselbigen Ordnung unter Trompeten⸗ und Paucken⸗
Schall und klingenden Spiel fort ritte; wobey Er das allerhöch⸗
ste Glück gehabt, dem gröͤsten Monarchen auf Erden zum
zweytenmal das angenehmste Spectacul zu machen; wie dieser
Monarch dann Sein allergnädigstes Belieben an Seines MiniDes Kai⸗
sers Ver⸗
gnügen.
⸗
sters und Botschafters Aufzug gar merklich bezeiget, da Er
Sich allergnädigst gefallen lassen, von der Tafel aufzustehen, und
mit Seiner Kaiserl. Gemahlin zum zweytenmal zuzuschauen:
hat Sich auch in vieler Gegenwart ausdruͤcklich allergnädigst ver⸗
nehmen lassen, wie Er heute in allen, und mehr als Er gehoffet,
vergnügt worden.
Anjetzo halte ich unnoͤthig zu seyn in der Beschreibung des Ruck⸗
wegs mich aufzuhalten, angesehen solcher mit dem Anzug vollig uͤber⸗
einkommt, auser daß wir dabey einige Oerter vorbey marchiret, wel⸗
che wir anfangs nicht beruͤhret, und also den Weg etwas anders,
als zu erst, ausgetheilet; sintemaln wir durch das obere Burg⸗
Thor zwischen dem Ball⸗Hauß und Kayserl. Hof⸗Cammer zum zwey⸗
tenmal über den Kohlmarck, aber von dar durch das Pailer⸗Thor
bey den Tuch⸗Läden und Schranen oder Stadt⸗Gericht vorbey und
den Hohen⸗Markt hinunter gezogen, von dar wir uns nach der
Obern⸗Becker⸗Strassen durch den Schwibbogen über der untern
Jesuiter⸗Kirche nach dem Stuben⸗Thor, und so dann nach anfangs
bemeldten Augustiner⸗Garten auf die Land Strassen gewendet, wo⸗
bey wir dann gleiche Ordnung mit der ersten gehalten, und in Be⸗
B 3
gleitung
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14
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
gleitung einer unbeschreiblichen Menge Volkes, so uns fast den Weg
verlegt, daselbst gluͤcklich wiederum angekommen.
Gastierung
der Bot⸗
schaft.Hierauf wurde nun die ganze Botschaft, samt noch einigen
andern / so aus der Stadt darzu gekommen von dem Herrn
Groß⸗Botschafter aufs herrlichste und köͤstlichste tractiret. Un⸗
ter wehrender Tafel haben sich die Trompeter und Paucker, wie in⸗
gleichen die üͤbrigen Musicanten, sonderlich bey dem Gesundheit⸗
Trinken, lustig hören lassen, so daß sich endlich diese ganze Ceremo⸗
nie mit einem propren und freudigen Gastmal in aller zulässigen Er⸗
götzlichkeit geendiget, und grosse Hofnung hinterlassen, es werde
das Ende mit dem so vergnuͤgten Anfang nach Wunsch uͤberein⸗
stimmen: wie dann solches der Erfolg nachmaln genugsam bezeiget,
wann man aus Orient von nichts anders als den sonderbaren praͤch⸗
tigen dem Herrn Groß⸗Botschafter erwiesenen Ehren Bezeigun⸗
gen gehöret, dergleichen von der Ottomannischen Pforten vorhero
keinem erwiesen worden.
Zweyte Abtheilung.
NUnmehro wird es Zeit seyn die Reise nach Constantinopel
selbsten mit unserer historischen Feder zu entwerfen. Wir
machen uns demnach auf den Weg / zugleich aber den An⸗
fang unserer Erzehlung mit der Abreiß aus Wien. Es ist sonst ge⸗
bräuchlich, daß die völlige Abreise, nicht lang nach dem Einzug
aufgeschoben werde, weswegen auch der Herr Botschafter
gänzlich dafür gehalten, Er werde nun in wenig Tagen die Reise
antretten koͤnnen; nichts destoweniger sind einige Hindernuͤssen dar⸗
zwischen gekommen, so Jhn wider Verhoffen länger als gebräuch⸗
lich in der Kaiserlichen Residenz arêtirt, wie man uns denn nach
diesem drey und mehr Wochen noch in Wien herum gehen sehen.
Indem aber gleichwol inzwischen alle Anstalten zu einer so weiten
und beschwehrlichen Reise vorgekehret, und die darzu benoͤthigten
Sachen unterdessen in die Schiffe gebracht wurden, erhielte man
unvermuthete Nachricht, daß der Türkische nach unserm Hof be⸗
stimmte Botschafter mit einer grossen Anzahl Tüͤrken auf dem Her⸗
weg begriffen, und schon nicht weit mehr von der Gräͤnze seye, wo⸗
selbst
- 41 -
15
Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
selbst er unsere Ankunft abwartete. Weshalben unser Herr Bot⸗
schafter seine Geschäffte folgends in aller Eil expedirte, und end⸗
lich den 17. Maji um vier Uhr nach Mittag mit allen den Seinigen
zu Schiffe gieng, und kurz hernach vom Lande abstossen liesse. Hier
war nun fast die ganze Wien⸗Stadt wieder auf, davon einige ihre
Curiosité zu vergnuͤgen suchten: andere aber ihre nach der Tüͤrkey
abgehende Freunde nochmaln sprechen, und ihren wolmeinenden
Glückwunsch bey ihnen ablegen wolten, welcher um so viel herzli⸗
cher war, je leichter sie vermuthen kunten/ daß sie nicht alle wiederum
zuruck kommen duͤrften; begleiteten indessen diejenige mit dem Ge⸗
müth, bey welchen sie dem Leib nach nicht mehr zugegen seyn kunten.
Hier waren nun abermal beide Ufer der Donau von Leuten Zulauf des
Volks.
unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Standes häͤufig besetzt.
Was man nur immer in der Stadt von Kobel⸗Wäͤgen und Pfer⸗
den hat zusammen bringen können, das wurde heute alles aufge⸗
sucht und um gut Geld bezahlt, welche uns zum Theil bis nach
Preßburg begleiteten. Der mehreste und vornehmste Adel/ ja so
gar die Durchlauchtigsten Josephinischen Erz⸗HerzoginErz⸗Herzo⸗
ginnen
Gegen⸗
wart in
Prater.
⸗
nen selbst, als die nur allein in der Stadt Wien waren, sintemaln
die Leopoldinische samt der Aller Durchlauchtigsten Kaiserli⸗
chen Frau Mutter Sich dazumal zu Baden aufhielten. Hat⸗
ten sich nach dem nechst uͤber der Donau bey der Stadt liegenden
und bey dermaligen Früͤhlings⸗Zeit angenehmen Prater⸗Wald er⸗
hoben, allwo Sie aus einem Kaiserlichen Lust⸗Hauß die in schoͤn⸗
ster Ordnung rangirten Schiffe vorbey streichen sahen, wovon der
grösten an der Zahl zwey und siebenzig, und alle oben bedeckt, auch Anzahl der
Schiffe.
nicht nur zu der aufhabenden Nothwendig⸗ sondern auch Gemäch⸗
lichkeit von dem Kaiserlichen Schiff⸗Lieutenant zu Wien sehr wol
verfertiget waren; worzu die Kähne nicht gerechnet sind, deren viele
an die grossen Schiffe angebunden und auf des Herrn Bot⸗
schafters Befehl zur Zufuhr der Victualien und Ubersetzung der
Leute von einem in das andere Schiffe verordnet waren.
Unter allen præsentirte sich das Leib⸗Schiff, so den Herrn Leib⸗Schif⸗
fes Be⸗
schaffen⸗
heit.
Groß⸗Botschafter führte ungemein wol, als welches mit man⸗
cherley Farben und Gold ausgeziehret auf dem hintern Theil einen
Adler mit dem guldenen Vlies umgeben, auf dem Vorder⸗Theil
aber
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16
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
aber den Jupiter auf einem Adler führete der in der linken Hand
einen Oel⸗Zweig, als das Zeichen des Friedens, darreichte: der Ad⸗
ler aber, als der Koͤnig unter den Voͤgeln, præsentirte sich auf ei⸗
ner verguldeten Erd⸗Kugel, üͤber welche er seinen Kopf aus dem Schiff
über das Wasser streckte, und in der einen Klauen den Blitz hielte,
auf seinen Rucken aber den mit Lorbeer gekröͤnten und zwischen
zweyen Meer⸗Fräulein befindlichen Götter⸗Vater Jupiter aufhatte,
welcher durch seine ganze Kleidung und dieser Nymphen suͤssen Ge⸗
sang, oder vielmehr derselben wunderbahren Harmonie, welche sie
durch ihre in den Häͤnden haltende Noten zu verstehen gaben, den
gestiftete Frieden anzeigten. Das Ansehen dieses Schiffes ver⸗
mehreten die vierzehen schwarz⸗ und gelb⸗seidene auf lange Stangen
aufgesteckte Fahnen / als der Occidentalischen Kaisere gewöhn⸗
liche Farbe, auf deren einer Seite der doppelte Adler / auf der
andern aber das Durchlauchtigste Oesterreichisch⸗Erz⸗Her⸗
zogliche Wappen gemahlt stunde; von welchen auf den übrigen
Schiffe nur eine, oder auf denen vornehmern, zwey aufgesteckt wa⸗
ren. Die zwischen jene herum gestellte Musicanten belustigten die
Ohren auf mancherley Weise, worzu auch die zwölf auf Schiffs⸗
Manier gleich gekleidete Boots Knechte, mit ihren gewöhnlichen
Schiffer⸗Gesang das Jhrige mit beygetragen, welche mit ihren
schwarz⸗ und gelb⸗angestrichenen und hiemit von den andern Schiffen
distinguirten Rudern das Schiff fort getrieben.
Favorables
Wetter. Das an dem Tage unserer Abreise so schöne heitere Wetter
prognosticirte alsobald eine vom Himmel beglüͤckte Schiffarth, welches
auch den ganzen Tag durch getauert, und erst dazumal, als wir bereits
in Sicherheit und zu Fischament angelangt waren, sich in ein mit
Blitz und Wetterleuchten vermengten Regen verwandelt hatte.
Fischa⸗
ments Ge⸗
legenheit.Es ist aber Fischament ein von Wien ohngefehr drey Meil ent⸗
fernter und an dem Donau⸗Strand gelegener Ort, deme eine nicht
unangenehme Jnsul gegen über lieget, worinnen sich bey dieser
Frühlings⸗Zeit die Nachtigalln und andere Vögel uͤberaus an⸗
muthig hören lassen.
Bis dahin hatten die Hochgräfliche Fräulein Maria
Des Herrn
Botschaf⸗
ters beider
Fräulein
Töchter
Abschied.
Louisa / und Maria Anna ihren allerliebsten Herrn Vater / de⸗
me Sie beide an Sitten und Verstand, die Juͤngere aber auch an
der Gestalt ganz ähnlich, begleitet; von daraus sie, nach herzlichem
Wunsch
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
17
Wunsch zur glücklichen Reise und empfangenen vätterlichen See⸗
gen, mit bethränten Augen ans Land gestiegen, und noch selbigen
Abend mit der Post nacher Wien zuruck gekehrt: und dieses war
zugleich die erste Nacht, welche wir auf dem Wasser in den Schiffen
zugebracht.
Des andern Tages sind wir gleich früͤhe nach angehöͤrter MesAbreise
nach Preß⸗
burg.
⸗
se, als worzu uns vor allen der eingefallene Himmelfarths⸗Tag un⸗
sers Heylandes obligirte, bey gegebenen Zeichen aus den Trompe⸗
ten, welche Gewohnheit nachgehends beständig so wol zu Wasser als
Land gehalten wurde, unter stillem Wind nach Preßburg/ der
Haupt⸗Stadt in Ober⸗Ungarn abgefahren; wohin die Freyherrn
von Locher und Studenitz in aller frühe mit einem Jagd⸗Schiff
voraus geschickt worden, damit sie die Ankunft des Herrn GroßNachricht
von des
Herrn Bot⸗
schafters
Ankunft an
dem Köni⸗
glichen
Stadthal⸗
ter zu Preß⸗
burg.
⸗
Botschafters dem Königl. Stadthalter, den die Ungarn Pa⸗
latin nennen, ankündigen solten, wir selbst aber sind um den Mit⸗
tag allda angelangt, nachdem die im Gewehr stehende Burger⸗
schaft samt der Besatzung schon drey Tag auf uns gewartet hatte.
So bald das Leib⸗Schiff vom Schloß aus kunte gesehen und von
den andern recht deutlich unterschieden werden, wurden die Cano⸗
nen rings herum dreymal abgefeuert, welchem die an dem Ufer steDessen Be⸗
willkom⸗
mung.
⸗
hende Büͤrger und Soldaten mit ihrem Gewehr eben so oft geant⸗
wortet: und da dieses noch nicht vollig aufgehöͤret, und von unserer
Flotte die Helfte kaum angeländet, da zeigte sich schon der Koͤnig⸗
liche Stadthalter / der Hochgebohrne Graf Niclas Palfi /
in einem mit sechs Pferden bespannten Wagen, welcher von unter⸗
schiedlichen Ungarischen Bischöffen / dem Königlichen Obrist⸗
Richter / und noch mehr andern vornehmen Stäͤnden des Köͤnig⸗
reichs, die eben dazumal dem jäͤhrlich⸗gewöͤhnlichen Land⸗Tag da⸗
selbst beywohneten, nebst verschiedenen vornehmen Graͤfinen und
Frauen vom ersten Rang, wie auch dem Stadt⸗Rath mit ihrem
Burger⸗Meister begleitet war, und alle dem Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter im Namen des ganzen Adels in der Stadt die Bewillkom⸗
mungs⸗Complimenten machten. Nachdem sie hierauf eine zeit⸗
lang von unterschiedlichen Sachen mit einander gesprochen, und des
Herrn Groß⸗Botschafters prächtige Logirung auf dem Schiff
genugsam betrachtet, ist derselbige von dem Graf Palfi in seinen
Wagen zu tretten ersucht, und darauf nach der Stadt gefüͤhret wor⸗
den,
C
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Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
18
den, wohin dessen Hoch⸗Gräfliche Frau Gemahlin unter Be⸗
gleitung des vornehmsten Adelichen Frauen⸗Zimmers in einem gleich⸗
falls mit sechs Pferden bespannten Wagen gefolget. Mehr andere
mit zwey und vier Pferden bespannte Wägen brachten ebenermas⸗
sen den übrigen Adel in des Herrn Stadthalters Behausung,
woselbst eine für einen so hohen Gast und vornehmen Gefehrten
prächtig zubereitete Tafel fertig stunde, auf welcher die Menge der
Speisen mit denen kostbar⸗ und netten Geschirren sehr wol überein
kamen. So fehlte es auch nicht an Musicalischen Jnstrumenten,
womit das Knallen der losgebrannten Canonen bey dem Gesund⸗
heit⸗Trinken beständig abwechselte / und den Appetit zu denen ohne dem
sehr delicaten Gerichten noch mehr reitzten.
Nachdem die Tafel endlich aufgehoben worden, sind schon die
Wägen wiederum bereit gestanden, die vornehmen Gäste nach dem
nah gelegenen Berg zu füͤhren, und auf denselben das gleichsam über
die Stadt hangende Schloß etwas eigentlicher zu betrachten, wobey
man ihnen zugleich den Thurn gezeigt, worinnen die Königl. Cron
mit vielen Schloͤssern verwahrt und aufbehalten wird. Nach die⸗
sem hat man sich in den ohn weit der Stadt gelegenen Lust⸗Garten
des Herrn Stadthalters begeben, allda der angenehme Früh⸗
lings⸗Luft und anderer Bequemlichkeiten zu geniesen. Bey der Zu⸗
ruckkunft hat man sich wieder zu Schiffe begeben, um daselbst, wie
die vorige Nacht, das Nacht⸗Lager zu halten, auser etlichen weni⸗
gen, welche von ihren Freunden eingeladen worden, und deswegen
ihr Quartier die Nacht über in der Stadt genommen.
Den Tag darauf, als den 20ten dieses Monats, ist die
Des Herrn
Botschaf⸗
ters Frau
Gemahlin
Abschied
von ihrem
Herrn.Hoch⸗ und Wol⸗gebohrne Frau Maria Elisabeth / Freyin
von Burscheid / Seiner Excellenz wehrteste Gemahlin / wel⸗
che Jhren innig geliebtesten Ehe⸗Herrn bis hieher begleitet, nach
wechsels⸗weisen Abschieds⸗Complimenten und zärtlichster Umhal⸗
sung, um 9. Uhr Vormittag, nicht ohne innerliche Gemüͤths⸗Be⸗
wegung mit der Post wiederum nacher Wien abgegangen, wir aber
haben hierauf unter abermaliger Loßbrennung der Canonen unsere
Reise weiter fortgesetzet.
Ehe ich mich aber von Preßburg weg begebe, muß ich noch
etwas, das ich daselbst beobachtet, mit wenigen anmerken; ob ich
schon
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
19
schon nicht zweifle, daß einige von den Lesern solches bereits gehöͤret,
aber doch nicht mit Augen gesehen haben:
Jn der Grafschaft Comorn auf des Graf Zichi Gütern, in Zwillinge /
so an ein⸗
ander ge⸗
wachsen.
dem Dorf Szany, sind von eines Bauern Eh⸗Weib, welche, da
ich dieses schreibe, mit ihrem Mann noch bis auf diese Stunde lebet,
im Jahr 1701. den 26. des Weinmonats, Zwillinge weibliches
Geschlechts gebohren worden, welche mit dem Ruckgrad an einan⸗
der gewachsen, also daß eine der andern, wo sie sich hinwendet, fol⸗
gen muß, sonst aber nicht haͤßlich wäͤren, wann sie nur diese Zusam⸗
menwachsung nicht entsetzlich und ungestalt machte. Sie haben bei⸗
de zwey Hände, so viel Füsse, eine jede ihren besondern Kopf und
Leib, können beiderseits ihre Glieder gebrauchen, und fehlt ihnen
auch im geringsten nicht an Verstand, so daß, wann man sie nur
sitzen siehet, und keine weitere Nachricht von ihnen hat / nichts un⸗
gestaltes an ihnen zu bemerken ist. Die Aeltere, so drey Stund eher
gebohren, nennet sich Helena, die Juͤngere Juditha, welche vor
ohngefehr drey Jahren von einem Schlag⸗Fluß gerührt worden
wodurch sie an der Sprach und Vernunft Schaden gelitten, und
dahero anjetzo etwas einfältig scheinet. Die Aeltere aber, so allezeit
ihre gesunde Vernunft behalten, ist an Gesicht und Sitten wol be⸗
schaffen, und bewegt billig jederman zum herzlichen Mitleiden, weil
sie bey vollkommener Gesundheit und Vernunft, ihre Schwester
bruͤnstig liebet, den Stand, in welchen sie ist, wol erkennet, und auf
solche Weise doppelt elend zu nennen, angesehen sie an ihrem und der
Schwester Unfall Theil nimmt. Sie sind noch in ihrer Kindheit
von einem Ungarischen Arzt, Namens Csuszi, mit der Eltern Er⸗
laubnis, welchen er ein Stuck Geld dafuͤr bezahlet, um ihm die Kin⸗
der auf eine gewisse Zeit zu überlassen, durch unterschiedliche König⸗
reiche und Länder / nemlich durch Teutschland, Engelland, Frank⸗
reich, Welschland, Pohlen, Bajern, Oesterreich, Mähren und Ungarn
geführet worden; wie sie dann auch noch Teutsch, Französisch und
Ungarisch reden koͤnnen, die uͤbrigen aber haben sie aus Mangel der
Ubung und wegen ihrer damaln noch zarten Jugend, wiederum ver⸗
gessen. Es hat aber gleichwol Jhro Eminenz und Durchlaucht
der Cardinal Augustus von Sachsen⸗Zeitz und Erz⸗Bi⸗
schof zu Gran / den seine Beständigkeit im Glauben, Furcht Got⸗
tes, und Liebe des Nechsten genugsam bekannt gemacht, das ge⸗
C 2
dunge⸗
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20
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
dungene Geld dem Arzt zuruck zahlen, und die Kinder von ihm wieder
abfordern lassen, weil Er besorgt, es moͤgte das lange Umziehen dieser
Mägdlein ihnen einen schlechten Vorrath an guten Sitten zu wegen
bringen, vielmehr aber ihre Unschuld, wie es gemeiniglich bey der⸗
gleichen Gelegenheit zu geschehen pflegt, dardurch verlohren gehen;
damit nun aber solche in bessere Sicherheit gestellt wäre, ist Er dem
besorgten Ubel noch bey Zeiten vorgekommen, hat sie besagtem Arzt
noch in einem Alter von neun Jahren abgenommen, und denen Ur⸗
selinern zu Preßburg mit Vorstreckung der hierzu nothwendigen Un⸗
kosten zu weiterer Erziehung übergeben; von denen sie erst Lesen
und Schreiben gelernet, und in der Religion, wie auch unterschiedli⸗
cher Hand⸗Arbeit, als Sticken, Spitzen glöckeln rc. unterrichtet
worden. Jch habe etwas von ihrer Arbeit gesehen, welches für ein
Meister⸗Stück passiren kunte.
Sie sind in dieses Closter im 1710ten Jahr den 21. Merz auf⸗
genommen, nunmehro bis in das eilfte Jahr erhalten, und anjetzo zu
dem zwanzigsten ihres Alters gebracht worden. Von der Zeit an,
da sie in dieses GOttes⸗Hauß gekommen, sind sie beständig darin⸗
nen geblieben; wie man ihnen dann auch eine geistliche Jungfrau
zugegeben, welche immer um sie seyn, sie uͤberall hinfüͤhren und auf
ihr Thun und Lassen Achtung geben, auch von solchem auf Befra⸗
gen Rechenschaft geben muß. Von dieser habe ich in Abwesenheit
anderer alles dasjenige, was ich in diesem Punct zu wissen verlangt
erfahren; weil sie nach der Warheit dafuͤr gehalten, daß meine so
genaue Nachfrag nicht aus Vorwitz, sondern Amts halben und dem
gemeinen Wesen zum Nutzen geschehe; wie ich dann zu dem Ende
alle andere weg gehen heisen, damit sie, wann niemand als ich allein
zugegen mit gröͤsserer Freyheit mir dasjenige erzehlen moͤgte, wovon
sie sonst durch die Schamhaftigkeit wegen der Gegenwart junger
Leute würde seyn abgehalten worden.
Habe demnach von ihr vernommen, daß jene die Theile des Lei⸗
bes, welche Scham und Erbarkeit zu nennen verbiethen, und
durch welche Speiß und Trank, nebst dem uͤbrigen s. v. Wust und
Unflat abgeführet wird, nicht an den gewöͤhnlichen Orten stehen,
sondern daselbst, wo es andere Menschen haben, alles verschlossen
ist; hingegen von unten, wo die Zusammenwachsung anhebt, sind
ihnen diese Theil des Leibes gemein / jedoch also, daß gleichwol,
wann
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
21
wann z. E. eine dasjenige, was sie incommodiret, von sich zu
schaffen benöthiget ist, die andere darum eben nicht so fort desglei⸗
chen thun darf, sondern eine jedwede absonderlich von der Natur
deswegen erinnert wird, so daß, wann sich eine von den verdauten
Speisen entlediget, die andere bisweilen nur die Blase von der
überflüssigen Feuchtigkeit reiniget. Jhre monatliche Reinigung
stellt sich auch nicht zu gleicher Zeit bey ihnen ein, sondern manquirt
oft um acht und mehr Täge von der andern. Es kommt wol, daß
wann eine schlaͤfft, die andere wachet; und wann diese arbeitet, die
andere ruhet. Es isset wol eine, wann die andere trinket, oder was
anders vor hat: Hingegen sitzen, stehen, gehen und liegen sie allezeit
zusammen mit groser Beschwehrnis, weil die Zusammenfuͤgung der
Cörper es nicht anders zu lässet. Wann sie mit einander reden
wenden sie einander mit gebogenen Häͤlsen das Gesicht zu. Sie kuͤs⸗
sen sich zusammen aus Liebe, schlagen sich aber auch tapfer mit Fäͤu⸗
sten, wann sie boͤß sind. Wann ein Streit zu der Zeit, da sie beider⸗
seits noch bey guten Kräften gewesen, zwischen ihnen entstanden,
hat diejenige, welche sich stärker zu seyn glaubte, die andere üͤber die
Achsel genommen und davon getragen: jedoch sind sie vielmehr eines
stillen und sanftmuͤthigen Wesens, als daß sie sich oft erzürnen sol⸗
ten, und tragen ihr gemeines von GOTT aufgelegtes Creutz mit
Christlicher Gelassenheit.
Als vor drey Jahren die Jüngere gefährlich erkrankte, wovon
oben schon etwas gemeldet worden, hat man die Aeltere gleichfalls zu
einem seligen Tod bereitet, und durch einen Priester Christ⸗Catho⸗
lischen Gebrauch nach mit allen Sacramenten versehen lassen, weil
die meisten Medici dafür gehalten, daß die eine nach Absterben der
andern nicht lang mehr werde leben koͤnnen: welches sie auch hier⸗
aus behaupten wollen, weil, so oft sich eine nicht wol befunden, die
andere ebenermassen, ob sie schon mit gleicher Krankheit nicht behaf⸗
tet war, einige Unruhe in dem Gemuth, Schwachheit der Sinnen
und unordentliche Bewegungen der innern Theile des Leibes verspuͤh⸗
ret. Gleichwol aber ist nicht zu zweifeln, daß diese so wunderlich
gestaltete Cörper von zweyen Seelen begeistert werden: dann wir
moͤgen gleich das Herz oder das Haupt fur den Sitz und eigentlichen
Wohn⸗Platz der Seelen angeben, so wird doch keines von beiden
unsere Meinung umstossen, absonderlich da noch so vielerley unter⸗
C 3
schie⸗
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22
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
schiedene Verrichtungen, einander zu wider laufende Gedanken, und
mancherley Gemüths⸗Bewegungen hiebey zu schulden kommen.
Noch eines habe ich zu melden vergessen, daß nemlich nach dieser so
wunderwuͤrdigen und schwehren Geburth die Mutter gleichwol von
eben diesen Vater noch andere Kinder gebohren, die aber alle gesund
und wolgestaltet sind, und nichts unnatuͤrliches an sich haben.
Allein ich muß nun wiederum nach dem Strom zu eilen, wo
Reise nach
Comorn.
ich nicht noch einmal die Flotte versäumen, und in einem andern
Schiff derselbigen kümmerlich folgen will, wie mir dazumal würk⸗
lich geschehen / da ich mich mit gedachter Jungfräulichen Zucht⸗
Meisterin in ein so weitläuftiges Gespräch wegen ihrer seltsamen
Untergebenen eingelassen. Auf diesem aber schwimmet die völlige Flot⸗
te schon Anker loß herum, und nimmt ihren Lauf gerades Wegs nach
Comorn zu / allwo wir doch erst den 21ten May Nachmittag an⸗
gelangt, nachdem wir den vorigen Tag unser Nacht⸗Lager in der
Gegend der Jnsul Schütt zu Avazar auf den Fluß gehalten.
Allenthalben, wo wir vorbey fuhren, stunde das Volk Haufen⸗weis
Mühl⸗Knechte
springen
ins Wasser.am Ufer; so sprangen auch einige Müͤhl⸗Knechte, die selbst halbe
Schif⸗Leute waren, vom freyen Stücken ganz nackend ins Wasser,
und schwamen dem Leib⸗Schiff zu, um ein Trank⸗Geld davon zu
tragen. Wir indessen haben heute so wol, als gestern / auf dem
Schiffe gespeiset, und, um keine Zeit zu verliehren, unter beständi⸗
Die von
Comorn
entgegen⸗
geschickte
Schiffe. gen Fortfahren das Mittag⸗Mal eingenommen. Da wir noch bey
drey Stunden von Comorn entfernet waren, kamen uns schon
viere von ihren Schiffen entgegen, so die Ungarn Tschaicken nen⸗
nen, und theils 16. theils 14. Ruder führen, welche die neu an⸗
kommenden Gäͤste mit ihren aufhabenden Stucken und Doppelha⸗
cken lustig bewillkommeten, sich so dann vor das Leib⸗Schiff setzten,
und den Herrn Botschafter bis an die Stadt bekleideten. Der⸗
jenige, so selbige commandirte, hatte Denselbigen im Namen
des Commendanten complimentirt: dessen Schiff mit wol exer⸗
cirten Kaiserlichen Soldaten, die übrigen aber nur mit Land⸗Volk
Ankunft
vor Co⸗
morn. besetzt waren. Da wir aber noch nicht völlig vor den Stadt⸗Mau⸗
ern angelangt, kunten wir schon das Donnern der Carthaunen höͤ⸗
ren, welches auch nicht eher nachließ, bis die ganze Flotte einge⸗
lauffen.
Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
23
Bald hierauf kame der Commendant von der Vestung
Herr Graf von Welz / in eigener Person, mit einigen Hand⸗
Pferden versehen, und von seinen Bedienten und unterschiedlichen
Officiern aus der Besatzung begleitet / deme so gleich die Vornehm⸗
sten aus der Grafschaft, der Stadt⸗Rath und etliche Geistliche aus
der Gesellschaft Jesu folgten / welche letzten dem Herrn Groß⸗
Botschafter theils in ihrem, theils anderer Namen mit folgender
in Eil entworfenen, aber in Lateinischer Sprach verfaßten Rede, zu
seiner glüͤcklichen Ankunft gratulirten:
Da Eu. Excellenz, Jhro Römisch⸗Kaiserlich⸗ auch in
Teutschland, Spanien, Ungarn und Böheim Königlichen
Rede der
Priester
aus der
Gesellschaft
Jesu.
Majestät / des an Tugend⸗ und Thaten warhaftig grossen
CARLS des VI. Geheimer Rath, General-Feld⸗Mareschal, und
Groß⸗Botschafter nach der Pforten, an unserm Gestad glüͤck⸗
lich angelanget/ lege ich im Namen der Loͤblichen Ge⸗
spanschaft von Comorn, deren Herrn Prælaten, Ständen,
Freyherrn und Adels dieser Academie, wie ingleichen der Stadt,
und letzlich auch unserer geringsten Gesellschaft Jesu mei⸗
nem ergebensten Wunsch darzu ab. Der Höchste lasse
Eu. Excellenz wie bisher / also auch noch ferner Dero Rei⸗
se nach Wunsch fortsetzen / und das Constantinopolita⸗
nische Ufer gluͤcklich erreichen; Er segne Dero hohe Ver⸗
richtungen/ damit derjenige Friede / welcher durch Euer
Excellenz das vorige Jahr zu Passarowitz nach aller Ver⸗
gnuͤgen geschlossen worden/ anjetzo zu Constantinopel noch
mehrers befestiget werde; und gebe/ daß alles zuvoͤrderst
zu Seines allerheiligsten Namens Ehre, und dann zu des Al⸗
ler Durchlauchtigsten Oesterreichischen Hauses beständi⸗
gen Sicherheit des H. Röm. Reichs unverbesserlichen Nu⸗
tzen / der ganzen Christenheit höchst⸗erwünschten Wachs⸗
thum / nicht weniger auch zu aller Seiner Kaiserlichen
Majestät getreuen Vasallen Trost und Zufriedenheit aus⸗
schlage. Jch finde auch an glücklicher Erfüllung meines
so wolgemeinten Wunsches so viel weniger Ursach zu
zweifeln / je mehr ich solche an Euer Excellenz Schiff sol⸗
che
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Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
che bereits abgeschildert sehe. Dann was will der Lö⸗
wen⸗Kopf auf dem Vorder⸗Theil des Schiffes anders
anzeigen / als die Stärke? was solte man sich wol na⸗
türlichers durch die Welt⸗Kugel vorstellen können / als
die Beständigkeit? was könnte uns der auf dem Römi⸗
schen Adler sitzende Jupiter mit seinem in der linken Hand
führenden aber mit Lorbeer gecrönten Blitz / und welcher
mit der rechten denen Meer⸗Fräulein ein Zeichen zum sin⸗
gen gibt/ sicheres Versprechen / als einen nach aller
Wunsch bestättigten Frieden? Daß nun demselben Euer
Excellenz sieg⸗prangend zurück bringen und bestättigen
auch hoͤchst beglüͤckt nach denen Oesterreichischen Erb⸗Landen
umkehren und zugleich den best⸗verdienten Lohn Jhrer so
grosen Bemuͤhung empfangen moͤgen / wuͤnsche Euer Ex⸗
cellenz in Namen dieser Löblichen Gespanschaft, Academie,
Stadt / und unserer geringsten Gesellschaft mit ergeben⸗
sten Gemüth / Dero Gnade und Gewogenheit Sie aller⸗
seits demüthig empfehlend.
Beschrei⸗
bung der
Vestung
Comorn. Nach diesem haben wir den übrigen Theil des Tags in Be⸗
schauung der noch nie eroberten Stadt und Vestung zugebracht;
wobey wir auf Befehl des Commendanten von einem daselbst in
Besatzung liegenden, und in Kriegs⸗Sachen und andern passirten
Dingen nicht unerfahrnen Soldaten über die Stadt⸗Mauern durch
die Werker, Wälle und Gräben, Fläche und Abschnitte geführet
worden, welche wir alle mit guter Bequemlichkeit observiret haben.
Am merkwuͤrdigsten schiene uns eine in Stein gehauene Amazonin,
welche ihrer Feinde spottete, und in der linken Hand das gewoͤhnli⸗
che Sieges⸗Zeichen, nemlich einen Lorbeer⸗Cranz hielte, wordurch
die Nachkommen solten erinnert werden, daß diese Stadt, so ehedem
vom Kaiser Ferdinand dem I. erbauet worden, bishero
von denen Türken nicht habe köͤnnen eingenommen werden. Sie
liegt vortreflich wol auf einem Huͤgel, so daß man ihr nicht leicht
beykommen kan, und wird auf beiden Seiten von der Donau und
der Wage umgeben; wo sie aber ans feste Land stosset, ist sie mit
vielen Gräben, Morast und Werkern versehen, so daß es schwehr
fallen wuͤrde, wann man daselbst Minen anlegen wolte, wie man
dann
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
25
dann auch ohne die gröste Mühe keine Stüͤcke zum beschiessen da⸗
hin bringen kan. Man gibt vor, als ob die Vestung ihren Namen
daher bekommen, weil, da sie einsmals vom Feind aufgefordert
worden, der Commendant, welcher ein Teutscher war / ihme, so
oft er angefragt, zur Antwort gegeben: Komm Morgen; wo⸗
mit er so lang angehalten / bis der Feind aus Verdruß seinen Ab⸗
schied wieder genommen, und die Belägerung aufgehebt. GOtt
und alle Schutz⸗Heiligen von ganz Ungarn geben, daß ich ein glück⸗
seliger Prophet seye, und nachgesetztes zu einer guten Stund
schreibe:
Es wird diese Vestung allezeit ihrer Köͤnige sicherster
Schirm und Verthaidigung / hingegen der Feinde Schre⸗
cken seyn / wann anderst ihre Commendanten nicht da⸗
durch sicher werden / weil sie wissen / daß wir durch wie⸗
der eroberte oder erst in Botmaͤßigkeit gebrachte Läͤnder
auch zugleich neue Vestungen dem Koͤnigreich zugebracht;
sondern die eingegangene Werker fleißig repariren / alle
Nothwendigkeiten anschaffen / und nichts / was zu einer
tapfern Gegenwehr erfordert wird / unterlassen / und die⸗
ses eben so fleißig / als wann es die äusserste Gränz⸗Ve⸗
stung und letzte Zuflucht waͤre.
Des andern Tages sind wir bey anbrechender Morgen⸗Röͤthe
Gran.
unter mehrmaliger Abfeurung des Geschuͤtzes nacher Gran/ wel⸗
che Vestung ihren Namen von dem vorbey laufenden Fluß hat, ab⸗
gefahren, allwo wir mit aller gewöhnlichen Ehren Bezeugung aber⸗
mal empfangen worden; wie dann hernach allezeit zu Ofen / PeEhren⸗Be⸗
zeugungen
der Gesand⸗
schaft in
Städten
und Ve⸗
stungen.
⸗
terwardein / Belgrad und allen übrigen Städten, so wol bey
unserer Ankunft als auch bey unsern Aufbruch die Stüͤcke gelöͤset
worden. Es kamen uns hier, wie gestern bey Comorn/ noch un⸗
ter weges einige Tschaicken entgegen, worauf wiederum die Loß⸗
brennung des Geschüͤtzes, die Ankunft des Commendanten Ba⸗
ron von Kuchenländer, und eine von den Herrn Jesuiten der
gestrigen nicht ungleiche Lob⸗Rede erfolgte.
Beschrei⸗
bung der
Vestung
Gran.Die ungestuͤmmen Wellen verhinderten uns an fernerer Fortse⸗
tzung unserer Reise, und gaben mir zugleich Gelegenheit, mit den an⸗
dern ans Land zu steigen, und meinen Gebrauch nach mich umzuse⸗
hen, ob mir nichts sehens⸗ oder merkwürdiges aufstossen werde;
wes⸗
D
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26
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung.
weswegen ich diesesmal mit einigen von unsern Leuten nach dem
Schloß hinauf gieng, welches mehr durch die Natur als Kunst be⸗
Die Kirche
zu Gran. festiget ist. Jn der Mitten desselben stunde eine sehr alte verwüͤste⸗
te Kirche, von welcher die noch hier und da übergebliebenen alte
Mauren und Stücke von dem Gebäͤu zeigen, daß deren Eingang /
die Mauren, Säulen, Bilder, Porten, ja die ganze Kirche von
gehauenen Marmor, so nur zwey Stunden von dar soll gegraben
werden, aufgeführet gewesen: So zeigen sich auch gleich bey dem
Eingang die Bildnüͤsse der Heil. Propheten altes Testaments und
kan man noch die aus der Heil. Schrifft beygefügte Sprüͤche lesen
welche die Bilder desto erkaͤnntlicher machen, daß billig zu muthmas⸗
sen, diese Kirche seye von den Christen zu erst erbauet, und dem
Heil. Adalberto geweihet worden, nach der Zeit aber und durch den
Krieg samt der Stadt und dem Schloß in der Tüͤrken Hände gekom⸗
men, welche diesen alten Erz⸗Bischöflichen Sitz verwuͤstet, die Hei⸗
ligthümer zerstört, die Bilder, wie es ihr Gesetz mit sich bringt, so
weit sie reichen koͤnnen, zerstuͤmmelt und ausgekratzt, und den Platz
zu einer Moschee gemacht; weil sie aber etwan durch die Kaiserliche
Sieg⸗reiche Waffen einesmals aus dem Feld geschlagen, oder mit
einer scharfen Belagerung heimgesucht worden, und dahero dieselbe
sich nicht läͤnger zu behaupten getrauet, haben sie muthmaßlich den
grösten Theil davon verbrannt: wie dann von einem so prächtigen
Gebäu unter einem so grossen Stein⸗Hauffen nichts mehr uͤbrig ge⸗
blieben, als eine kleine Capell, deren anfangs sieben sollen gewesen
seyn / ohne das Schiff, oder den mittlern innern Theil, die bedeckten
Gänge, Vorgebäue, Eingang und Sacristey. Diese Capell hat
ein Erz⸗Bischoff aus dem Geschlecht der Grafen Esterhasi aus
einer Türkischen Moschee zur Kirche des wahren GOttes wiederum
geweihet; der grose Kirchen⸗Fürst aber und Cardinal Thomas
Bakacs / ein naher Befreunder der Grafen Erdödi / aus son⸗
derbarer Freygebigkeit mit einem kupfernen Dach bedecken und noch
darzu viele Kostbarkeiten zur Auszierung reichen lassen. Dieser Kir⸗
che stehet etwas zur rechten ein gleichfalls sehr altes Gebäu auf ei⸗
nem Felsen, welches von dem Pfarrer dieses Orts bewohnet wird;
in demselbigen soll jenes Gemach anzutreffen seyn, worinnen der
Des Heil.
Stephani
Geburts⸗
Ort.H. Stephan König in Ungarn / dem gemeinen Ruff nach, ge⸗
bohren worden. Uber dem Schloß liegt noch ein anderer Berg,
von
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
27
von der Kirche des Heil. Thomas, so dieser Orten gar sehr verehrt
wird, und welche darauf gebauet ist, der Thomas⸗Berg genannt.
Man findet so wol in der Stadt als herum liegenden Gegend noch
von vorigen Zeiten her viele traurige Merkmale der Türkischen
Grausamkeit, welche, woferne Ungarn nicht ein so gesegnetes Land
wäre, schwehrlich wiederum hergestellt werden koͤnnten. So siehet
man auch da herum wenig Haͤuser, welche zierlich und nach der
Kunst gebauet, sondern entweder nur von Leimen und Holz, oder
ungehauenen Steinen ohne einige Ordnung aufgefuͤhret sind. Es
hat aber nunmehr die gesegnete Jesuiter Gesellschaft, die bekanntli⸗
cher massen auf ihres Nechsten Wolfarth und die Unterweisung der
Jugend jederzeit eifrig bedacht ist, auf ein neues und schoͤnes Gebäͤu
gedacht, welches weit ansehnlicher als das vorige seyn und zu ihrer
Bewohnung und einer bequemen Schule füͤr ihre anvertraute Ju⸗
gend dienen wird; und wann dasselbige seine Vollkommenheit er⸗
reicht, und der Höchste neue Wolthäter und Goͤnner erwecket, wor⸗
zu sie grosse Hofnung haben, werden sie auch um die Auferbauung
einer Kirche besorgt seyn, wordurch alsdann die Stadt ein besseres
Ansehen bekommen duͤrfte. Als wir von dem Berg zurüͤck gekom⸗
men, haben wir mit denen andern das Mittagmal eingenommen,
wovon wir uns bishero durch unsere Curiositè abhalten lassen. Den
Nachmittag passirten einige mit Spatzieren gehen, andere mit Ja⸗
gen, bis endlich Abends gegen sechs Uhr der Wind sich gelegt, und
die Donau stiller worden; weswegen man die, so sich etwas weit
entfernet, durch den Schall der Trompeten von dem Feld ab und zu
den Schiffen geruffen, zu welchen sie sich auch in aller Eil verfüͤgt;
worauf wir unter Abfeurung des kleinen und grosen Geschüͤtzes noch
zwey Stunde selbigen Tags zuruͤck gelegt, auch nach der Sonnen
Untergang zu Zopp angelanget sind. Allhier verehrte die Bauerschaft Geschenk
der Bauern
an den Hn.
Groß⸗Bot⸗
schafter.
dem Herrn Groß⸗Botschafter ein Lamm, mit welchem einfäl⸗
tigen Thier sie ihre eigene Einfalt an den Tag gelegt; doch wurde
es gleichwol mit einem solchen Herzen angenommen, mit welchen es
gegeben worden.
Des andern Tags nahme gleich bey anbrechenden Morgen die
Flotte ihren Lauf gegen Waitzen zu; welche Stadt im vorigen
Waitzen.
Jahr⸗hundert der Kirchen wiederum restituiret worden / und durch
die Niederlag des Königs in Polen / Johannes / der dem von
D 2
Wien
- 54 -
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
28
Wien flüchtigen Feind allzu hitzig nachgesetzet, genugsam bekannt
ist; welchen Verlust aber auch der Herzog Carl von Lothrin⸗
gen bey Parkan an ihnen nachdruͤcklich gerochen. Es liegt bemeld⸗
te Stadt zur linken an der Donau, an einem bequemen und frucht⸗
baren Ort, ist aber durch den Krieg und Türkische Grausamkeit
lange Zeit geplagt, öfters verbrannt, und ihr selbst dardurch ganz
unehnlich worden, so daß sie nun rechtmäͤssige Ursach hat, ihren
vorigen Glanz, den sie unter ihren ersten Bischöffen gehabt, unter
wehmüthigsten Seufzen wiederum zurück zu fordern. Jndem wir
aber die Stadt Waitzen kaum aus unsern Gesicht verlohren, wur⸗
den wir durch einen neu entstandenen Sturm⸗Wind genöthiget, oh⸗
ne Verzug abermal das Ufer zu suchen, und unsere Schiffleute we⸗
gen so lang daurenden Ungewitters zwey ganzer Stunde ausruhen
zu lassen. Nachdem endlich der Sturm etwas nachgelassen, und
man auf den Fluß wieder fort kommen kunte, sind wir durch das
scharfe Rudern, wiewol nicht ohne Gefahr wegen der an einander
stossenden Schiffe, erstlich zu Alt⸗hernach zu Neu⸗Ofen Nachmit⸗
tag zeitlich angelangt.
Empfang
der Groß⸗
Botschaft
von dem
Stadthal⸗
ter und
Rath zu
Ofen.Hier nun kame ohne langen Verzug aus dem Schloß des Ge⸗
neral Löffelholz / Commendanten zu Ofen / Herr Sohn /
welchen der Herr Vater abgeschickt, weil er selbst wegen heftigen
Schmerzen vom Podagra schon lange Zeit des Betts hüten muste;
weswegen auch der Herr Groß⸗Botschafter seine beiden Aerzte,
die Herren Hulin und Dorschæus, schon den vorigen Tag durch
ein Jagd⸗Schiff abgeschickt hatte, dem Herrn General mit guten
Rath und Hülfs⸗Mitteln an die Hand zu gehen. Jndessen legte der
Sohn im Namen des Herrn Vaters die Begrüͤssungs⸗Complimen⸗
ten ab, und führte den Herrn Botschafter samt allen ihn mit
gegebenen Adel auf drey mit sechs Pferden bespannten Wäͤgen den
Berg nach der Vestung hinauf zum Nachtessen; dabey man sich
dann recht lustig und vergnuͤgt bezeugt, worzu aber die alte Freund⸗
schaft des Herrn Botschafters mit dem Herrn Stadthalter
das meiste beygetragen. Nach aufgehobner Tafel sind die vorigen
Wägen schon wiederum in Bereitschaft gestanden, diejenige, wel⸗
che wiederum nach ihren Schiffen wolten, dahin zu bringen; da
hingegen andere zu den Jesuitern sich begeben, welche von ihnen tref⸗
lich bewürthet worden: wieder andere liessen sich belieben, nach
Pest
- 55 -
Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
29
Pest, einer Vestung an der Donau, über zufahren, allda ihre
Freunde und Verwandten / die sie zum Theil wol noch nie gesehen
hatten, auch vielleicht nicht wieder sehen duͤrften, zu besuchen. Kaum
aber, als noch vorher der Herr Botschafter an das Land gestie⸗
gen, und noch keinen Fuß in die Stadt gesetzet / machte der Bur⸗
germeister mit dem Stadt⸗Rath seine Aufwartung, und com⸗
plimentirte ihn mit folgenden Worten:
Wann bey Eu. Excellenz glüͤcklichen Anfurth das
aus hiesiger Vestung donnerende Geschütz dem grosen
GOTT das gebührende Lob dafür abgestattet / und das
Gloria in excelsis (Ehre sey GOTT in der Höhe /) deswe⸗
gen angestimmet / fügen wir billig die bekannten Worte
darzu: Et in terra pax hominibus (und den Menschen Frie⸗
de auf Erden); sintemaln wir nunmehro des Friedens
können versichert seyn / welchen vielleicht diejenige noch
für zweifelhaftig, oder wol gar noch weit entfernet
halten / die den Erz⸗Herzoglichen Hauß Oesterreich
nicht gewogen sind. Wir erfreuen uns demnach hier⸗
über in dem HErrn / gratuliren aber Eu. Excellenz mit
demuthigsten Respect; weil Sie / die durch ihren unver⸗
drossenen Fleiß / ungemeinen Klugheit / und ganz auser⸗
ordentlichen Bemuͤhungen den Frieden uns zu wegen ge⸗
bracht / solchen auch durch die auf Sich genommene ho⸗
he Gesandtschaft zu befestigen die wol verdiente Ehre ha⸗
ben. Der Höchste verleihe indessen die benöthigten Kräf⸗
ten darzu / und setze denenselbigen noch mehrere bey / da⸗
mit / was durch die bereits angetrettene mühsame Reise
angefangen ist / durch erwuͤnschten Fortgang noch meh⸗
rers beglückt / und der Hoch Gräflichen Virmondtischen Fa⸗
milie best⸗verdienter Ruhm und Name / von Abend / wo
Sie ihren Ursprung hat / bis gegen Morgen / nebst Eu.
Excellenz eigenen hohen Person ruͤhmlichst bekannt werde /
und beide Reiche anfülle; anbey auch denen unter den
Türkischen Joch seufzenden Christen zu sonderbaren Trost /
denen Ungläubigen aber darzu dienen möge / daß sie er⸗
kennen / wie sie an En. Excellenz denjenigen zu betrach⸗
ten
D 3
- 56 -
30
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
ten haben / welcher von der Oesterreichischen Sonne
dem Türkischen Mond so viel Glanz mittheilet / als dessen
Unterthanen noͤthig haben werden / in der Finsternis ih⸗
res Aberglaubens / in welcher sie bishero ganz hochmü⸗
thig herum gedappet / das wahre Glaubens⸗Licht und
Christliche Sanftmuth zu erkennen / als die von der un⸗
vergleichlichen Gütigkeit des siegenden Carls nunmehro
den Frieden geniesen. Jndem wir nun um unseres Wun⸗
sches kräftige Erfüllung den grosen GOTT eifrigst anfle⸗
hen, thun in Eu. Excellenz hohen Gnade wir uns in tief⸗
ster Unterthänigkeit empfehlen.
Ofen.Uber dieses / was andere Scribenten schon vor mir von der
so beruffenen ehmaligen Königlich⸗Ungarischen Residenz⸗
Stadt / und ihrer Gelegenheit, Alter, Fruchtbarkeit des Erd⸗
reichs, Menge der Früchten, Güte des Weins und dessen Uber⸗
fluß, temperirten Himmel, gesunden Luft, vortreflichen und ihrer
Würkung wegen allenthalben berüͤhmten Bäder, der treflich forti⸗
ficirten Vestung rc. angemerket, finde ich noch zu berichten, daß
der Commendant ein so prächtiges Hauß aufbauen lasse, in wel⸗
chem zu residiren sich die alten Ungarischen Koͤnige / wann sie
aus der andern Welt wieder zurück kommen solten / oder auch wol
die heutigen, wo Jhnen die Oesterreichischen Erb⸗Lande nicht
noch mehr beliebten, Sich nicht schämen duͤrften. Die unter-irrdi⸗
sche in Felsen gehauene Hölen, worinnen das Pulver und andere
Amunition aufbehalten wird, versichert dasselbige vor aller Feuers⸗
Gefahr. Das Gießhaus, so unten an der Donau liegt / ist also
beschaffen, daß es die ganze Kaiserliche Armee mit genugsamen Stuͤ⸗
cken versehen kan. Eine schwehre eiserne Kette, welche vormals in
Kriegs⸗Zeiten von Ofen bis nach Pest über die Donau gezogen
worden, die Türkische auf diesen Fluß getriebene Rauberey dar⸗
durch zu verhindern, haͤnget um die aͤusere Mauern des Zeughauses,
und gibt durch dieses ihr muͤssiges Wesen nicht undeutlich zu verste⸗
hen, daß man, nachdem die Feinde von den Gräͤnzen abgetrieben,
und man ihrentwegen nunmehro in guter Sicherheit leben kan, der⸗
selben nun nicht sonderlich mehr noͤthig habe.
Den - 57 -
Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
31
Den Namen dieser Stadt wollen einige von dem Buda, des
Hunnischen Königes Attila Bruder / herführen, als von wel⸗
chem dieselbige soll erbauet, nachgehends aber von Ovus, welcher
in Ungarn zu Zeiten Kaiser Heinrichs des III. regieret hatte,
mit dem Teutschen Namen Ofen belegt worden seyn. Die vorBibliothec
der Corvi⸗
ner da⸗
selbst.
⸗
mals in der ganzen Welt so sehr beruͤhmte Corvinische Bibliothec,
welche zu Busbecs Zeiten noch beysammen und unzerstreuet war /
befindet sich nicht mehr daselbst, sondern hat, wie ich muthmasse,
ihr Quartier in Wien aufgeschlagen. Allhier haben wir unterschied⸗
liche Weine und andere auf der Reise zu Land benoͤthigte Sachen,
welche uns noch abgiengen, eingehandelt; und nachdem solche zu
Schiffe gebracht worden, sind wir den 23. darauf unter mehrmali⸗
ger Lösung der Canonen, mit welchen der Herr Stadthalter die⸗
ser Provinz, General Löffelholz / seinen nach der Türkey ge⸗
henden Freund, den Kaiserlichen Herrn Groß⸗Botschafter /
nochmaln beehrte, nach Lora verreiset. Dieses Lora ist ein
Dorf, zu Ende der Margarethen Jnsul / so die Ungarn in ihMargare⸗
then⸗In⸗
sul.
⸗
rer Sprach den Ratzen Markt nennen, gelegen, und welche dem
Durchlauchtigsten Prinzen Eugenius von Savoyen zu stäͤn⸗
dig ist. Diese Jnsul begreift in ihrem Umkreiß ungefehr 20. Meiln,
nemlich sieben in der Lange, und drey in der Breite, welcher zur
rechten der Donau Adon lieget. Daselbst hatte uns zwar das schoͤ⸗
ne Früͤhlings⸗Wetter, der heitere Himmel und angenehme Luft zur
Jagd einen Lust machen sollen; allein die schuldige Ehrerbietung,
mit welcher wir einem so grosen Prinzen verbunden waren, und
die sonderbare Hochschäͤtzung seiner Tugenden und Verdienste, hiel⸗
ten uns billig davon ab; und wann es uns gleich sonsten wäͤre er⸗
laubt gewesen, würden wir doch lieber unserer Ergötzlichkeit etwas
abgebrochen, als die Seinige im geringsten damit verstöͤret haben;
angesehen dieser Prinz ein sonderbarer Liebhaber von denen mit
Wild angefüllten Wäldern ist: haben uns demnach füͤr diesesmal
an der anmuthigen Lage dieser Landschaft und dem Anschauen der so
schöͤn bemahlten Wiesen und Feldern vergnuͤgt, und unsere
Lust auf eine andere Zeit und Gelegenheit
verschoben.
32
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
Dritte Abtheilung.
Empfang
der Groß⸗Botschaft
vom Cardi⸗
nal Czacki.
NUn hat sich der achte Tag unserer Abreise von Wien ein⸗
gestellet, da wir den Weeg bis über Födwar / oder, wie
einige schreiben, Fintuar, welches wir vorbey gefahren,
zuruck gelegt, und nunmehro an dem Gestad der Bathiensischen
Gespanschaft angelangt, von dar der Herr Groß⸗Botschafter
von sieben mit sechs Pferden bespannten Wägen, nebst einer Wurst,
nacher Colocza in des Cardinal Czacki sein Schloß abgeholet wor⸗
den, welches nicht gar eine Meil von der Donau entlegen war. Er
wurde von dem Adel der Botschaft dahin begleitet und von dem
Cardinal auf der Stiegen empfangen, hernach in den innern Pal⸗
last zu einem recht Fürstlichen Gastmal hinein geführet. Unter
wehrender Tafel liesen sich die Trompeten und Paucken lustig hören,
und eine angenehme Tafel⸗Music ergötzte zugleich die Ohren der An⸗
wesenden auf eine sehr anmuthige Art; nebst diesem wurde der Tag
und ein zimlicher Theil von der Nacht mit andern Lustbarkeiten zu⸗
gebracht; und damit auch die Augen ihre Vergnügung haben mög⸗
ten, wurden allerhand Luft⸗ und Freuden⸗Feuer angezündet. Je⸗
doch wie immerzu die Freude mit einiger Widerwäͤrtigkeit begleitet
wird, so gieng es auch hier nicht leer ab, sintemaln der zur Frölich⸗
keit bestimmte Tag mit einem traurigen Todschlag noch müͤssen be⸗
Drey kläg⸗
liche Fälle.sudelt werden. Dann da das Festin bereits seine völlige Endschaft
erreichet, und der Herr Botschafter samt den Seinigen schon
wiederum in die Wagen gestiegen, um sich gegen 2. Uhr in der Nacht
unter Begleitung der Windlichter nach den Schiffen zu begeben,
kommt einer von der Herren Grafen Laquayen, und versucht zum
öftern auf einen Wagen zu springen, wird aber durch eines andern
Feld⸗Pagen, welcher eher darauf gestanden, etlichmal davon abge⸗
halten, es mag nun seyn, daß der Wagen so viele Personen nicht er⸗
tragen konte, als welcher ohnedem in und ausen beladen war, oder
daß der im Kopf gestiegene Wein die vielleicht schon ehmals gehägte
Feindschaft wiederum erneuert; weswegen es Anfangs unter ihnen
zum Worten und endlich zum Fäusten gekommen, wobey sie die
Schimpf⸗Worte so wenig gesparet, daß dieser von dem Wagen ge⸗
sprungen, den Laquayen in die Enge hinter das Rad getrieben, und
mit
- 59 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
33
mit dem Degen so gefaͤhrlich verwundet, daß er kurz darauf den
Geist aufgeben müssen. So ist auch dieser Tag noch für einen an⸗
dern unglücklich gewesen: Es gieng nemlich der Falkner mit seiner
Flinten auf das Feld an die Teiche und Moräste, des Vorhabens,
wilde Enden zu schiessen, welche daselbst nicht rar waren; er mag
aber vielleicht stärker geladen haben, als es sein Gewehr vertragen
können, weswegen die Flinten bey deren Loßbrennung ihm in den
Händen zersprungen, und die linke Hand also zerschmettert und auf⸗
gerissen, daß man auf Gutbefinden des wolerfahrnen Feldscheerers
Morelli ihm noch denselbigen Abend den voͤlligen Arm herab neh⸗
men muste, wolte er anders sein Leben retten / welches aber erst,
nachdem er gebeichtet, und mit allen Heil. Sacramenten versehen
worden, geschehen ist. Es hat auch noch einem andern, nemlich ei⸗
nen von des Herrn Botschafers Heyducken, diesen Tag eine Fa⸗
talité betroffen; dann weil dieser von dem Ungarischen Wein mehr,
als er vertragen koͤnnen, zu sich genommen, und auf dem Schiff ein⸗
geschlaffen, ist ihm der Kopf zu schwehr worden, und er also be⸗
trunken und schlaffend bey der Nacht ins Wasser gefallen, woraus
ihn jedoch, wiewol kümmerlich die Schiffleute wieder gezogen
haben, welches er der Wachsamkeit des Freyherrn von Locher zu
danken, der den Fall vernommen, und die Boots⸗Knechte eilend
vom Schlaff aufgeweckt, um den mit den Wellen ringenden Hey⸗
ducken beyzuspringen. Und also wäͤren wir bey nahe in einem Tag
um drey Personen gekommen, wovon jedoch zwey wiederum durch
der Aerzte Sorgfalt und anderer Bemuͤhung erhalten worden.
Aber warum halte ich den Leser mit traurigen Erzehlungen so
lang auf? wir wollen viel lieber den von Jhro Eminenz zuruck
kommenden Herrn Botschafter begleiten, welcher die zwey fol⸗
gende Täge bey Tolna / Baja und Mohacz / welcher Ort von
Mohacz.
der Niederlag des Ungarischen Koͤnigs Ludwig, und hernach
durch den von Herzog Carl aus Lothringen wider den Erb⸗
Feind in vorigen Krieg ansehnlich erfochtenen Sieg nicht wenig be⸗
kannt ist, ferner die Moͤnchen und Brigitten⸗Insul schleunigst vor⸗
bey gefahren, und auf Monastor/ von dar aber nach Peter⸗
wardein fort geeilt. Die Hofnung, daß wir vielleicht das Heil.
Pfingst⸗Fest zu Peterwardein werden begehen koͤnnen, hat ver⸗
E
ursa⸗
- 60 -
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
34
ursachet, daß die Boots⸗Knechte bis in die Nacht um zehen Uhr
und noch länger frisch darauf gerudet, und die Nacht bey nahe zum
Tag gemacht, und duͤrften wir auch wol daselbst um bestimmte Zeit
eingetroffen haben, wann nicht den 27. May ein so starkes Unge⸗
witter und unverhoft entstandener Nord⸗Wind uns zum Anländen
obligirt hätte; wie wir uns dann bemuͤssiget sahen, in der Insul /
Bettler⸗Graben.welche man den Bettlers⸗Graben nennet, schon zum zweytenmal in
aller frühe ans Land zu steigen. Es wird aber besagte Jnsul darum
also genannt, weilen sich allda eine Menge Strassen⸗Räuber und
Mörder aufhalten, so sich Haufen weiß zusammen rotten, und die
Reisenden anfallen und ausplündern, wann sie ihrer mächtig wer⸗
den können. Als vor eben noch nicht gar vielen Jahren der Wol⸗
geborne Freyherr von Nehm / Kaiserlicher General-Feld⸗
Zeugmeister / und neulich gewesener Commendant der Vestung
Peterwardein, alldort von ungefehr vorbey reisete, haben ihn 60.
von dergleichen Gesindel hinterlistig angefallen, und so gar verwun⸗
det, ob er schon 50. Mann in seiner Suite hatte. Als der Him⸗
mel Nachmittag wieder heiter wurde, und der Nord⸗Wind sich
gelegt hatte, nahmen die Boots⸗Knechte ihre Arbeit aufs neue vor die
Hand, worauf wir unsern Cours weiter nach Zunta genommen
wo ohnfern davon sich die Drau in die Donau ergießt / und dem
Sclavo⸗
niens An⸗
fang.Königreich Slavonien den Anfang machet, darauf wir abends
um 8. Uhr zu Erdöd ankommen, woselbst auf einem Berg das
Stamm⸗Haus der ältesten und Hochgebohrnen Grafen Er⸗
dödi und Palfi zu sehen, so aber in vorigen Zeiten durch die geführ⸗
ten Kriege also zugerichtet ist, daß es anjetzo eher zur Wohnung der
Nacht⸗Eulen und anderer Raub⸗Vögel als der Menschen dienen
kan.
Jch habe aber nicht ohne Ursach
gemeldet, daß Erdöd so wol
Stamm⸗
Haus der
Grafen Er⸗
dödi und
Palfi. ein Stamm⸗Haus deren Grafen
Palfi, als Erdödi sey / weilen
das
Palfische Haus von dem Erdödischen herstammet, und gegen⸗
wärtig zweyer Geschlechte
Sprossen aus einer Wurzel grünen.
Dann da einer aus den Erdödischen Grafen zwey Söͤhne hatte,
davon der eine Petrus/ der andere
Paulus hiese, ist des letztern
Sohn
nachgehends Palfi genennet worden / welches eben so viel,
als wann wir in unserer Mutter⸗Sprach
sagten, der Sohn des
Pau⸗
- 61 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
35
Pauli (Pál Fi, Pauli Filius) [2]; und ist hernach dieser Name
den
Nachkömmlingen geblieben, und zu
einem neuen Stamm ge⸗
diehen.
Das Schloß liegt zur linken der Donau, auf einem hohen
vorn abgebrochenen Felsen, worzu man fast keinen Weeg fin⸗
den kan; dahero es auch ehmals seiner Feinde vergeblichen Dro⸗
hungen nur spotten kunte, anjetzo aber bey Erinnerung der vorigen
Beschaffenheit seinen Ruin und gänzlichen Untergang beklagen muß. Der Sla⸗
vonischen
Gebäude
Beschaffen⸗
heit.
Auf dem Berg liegt ein Dorf / welches mit dem Schloß gleichen
Namen führet, dessen meiste Häͤuser, wie durch ganz Slavonien,
unter der Erden stehen, und nur mit dem Dach herfür reichen, al⸗
so daß sie den Hoͤlen der wilden Thiere nicht gar ungleich kommen;
im übrigen aber von Baum Aesten oder Stroh⸗Halmen zusammen
geflochten sind. So bald wir hier angefahren, wurde uns befoh⸗
len, den morgenden Tag noch vor der Sonnen Aufgang zum Ge⸗
dächtnis der sichtbarlichen Sendung des Heil. Geistes Messe zu
halten, als dessen Jahrs Tag wir Morgen begehen würden. Nach
gehaltener Messe sind wir den 28. May als am Pfingst⸗Tag unter
guten Wind wiederum abgefahren, und in kurzem zu Bokovar, wel⸗
ches im Ungarischen so viel als die Stadt Boka (vár arx, civitas)
heißt, und an der Donau liegt, angekommen, woselbst wegen des
heiligen Tags noch mehr Messen gelesen wurden, und deren zwar
so viel / als Priester bey uns waren, welche diesen Tag noch keine
gelesen hatten.
Jndem wir nun Christlichen Gebrauch nach dem Gebot der
Kirchen nachlebten, und GOTT in unserm Glauben durch das H.
Meß⸗Opfer verehrten, kam unvermuthet ein Kaiserlicher Courier
von Constantinopel / welcher nach Wien eilte, und dem Herrn Kaiserl.
Courier
von Con⸗
stantinopel.
Botschafter die Nachricht gab, daß sich der Tüͤrkische Gesandte
schon 40. Tage zu Nissa aufhalte, und unserer Ankunft daselbst mit
Schmerzen abwarte; weswegen wir nach abgefertigtem Courier die
ein wenig unterbrochene Reise mit neuem Muth fortgesetzt, im vor⸗
bey fahren auf der rechten Seiten der Donau Jllok, einen vorneh
Jllok
⸗
men Flecken beobachtet, und denselbigen Tag erst nach der Sonnen
Untergang Futak erreicht, und daselbst uͤbernachtet haben. Allhier ist
Futak.
ein Kaiserliches Proviant-Haus, und die bequemste Ebene / ein
Kriegs⸗Heer darauf zu versammlen; wie dann auch in vorigen Krie⸗
E 2
gen
- 62 -
36
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
gen wegen des nahen Stroms, der vielen Wiesen, und Uberfluß der
Sachen, so man hier besser als anderwerts haben kan, unsere Sol⸗
daten ihr erstes Lager allda auszustecken gewohnt waren.
Peterwar⸗
dein.
Den 29. besagten Monats
haben wir uns mit nicht geringerer
Eilfertigkeit nach Peterwardein, der
Haupt⸗Stadt des Herzog⸗
thums Syrmien und Sclavonien begeben / aber auch daselbst
nicht lang verweilet, sondern uns,
nachdem wir bey dem Herrn
Obrist Tiller und anderer Orten das
Früh⸗Stüͤck eingenom⸗
men, kaum so viel Zeit genommen, diejenige Stadt, welche
einen Zeugen von der im 1716. Jahr den 5. Augusti über die Tür⸗
ken so
merkwürdig erhaltenen Victorie abgegeben, etwas ge⸗
nau zu besehen. Dann da wir nur erst
noch auf den Pasteyen wa⸗
ren, und auf derjenigen Seiten stunden, wo anjetzo ein
unerhörtes
festes Werk aufgeführet
wird, welches vielleicht die alles verzehren⸗
de Zeit selbst trutzen düͤrfte /
zugleich aber denjenigen Ort betrachte⸗
ten, wo der an Mannschaft uns weit
überlegene Feind unsere erst
über das
Wasser setzende Trouppen erwartete, anbey uns verwun⸗
derten, daß, ob sie schon
ganz eingeschlossen und noch darzu tiefer
und an einen weit gefährlichern Ort, als jene, stunden, sie
doch
gleichwol es auf ihre Tapferkeit
und die Anführung des noch nie
überwundenen Heldenmüthigen Prinzen
Eugenii ankom⸗
men liessen, und also denen mit ausgebreiteten Fahnen herzu
eileten
und zum Treffen begierigen
Türken mit ungemeiner Standhaftigkeit
entgegen giengen, siehe / da wurden wir durch öfftere Canonen⸗
Schüsse
ermahnet, uns eiligst zu den Schiffen zu begeben, und un⸗
sere Reise weiter fort
zusetzen: musten aber einen Uhrmacher⸗Ge⸗
sellen, der
denen Pagen zur Bedienung übergeben war, zuruck lassen,
weil er sich wegen beständig
anhaltender Krankheit nicht im Stand
sahe, weiter zu folgen, wie er dann auch bald nach unserer Abreise
daselbst gestorben ist. Jndem wir nun
vom Ufer abgestossen, und
uns in den
Strom begeben, præsentirte sich in derselbigen Gegend
Capell zu
Carlowitz. zur rechten der Donau eine
Capell der allerseeligsten Jungfrau Ma⸗
ria, welche den Namen vom Frieden
führet, weil solche auf Kai⸗
serlichen Befehl nach dem
Carlowitzischen Frieden an eben das
Ort erbauet worden, wo das grosse Gezelt gestanden, unter wel⸗
chem bey
Ausgang des vorigen Seculi der fünf und zwanzig⸗jährige
Stillstand mit dem Türken seine
Richtigkeit erhalten. Zur linken
Hand
- 63 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
37
Hand siehet man Kobila / Titel
/ und diejenige sumpfichte Oerter,
durch welche die Theiß ihr schleimichtes Wasser in die Donau er⸗
gieset. Um
diese Zeit wurde ein Kaiserlicher Courier nach BelKaiserl.
Courier
nach Bel⸗
grad abge⸗
fertiget.
⸗
grad an den Grafen von Oduyer, dasiger Vestung
Commen⸗
danten, und der in dem Koͤnigreich Servien stehenden Kaiserli⸗
chen Miliz
Gränz⸗Generaln abgefertiget, mit der Nachricht,
daß die Kaiserliche Groß⸗Botschaft im Anzug seye, und im
kurzen sich allda einfinden werde,
weswegen er sich moͤgte belieben
lassen, dasjenige ohne Zeit Verlust anzuschaffen, was zur Reise über
Land nöthig seyn würde. Wir indessen
sind bey Salankement
Salanke⸗
ment.
angefahren, welches Ort die Alten
Acumincum genennet, und an⸗
jetzo durch die vielen Kriege vollig
verheert und in der Asche liegt,
auch
wegen des 1681. den 19. Augusti von dem
fuͤrtreflichen Feld⸗
Herrn seiner Zeit, Prinz
Ludwig von Baden / über die Türken Die
Schlacht
daselbst.
erhaltenen Siegs nicht unbekannt ist,
welche Victorie, weil sie an⸗
fangs lang zweifelhaftig gewesen, uns
nicht weniger, als jenen
gekostet
hat: wiewol es endlich doch darzu gekommen, daß nach ei⸗
nem Verlust von
sechs⸗tausend Mann der Unsrigen die Feinde eine
notable Niederlag erlitten, wobey der Groß⸗Vezier, ein Sohn
des
grossen Kiuperli selbst
geblieben, welcher nur darinnen allein unglüͤck⸗
licher als der Vater gewesen, daß er
durch der Feinde Schwerdt
umkommen,
da dieser nach einer langen und glüͤcklichen Regierung
auf dem Bette sein Leben geendiget,
welches sonst wenigen seines
Standes
zu Theil worden.[3]
Der Berg, auf welchen die Schlacht gehalten worden, hat Calvarie⸗Berg.
von den vielen darauf gelegten Menschen⸗Koͤpfen den Namen Cal⸗
varie⸗Berg bekommen, wie dann noch bey Anbauung der Aecker
viel Gebeine von menschlichen Coͤrpern alldort gefunden werden.
Sonst ist dieser Berg daher noch merkwuͤrdig, daß er bey dem Car⸗
lowitzischen Friedens⸗Schluß zur Gränze gesetzt worden; daher es
gekommen, daß, wann etwan aus Nachlässigkeit der Hirten das
Raitzische Viehe über die Gränze nach der andern Seite auf die Wai⸗
de gelauffen, und nicht alsobald zuruck getrieben wurde, man dassel⸗
bige entweder allezeit loͤsen, oder einen jäͤhrlichen Tribut dafür bezah⸗
len müssen.
So bald wir ans Land gestiegen, begab sich der Herr Bot⸗
schafter auf den Berg, diejenige Gegend zu besehen, durch welche
E 3
Er
- 64 -
38
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
Er zu Zeiten der Ungarischen Unruhe die Kaiserliche Armée zum
öftern gefüͤhret hatte. Nachdem Er nun etlichemal daselbst auf und
ab spatziret, ist Er wieder zuruck nach seinem Schiff gekehret, wohin Er
sich einen Grichischen Pfaffen ruffen lassen, verschiedenes von ihrer
Religion und Sitten aus ihm zu erfahren; welcher sich auch also⸗
bald unter Begleitung einiger Ehrwürdigen alten Männer einge⸗
stellt, die ich vor Rechts⸗Gelehrte oder Vorstehere und Richter un⸗
ter dem Volk angesehen, und ihme vermuthlich zu dem Ende beyge⸗
sellet waren, damit ihre grauen Haare diesen jungen aber dabey
scil. gelehrten und verstäͤndigen Mann ein desto mehreres Ansehen
geben moͤgten. Hierzu fanden sich auch zwey aus dem ersten Adel
ein, nemlich die Grafen Bathyani, ein Ungar, und Bielinski/ ein
Polack, welche der Sprach dieses Landes kundig, und sich glüͤcklich
schätzten, daß diese Leute ihnen aufgestossen, von welchen sie eben so
wol vieles zu lernen hoften, als ich, der ich mir gleichfalls flattirte,
daß ihre Gegenwart mir nicht geringen Nutzen schaffen wuͤrde. Wir
sind aber leider in unserer Hofnung schaͤndlich betrogen worden, an⸗
Unwissen⸗
heit der
Grichischen
Priester. gesehen wir an diesem Mann einen so grossen Ignoranten vor uns
hatten, als man uns jederzeit die Grichische Priester, so von den
ihrigen πάππας genennt werden, beschrieben hat, wovon auch, wel⸗
ches höchstens zu bewundern, und schmerzlich zu betauren, die Bi⸗
schöffe und Kirchen⸗Vorsteher selbsten nicht ausgeschlossen sind, wie
wir nachmals aus der Erfahrung und vielen Umgang mit ihnen wol
innen worden.
Endlich sind wir den 30. May nach vierzehen⸗tägiger Reise zu
Belgrad.
Belgrad glüͤcklich angelangt, welche Vestung wir erst im letzten
Krieg von dem Erb⸗Feind wiederum erobert haben. Sie liegt auf
einem Berg zwischen der Sau und Donau, und hat unterschiedli⸗
che dort herum liegende und in das weite Feld sich ausbreitende
Städte unter sich. Auf derjenigen Seiten, auf welcher sie die un⸗
sern angegriffen, wird ein neues Werk verfertiget, damit sie vor de⸗
nen feindlichen Anfällen desto besser gesichert seyn könne. Es ist
nicht nur aller in der letzten Belägerung zugefügter Schaden wieder⸗
um repariret, sondern auch mit neu⸗ angelegten gefütterten Horn⸗
werken, ingleichen mit Cortinen oder Flächen zwischen denen Pa⸗
steyen, Gräben und Wällen also befestiget, daß die Vestung nun
wol dreymal stärker, als sie zuvor gewesen: und wann die Tuͤrken, unter
an⸗
- 65 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
39
andern auch diejenige, welche sich bey der Gesandtschaft nach dem
Römisch⸗Kaiserlichen Hof befinden, und vielleicht ehmals all⸗
da gewohnt, solche wiedersehen / werden sie sich kaum einbilden koͤn⸗
nen, daß sie in ihrem alten Grichisch⸗Weisenburg seyn, sondern duͤrften
wol eher dafür halten, man füͤhre sie durch eine unuͤberwindliche
Vestung, so gar wenig mehr hat sie von ihrer vorigen Gestalt an
sich. Unweit von demjenigen Thurn / in welchem eine Feuer⸗Kugel
das Pulver angezuͤndet, und dadurch die untere Stadt vollig üͤber ei⸗
nen Haufen geworfen, ist anjetzo zu mehrerer Sicherheit dieses schäd⸗
lichen Elements eine doppelte Gruft in einen harten lebendigen Fel⸗
sen gehauen, und durch ihres Commendanten Grafen Oduyers
ungemeine Klugheit, grosse Sorgfalt und unermudeten Fleiß in ei⸗
nen so vollkommenen Stand gesetzet / daß, wo anders GOttes
Wille dabey ist, diese Vestung hinfort jederzeit ihrer Feinde Nach⸗
stellungen wird großmüthig verlachen und vor aller Gefahr sicher
seyn können.
Es schiene unsere Ankunft jederman höͤchst⸗angenehm zu seyn,
wiewol auch solche einem Feuerwerker oder Constabels der BesaUnglück
eines Con⸗
stabels.
⸗
tzung zum Nachtheil ausschlug, welcher, weil das kurz vorhero loß⸗
gebrannte Stuck weder genug erkaltet, noch gebuͤhrender massen
ausgewischt und gereinigt war, von dem zur neuen Ladung hinein⸗
geschütteten aber auch zugleich entzuͤndeten Pulver üͤber den Wall
bis an das Ufer disseits der Sau geschmissen, und halb verbrannt
auch ihm noch darzu beide Häͤnde vom Leib geschlagen worden. Doch Empfang
der Kaiserl.
Groß⸗Bot⸗
schaft zu
Belgrad.
gleichwol hat dieser traurige Casus die uͤbrigen angestellten Lustbar⸗
keiten nicht unterbrochen, und wurde zu dem Mittagmal, welche die
ganze Zeit unsers Aufenthalts zu Belgrad für den ganzen Adel auf
das köstlichste und prächtigste zu bereitet war, durch sechs kleine Stuͤ⸗
cke, so in dem Garten gepflanzt stunden, und deren oft wiederholte Loß⸗
brennung, das Zeichen gegeben, wodurch die ganze Nachbarschaft
zugleich versichert worden, daß die Kaiserliche Groß⸗Botschaft
nunmehro angelangt, welche der Herr Commendant von jederman
wolte geehret wissen. Zu diesem nun hat den Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter / welcher gleich bey Seiner Ankunft um besserer Gemächlich⸗
keit willen das Schiff verlassen, besagter Commendant in einem mit
sechs Pferden bespannten Wagen in seine Behausung gefüͤhrt, all⸗
wo Seine Excellenz von einer in Gewehr stehenden Compagnie
Grana⸗
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40
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
Granadierer empfangen worden, die auch daselbst zur Leib⸗Wacht
verordnet waren. Alle Ergötzlichkeiten, welche gegenwärtige Jahrs⸗
Zeit und dasigen Orts Gelegenheit nur erlaubte, liese der Graf
Oduyer anstellen, den Herrn Groß⸗Botschafter und die uͤbrigen
Gäste damit zu beehren; welche unter andern in angestellten Gesell⸗
schaften, Tänzen und Spielen, die mehrentheils bis in die spate
Nacht tauerten, wie auch Comoͤdien bestunden, so die Soldaten in
Teutsch⸗ und Welscher Sprach agirten, und in welchen der Herr
Groß⸗Botschafter bey Seinem Eintritt alter Gewonheit nach
allezeit mit einer Music beneventirt wurde; welches alles dann der
geneigte Leser ohne Zweifel für solche Sachen halten wird, bey wel⸗
chen sich die Zeit auf das vergnüͤgste passiren laͤsset.
Jndeme wir uns nun zu Belgrad aufhielten, und etwas
zu gut thäten, damit wir zur küͤnftigen Reiß desto geschickter seyn
möchten, anbey uns allerhand erlaubten Kurzweil bedienten, wur⸗
den nichts destoweniger die Kaiserlichen Geschäfte eifrig getrieben,
und von dem Herrn Groß⸗Botschafter und Grafen Oduyer
mit aller Treue und Sorgfalt ausgeführet, so daß die Verweilung
hiesiges Orts kein muͤssiger Aufenthalt, sondern die groͤste Bemü⸗
hung zu nennen war, worinnen sich diese zwey grosse Kriegs⸗Män⸗
ner in Vollziehung der Kaiserlichen Befehle jedesmal finden las⸗
Absendung
eines Kai⸗
serl. Cou⸗
riers nach Nissa.sen. Man fertigte einen Kaiserlichen Courier nach Nissa ab,
welcher den Tuͤrkischen nach Wien bestimmten Botschafter unse⸗
re Ankunft bedeutete; auf der Gränz suchte man sich einen Platz
aus, wo die Auswechslung geschehen solte; das Lager wurde ausge⸗
stochen, und Zeichen aufgerichtet / üͤber welche die Soldaten nicht
schreiten durften; man bemuͤhet sich mit Einrichtung des Ceremo⸗
niels, wie es nemlich bey der Auswechslung solte gehalten werden,
welches auch nach einigen hin und her schicken mit beider Theile Ver⸗
gnügen zum Stande gekommen; die zur Fortschaffung unserer Perso⸗
nen und Sachen benoͤthigte Wägen wurden vom Land herein ver⸗
schrieben, Küsten und Kasten aufgepackt, das Proviant herbey ge⸗
schafft, und aus unterschiedenen Regimentern Dragoner, Curassiers
und leicht bewafnete Reuter, so die Ungarn Husarn nennen bis
1500. zusammen gezogen, worzu noch 200. Granadierer zu Fuß ge⸗
stossen, so uns begleiten, auch im Fall es nöͤthig wäre, zu unserer
Defens⸗
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Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
41
Defension dienen solten, anbey die bevorstehende Reise ordentlich
eingerichtet.
Da nun dieses alles von andern aufs beste versehen worden, bin
ich eintzig und allein darauf bedacht gewesen, wie ich dasjenige, was
hier merkwuͤrdiges zu betrachten, oder auf einige Weiß zu unsers
Großmächtigsten Kaisers und unüberwindlichen Prin⸗
zens mehrern Ruhm gereichen, und unsere Historie vermehren koͤn⸗
te, aufsuchen möͤgte. Zu dem Ende habe ich mich den 2. Junii
auf dasselbige Feld begeben, wo vor wenig Jahren diejenige
Schlacht gehalten worden, welche der ganzen Sache den Ausschlag
geben muste, aber, wie bekannt, vor die Tuͤrken gar ungluͤcklich aus⸗
gefallen ist. Es lag daselbst alles noch voller Toden⸗Beine / welche die
Türken unbegraben hingeworfen oder vielmehr zuruͤck gelassen, und
die der Erden eingeprägte Merkmale erzehlten die Victorien eines
solchen Feldherrns, dessen Tapferkeit die mit Schaden klug gemach⸗
te Feinde furchtsam, uns aber voller Verwunderung darüber ge⸗
macht; von welchen auch nicht leicht jemand anders als mit groͤster
Ehrerbietung und allen Respect reden wird: wie man Jhm dann
auch zu seinem unsterblichen Ruhm wird nachsagen muͤssen, daß er
die schon zweymal verfallene und beynahe verlohrne Sache der
Christenheit ganz allein voͤllig wieder hergestellet. Die von der Do⸗
nau bis an die Sau gefüͤhrte Linie, mit welcher sich unsere Ar⸗
mee zur Zeit der Belagerung vor dem aus allen Theilen der Welt
hertringenden Feind bedecket, ist mit einem breiten und hohen Wall,
aus Erd gemachten Schanz⸗Körben und unterschiedlichen hin und
wieder angelegten Werkern versehen, und siehet einer neuen Ve⸗
stung nicht unähnlich, so daß man anjetzo weder dem Schloß noch
der Stadt beykommen kan, es sey dann, daß uns der Feind vorher
aus diesen Linien vertrieben: und also haben die Kaiserliche Läͤn⸗
der nunmehr eine gedoppelte Vormauer, wo die Tuͤrken vorhero nur
eine einfache gehabt. Es ist nicht ohne innerliche Gemuͤths⸗Bewe⸗
gung anzusehen, wie diejenige Stadt, so vor kurzem vom Tüͤrki⸗
schen Aberglauben angefüllt, und des Mahomets vornehmster
Wohn⸗Platz in diesen Ländern war nunmehro dem Dienst des
wahren GOttes und den Glauben ihrer Christlichen Vorfahren
wiederum offen stehet; wie diejenigen Kirchen, spreche ich worin⸗
nen zwar Anfangs der rechte GOttes⸗Dienst floriret, aber nachge⸗
F
hends
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42
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
hends schäͤndlich entheiliget und zu Gotts⸗vergessenen Huren⸗Häu⸗
sern gemacht worden, nun auf das neue ihre vorige Heiligkeit wieder
erlanget; und da sie vorher zu des unverschäͤmtesten Bubens und
Erz⸗Betrügers Gottlosigkeit dienen müssen: zu des Dreyeinigen
GOttes Ehren von der glaubigen Gemeine anjetzo abermal besucht
werden. Hievon kunte man den 4. Junii, als am Fest der Hoch⸗
heiligen Dreyfaltigkeit ein erbauliches Exempel sehen, da das
Heiligen Römischen Reichs Graf Ernst von Schratten⸗
bach / infulirter Abt zu Domben, und Prälat bey dieser Groß⸗
Botschaft, in dem GOttes⸗Hauß der Trinitarier in Beyseyn des
Herrn Botschafters dessen ganzen Hofstatt, und des gesamten all⸗
dorten befindlichen Adels, ein hohes Kirchen⸗Amt hielte, wobey
unsere Musicanten mit allen ihren Instrumenten eine schoͤne und an⸗
genehme Music machten. Auf dieses hohe Amt folgte eine zierliche
Rede, welche ein Priester aus der Gesellschaft Jesu zum Volk hiel⸗
te, und auf die Besserung des Lebens, und andächtigere Begehung
dieses heiligen Festes zielete.
Türkischer
Mönch. Als ich den 5. Junj ungefehr um die Stadt spatzirte, begegnete
mir ein Türkischer Monch, so sie Dervichs auf ihre Sprach nennen,
und eine Art von ihren Geistlichen ist, deren meiste Ubung im hin⸗
und herwenden bestehet. Er gieng halb nackend, und wohnte in kei⸗
nem Hauß, sondern lag unter freyen Himmel bey Regen und Unge⸗
witter; seine Speise war nichts anders als Kräͤuter und Wurzel, so
er sich selbst zusammen suchte, und mit nichts als dem puren Wasser
abkochte, auch einig und allein mit dem frischen Wasser seinen
Durst löschte. Er sahe niemand an, redete auch mit keinem Men⸗
schen; doch gieng er in der Stadt herum, und wann ihn jemand
freywillig was schenken wolte, so nahme er es mit Dank an, begehr⸗
te aber von niemand etwas. Nicht ferne von der Vestung lage er
in den Grüͤnen unter den Disteln, und rauchte Tobac, oder kochte
sich etwas auf den Mittag, oder verrichtete sein tägliches Gebet,
Rosen⸗Cränze der
Türken. führte auch beständig seinen Rosen⸗Cranz in der Hand, welcher den
unsern nicht gar ungleich, nur daß die Coralln daran um ein merk⸗
liches dicker, und auch an der Zahl die unsrigen zu uͤbertreffen schei⸗
nen. An diesem Tag ließ der Graf Oduyer die zweyte Comoͤdie,
Jphigenia genannt, spielen, da Er schon vorher einmal die Bereni⸗
ce agiren lassen; in welcher der Herr Botschafter abermal stracks
bey
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Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
43
bey seinem Eintritt mit einer Music beehret worden: nach derselbi⸗
gen wurde ein Danz in des Graf Oduyers Behausung gehalten,
so bis in die späte Nacht gedauert hatte, welches nachgehends noch
öfters geschehen. Worauf den 6ten der Kaiserliche Ingenieur⸗
Hauptmann Hr. Oebschelwitz mit demjenigen Tüͤrken, welcher
Ceremo⸗
nie in Auf⸗
richtung
der Säulen.
von Nissa aus zur Einrichtung des Ceremoniels an uns gesendet wor⸗
den, nach der Gränz abgereißt, die Aufrichtung der Saͤulen daselbst
zu besorgen, und unsers Kaisers Nutzen dabey zu beobachten. Wo
die Mittlere stehen solte, da musten die Erden auszugraben, und die
Säule aufzurichten und zu befestigen, von einer Parthey so viel Ar⸗
beiter, als von der andern, genommen werden: da hingegen bey
Aufrichtung der äussern einem jeden frey stunde, wie viel er von sei⸗
nen Leuten dazu nehmen wolte. Den 7ten und 8ten Junj kamen
die Wagen an, welche unsere Sachen fort bringen solten, die man
auch in gleiche Theil getheilet, und das meiste davon an Me⸗
dardi Tag nach Krotzka voraus geschickt. So gieng auch der
Hofmeister nebst einigen von Adel mit der Post ab damit jener
die Wohnung in Augenschein nehmen, und den Herrn Botschaf⸗
ter samt dessen Gefolg bequem logiren, diese aber einige Zeit zum
ausrasten gewinnen moͤgten.
Als der 9te Tag des Monats Junii eingebrochen, und das Die Abrei⸗
se der Bot⸗
schaft von
Belgrad.
Mittagmal bey dem Graf Oduyer eingenommen war, ist der
Herr Botschafter mit wenig andern wieder zu Schiff gegangen,
ohnerachtet es den ganzen vorigen Tag und die Nacht, auch selbigen
Vormittag mit Wind und Regen beständig angehalten / woraus uns
die Bauers⸗Leute eine lang⸗daurende Näͤsse prognosticirten, wie⸗
wol es sich Nachmittag wieder ein wenig ausgekläret. Die meisten
von den Unsrigen haben sich zu Land nach Krotzka begeben wollen,
Krotzka.
sind aber nicht alle, wie wir wol glaubten, dahin gekommen, son⸗
dern zum Theil durch die eingefallene Nacht von der rechten Stras⸗
sen abgeführt, theils durch andere Zufälle verhindert worden,
daß sie diesen Abend nicht mehr, sondern erst den folgenden Tag bey
aufgehender Sonne / als wir eben schon wieder reißfertig stunden,
angelanget, da sie die Nacht vorher in dem Wald ausdauren
müssen. Zu bemeldtem Krotzka hat der Graf Oduyer laͤnger
F 2
denn
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Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
44
denn eine Stunde auf den Herrn Botschafter gewartet, weil er
zu Land den Weeg geschwinder zuruck gelegt. Allhier haben wir
Pferde von den Regimentern bekommen, deren wir uns bis an die
Gränzen bedienen konten.
Den 10ten sind wir nacher Kollar aufgebrochen, wohin die
Kollar.Kaiserlichen Soldaten / die dem Herrn Botschafter mit seinem
Comitat zur Begleitung und Defension dienen solten, theils voran⸗
gegangen, theils aber Demselbigen gefolget. Jn diesem vorzeiten so
ansehnlichen Flecken sind so wol, als in dem ganzen Königreich
wenig Häuser mehr unter den zerstöͤrten Gebäͤuen anzutreffen, wel⸗
che man bewohnen könte. Nicht gar eine halbe Stunde davon zur
linken Hand lieget eine Wiese, worauf ein mit dem hellsten Wasser
angefüͤllter Brunne, wobey sich nach der erst neulich bey Belgrad
gehaltenen Schlacht viel fluͤchtige Tuͤrken niedergelassen, ihre ermat⸗
teten Kräften etwas wieder zu erholen, sind aber von den Unsrigen
eingeholt und alle zusammen nieder gehauen worden. Den 11ten
Haßan
Bascha
Pallanka
haben wir wiederum Kollar verlassen, das Früͤh⸗Stuck zu Haßan
Bascha Palanka, oder in der von Haßan Bascha erbauten
Vestung (sintemaln Palanka eine Vestung bedeutet,) eingenommen,
Potischina
und uns weiter nach Potitschina begeben, wohin aber auser dem
Herrn Botschafter die wenigsten gekommen / so wol wegen des
bösen Wetters / als auch weilen die Brucken auf dem Weeg zerbro⸗
chen war / sondern abermal in dem Wald pernoctiren muͤssen:
von dar wir ferner den andern Tag über Devibakerdane nach
Morava
Palanka.
Jagodina / und den 13ten nach Morava Palanka / drey
Stunde über Jagodina hinaus / gerucket; nach welchem Ort der
General Oduyer schon den Tag vorher abgegangen, da wir kaum
zu Jagodina angelangt, aber heute gegen die Nacht erst kurz vor
dem Abend⸗Essen wiederum zu uns gekommen, damit Er die üͤber
Die Brücke
über die
Morava. die Morava geschlagene Brücke in Augenschein nehmen mögte.
Als wir daselbst angekommen, haben wir länger als drey Stunde
auf dieser Seite des Ufers warten müssen, ehe wir über den Fluß
kommen koͤnnen, weil die erst neu⸗verfertigte Brüͤcke selbige Nacht
durch die Gewalt des Wassers, und der in dem Strom schwim⸗
menden Baͤumen an dreyen Orten Schaden genommen. Nachdem
nun aber solcher in aller Eil repariret ward, und wir üͤber den Fluß
gesetzt, haben wir auf der andern Seiten zwischen zweyen Wassern
aber⸗
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Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
45
abermal still halten muͤssen, weil üͤber die Ravenitz gleichfalls eine
Brucke muste geschlagen werden. In dem ersten Strom, welcher Merkmal
der alten
Brücken
über die
Morava.
viel breiter, als dieser letztere, reichen noch aus dem Wasser einige
Stein⸗Haufen von der vorigen Brüͤcke herfüͤr, welche die Tuͤrken
bey ihrer letzten Flucht von Belgrad nach Nissa, als die aͤusser⸗
ste Retirade an der Gräͤnz, hinter sich abgeworfen, damit die Teut⸗
schen durch den Fluß von weitern Nachsetzen abgehalten wuͤrden.
Dieser Brucken⸗Bau aber ist nicht ohne Ungluͤck abgangen; dann Ein Hand⸗
werks⸗
mann er⸗
sauft.
als einer von den Handwerks⸗Leuten, ein Teutscher, und guter ehr⸗
licher Mann, wie ihm diejenige, die ihn kannten, nachruͤhmten, die
ruinirte Brücke ausbesserte, und einen neuen Balken an den Ort, wo
sie aus einander stunde, mit allen Leibes⸗Kraͤften hinein stossen wolte,
damit solcher nicht weiter als die andern herfuͤr gehen solte, hat er
das Tempo verfehlt, und ist von der Brüͤcke in das Wasser hinab
gestürzet, und von dem Wuͤrbel fort gerissen worden, so daß er im
Angesicht vieler, die ihme gerne zu Hüͤlf gekommen waͤren, wann sie
nur eine Möͤglichkeit vor sich gesehen, ersaufen muͤssen.
Hierauf sind die mehristen von uns noch denselbigen Abend nach
Parakin.
Parakin kommen, auser etlichen wenigen, welche mit den schwehr
beladenen Bagage-Waͤgen gefahren, und wegen immer anhaltenden
Regen und schlimmen Weeg an den ohnedem sumpfichten und mo⸗
sichten Oertern nicht fort kommen koͤnnen, und dahero erst den an⸗
dern Tag ganz beregnet und naß zu uns gestossen. Hier hat uns
abermal, wie zu Jagodina, die Moschee zum Speiß⸗Zimmer und
zugleich zur Nacht⸗Herberg dienen müssen, und wurde dem Bac⸗
chus und der Ceres ein Altar allda aufgerichtet, wo vor kurzem der
gottlose Betrieger Mahomet seine Kirche hatte. Den 14ten haben
wir zu Parakin Rast⸗Tag gehalten und zur Auswechslung uns
fertig gemacht; an welchem Tag gegen acht Uhr der neulich nach
Wien abgeschickte Aga mit dem Herrn Schmiedt/ Kaiserli⸗
chen Dolmetsch der Orientalischen Sprachen, von dar wieder zu⸗
ruck kam, den Türkischen Botschafter durch Ungarn und Oe⸗
sterreich nach der Kaiserlichen Residenz⸗Stadt zu begleiten:
welcher auch vor unsern Herrn Botschafter gefüͤhrt worden; und
so bald er seine aufhabende Commission abgelegt, hat er sich eilends
nach Nissa zur bemeldten Türkischen Botschaft begeben. Nach⸗
mittag um fuͤnf Uhr wurde ein anderer Tüͤrkischer Aga vom Seras⸗
F 3
kier
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46
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
Ein von
Seraskier
abgeschick⸗
ter Both. kier Abdola Bascha / Commendanten der Gränz und Vestung
Nissa, mit 20. Reutern abgeschickt, welcher einen auf Pergament
geschriebenen und mit einem seidenen rothen und mit Gold gestickten
Umschlag versehenen Brief, dergleichen sie sich an vornehme Perso⸗
Beschaf⸗
fenheit der
Türkischen
Briefe.nen, leinene oder wuͤllene aber an einen Unterthanen oder ihres glei⸗
chen bedienen, an den Graf Oduyer mit brachte; den der besagte
Graf durch seinen Dolmetsch, so er nur nebst dem Uberbringer al⸗
lein bey sich im Zimmer gelassen, da die andern indessen bey der Thuͤr
die angekommene Spahi vorwitzig betrachteten, auf alle Puncten
kurze Antwort ertheilte. Der Jnhalt des Briefs aber bestunde
vornemlich darinnen: wie ein und anders in dem Aufsatz des Cere⸗
moniels absonderlich aber dieses zu verstehen wäre, wann wir prae⸗
tendirten, daß man uns unter Paucken⸗ und Trompeten⸗Schall und
mit fliegenden Fahnen durch die Gränz⸗Vestung führen solle? wel⸗
ches ihre Dolmetschen, wie es schiene, nicht recht capirt haͤtten.
Nachdem nun deswegen genugsamer Bericht ertheilt, und zum Zei⸗
chen guter Verständnis und Freundschaft der gewoͤhnliche Caffé
nebst eingemachten Fruͤchten, als eine den Tuͤrken gar angenehme
Sache, vorgesetzt worden, ist er, wie solches verzehrt war,
mit den Seinigen wieder nach Raschna / woher er gekommen
zuruck gekehrt; welchen der Graf Oduyer bey seinem Abschied
aufgetragen, seinem Herrn Botschafter in seinem Namen das
Compliment zu machen, und ihn zu entschuldigen / wann er einen
solchen Gast, als er an Demselbigen bekommen wuͤrde, nicht nach
Wunsch logiren koͤnnte, weil die vornehmsten Haͤuser zu Belgrad
durch die letzte Belägerung ruinirt und in Asche gelegt worden, wel⸗
che bishero noch nicht völlig wiederum aufgebauet werden koͤnnen.
Weil es auch vielen von unsern Leuten sehr wahrscheinlich vorkam,
daß einige von diesen Spahi oder Tüͤrkischen Reutern, welche dieser
Aga bey sich hatte, nebst der Tüͤrkischen auch der Teutschen Sprach
kundig wären, auch solches einiger massen aus ihrem Thun und
Lassen abnehmen kunten, haben wir uns sorgfaͤltig gehuͤtet, daß wir
ja nichts redeten, welches ihnen einigen Verdruß verursachen moͤgte.
Eben dazumal wurden denen Pagen, Heyducken und Laquayen des
Herrn Botschafters, der Leib⸗Wacht und andern, die Kleider aus⸗
getheilt, in welchen sie des andern Tags erscheinen solten.
Je⸗
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Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl. 47
Jedoch ehe ich in demjenigen fortfahre, was sich bey der Auswechs⸗
lung zugetragen, muß ich noch etwas erzehlen, so derselbigen vor⸗
her gegangen: Es sind die Tüͤrken, als ein sehr ehrgeitziges Volk, Ehrgeitz
der Türken.
jederzeit darauf bedacht gewesen, wie sie diese ihre Gesandtschaft an⸗
sehnlicher, als wir die Unsrige / machen möͤgten; weswegen, hierzu
etwas zu contribuiren, derjenige, welcher zu Belgrad Tüͤrkischer
Seits das Ceremoniel mit einrichten helfen, und ein Quartier⸗
Meister war, so sie Reczep Aga nennen, dem Graf Oduyer im
Namen des Seraskiers 50. Beutel, so bey nahe 10000. Ducaten
ausmachen, versprochen, wann er verschaffen wuͤrde, daß er nach
gethaner Auswechslung entweder die vordere Stelle oder rechte Hand
in der Zuruͤckkehr einnehmen duͤrfte, in Betrachtung, daß er ein
Bascha von drey Roß⸗Schweifen, und unter denen Beglerbey
und Viziren/ oder Stadthaltern deren Provinzen nicht der gering⸗
ste wäre, oder welches ohne dem noch niemaln nach dem letzten
Friedens⸗Schluß geschehen, zu verhindern belieben moͤgte, damit er
nicht nach des Herrn Groß⸗Botschafters Besuchung nöthig
hätte, seine Gegen⸗Visite bey ihm abzustatten. Weme nun des
Herrn Generals standhaftes und unbezwingliches Gemuͤth nebst
seiner Liebe zur Gerechtigkeit und unverfaͤlschte Treue bekannt, wird
leicht errathen, was für eine Antwort auf diesen unvermutheten
Vortrag gefallen ist. Wann mir, ließ Er sich darauf vernehmen,
die ganze Welt vom puren Gold angebotten wuͤrde, koͤnnte noch
dürfte ich dieses gleichwol, in Ansehung meiner öͤffentlichen Bedie⸗
nung, nicht verstatten, wann ich es schon als ein privat-Mann aus
sonderbarer Freundschaft zu lassen wolte. Was aber den Herrn
Groß⸗Botschafter betrifft, führt derselbige einen solchen Cha⸗
racter, daß Er in dessen Betrachtung niemand weichen kan; ist an⸗
bey von solcher Gemüͤths⸗Beschaffenheit und Wüͤrde, daß,
wann Er auch gleich Amts⸗halben nachgeben koͤnnte,
Er es doch nicht wuͤrde thun wollen.
Vier⸗
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Erstes Buch / Vierte Abtheilung /
48
Vierte Abtheilung.
SO sind wir nun, wie gemeldet, den 14. Junj zu Parakin
angelangt, und haben daselbst Rast⸗Tag gehalten; von
dar aber den andern Tag zu demjenigen Ort gekommen,
wo die Auswechslung würklich geschehen. Dieser liegt zwischen
Der Ort
der Aus⸗
wechs⸗
lung.
Parakin und Raschna / als woselbst sich eine lange Wiese befin⸗
det, welche ein kleiner Fluß, Schuppellia genannt, durchschnei⸗
det, und mit Bergen und Wäͤldern auf beiden Seiten umgeben ist:
allda haben wir uns von dem ordentlichen Weeg ab, und etwas auf
die rechte Seiten gewendet, weil dieser Platz am bequemsten war,
unsere Soldaten in Ordnung zu stellen, worauf wir auch in selbi⸗
ger Ebne etliche Stunden stehend geblieben; der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter aber hat sich indessen in dasjenige Zelt retirirt, welches der
An uns ab⸗
gefertigte
Türkischen
Bothen.
Graf Oduyer aufschlagen lassen. Als wir noch dahin unter Wee⸗
ges waren, kamen unterschiedliche Tuͤrken bey bemeldten Grafen an,
wegen eines und des andern Bericht einzuholen: und indem wir am
erst⸗besagten Ort campirten, kam auch ein Capigi Baschi / oder
Wechsels⸗
weiser
Gruß der
Herrn Bot⸗
schafter.Cammer⸗Herr bey denen Türken, unter einer Begleitung von 14.
Pferden zu unsern Herrn Groß⸗Botschafter / welcher Jhm
nach Contestirung öffentlicher Freundschaft in Namen seines Bot⸗
schafters das Compliment machte. Diesem wurde, so bald man
ihn noch von ferne wahrnehmen kunte, der Freyherr von Stu⸗
denitz entgegen gesandt, welcher das Gegen⸗Compliment ablegen
solte, wann er in Erfahrung bringen wuͤrde, daß jener um angezeigter
Ursach willen gekommen; wo er aber eine andere vermerken moͤgte,
könnte er sich nur auch anstellen, als ob er um einer ganz andern
Verrichtung wegen ausgeschickt wäre: angesehen der Herr Bot⸗
schafter dafür hielte, daß es seinem Character nicht zukomme, der⸗
gleichen Bewillkommungs⸗Compliment zu erst ablegen zu lassen;
jedoch aber solches anheut völlig oder über die Zeit zu verschieben
der Wohlstand gleichwol auch nicht erlauben wolle. Weil aber der
Baron seinen Weeg fortgesetzet, und nicht, wie er in Commission
hatte / im Fall der Capigi Baschi einer andern Ursach wegen sich
sehen liesse, wieder zurück gekommen, kunten wir leichtlich daraus
die wahre Beschaffenheit der Sache urtheilen. Es muste aber dersel⸗
bige
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Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna
49
bige an der Spitze unsers Lagers so lang warten, bis daß dessen An⸗
kunft dem Graf Waldeck, durch diesen aber dem Herrn Bot⸗
schafter selbst angezeigt, und er hernach durch des Herrn General
Oduyer seine Leute vorgefuͤhret wurde. Diesen Abgeordneten em⸗
pfienge der Herr Botschafter sitzend, da jener indessen vor ihm
stehend blieb; an statt dessen der Unsrige mit dem Tuͤrkischen Gesand⸗
ten auf der Sofaus, oder dem in dem Zelt auf der Erden liegenden
länglichten Polster, gesessen: und nechst den Weeg / wo der Türkische
Abgeordnete herkam, und wieder zuruck kehrte, stunde unsere Hof⸗
statt auf beiden Seiten rangirt, um ihren prächtigen Aufzug sehen
zu lassen. Aber laßt uns jetzo einmal, nach einem Aufenthalt von
dreyen Stunden auf vorgedachter Wiese, auch die Auswechslung
selbst ansehen.
Mitten auf der Wiese præsentirten sich in gleicher Linie hinter
einander drey steinerne viereckichte Säulen, welche oben zugespitzt Die Gränz⸗Säulen.
waren, und 20. Werk⸗Schuh weit von einander stunden. Bey der
Mittlern sind die beiden Herrn Groß⸗Botschafter einander zu
Fuß entgegen gegangen, und zu dem Ende fuͤnf Schritt vorher von
den Pferden abgestiegen; welche Saͤule auch ins kuͤnftige die Gräͤnz⸗
Scheidung machen wird, so daß disseits des Röͤmischen Kai⸗
sers Gebiet sich hinfuͤhro endigen, jenseits derselbigen aber das von
der Ottomannischen Pforte anfangen wird. Neben diesen
Säulen sind noch Stangen in ungleicher Weite aufgesteckt gewesen,
welche anzeigten, wo jedwede Parthey von ihren Pferden abstei⸗
gen solte. Bey der letztern, welche von der ersten 80. Schritt ab⸗
stunde, ließ sich unser Kriegs⸗Volk in den Waffen sehen, welches
kurz vorher mit dem Grafen Oduyer dahin abgegangen, unsern
Herrn Botschafter zu erwarten; die Ordnung aber, so dabey
gehalten wurde, ware folgende: In der Mitte stunden die zwey
Granadier⸗Compagnien vom Geschwindischen und Prinz Ale⸗
xanders von Wuͤrtenberg Regiment; diese hatten zu beiden
Seiten drey Esquadrons von Dragonern, davon die erste aus dem
Prinz Friedrich Wuͤrtembergischen, die zweyte von Bareu⸗
thischen / und die dritte vom Regiment de Batté gezogen war,
worzu noch zwey Haufen von den Carduanischen und Vasquezi⸗
schen Curassirern kamen, die beiden Fluͤgel aber formirten 500.
G
leicht
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50
Erstes Buch/ Vierte Abtheilung /
leicht gewafnete und zum Nachhauen versehene Hussaren vom Na⸗
dastischen und Babocsayischen Regiment, welche insgesamt der
Graf von Waldeck, Obrist⸗Lieutenant unter dem Bayreuthi⸗
schen Regiment unter Commando des Grafen von Oduyer
anführte. Vor dieser kleinen Armee wurden 6. kleine zwey Pfund
und vier loͤthige Kugeln fuͤhrende Stuͤcklein hergezogen / damit man
selbige nach geschehener Auswechslung zum Freuden⸗Schiessen, oder
auch, wo es noͤthig, zu unserer Defension, gebrauchen koͤnnte, wel⸗
che erst neulich zu diesem Ende in dem Zeug⸗Hauß zu Belgrad ge⸗
gossen worden. Auf der andern Seite sahe man die Tuͤrkische Cavalle⸗
rie, welche eben so stark, als die Unsrige, und von der Stange in
gleicher Weite entfernet, aber in keiner solchen Ordnung ausgethei⸗
let war, sondern bald hier, bald dort herum schwermete, jedoch nicht
Das Ge⸗
präng der
Auswechs⸗
lung.über die Gräͤnze noch Stange sich zu ruͤcken getrauete. Der hierzu
verordnete Graf Oduyer, wie auch der Seraskier / Gränz⸗
Commendant, sind bis zur mittlern Saͤulen vorangegangen, nach⸗
dem sie, wie nachgehends auch die Herrn Botschafter selbsten / ih⸗
re Pferde bey der letztern ihre Bediente aber bey der äusersten
Stangen stehen lassen. Allda haben sie sich gegen einander auf zwey
Stüͤhle ohne Lehnen niedergesetzt, welche, nebst noch andern zweyen
gleichfalls ohne Lehnen, der Graf Oduyer aus seinem Gezelt da⸗
hin geschaffet; und nachdem Sie eine zeitlang also mit einander ge⸗
redet, und dasjenige folgends ausgemacht, was in dem Ceremoniel
noch nicht völlig erörtert war, haben sie einander mit Caffé und
Chocolate, und eingemachten Fruͤchten, wie auch wolriechenden
Wassern und Beraͤucherung die gewöͤhnliche Ehre erwiesen.
Nicht lang hernach hat der Graf Oduyer unsern Hn. Groß⸗
Botschafter, der Seraskier aber dem Seinigen wissen lassen,
daß nunmehr die bestimmte Zeit zur Auswechslung herbey nahe;
worauf der Unsrige alsobald durch die Trompeter das Zeichen zum
Aufbruch geben ließ, und sich so fort aus des Grafen Oduyers
Zelt in der ohnläͤngst zu Wien gehaltenen Ordnung nach mehr be⸗
meldten Ort, so noch 1000. Schritt davon entfernet war, begeben.
Wie unser Herr Groß⸗Botschafter nun völlig hinzu kommen,
ist Er von dieser, wie der Türkische von jener Seiten, in gleichen
Schritten mit diesen / zur mittlern Säulen gegangen, doch mit dem
Unterschied, daß der Türkische den Erd⸗Boden eher als der Unsrige
betret⸗
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Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna.
51
betretten, weil dieser sich anstellte, als ob sein Pferd, welches Er Der Türki⸗
sche Bot⸗
schafter be⸗
tritt den
Erd⸗Bo⸗
den eher/
als der Un⸗
srige.
auf alle Seiten herum lenkte nicht zum Stillstehen zu bringen wä⸗
re, und bald gegen die Saͤule anfuͤhrte, bald unvermerkt wiederum
zuruck gehen machte, ohne daß jemand merken kunte, wie derglei⸗
chen mit Vorsatz von Jhm geschehe; und also stunde der Türk
schon auf der Erden, da unser Herr Groß⸗Botschafter / gleich
als hätte Er sich in die Riemen verwickelt, noch ober den Sattel
sich befand. Als Sie aber zur Säule gekommen, und dieser den
Kopf ein wenig geneigt, jener aber zum Zeichen der Freundschafft
die rechte Hand dreymal auf die Brust gedruckt, haben sie einander
ihrer hohen Principaln Befehl und dieser Botschaft eigentliches
Was unser
Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter sei⸗
nem hohen
Principal
und dem
Sultan für
Titul bey⸗
leget.
Absehen zu verstehen gegeben; wobey dieses absonderlich zu bemerken,
daß unser Herr Groß⸗Botschafter / damit Er sich desto deutli⸗
cher expliciren, anbey seinem hohen Principal nichts vergeben
moͤgte, den andern in Lateinischer Sprach angeredet und unter
dem Reden Jhro Römisch⸗Kaiserlichen Majestät den Ti⸗
tul Unuͤberwindlichster und Geheiligster Röͤmischer Kai⸗
ser / beygelegt / und solchen von heute an vindicirt, welches
beides sich sonsten die Tuͤrken, nachdem sie die Stadt Constanti⸗
nopel aus den Häͤnden der Grichischen Kaisere unbefugter Weise
entrissen, aus einem unertraͤglichen Hochmuth allein zu eignen; da hin⸗
gegen / so oft des Sultans zu erwehnen noͤthig war, Er nur den
Titul Aller⸗Durchlauchtigst und Großmaͤchtigst gebraucht.
Es mag aber die Anrede ohngefehr in folgenden Worten bestan⸗
den haben:
Nachdem der zwischen Seiner Geheiligsten, UnuͤberDie Anre⸗
de des Hn.
Botschaf⸗
ters.
⸗
windlichsten / Aller⸗Durchlauchtigsten und Großmächtigsten
Römisch⸗Kaiserlichen / auch zu Spanien, Ungarn, Bö⸗
heim, Indien und Sicilien Königlichen Majestät CARL
dem VI. rc. rc. und dem Aller⸗Durchlauchtigsten, Groß⸗
mächtigsten Ottomannischen, Asiatischen und Grichischen
Kaiser Ahmed dem IV.
[4] zu Passarowitz neulich geschlossene
Friede durch zwey Groß⸗Botschaften alten Gebrauch nach
soll bestättiget werden / hat mich mein Geheiligster und
G 2
Aller⸗
- 78 -
Erstes Buch/ Vierte Abtheilung /
52
Allergnädigster Kaiser und König hierzu erwehlet / daß
ich nach der erleuchteten Pforte gehen/ und den Aller⸗
Durchlauchtigsten, Großmächtigsten Ottomannischen Kaiser
versichern solle / wie Seine Geheiligte Römische Kaiser⸗
liche Majestät alle in dem Frieden enthaltene Bedingun⸗
gen aufs genauste / und dem Buchstaben nach / auch in den
allergeringsten Stücken zu beobachten gesonnen / so
lang anderer Seits / welches Sie doch nicht hoffen wol⸗
len / denenselbigen nicht wird zu wider gehandelt wer⸗
den. Wie ich nun nicht zweifle / daß Eu. Excellenz in⸗
gleichem Absehen zu Sr. Römisch⸗Kaiserlichen Geheilig⸗
sten Majestät nacher Wien abgefertiget worden: als wer⸗
den sie auch daselbst ein angenehmer Gast seyn; wie ich
dann gleichfalls hoffe / daß meine Ankunft zu Constantinopel
jederman erfreulich seyn werde.
Nachdem nun auf erst beschriebene Weise die erste Zusammen
Auffüh⸗
rung bey
der ersten
Zusammen⸗
kunft.
⸗
kunft nach geschlossenen Frieden geschehen, haben sich die beide
Herrn Botschaftere samt ihren Führern bald anfangs auf die ge⸗
setzte 4. Stüͤhle in solcher Positur nieder gelassen, daß einer dem an⸗
dern ins Gesicht sehen kunte, und ein jedweder von den Füͤhrern sei⸗
nem Botschafter zur linken Hand sasse. Allhier unterhielten die
Herrn Botschafter einander eine zeitlang vermittelst ihrer Dol⸗
metschen mit freundlichem Gespraͤch und andern Zeichen einer guten
Verständnis, da indessen das Reiß⸗Geräth auf andere Wägen, de⸗
ren an der Zahl 370. waren, gebracht, und folgends nach einem an⸗
dern Lager geführet wurde. Bey dieser solennen Unterredung ist
nur der erste Adel, welcher bis zur andern 15. Schritt weit von der
mittlern Säule entfernten Stange reuten durfte, im uͤbrigen aber
dem Herrn Botschafter zu Fuß folgte, nebst vier Laquayen, so
das Pferd führten, zugegen gewesen, da die übrigen von der Bot⸗
schaft nicht weit davon auf ihren Pferden zur rechten Seiten hielten:
zwölf aber von dem Adel und Hauß⸗Bedienten des Grafen
Oduyer, samt dessen Stall⸗ und Hof⸗Meister, 4. Pagen, 8. Hey⸗
ducken und 20. Laquayen in rothen Scharlacken mit silbernen Bor⸗
ten besetzten Kleidern, ohne anderes Gewehr, als mit ihren Degen
an
- 79 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna.
53
an der Seiten zur linken Hand stunden, und den Ausgang der Forschung /
ob der Tür⸗
kis. Gesand⸗
te Briefe
an Seine
Durchl.
den Prin⸗
zen Euge⸗
nium habe.
Auswechslung erwarteten. Bey dieser Gelegenheit unterließ unser
Herr Groß⸗Botschafter keineswegs, etwas, so er von dem Tür⸗
kischen gerne wissen wolte, auf eine solche Weise heraus zulocken,
nach welcher Er sich keineswegs merken ließ, als ob Er mit Fleiß
darnach fragte, oder Jhme solches zu wissen daran gelegen wäre,
sondern nur seinen Discurs gleich als von ungefehr dahin richtete,
wann er sagte: es gereiche gleichwol zu beider Kaiserlichen Ma⸗
jestäten nicht geringen Splendeur, wann Sie zum Zeichen
wechsels⸗weiser Gewogenheit einander Briefe zu schickten, als auch
zum höchsten Ruhm und Ansehen des Prinzen Eugenii, und des
Groß⸗Vizirs / wann Sie mit Kaiserlichen Schreiben beehret
wuͤrden: Er seines Theils häͤtte noch mehr Briefe an unterschiedli⸗
che Personen bey sich, und zweifle nicht / Jhro Excellenz wuͤrden
mit dergleichen nicht weniger versehen seyn; und dieses thate der
Herr Botschafter nur darum, damit Er erfahren moͤgte, ob je⸗
ner nicht auch von seinem Groß⸗Vizir Briefe an Jhro Durch⸗
laucht den Prinzen Eugenium, als eines Löbl. Hof⸗Kriegs⸗
Raths⸗Præsidenten bey sich führe, welches die Türken, als ein
sehr hochmüthiges Volk, bisher allezeit unterlassen hatten, aber doch
des Prinzen gleicher Character, und der Teutschen rechtmaͤssige
Ehr⸗Begierde / vornemlich aber der letztere Sieg, nunmehro erfor⸗
derte, daß solches ins künftige geschehe, worüber auch schon zu
Wien lang und viel berathschlaget worden: Es gabe auch Seine
Excellenz sich nicht eher zu frieden, bis Sie durch die hin und her
geführten Discurs bereits zum drittenmal deutlich versichert worden,
daß jener dergleichen Briefe bey sich habe. Man muß auch hier Die Kai⸗
serl. Bot⸗
schafter
müssen
Briefe an
den Groß⸗Vizier ha⸗
ben.
zum Voraus wissen, daß kein Botschafter ohne dergleichen Schrei⸗
ben zu Constantinopel bey der Pforten etwas handeln kan.
Dann weiln dem Groß⸗Vizir die Aufsicht üͤber das ganze Reich
anvertrauet ist, und er dahero aller ausländischen Potentaten, als
des Kaisers / der Könige und Fürsten Geschäfte, welche das
gemeine Wol betreffen, allein und mit so unumschräͤnkter Gewalt,
als der Sultan selbst, tractiret, also daß dieser alles gutheißt, was
jener dißfalls vorgenommen, so wird keiner füͤr einen Minister von ei⸗
nem offentlichen Character gehalten, der nicht vorhero vor den
Groß⸗
G 3
- 80 -
54
Erstes Buch / Vierte Abtheilung /
Groß⸗Vizir gelassen worden, bey welchem aber der Zutritt ohne
dergleichen Schreiben nicht verstattet wird. Wann demnach der
Botschafter, dessen Namen heißt: Vizir Mückerem Rurnili
Valasi Bajesile Taja Sade Jbrahim Bascha / dergleichen
Brief nicht gehabt hätte, wie er doch so wol an den Prinzen, als
selbst den General Oduyer zu bestellen hatte / würden Seine Ex⸗
cellenz sich Jhn zu persuadiren bemuͤhet haben, daß er sich derglei⸗
chen durch einen nach Orient zurüͤck geschickten Courier, es koste
auch was es wolle, verschaffen solte, wann er anders bey unsern Hof
angenehm und vieler Verdruͤßlichkeiten uͤberhoben seyn wolte. Wä⸗
re aber diese Vorstellung auch nicht nach Wunsch ausgeschlagen,
war der Herr Groß⸗Botschafter entschlossen, dieses aͤusserste und
sicherste Mittel zu ergreiffen, und seine Briefe zwar bey dem Groß⸗
Vizir abzugeben, damit durch deren Zurückhaltung Jhrer Rö⸗
misch⸗Kaiserlichen Majestät Geschäften keine Hindernüsse
im Weeg gelegt wuͤrde, jedoch zugleich zu protestiren, daß diese un⸗
terlassene Schuldigkeit ins künftige zu keiner Nachfolge oder Gesetz
dienen solle.
Dieser Affaire kommt diejenige bey,
deren sich der Herr Groß⸗
Botschafter
schon vorhero zu Passarowitz zum
allerersten unter⸗
nommen hat: Es kamen nemlich die zwey Bevollmaͤchtigte aus der
Des Herrn Botschaf⸗
ters Zumu⸗
then an die
Türkische
Gevoll⸗
mächtigte
Passaro⸗
witz.Türckey dahin, den Frieden zu schliessen, waren
aber mit keiner an⸗
dern Vollmacht versehen, als welche der Groß⸗Vizir allein unter⸗
schrieben und gesiegelt hatte: als
sie nun dieselbige den Englischen
und Holläͤndischen Gesandten, als Mediateurs des Friedens, üͤber⸗
geben, solche
nach Gewohnheit unsern Gevollmächtigten einzuzu⸗
händigen, wolten Seine Excellenz mit
ihnen in keine Conferenz
tretten, es
sey dann, daß sie eine andere und von Sultans eigener
Hand
unterschriebene Vollmacht aufzeigten; und wo sie keine bey
sich hätten, solten sie alsobald nach
Constantinopel jemand abschi⸗
cken, der
ihnen solche üͤberbrächte. Sie solten gedenken, daß sie da
wären, den Frieden als Uberwundene zu
begehren, nicht aber selbi⸗
gen zu ertheilen; es schickte sich
nicht, von denen Gesetze anzuneh⸗
men, welchen man als Uberwundenen
nach allem Kriegs⸗Recht selbst
Gesetze geben könnte; so käme es auch der Hoheit seines Aller⸗
gnäͤdigsten
Kaisers und Herrn nicht zu, mit
andern tractiren
zu
- 81 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna.
55
zu lassen, als welche gleichfalls mit
Kaiserlicher Vollmacht verse⸗
hen wären: wo sie nun ihrer ohnedem
sehr verfallenen Sache mit
Nachdruck
rathen wolten, solten sie andere Credentialien, die des
Kaisers Hand selbst unterschrieben,
geschwind herbey schaf⸗
fen. Ob nun gleich der Englische und Holländische Gesandte,
der
Ritter Robert Sutton und Graf
Colyer, alle Müͤhe angewen⸗
det, den Streit beyzulegen, und die
Vorstellung gethan, daß die⸗
ses die Gewonheit also mit sich
bringe, und bey allen freyen Nationen
für güͤltig erkandt worden, wann der Groß⸗Vizir was unterschrie⸗
ben habe, so war doch nichts
auszurichten; und wolten sie den Frie⸗
den haben, mogten sie sich gefallen
lassen, nach Constantinopel
zu senden, und des Sultans eigene
Vollmacht sich anzuschaf⸗
fen.
Aber was halte ich mich jetzo lang zu Passarowitz auf, wo der
Friede schon längst geschlossen ist; ich wende mich vielmehr wiederum
zu der an der Gräͤnze stehenden Groß⸗Gesandtschaft. Daselbst Auswechs⸗
lung der
Gesandten.
faßte nach einer halb⸗stuͤndigen Unterredung der Seraskier Beig⸗
lerbey, oder wie sein ganzer Name lautet, Rurnili Beiglerbey
Abdola Bascha Dusum Sade / Stadthalter in Thracien, sei⸗
nen Botschafter bey der Hand, und uͤbergab ihn dem Grafen
Oduyer in seine rechte Hand; desgleichen der Graf Oduyer mit
unserm Herrn Botschafter that, und ihme dem Seraskier bey
dessen Ubergebung gar nachdrüͤcklich anbefahl. Nach solcher Ein⸗
händigung sind sie mit ihren Führern und ganzer Suite über die
Gränze gangen, der Graf Oduyer und der Seraskier aber blie⸗
ben auf ihren Gräͤnzen stehen. Hiebey ist nicht auszusprechen, mit
was für Freudens⸗Bezeugungen, als mit ihrem gewöͤhnlichen Ge⸗
schrey, dessen sie sich bey An⸗ oder Abzug ihrer Befehlshabere oder einer
anderer grossen Lustbarkeit insgemein zu bedienen pflegen, mit Hand⸗
Klatschen und Fuß⸗Stampfen, die Türken diese geschehene Auswechs⸗
lung bekleidet haben; worzu noch ihre seltsame musicalische Instru⸗
menten, als Cymbeln, Pfeiffen, kleine und grosse Trommeln, wel⸗
che ihnen gar schön uns aber zu bäurisch geklungen, gekom⸗
men sind, deme sie noch die Abfeurung ihres kleinen und grossen Ge⸗
schützes beygefügt; wobey die Unsrige zwar auch nicht still geschwie⸗
gen, sondern ihr bey sich habendes grobes und kleines Geschuͤtz ta⸗
pfer hören lassen, aber doch ihr unordentliches Geplerr nicht nach⸗
machen
- 82 -
Erstes Buch / Vierte Abtheilung.
56
machen wollen, dafuͤr aber unsere Trompeter und Paucker samt den
andern Musicanten so lustig und anmuthig intonirt, daß die Tüͤrken
daruͤber ganz erstaunt schienen, und es nicht genug bewundern kun⸗
ten: da wir hingegen weder uͤber ihre Waffen noch Pferde, deren
sie 700. bey sich hatten, worunter gewiß einige von ausbündiger
Schönheit waren, noch auch über ihre Medische und Arabische Ca⸗
meel, so sich bis 200. beliefen, und andere Sachen, grosse Verwunde⸗
rung bezeigten, damit wir dieses ohne dem hochmuͤthige Volk da⸗
dadurch nicht noch hochmuͤthiger machten; jedoch sind wir ihnen
im Vorbeyfahren mit aller Höflichkeit und Wolgewogenheit
begegnet.
Der Herrn
Bot⸗
schafter
Abzug. Nachdem sich nun jetzt beschriebene Ceremonien geendiget,
und beide Herrn Botschaftere von einander nochmaln Abschied
genommen und eine glückliche Reise angewünschet, auch unterschied⸗
liche Begrüssungen an gute Freunde einander aufgetragen haben, ist
der Türkische mit dem Herrn Graf Oduyer nach Belgrad/ un⸗
ser Herr Groß⸗Botschafter aber mit dem Seraskier, oder,
welches eines ist, den auf den Granzen commandirende Feld⸗Her⸗
ren, nach Nissa abgegangen.
Eines hätte ich bey nahe hier zu melden vergessen, daß / als un⸗
ser Herr Botschafter einen Gruß an seine Frau Gemahlin in
Wien dem Tuͤrckischen aufgetragen, dieser nur daruͤber gelächelt,
und es mit Stillschweigen beantwortet, vermuthlich weil er sich nicht
getrauet, Jhme mit dergleichen wieder an seine Gemahlin zu
Constantinopel zu beladen; indem bekannt, daß die Tüͤrken ihr
Frauenzimmer in einen gar engen Arrest halten, und sie nicht leicht⸗
lich vor jemand sehen lassen, angesehen sie, wie es scheinet, alle andere
Völker nach ihren ungezähmten Begierden urtheilen.
Auf dem Hinzug giengen zwey hundert Janitscharn, oder von
Die Ord⸗
nung der
Reise nach
der Aus⸗
wechs⸗
lung. der Leib⸗Garde zu Fuß, voran, denen unser Adel samt den Be⸗
dienten des Herrn Botschafters folgten. Jn der Mitte befand
sich der Herr Groß⸗Botschafter, den Seraskier zu Nissa
zur Linken habend, auf dessen beiden Seiten die Laquayen, von hinten
zu aber die Pagen und Beschnittene rangirt waren, worauf die
Spahi / ein Volk ohne Ordnung und Disciplin, den Schluß
Türkische
Kuchen. machten. So bald wir nun den Tüͤrkischen Boden betretten, haben
sich gleich eine grosse Menge Leute eingefunden, welche auf messingen
mit
- 83 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna
57
mit Zin uͤberzogenen Platten eine gewisse Art Tüͤrkischer Kuchen
verkauften, so denen Holländischen Buchwaitzen⸗ oder Westphali⸗
schen Gersten⸗Kuchen nicht viel ungleich waren, wiewol sie derglei⸗
chen Geschmack nicht haben, und uͤber dieß sehr unverdaulich sind;
nichts destoweniger assen solche die Tuͤrken mit guten Appetit, als
welche anderer Delicatessen nicht gewohnt, und der meiste Theil
aus ihnen sich derselben nebst denen Fruͤchten zur täͤglichen Nahrung
gebrauchet; wir aber liessen uns gar gerne mit dem Zuschauen ab⸗
speisen.
Jch habe vorher schon etwas von ihrer Gewohnheit gedacht / der Ba⸗
schen
Music
nach welcher ihre Stadthalter oder andere vornehme Personen, wann
sie über Feld ziehen, beständig ihre Music bey sich haben, die vor ih⸗
nen her gehet, und wann sie schon zu gewisser Zeit, nemlich betens
wegen, am Tage still halten, sich nichts destoweniger immer fort hoͤ⸗
ren lässet. Diese Gewonheit ist uns, so lang der Seraskier bey
dem Herrn Groß⸗Botschafer war, ohne Aufhören beschwehr⸗
lich gewesen, als durch welche unsere an die anmuthige Teutsche und
Jtaliänische Music gewöhnte Ohren mehr verletzt als ergötzt worden;
und wann erst noch das entsetzliche Geschrey der Laquayen und BeFreuden⸗Geschrey.
⸗
dienten darzu kame, mit welchen sie ihre Herrn / Patronen und
fremden Gäste so wol bey ihrer Ankunft als Abzug beehrten, so
hatte unser Verdruß den höͤchsten Grad erreicht. Sie wolten aber
gleichwol damit vermuthlich den alten Roͤmischen Soldaten nachah⸗
men, welche ihren Kaisern und Feld⸗Herrn zu ruften/ daß Jhr
Vorhaben glüͤcklich und zur guten Stund (feliciter, faustisque omi⸗
nibus) geschehen moͤge, und auf solche Weise Jhnen alles Glück
und Seegen auf den Weeg anwuͤnschten. Was uns anbelangt, Ein Adler
zeigt den
Weeg nach
Constanti⸗
nopel.
machte uns ein Adler, der, so bald die Auswechslung geschehen, be⸗
ständig vor uns herflog, und uns gleichsam den Weeg zeigte, keine
geringe Hofnung, daß wir unsere Reise glüͤcklich wuͤrden zuruͤck le⸗
gen; wie er uns dann auch nicht eher verlassen, als bis wir denje⸗
nigen Hügel erreicht, über welchen wir von dem Seraskier gefuͤh⸗
ret worden, von hieran aber haben wir ihn nicht mehr gesehen, da
ich solchen vorher vielen von unserer Gesellschaft gewiesen habe. Wir
können es indessen für ein gutes Zeichen annehmen, daß wir noch
einmal Constantinopel wieder in unsere Häͤnde bekommen werden,
und dieser das Römisch⸗Kaiserliche Wappen zierende Vogel
H
uns
- 84 -
58
Erstes Buch / Vierte Abtheilung /
uns den Weeg habe zeigen wollen, durch welchen wir dahin gelangen
sollen. Daß auch unsers Herrn Groß⸗Botschafters Ankunft
denen Tüͤrken nicht wenig Vergnuͤgen muͤsse gebracht haben, laͤsset
Der Se⸗
raskier er⸗
längert sei⸗
ne Beglei⸗
tung.sich unter andern auch daraus schliessen, daß der Seraskier oder
Commendant der ersten Gränz⸗Vestung, wie auch Stadthalter in
Thracien, welche Stadthalterschaft bey denen Türken in Europa
die vornehmste ist, im ganzen Reich aber den dritten Rang hat,
denselbigen fünf viertel Stund, und also eine viertel Stund laͤnger,
als in dem Vertrag bestimmt war, begleitet hatte. Worbey er es
aber nicht allein gelassen, sondern Jhn noch uͤber das, nebst bestäͤn⸗
diger Uberlassung der rechten Seite, auf dem nechst gelegenen
Berg in ein zwar kleines doch prächtig zu bereitetes Gezelt gefüͤhrt,
und allda aufs kostbarste bewüͤrthet; woselbst der Herr Botschaf⸗
ter gestifelt üͤber Tüͤrkische mit Gold gestickte Teppichte gegangen,
Türkische
Schuhe.so sie sonst nicht eher betretten, als bis sie andere Schuhe, die sie
Paposchen nennen, angezogen: allda hat Er wiederum den obern
Platz auf einem mit eben solchen Kuͤßen belegten Lehn⸗Sessel einge⸗
Türkische
Polster. nommen, deme der Seraskier auf einem Polster, den sie Sofaus
nennen, zur linken Hand sasse. Es sind aber diese Sofaus läng⸗
lichte mit Cameel⸗Haaren oder Wolle angefüllte Polster, und
moͤgen wol den Namen von Sophi, den Persischen Köͤnigen, ha⸗
ben, wie dann diese Weise zu sitzen von den Persern ihren Ursprung
hat.
Weil hier so oft des Vorsitzes gedacht wird, muͤssen wir auch
Die linke
Hand bey
den Türken
die vor⸗
nehmste.
erinnern, daß zwar, nach Zeugnis Busbeck und Rigaut, die lin⸗
ke Hand bey den Turken die vornehmste ist, sie behauptet aber diesen
Rang nur allein in Kriegs⸗Zeiten bey denen Soldaten; bey denen
Staats⸗Männern und Freunden aber hat sie zu Friedens⸗Zeit dieses
Ansehen nicht; wie dann Busbeck nicht uͤbel urtheilet, wann er
dafür hält, daß diese Gewonheit daher komme, weil derjenige, so
auf der linken Hand ist, zugleich des andern auf dieser Seite gegüͤr⸗
teten Degen in seiner Gewalt, er selbst hingegen solchen zu seinem
Gebrauch frey hat.
Nachdem nun hier der Caffé getrunken, und die eingemachte
Früchte genossen waren, wobey man denen beiden Herrn kostbare
Schnuptücher, an statt der Servietten, über die Schooß gebreitet,
wur⸗
- 85 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna.
59
wurde eine grosse überguͤldete silberne Platte, welche sonsten nur Gastmal in
des Seras⸗
kier Zelt.
von Holz ist, an statt eines Tisches von zweyen Bedienten aufgestel⸗
let, und hierauf die Speisen, deren bey funfzig waren, zum Mit⸗
tagmal gesetzt. Man trug, ihren Gebrauch nach, nur eine nach der
andern in silbernen und fein Porcellanen Geschirren auf, deren letz⸗
tern Gattung sie sich darum gar vielfäͤltig zu bedienen pflegen, weil
sie glauben, daß selbiges keinen Gift leiden könne. Die meisten
Speisen waren nicht übel zu bereitet, wie der Herr Botschafter
bey unserer Zuruͤckkunft von dem Ort, wo wir gleichfalls speissten,
uns solches zu sagen die Guͤtigkeit hatte; wie Er dann auch dem Se⸗
raskier durch den Dolmetsch versicherte, daß Er sie alle gekostet ha⸗
be, wordurch Er zu verstehen geben wolte, wie Er dieses Tracta⸗
ment mit eben solchen Gemuͤth angenommen/ als es ihm vorgesetzt
worden. Zu gedachten Speisen wurden eben so viel laͤnglichte von
Schild⸗Krot oder Helfen⸗Bein verfertigte Löͤffel aufgelegt, deren
Stiele auf eine ganz neue Façon mit Seiden, Gold und Silber um⸗
wunden waren. Dann die Tuͤrken bedienen sich der Messer und
Gabeln fast niemaln, und lassen die Speisen nicht anders, als ganz
klein zerschnitten, zu Tische bringen, daß sie also derselbigen auch nicht
nöthig haben; und so ja etwas kleiner gemacht werden muͤste, zerrei⸗
sen sie solches mit den Fingern. Bey dieser Malzeit fehlte es an
nichts, als an Wein, dessen Stelle das liebe Brunnen⸗Wasser verDer Türken
Geträͤnk.
⸗
sehen muste; welche aber den Scherbeth trinken mogten, kunten des⸗
selbigen nach Belieben haben, wiewol dieses Getrank, das sie aus
Honig, Gewürz, und dem Saft aus Fruͤchten machen, weder mei⸗
nem Geschmack, noch meiner Gesundheit anstehen wolte; und wäͤre
mir eine einige Maß Wein viel lieber, als das grosse Heidelbergische
Vaß mit Scherbeth.
Nach aufgehobener Tafel, und denen mit wolriechenden Was⸗
sern und Rauchwerk verrichteten Ceremonien, hielte sich der Herr
Botschafter noch in etwas auf, und discurirte von ihren sonder⸗
baren Gebräuchen, Einrichtung ihres Regiments, sonderbarer Art
zu sitzen, Kriegs⸗Disciplin und andern Dingen; da es sich dann zu Des Herrn
Botschaf⸗
ters Ge⸗
spräch von
dem Gra⸗
fen Oduyer.
trug, daß sie von ungefehr unsers Gränz⸗Generalen, des Grafen
Oduyer, gedachten, bey welcher Gelegenheit der Seraskier un⸗
terschiedliches von dessen Lebens⸗Art, Sitten und Kriegs⸗Disciplin
wissen wollen, vermuthlich aus keiner andern Ursach, als weil es
ihm
H 2
- 86 -
60
Erstes Buch / Vierte Abtheilung /
ihm schmerzte, daß er an Jhm einen solchen Mann gefunden, wel⸗
cher in Kriegs⸗Wesen wol erfahren war, auf jenes Vornehmen wol
Achtung gab, Seines Kaisers Nuzen zu befördern sich sehr angele⸗
gen seyn ließ, dem Aller Durchlauchtigsten Oesterreichischen
Haus getreu diente, und mit keinem Geld kunte bestochen werden.
Hierauf rühmte der Herr Groß⸗Botschafter Jhm nach Ver⸗
dienst, und ließ sich gefallen, seinen Lebens⸗Wandel von Anfang her
zu erzehlen: Er brachte darbey vor, wie er von Jugend auf im Krieg
erzogen, sich allezeit wol gehalten, bey allen Actionen tapfer und
vorsichtig erwiesen, und nach und nach zu so hoher Charge gestie⸗
Soldaten
Verbre⸗
chen.gen seye. Diese Erzehlung kame dem Seraskier unglaublich vor,
als welche diesem Kriegs⸗Mann vom allen Versehen frey zehlete,
welcher doch eben so wol ein Mensch und folglich des Fallens unter⸗
worfen wäre; hat aber vielleicht an das bekannte alte Sprichwort
nicht gedacht, daß es nemlich nicht erlaubt sey, zweymal im Krieg ei⸗
nen groben Fehler zu begehen: weswegen der Herr Botschafter
ihm seine Meynung dardurch zu benehmen suchte, wann Er ihm vor⸗
stellte, daß es mit dem Versehen im Krieg öfters eine solche Be⸗
schaffenheit habe, daß daraus dem gemeinen Wesen ein unersetzlicher
Schade zuwachse, bey welchem man sich, wann absonderlich die
Schuld noch darzu kommt, wenig Gnade zu versehen, sondern ins⸗
gemein Ehre, Leib und Leben darüber verlohren gehe: wo dasselbige
aber von geringer Wichtigkeit, und sich noch darzu wol gar wieder
Vermuthen zu getragen, wuͤrde die Straffe nach dem Verbrechen ein⸗
gerichtet, und daure auch nicht länger, als das Verbrechen selbst;
es werde aber gleichwol keiner promovirt, so lang er solches an sich
merken lasse: er muͤsse dasjenige, worinnen er es versehen, noch einmal
vornehmen; und wann er es alsdann verbessert, stehe ihm die Thüͤre
zur Ehre so wol, als andern, offen. Und hierinnen sind wir in der
That von denen Türken unterschieden, als welche auf alle Verbre⸗
chen fast einerley und wol gar die Todes Straffe setzen, absonderlich
wann solches den Staat und das gemeine Wesen betrifft. Diesen
geführten Discours hörte der Bascha zu Nissa aufmerksam und
wol bedaͤchtlich zu, und wann er meinte/ daß etwas seinen Beyfall
verdiente / gab er solches mit Nückung des Haupts zu verstehen;
schiene auch sonsten ein Mann von guten Verstand zu seyn, nur
daß er in den Mahometischen Aberglauben verwickelt war.
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa. 61
Fünfte Abtheilung.
NJcht lang hernach hat der Herr Groß⸗Botschafter sei⸗
nen Abschied genommen, fuͤr das höͤfliche Traitement sich
bedanket, und durch den Dolmetschen sagen lassen / daß er
verhoffe, ihn im kurzen wiederum zu Nissa zu sprechen, wohin der
Seraskier anjetzo voraus gienge. Hierauf ist er nach dem ohnweit
von dannen geschlagenen Lager gekehret, und sind ihm 200. Spahi
zu seiner Bedeckung mit gegeben worden. Als wir auf den ohngeErstes La⸗
ger in der
Türkey.
⸗
fehr eine halbe Stund von dar liegenden Berg gekommen, und uns
von dem Weeg nach Raschna zur linken Hand etwas abgewendet,
kunten wir schon das völlig aufgeschlagene Läger sehen; worinnen
wir diesen und den folgenden ganzen Tag zu bringen muͤssen, bis die
schwehren Bagage-Wagen wegen des schlimmen Wegs und nassen Das einge⸗
fallene Re⸗
genwetter
halten die
Türken für
glücklich.
Wetters endlich wieder zu uns gekommen sind: welche grosse Ver⸗
änderung des Wetters die Tuͤrken gleichwol für ein gutes Anzeichen
gehalten, weil es eben zu der Zeit eingefallen / da die Auswechslung
geschehen / ob schon vorher den ganzen Tag der Himmel ganz heiter
gewesen; dann eben dazumal entstunde ein so entsetzliches Ungewit⸗
ter, daß es schiene, als ob Himmel und Erden daruͤber zu Grund
gehen wolte. Sie nahmen aber ihre Muthmassung daher, weil es
ein sicheres Kennzeichen einer glücklichen Ehe wäre, wann es am
Hochzeit Tag regnete: Nun aber hätte die Auswechslung der
Herrn Botschafter einige Verwandnuͤß mit der ehligen Verbin⸗
dung; Ergò wäre viel glückliches daraus zu vermuthen.
Den 16. Junj blieben wir also, wie gemeldet, in diesem Lager
stehen, nicht nur allein um erst angefuͤhrter Urfachen willen, sondern
auch, damit wir desto bequemer in einem Zug nach Nissa kommen
mögten, und denen Hussaren ihre Pferde / deren wir uns noch zur
Zeit allein bedienet, wieder zuruͤck gesandt werden koͤnnten, weiln ins
künftige die Türken die zur Reiß benöthigten Sachen allein anschaf⸗
fen musten. Allhier hat sich früͤhe zwischen 8. und 9. Uhr zweymal Erdbeben.
ein so heftiges Erdbeben spuͤhren lassen, daß von dem einen die schwehr
beladene Wägen von der Stelle geruckt worden.
H 3
Was
- 88 -
62
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
Was indessen der Türken Sitten und üͤbrige Lebens⸗Art be⸗
Der Türken
Beschaffen⸗
heit.trifft, habe ich sie nicht so unertraͤglich befunden, als man sie vor
alters beschrieben hat, so daß es scheinet, als ob sie durch so viele er⸗
littene Niederlagen viel tractabler worden, als sie sonst gewesen sind
und wäͤren noch wol eines bessern Glüͤcks und eines gelindern Regi⸗
ments wuͤrdig, wo sie nur ihren Aberglauben mit der wahren Reli⸗
Zum Krieg
tüchtig. gion vertauschen wolten. Die mehresten unter ihnen sind Leute,
von ungemeiner Leibs⸗Stärke, wolgestalten Leibe / gutem Ansehen,
die viel vertragen koͤnnen, und von solchen Krankheiten nichts wis⸗
sen, welche von uͤbermaͤssigen Essen und Trinken entstehen; kurz zu
sagen: in Betrachtung ihrer Stärke und Leibes⸗Kraften sind sie zum
Krieg sehr geschickt, wann sie nur nicht so ungestümm angefuͤhrt,
sondern in guter Kriegs Disciplin und Gehorsam erhalten wuͤrden;
wiewol es nicht zu wuͤnschen, daß sie solches von den Christen eher
erlernen moͤgten, bevorab sie sich durch den Glauben mit ihnen ver⸗
einiget haben. Sie gewöhnen sich schon von Jugend auf zum
Krieg, und sonderlich lassen sich der Vornehmsten ihre Kinder fast
alle darzu gebrauchen, weil sie dieses für die gröͤste Ehre halten,
welche durch tapfere Thaten in dem Krieg erworben wird. Jch ha⸗
be selbst zu Nissa und anderer Orten mit Verwunderung gesehen,
wie vierjäͤhrige Knaben, als schon wol exercirte Soldaten mit Waf⸗
fen, die schwehrer als sie selbst waren, nebst ihren andern Camera⸗
den mit den Janitscharn, den Kern der Tüͤrkischen Miliz, herum ge⸗
lauffen, und damit sie desto fertiger darzu wäͤren, sind sie eben wie
diese mit einem kurzen Wammes ohne Ermel, weiten ober den Wa⸗
den gebundenen Hosen, rothen oder grüͤnen mit ungebleichter Lein⸗
wand umwundenen Kappel versehen gewesen, den Leib haben sie um⸗
guͤrtet, die Brust nebst Armen und Fuͤssen blos, oder an diesen nur
leichte rothe Schuhe, so sie Gemenni nennen, gehabt: und dieses
alles zu dem Ende, damit sie desto hurtiger in denen Waffen und von
Ungehor⸗
sam der Ja⸗
nitscharen.Jugend auf der Arbeit gewohnt wuͤrden. So habe ich auch unter de⸗
nen Janitscharn alte ausgediente Leute gesehen, die wider das aus⸗
drückliche Verboth ihrer Officier mit Wissen und Willen gehandelt,
und ihr Schulter⸗Gewehr auf der Strassen zum öftern los gebrannt;
und ob sie schon noch uͤber dieses von einem Chiausen auf des Se⸗
raskiers Befehl nochmaln davon abgemahnet wurden, fehlte es
doch so weit, daß sie solchen hätten pariren sollen, daß sie vielmehr
des⸗
- 89 -
Reise von dem Laͤger gegen Raschna bis nach Nissa.
63
desselbigen nur gespottet, und in dessen Gegenwart noch stäͤrker ge⸗
schossen, so daß es ihre Officiers mit vielen guten Worten kaum dahin
bringen koͤnnen, daß sie es unterlassen haben.
Chiausen
oder Bo⸗
then.
Jndem wir aber hier des Chiausen gedacht, ist zu wissen, daß
dieses Leute sind, welche die Zeitungen und Briefe hin und wieder
tragen; sie haben in ihrer Hand kleine mit Silber beschlagene, bis⸗
weilen auch wol ganz silberne Stecken, die denenjenigen gleich sehen,
deren sich ehedessen die Friedens⸗Bothen bedienet; an den obern
Theil hängen 4. 6. bis 8. oder auch mehr silberne Kugeln an eben so
viel Kettlein: wann diese Staͤblein völlig mit Silber uͤberzogen sind,
nennen sie solche Theugian / die andern aber Topous; dieser be⸗
dienen sich nur die Gemeine, jener aber die Vornehmern, als der
Baschen / Stadthaltere und der Vizir Chiausen. Alles vorerzehl⸗
te aber bestättiget meine Meinung, daß die Tuͤrken keine schlimme
Soldaten abgeben wuͤrden, wann sie nur besser im Gehorsam koͤnn⸗
ten gehalten werden.
Den 17. bekamen wir Alexintza zu sehen, nachdem wir Rasch
Alexintza.
⸗
na und den Bach Toppolnitz waren vorbey gezogen; daselbst sa⸗
he man auch die Morava / welche aber hier zu Land Banaraioa /
in Bulgarien und Servien aber nach denselbigen Landschaften ge⸗
nennet wird. Und weil diesen Tag viele Sachen durch Nachläͤssig⸗
keit unserer Fuhrleute verlohren gangen, oder wol von ihnen selbst
heimlich weg practicirt worden, haben wir uns bey der Janitscharn
Odabaschi darüber beklagt, welcher versprach, daß alles wieder
herbey geschafft, und ins kuͤnftige nichts mehr vermißt werden solte;
es war aber nichts wenigers, als dieses, und ist insonderheit unserm
Teutschen Gewehr sehr nachgestellet worden, welches wir zwar nicht
so wol den Tüͤrken, als den Grichen und Armenianern schuld geben
kunten; dann jene haben von Natur einen Abscheu vor dem Steh⸗
len, und vermaledeyen dasselbige im höchsten Grad, ausgenommen
bey entstandener Feuers⸗Brunst, wo die Janitscharn alles füͤr erlaubt
halten, und ärger als andere zu greiffen: diese hingegen machen gleich⸗
sam eine Profession vom Lügen, Betrüͤgen und andern schlimmen
Händeln, und muß ihnen diese schäͤndliche Kunst öͤfters an statt der
Waffen dienen: sie verkauffen aber gleichwol hernach dasjenige, was
sie uns gestohlen, denen Türken auf gut Treu und Glauben. Es Teutsches
Gewehr
lieben die
Türken.
ist ihnen auch unser Gewehr lieber, als alles andere, und ist kaum ein
vor⸗
- 90 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
64
vornehmer Janitschar, der nicht mit dergleichen solte versehen seyn.
Nur ist einiger Catholischen Christen Unverstand zu beklagen, die
aus liederlicher Gewinnsucht solches Gewehr an diese Barbarn
verkaufen, da sie doch, wann sie klug wären, leichtlich wuͤrden er⸗
achten können, daß solches nachgehends wieder sie selbsten solte ge⸗
braucht werden.
Damit wir aber nichts übergehen, müssen wir, ehe wir in un⸗
serer Erzehlung fortfahren, vorher gedenken, wer die obbemeldten
Obabaschi
wer sie
seyn.Odabaschi seyn. Sie sind nemlich Vorstehere dererjenigen Zim⸗
mern, so sie Oda nennen, dergleichen auch die Spahi haben, in
welchen die Janitscharn, die in dem ganzen Reich ausgesandt sind, er⸗
zogen werden, und wo ein jedweder des Tags dreymal, nemlich des
Morgens vor der Sonnen Aufgang, zu Mittag, und auf den
Abend dasjenige bekommt, was er zu seines Leibes Unterhalt benö⸗
thiget ist.
Den 18ten sind wir von Alexintza wieder aufgebrochen, und
in einer zwey Stund vor Nissa zwischen denen Bergen und Wäl⸗
dern liegenden Wuͤsten still gestanden, um uns zu dem am folgenden
Das Quar⸗
tier in der
Stadt Nis⸗
sa wird ab⸗
geschlagen. Tag bevorstehenden Einzug in Nissa zu schicken. Auf dem Weeg ist
zu uns ein von Seraskier abgefertigter Bothe gekommen, welcher
dem Herrn Botschafter Briefe überbrachte, worinnen gemeldet
wurde, daß wir in Nissa nicht logiren koͤnnten, welches uns doch
bey Accordirung des Ceremoniels versprochen worden; es muste
aber zur Entschuldigung dienen, daß die Pest daselbst grassire, und
die vornehmsten Häuser davon angesteckt waren, weswegen man so
liebe Gäͤste nicht zu bewuͤrthen vermoͤgte. Wir glaubten aber vielmehr,
wie wir auch nachgehends versichert worden, daß es deswegen gesche⸗
he, weil man sich einer Aufruhr von denen Janitscharn besorgte, in⸗
dem ihnen die gefassten Grillen von der verwichenen Schlacht noch
nicht aus dem Kopf wolten; und weil sie ohnedem geschwohrne Fein⸗
de des Friedens sind, und kaum erst mit grosser Noth befriediget
worden, hätten sie leicht treulos werden / und uns, wann wir in den
Stadt⸗Mauern eingeschlossen wären, unvermuthet üͤberfallen düͤrfen.
Andere muthmaßten gleichfalls nicht uneben, daß wir darum nicht ein⸗
gelassen wuͤrden, weil die Tuͤrken nicht haben wolten, daß dieser
Platz, den sie künftig befestigen und mit neuen Werkern versehen
wolten / von uns allzu genau in Augenschein genommen wüͤrde, an⸗
- 91 -
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa.
65
gesehen es die Gränz⸗Vestung, und derjenige Platz ist, deme es
bey einem neu entstehenden Krieg am ersten gelten duͤrfte. Es hat Wird wie⸗
der ange⸗
tragen.
sich aber der Herr Groß⸗Botschafter nicht eher befriedigen las⸗
sen, bis es Jhm der Seraskier in sein freyes Belieben gestellt
hatte / ob er in der Stadt wohnen wolte; welches Er alsdann höͤf⸗
lich abgeschlagen, und sich also unter die Vestung gelegt, daß er von
den Stucken kunte defendirt werden. Unsere Ankunft aber wurde
dem Seraskier durch den Ingenieur-Hauptmann Hn. Oebschel
Herr von
Oebschel⸗
witz nach
Nissa abge⸗
schickt.
⸗
witz angedeutet, und dieses darum, damit er bey solcher Gelegenheit
die Stadt und den Vestungs⸗Bau desto besser observiren und ent⸗
werfen könte.
Dem darauf folgenden Tag, als dem 19. Junj / da wir die
schwehren Bagage-Wägen bereits voraus geschickt, welche vor der
Stadt bis zu unserer Ankunft halten musten, sind wir zu Pferd in
derjenigen Ordnung, wie zu Wien, der Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter aber in einem schoͤn verguldeten Parißer⸗Wagen in die Stadt
eingezogen, und von denen Wäͤllen mit allen Stücken dreymal be⸗
gruͤßt worden. Wir haben uns jedoch nicht lang darinnen aufgehal⸗
ten, sondern wieder heraus zwischen die Vestung und des Se⸗
raskiers Läger begeben, so daß wir dieses zur rechten, jene aber zur
linken Hand hatten.
Es ist aber Nissa ein vornehmer und von den Tuͤrken sehr be
Nissa.
⸗
wohnter Ort, von mittelmaͤssiger Groͤsse, und die obere und untere
Vestung zusammen gerechnet mag in ihren Umfang etwas mehr aus⸗
tragen, als das Schloß zu Belgrad; und lauft die Nissa, von
welcher die Stadt den Namen füͤhrt, mitten hindurch: sie hat ei⸗
nen hohen Wall, so hin und wieder, vornemlich aber auf der
Wasser⸗Seiten, in dem Graben selbst, mit Ziegeln und alten
Mauerwerk ausgefüttert ist. Um besagten Wall ist gedoppelte Gla⸗
cis oder Anhöhe des bedeckten Weegs, so zugleich den Wall also
bedecken, daß man weder von demselben, noch von der ganzen Stadt,
auser einigen Thuͤrnen von den Tuͤrkischen Moscheen, deren etliche
mit Kupfer bedeckt sind, nebst der Cron von der Brustwehr und
Batterien auf den Spitzen sehen kan. Zwischen dem hohen Wall
und beiden verdeckten Weegen befinden sich trockene Gräͤben gleich
unter ohne Böͤschung ausgegraben. Auf der Seite gegen der Bul⸗
garey zu ist üͤber die Nissava eine Brüͤcke geschlagen, unter welcher
J
eine
- 92 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
66
eine grosse Wasser⸗Müͤhle liegt, die mit einem Horn⸗Werk bedeckt
ist, um welches durch den Graben erst besagter Fluß laͤuft. Dieser
Graben ist gleichfalls, wie die andern, ohne Boͤschung ausgeholen
und nicht gefüttert; doch reichen unten an den Fuß des Walls, so
hoch als die Nissava ist, aus dem Fluß dicke Pfäle heraus, so die
Gewalt des Wassers abhalten. Um die auf bemeldten Seiten lie⸗
gende Vorstadt ist eine Linie mit einem Banquette oder Schemel der
Brust⸗Wehr gezogen, drey Schuh und also noch einmal so hoch /
als sonst gebräuchlich, und ein Graben von 8. bis 10. Schuhe breit,
in welchem die Nissava gleichermassen herum fliesset. Die Defen⸗
sion der Linie bestehet in rund herum angelegten kleinen Pasteyen
mit Leisten und Flanquen, und nicht in halben Redouten der Schan⸗
zen, wie ein gewisser Autor dafür halten wollen. Die Länge der
Fläche von einem Käl⸗Punct bis zum andern hat bey die 150.
Schritte. Es kan auch durch das Muͤhlwerk an der Brüͤcke, und
in denen Graͤben obgedachter Werker der Nissava⸗Fluß zwar ge⸗
schwellt, und so wol die Vorstadt, als auch deren aͤusseres Erdreich,
welches niedriger, dann das disseitige ist, gar leicht unter Wasser ge⸗
setzt, doch diese Uberschwemmung durch guten Fleiß und Arbeit auch
wieder abgeleitet werden. Um die ganze Stadt herum ist eine gleiche
Ebene, und wuͤrden der Vestung die in rechter Weite herum liegen⸗
de Berge nichts hindern, wann nicht üͤber selbige zur Zeit der Be⸗
lägerung eine Linie so leicht als vortheilhaftig köͤnnte gefuͤhret wer⸗
den. Nach jetziger Beschaffenheit der Stadt und deren Befestigung
wüͤrde solche nach Eröfnung der Lauf⸗Gräben, wann man sie mit
Gewalt angreifen wolte, ob sie gleich mit allen Behöͤrigen wol und
genugsam versehen wäre, nichts destoweniger in einer Zeit von sechs
Wochen gar leicht zur Ubergab zu bringen seyn.
Es darf sich niemand verwundern, daß ich mich in Beschrei⸗
Nissa die
äusserste
Vestung
gegen Con⸗
stantinopel
bung dieser Granz⸗Vestung laͤnger aufgehalten, als ich bey denen
künftigen vorkommenden Oertern thun werde; sintemaln es derjeni⸗
ge Platz, welcher noch allein zu erobern, und wornach der Weeg
nach Constantinopel voͤllig offen stehet: so ist mir auch des unver⸗
gleichlichen Herrn von Oebschelwitz Arbeit in Beschreibung dieser
Vestung gar wol zu statten kommen, und hat mich der eigenen Mü⸗
he uberhoben. Man darf aber dabey nicht gedenken, als ob von dar
der
- 93 -
Reise von dem Laͤger gegen Raschna bis nach Nissa.
67
der Weeg nach Constantinopel so eben, daß man nur gerades
Fusses dahin lauffen könne, angesehen man noch viel Beschwehrlich⸗
keiten darauf finden wuͤrde; sondern ich verstehe nur damit so viel/
daß man nach dieser Eroberung alsdann keine Vestung mehr zu oc⸗
cupiren uͤbrig habe, welche etwan denen siegreichen Waffen verhin⸗
derlich seyn dürften. Die Häuser daselbst sind, wie in allen andern Türkische
Häuser.
Türkischen Städten, gar klein, und von Leimen und Holz zusam⸗
men gesetzt, deren mehreste Taͤcher man mit der Hand erreichen kan.
Jn der obern Stadt sind die Häͤuser naͤher an einander gebauet, und
mehr bewohnt, als in der Vorstadt, wiewol man auch in selbiger an
vielen Orten zu bauen angefangen, wordurch der Weeg und Gassen
also verlegt worden, daß billig zu befuͤrchten wo ein Feuer auskom⸗
men solte, es duͤrfte die ganze Stadt darauf gehen, ehe man zu Hüͤlf
kommen könnte. Als bey unsern Durchzug das Geschüͤtz los geUnord⸗
nung der
Tuͤrken.
⸗
brannt worden, hat man deutlich gemerket, daß diese Leute nichts
ohne Unordnung thun koͤnnen, indem man bald eine, bald zwey, bald
drey, auch wol noch mehrere Stüͤcke auf einmal abfeuren höͤren.
Und wann auch sonst nicht bekannt wäre, was grosse Noth die Mangel
an groben
Geschütz.
Türken nach den zwey auf einander verlohrnen Schlachten an gro⸗
ben Geschuͤtz leiden, wuͤrde man solches allhier zu Nissa mehr als zu
wol verspüͤhret haben. Keine einzige Carthaune war da zu hören
gewesen, sondern nur kleine Feld⸗Stücklein, wie die Armeen uͤberall
mit sich zu fuͤhren pflegen, worunter das groͤste kaum zwoͤlf Pfund
geschossen. Dieses aber ist gleichwol merkwürdig / daß man uns Stärke ei⸗
nes Man⸗
nes.
berichtet, wie ein Soldat aus der Besatzung von solcher Leibes
Stärke gewesen, daß er dergleichen Stuck aus dem Gestell genom⸗
lmen, in seinen Arm gelegt, und es in demselbigen ohne Bedenken
[l]os gebrannt habe; und wo ich nicht irre, haben mich einige von
den Unsrigen versichert, daß sie es mit ihren Augen gesehen
hätten.
Jm wehrenden Durch⸗March stunden die Janitscharn auf beiHaß der
Janit⸗
scharn ge⸗
gen die
Teutsche.
⸗
den Seiten im Gewehr, dem Herrn Groß⸗Botschafter damit die
gebuͤhrende Ehre zu bezeugen, welchen sie auch hernach in das Lager be⸗
gleitet haben. Es wolte fast scheinen, als wann denen guten Leuten die
Galle zimlich daruͤber aufgestiegen, da sie den Schall der Trompe⸗
ten vernommen, und die fliegende Fahnen nebst denen Granadie⸗
rern, als des Herrn Groß⸗Botschafters Leib⸗Wacht, in der letz⸗
J 2
ten
- 94 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
68
ten Ordnung ankommen sehen. Diese, sagten sie, sind die garsti⸗
ge Hunde und Feuer speyende Drachen, welche, indem wir uns mit
den andern herum schlagen, nichts anders thun, als mit Feuer
und Schwefel auf uns los werfen. Sie haben auch ihren Haß so
wenig verbergen koͤnnen, daß sie vielmehr mit heftigen Fluchen und
Vermaledeyen uns alles Unglüͤck üͤber den Hals gewuͤnscht, welches
sie uns zwar nur durch ein heimliches Murmeln, wann ihre Officier
ihnen nicht auf der Hauben gewesen, zu verstehen gegeben / wir aber
gleichwol nicht gar undeutlich hören können. Man kunte auch ihrer
leichtfertigen Schmach Reden nicht muͤssig gehen, wann einer von
den Unsrigen allein, oder auch in Gesellschaft anderer herum gienge/
ob wir gleich als Freunde zugegen waren, dann da hieß es gleich:
Der Tür⸗
ken ge⸗
wöhnliche Schmach⸗
Rede.
Ana sen sictim Jaours; ich habe mit deiner Mutter zu thun
gehabt / du Unglaubiger / welche Schmaͤh⸗Worte sie jederzeit
im Munde führen, wann sie einem aus Zorn schäͤnden wollen, oder
sonst nicht güͤnstig sind.
Allhier kamen dem Herrn Groß⸗Botschafter die meisten
Der Spahi
und ande⸗
rer Zu⸗
spruch bey
dem Herrn
Botschaf⸗
ter.
Spahi, und Vornehmsten von der Militz und aus der Stadt mit
ihren grossen Bünden entgegen, deren sie sich nur bedienen, wann
sie gegen jemand ihre sonderbare Hochachtung bezeigen wollen. Die
Weiber, so in den Winkel⸗Gassen uns nur von den Fenstern und
Kleidung
der Wei⸗
ber.Dächern betrachten durften, hatten lange Röͤcke an, welche ihnen bis
über die Füsse herunter hiengen, und unter denselbigen Hosen, die
aber nicht so weit als der Männer ihre, und unten daran die Schu⸗
he angehefftet waren: den Kopf, Mund, die Nase, Wangen
Stirn / und das ganze Gesicht hatten sie vermoͤg ihrer Gesetze mit
weisen Tüchern also verhüllet, daß nur eine kleine Oefnung übrig
bliebe / wordurch sie sehen und frischen Luft schoͤpfen kunten.
Als kurz vor unserer Ankunft dem Seraskier / welcher, wie
Nachricht
an dem Se⸗
raskier von
unserer An⸗
kunft. ich vor schon gemeldet, um mehrerer Sicherheit wegen sein Läger
nicht weit von dem Unsrigen aufgeschlagen, da er auser diesem bey der⸗
gleichen Begebenheit sonst in der Stadt zu bleiben gewohnt war,
durch des Herrn Botschafters
Hof⸗Marschalk Freyherrn von
Seebach und vier Edelleuten die Herren von Weipeler/ Glim⸗
berg, Wettstein und Demerath wissend gemacht wurde, hat
derselbige alsobald durch seine Dolmetschen sein Compliment wegen
Geschenk
des Seras⸗
kiers.glücklicher Ankunft machen auch unterschiedliches Obst und Garten⸗
Ge⸗
- 95 -
Reise von dem Laͤger gegen Raschna bis nach Nissa.
69
Gewächs überbringen lassen; der Janitscharn Aga hingegen Des Janit⸗
scharn Aga.
wolte seine Freundschaft auf eine andere Weise bezeugen: Es hatte
nemlich derselbige einen jungen Edelmann, von Geburt ein Venetia⸗
ner mit Namen Stephan Ottoni, der eine Hauptmanns⸗Char⸗
ge bekleidet, aber im letzten Tüͤrkischen Krieg in Morea von dem
Feind gefangen worden; denselbigen haben die Tuͤrken, nachdem sie
die völlige Insul wieder erobert, auf mancherley Weise zu ihren
Glauben zu bringen gesucht, aber doch weder durch Bedrohung
noch Schmeicheley bey ihm was ausrichten köͤnnen, weswegen sie
Gewalt gebraucht, und ihm 500 Streich auf die Fuß⸗Solen geben
lassen, welche er alle mit zu GOTT gerichtetem Gemuͤth aus Liebe
zur wahren Religion, standhaft und gedultig ausgehalten, und dabey
doch nicht weniger als vorhero seinem Herrn, deme er im Krieg zu
Theil worden, redlich gedient; ohnerachtet vorhero zwey Priester,
aus einer gewissen geistlichen Gemeinschaft, da sie kaum 15. Strei⸗
che empfangen, wegen Zärtlichkeit des Fleisches von dem Glauben
abgefallen. Hierauf ist er nach Constantinopel gebracht, und
an einen Herrn zu Adrianopel verkauft worden, bey welchen er ei⸗
ne zeitlang gedienet, von diesem aber dem Janitscharn Aga zu
Nissa überlassen worden. Bey diesem hat sich zu getragen, daß die Treue eines
Sclaven
gegen sei⸗
nem Herrn.
Besatzung rebellirt, wobey er Gelegenheit hatte, seinen Herrn vor
der Soldaten Muthwillen zu schüͤtzen, indem er selbige auf der Stie⸗
gen mit gewafneter Hand von dem Zimmer so lang abhielt, bis jener
aus dem Fenster spruͤngen und durch ein kleines Thuͤrlein sich salvi⸗
ren köͤnnen. Für diesen grossen Dienst hat sein Herr ihn nicht nur Des Herrn
Dankbar⸗
keit dafür.
der Sclaverey entlassen, und in seinen Schutz genommen, sondern
ihme auch seine einige Tochter zur Ehe und alle seine Güter angebot⸗
ten, wann er zu dem Mahometanischen Glauben tretten wolte.
Weil er sich aber auch dardurch nicht zum Fall kunte bewegen lassen,
und den wahren GOTT höher als den Mammon geschätzet, hat
sein Herr ihn gleichwol bey seiner ihm einmal ertheilten Freyheit ge⸗
lassen, und noch darzu versprochen, ihn mit Kleidern, Pferden,
Decken, Geld, und aller Nothwendigkeit zu versehen, wann er ent⸗
weder wieder in sein Vaterland zurück kehren, oder anders wohin rei⸗
sen wolte, welches er nachmals redlich gehalten. Damit aber die
Türken dieses Vorhaben nicht merken solten, als vor welchen ermeld⸗
ter Sclav wegen des Vorgelaufenen sich noch immer zu hüͤten hatte,
faßte
J 3
- 96 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
70
faßte der Aga die Resolution, ihn so lang bey sich zu behalten, bis
der Römisch⸗Kaiserliche Groß⸗Botschafter von Wien an⸗
kommen wuͤrde, deme er solchen anbiethen und selbigen in seinen
Schutz zu nehmen ersuchen wolte, welches auch anjetzo ge⸗
schehen.
Janit⸗
scharn in⸗
tendirte
Aufruhr.Dieser hat mir auch erzehlet, daß sich einige aus dem Janit⸗
scharn zusammen verbunden / bey unserer Ankunft eine neue Auf⸗
ruhr zu erwecken, und damit sie dieses ihr ungerechtes Vorhaben de⸗
sto hitziger hinaus führen mögten, haben sie sich im Wein vollge⸗
trunken; aber durch des Aga Sorgfalt seye dieser Anschlag zu
Wasser worden, angesehen er auf alle Gassen und Ecken der Stadt
Wachten ausgetheilet, so auf diese unruhige Köpfe fleissig acht ha⸗
Die Janit⸗
scharn zu
Nissa zur
Aufruhr
vor andern
geneigt. ben solten. Der Geringste unter ihnen findet leichtlich einen An⸗
hang, so ihm nicht bald gewehrt wird, und sollen sie in dem Nisse⸗
nischen Gebieth viel geneigter, als anderswo, zur Aufruhr seyn;
und mag auch dieses wol den vorigen Seraskier bewogen haben,
denen Janitscharn den Scherbeth schlechterdings zu verbiethen, wel⸗
chen auch dieser ihnen gar selten erlaubt/ ob sie solchen gleich an an⸗
Janit⸗
scharn ha⸗
ben zu Frie⸗
dens⸗Zei⸗
ten kein
Gewehr.dern Orten gar wol trinken darfen. Welches auch vermuthlich die
Ursach ist, warum denen Janitscharn in Friedens⸗Zeiten weder Ge⸗
wehr noch Pulver und Bley zugelassen wird, und die Commendan⸗
ten mehrentheils vor der Stadt unter den Zelten in Laͤgern sich auf⸗
halten, und sich daselbst lieber etlichen tausend Spahi, als denen
Jhre Ur⸗
theil von
der Dauer⸗
haftigkeit
des neuli⸗
chen Frie⸗
dens.wankelmuͤthigen Janitscharn anvertrauen. Sie scheuen sich nicht,
offentlich zu sagen, daß der neulich geschlossene Friede von schlechter
Dauerhaftigkeit seyn werde, und wofern in sieben oder acht Jahren
anderwerts nicht was vorfallen werde, wuͤrden ihn wenigst die be⸗
nachtbarten Janitscharn selbst brechen. Die neuliche, wie auch die
Urheber
der Auf⸗
ruhr. letztere Aufruhr haben nur gemeine Leute erreget, welche noch immer
in der Stadt frey herum gehen, und nichts wenigers befüͤrchten, als
daß sie deswegen zur Straffe solten gezogen werden: daher auch die
grosse Freyheit / welche dieses Volk genieset, Ursach ist, daß man sie
mehr fürchtet / als daß sie andere füͤrchten solten. Sie essen und
trinken, was sie selbst moͤgen, ohne ein Absehen auf ihr Gesetz zu
haben; und wann ihre Officiers nicht um sie sind, so schlagen sie zu
auf wen sie wollen, ohne daß sie sich deswegen etwas Widerwärti⸗
ges
- 97 -
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa.
71
ges befürchten. Jch habe gleich von dem ersten Tag an, da wir in Janit⸗
scharn sind
Wein⸗Saufer.
ihre Gränzen gekommen, beobachtet, daß, wann sie Gelegenheit ha⸗
ben, sie sich alle mit Wein also anfüͤllen / daß sie auf keinen Fuß ste⸗
hen köͤnnen. So groß aber die Freyheit ist, die man diesen Leuten
gestattet, so schwehr ist hingegen die Dienstbarkeit, mit welcher an⸗
dere Unterthanen gedruckt werden. Es befindet sich zu Nissa ein
Bürger, welcher im vorigen Krieg in einer Besatzung gefangen, und
von dar in des Graf Philipps von Diederichstein Hauß ge⸗
bracht worden, woselbst er uͤber fuͤnf Jahr als ein Sclav gedienet;
nachdem aber der Fried wieder erfolgt ist, hat man ihn auch frey
und nach Hauß gelassen. Dieser kunte nicht genug aussagen, wie
grausam die Türken mit ihren Unterthanen verfahren; er versicherte, Scharfes
Traite⸗
ment der
Türkischen
Untertha⸗
nen.
daß bey uns die Dienstbarkeit viel leichter, als bey ihnen die Freyheit
sey, welche ihnen so viel Befehlshaber, als sie uͤber sich haͤtten, mehr
als zu schwehr machten: er wolle lieber hundert Jahr unter den
Christen, als eines unter den Tuͤrken leben; es waͤren betruͤgerische
Leute, denen nicht weiter zu trauen, als man sehen koͤnne; er hielte
es für sein gröstes Unglüͤck, daß er unter diesen Woͤlfen gebohren
und erzogen seye, sein Haußwesen unter ihnen habe, und auch ins
künftige sein Leben unter ihnen zu bringen muͤsse.
Den 20. Junj gaben Seine Excellenz der Herr GroßDes Herrn
Botschaf⸗
ters Visite
bey dem
Seraskier.
⸗
Botschafter mit seinem ganzen Comitat dem Seraskier die Visi⸗
te, wobey Er eben diejenige Ordnung hielt, welche Er beobachtet,
als Er zu Wien nach der Kaiserlichen Burg geritten, auser daß
die Musicanten nebst der Leib⸗Wacht im Lager zuruͤck blieben. Der
Seraskier schickte hierzu gleich Morgens früͤhe Pferde ab, deren
wir uns bedienen solten; so stellten sich auch seine Chiausen, Diener,
Hauß⸗ und unterschiedliche Kriegs⸗Officier ein, den Herrn Groß⸗
Botschafter Ehrenthalben zu begleiten: Die Janitscharn giengen Der Janit⸗
scharn
Tracht und
Ursprung.
zu beiden Seiten vorher, mit langen Roͤcken von unterschiedlichen
Farben angethan, die rings herum aufgeguͤrtet waren, wobey zu mer⸗
ken, daß sie nicht, wie es bey uns gebräuchlich, gewohnt sind, in ei⸗
nerley Regimenter auch die Muntur von einerley Farbe zu tragen;
auf den Kopf hatten sie ihre feyertägliche Ordens⸗Hauben / welche
sie Ketche nennen: auf deren vordern Seite gegen die Stirne ein
Stuck vom geschlagenen und mit unterschiedlichen Figuren gezierten
Kupfer fest gemacht ist, so einer Messer⸗Scheide nicht ungleich sie⸗
het;
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Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
72
het; über den Rucken und Schultern aber hanget ein langer weiser
Filtz herab. Die Manier sich also zu kleiden haben die Janitscharn
daher bekommen: Es hat ein unter den Türken gar beruͤhmter
Mann, Namens Bechtasch, als er nun sterben wolte, einen Er⸗
mel von seinem Rock abgeschnitten, und solchen einem von seinen
Nachfolgern auf dem Kopf gelegt, also daß das End davon über
den Rücken hinab gehangen, worzu er noch diese Worte gebraucht:
Du soltst hinfüro ein Janitschar / oder ein Mit⸗Glied der
neuen Militz seyn; von da an ist ihr Orden entstanden, zu des⸗
sen Zeichen sie sich dieser Ketche bedienen. Bey gegenwäͤrtigen
Seras⸗
kiers Zelt.Aufzug hatten sie auch Stecken in Händen, mit welchen sie das an⸗
tringende Volk abhielten. So bald sie an das Zelt gekommen, hiel⸗
ten sie still / und liessen uns zwischen sie durchgehen. Dieses Gezelt
ließ sehr propre, und war nach Türkischer Art verfertiget, dessen Stan⸗
gen⸗Knöpfe verguldet, der Boden aber mit Persianischen Teppichen
belegt; vor denselbigen sahe man an dreyen Stangen eben so viel
Tug oder Roß⸗Schweife aufgestecket, welches eines von den groͤ⸗
sten Ehren⸗Zeichen dieser Völker ist, und oben daran gleichfalls
grosse vergüldete Knöpfe. Und dieses hat der Bascha
von Nissa / wie auch ehmals der von Ofen und Belgrad,
vor den andern besonders, daß er drey Roß⸗Schweife in denen
Provinzen, welchen er vorgesetzt/ wann es ihm beliebt, vortragen
lassen darf, da denen andern nur ein einiger erlaubt ist, so daß kei⸗
ner im ganzen Reich, auser dem Groß⸗Vizir, dem Stadthalter
von Babylon / und dem zu Algier, solchen Vorzug praetendi⸗
ren darf, als der diesem ersten Bascha nur allein gebuͤhret. Vor
dem ersten Gezelt, dergleichen noch mehr waren, und die des Seras⸗
kiers Wohnung ganz umringt und eingeschlossen hielten, stieg ein
Empfang
des Herrn
Botschaf⸗
ters in
demselbi⸗
gen.jeder von seinem Pferd; der Herr Botschafter aber ritte nicht
nur durch den Eingang, sondern durch das ganze vordere Zelt, und
wurde von dem Bascha bey dem Eingang des andern / das um eine
Staffel mehr erhöͤhet war, empfangen, welches die Tüͤrken gar füͤr
eine besondere Ehre hielten, angesehen dieser Beiglerbey keinem
Bascha in diesen Landen, wer er auch immer sey, sondern nur allein
dem Sultan und Groß⸗Vizir/ aufstehet. Die rechte Hand be⸗
hielte der Herr Groß⸗Botschafter / und sasse fast auf gleiche
Weise,
- 99 -
Reise von dem Lager gegen Raschna bis nach Nissa.
73
Weise, wie neulich nach der Auswechslung, neben dem Seras⸗
kier auf der Sofaus.
Als Jhro Excellenz bey Jhm durch den Dollmetsch seinen Anrede an
den Seras⸗
kier.
Gruß abgelegt, verlangte er kurz darauf im Namen Seiner Rö⸗
misch⸗Kaiserlichen Majestät / daß er die nun wiederum herge⸗
stellte Freundschaft auf der Gränz durch seine Gewalt und Autho⸗
rität zu erhalten sich moͤgte belieben lassen, anbey den Kauf⸗Handel
allen Vorschub thun, die gemeine Bothen schuͤtzen, und den übrigen
Umgang unserer Leute mit den Jhrigen auf alle Weise in Sicherheit
stellen. Es sey auch Gegentheils Seiner Römisch⸗Kaiserli⸗
chen und Catholischen Majestät / Seines Allergnädigsten
Kaisers und Herrns ausdrücklicher Wille, der auch allen auf der
Gränz sich aufhaltenden Officiers hinterbracht worden, daß die
mit der Ottomannischen Pforten neu⸗aufgerichtete Freundschaft un⸗
verbrüchlich solle gehalten, und welche darwider zu handelen sich un⸗
terstehen wuͤrden, auf das schäͤrfste gestrafft werden. Es lasse sehr
wol, wann freye Völker, als wie die Teutschen und Tuͤrken wäͤren,
welche vor kurzen wegen neu-entstandener, oder vielmehr von an⸗
dern gestifteten Uneinigkeit mit einander in Krieg verfallen, nun⸗
mehro nach wieder aufgerichteter Freundschaft und gemachten Frie⸗
den einander doppelt so viel Gewogenheit erweiseten, als sie vorher
Feindseeligkeit gegen einander gehägt hätten. Es gefiel Jhm an de⸗
nen Muselmännern vor andern, daß sie ihrem Herrn in Krieg⸗
und Friedens⸗Zeiten alle Treue und Gehorsam erzeigten, und sie
gleichsam wie Göͤtter verehrten. Ach wann wir Teutschen
doch dieses von denen Barbarn lernen wolten / wir wür⸗
den uns gewiß dardurch unuͤberwindlich machen. Nach dem Uberrei⸗
chung des
Prinz Eu⸗
genius
Schreiben
von dem
Freyherrn
von Locher.
der Herr Groß⸗Botschafter auf diese Weise ungefehr seine An⸗
sprach gehalten, hat Er dem Seraskier des Prinz Eugenii Brief
durch den Freyherrn von Locher uͤberreichen lassen, welcher ab⸗
sonderlich zu dieser Verrichtung um der sonderbahren Verdienste
willen seines Seel. Herrn Vatters aus ersehen worden. Dann dieser
hat das Königreich Ungarn zur Zeit der entstandenen Unruhe durch
seine kluge Rathschläge von dem ausersten Verderben und unver⸗
meidlichen Untergang erhalten, die von andern zwar öͤfters aber ver⸗
geblich gesuchte Einigkeit wieder hergestellet, und durch die dem
K
Kai⸗
- 100 -
Erstes Buch, Fünfte Abtheilung /
74.
Kaiser und Vaterland getreue Dienste sich den grösten Ruhm
und ein unauslöschliches Andenken zu wegen gebracht.
Bey Uberreichung des Briefs ließ sich der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter vernehmen, wie der Prinz nicht weniger dahin werde be⸗
dacht seyn, daß hierinnen Seiner Römisch⸗Kaiserlichen und
Catholischen Majestät ernstlicher Wille in allen Stüͤcken er⸗
füllet werde. Er trage auch keinen Zweifel, es werden diese Briefe,
welche von einem solchen Herzog herkommen, der in aller Welt
so berühmt ist, gar angenehm seyn. Nach Endigung dieser Rede
überreichte der Freyherr von Locher das Schreiben, worüber der
Bascha ein ungemeines Vergnügen bezeigte.
Bald darauf gab er seinen Leuten ein Zeichen, daß sie Caffé herein
Des Herrn
Botschaf⸗
ters und
der Seini⸗
gen Bewür⸗
thung von
dem Seras⸗
kier.bringen und das Mittagmal für den Hn. Botschafter zu richten, wie
auch den Adel und übrige Suite in andere Zelte füͤhren solten. Da⸗
selbst sind wir hernach tractirt worden, wie es bey diesen Leuten der
Gebrauch mit sich brachte. An Speisen war da kein Mangel / aber
die meisten davon mit duͤnnen suͤssen Brüͤhen zugerichtet; die uͤbri⸗
Speisen
der Tür⸗
ken.gen Trachten bestunden in Reiß, Mehl, Zucker, kleinen Weinbeern,
Mandeln, Brunellen, Oliven, Aepfeln, Birn und mehr andern
Der Janit⸗
scharn Aga
besucht mit
andern den
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ter.Früchten. Jnzwischen kam der Janitscharn⸗Aga und einige andere
mit ihm, worunter der Zeugmeister und einige Officiers von der
Leib⸗Wacht zu Fuß dem Bericht nach sollen gewesen seyn, welche
den Herrn Groß⸗Botschafter zu sehen verlangten. Diese aber
stiegen vor dem äussersten Zelt von ihren Pferden ab, und begaben
sich zu jener Staffel, bey welcher Se. Excellenz von dem Se⸗
raskier zuvor empfangen worden, als er kaum zwey Schritt von
Respect ge⸗
gen dem
Seraskier. dem Ort, wo er abgestiegen, fort gegangen war; daselbst aber blie⸗
ben sie stehen, nachdem sie auf Türkische Manier mit gebogenen
Leib und auf die Brust gedruckten Hand ihr Compliment gema⸗
chet. Der Aga aber gieng so gleich darauf die Staffeln gar hinauf,
neigte sich mit dem Haupt bis fast zur Erde und küßte auf das
demüthigste den Saum von des Bascha Rock, wie auch seine Hand,
welcher bey diesem allen gleich einer unbeweglichen Statuen auf sei⸗
ner Sofaus sitzen blieb. Hierauf verfügte sich der Aga wieder zu
denen andern, so bey der Staffel stehend geblieben, und fieng gegen
dem
- 101 -
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa.
75
dem Herrn Groß⸗Botschafter zu reden an. Fürs erste gab er Rede des
Janit⸗
scharn Aga
zum Hn.
Botschaf⸗
ter.
zu verstehen, wie er laͤngstens gewuͤnscht, demjenigen Mann, von
welchem allenthalben so viel ruͤhmliches gesagt wuͤrde, in dessen Ge⸗
genwart seinen Respect zu bezeugen; nachdem er aber nunmehro
dieser Ehre theilhaftig worden, hätte er es billig vor sein groͤstes
Glück zu achten / das ihm jemaln begegnen koͤnnen. Hierauf legte
der Herr Botschafter seinen Gegen⸗Gruß ab, und dankte so wol
für seine geleistete Dienste, als auch für den gestriges Tages uͤber⸗
schickten Venetianer / rühmte seine Höflichkeit und gute Neigung
gegen die Christen, wuͤnschte anbey Gelegenheit, einen solchen Chri⸗
sten⸗Freund wiederum etwas angenehmes zu erweisen; worauf der
Aga nach wenig hinzu gesetzten Worten, auf eben die Art, wie er
gekommen, vom Seraskier seinen Abschied genommen.
Mehr gedachter Feld⸗Herr hat eine so grosse Gewalt üͤber dieDes Se⸗
raskiers
Gewalt
und Anse⸗
hen.
⸗
ses Volk, als nicht leicht einer seines gleichen, wann er auch schon,
wie er drey Roß⸗Schweif führet. Er darf ganze Dörfer und
Land⸗Güter nach Gefallen verschenken, welche auch diejenige, so es
bekommen, (doch nur auf ihre Lebens⸗Zeit, und ohne daß es andere
von ihnen erben koͤnnen,) wiederum an wen es beliebt/ uͤberlassen
darfen. Es versicherte auch des Herrn Groß⸗Botschafters
Hoffart der
Tüͤrken.
Dolmetsch, deme der Gebrauch in diesen Läͤndern sehr wol bekannt
ist, daß dieser hochmuͤthige Tuͤrk lieber wuͤrde einen Verlust von
16000. Thalern oder 5000. Ducaten, und mehr verschmerzen, als
vor einen Christen aufstehen, und ihme so weit entgegen gehen. Jm Des Se⸗
raskiers
Geschenk
an den Hn.
Botschaf⸗
ter und des⸗
sen Suite.
Weggehen wurden unter uns 25. Uber⸗Kleider, so sie Caftans
nennen, ausgetheilt, und ließ sich anbey entschuldigen, daß er vor
diesesmal mit mehrern nicht versehen waͤre, sonst wolte er gerne einem
jedweden eines haben reichen lassen/ wann er nur so viel, als hierzu
nöthig gewesen, auf der Gränz finden köͤnnen; da doch sonst unter
der andern Hn. Botschafter Comitat nicht mehr als zum hoͤchsten 15.
ausgetheilt worden. Dem Herrn Groß⸗Botschafter verehrte
er ein vortrefliches Babylonisches Pferd, von Kästen⸗brauner Cou⸗
leur, als welche Farb von ihnen vor andern æstimirt wird. Das
Pferd war über dieses mit dem kostbarsten Türkischen Zeug aufge⸗
butzt, hatte zur Seiten an dem Sattel einen Damascenirten mit
Schmelz⸗Werk zierlich ausgemachten Säͤbel hangend, welches gleich⸗
falls für ein sonderbares Ehren⸗Zeichen bey ihnen gehalten wird.
Hier⸗
K 2
- 102 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung.
76
Hierzu kam noch ein roth⸗gewässerter und mit Zobel gefütterter
Caftan / den aber der Herr Botschafter, ehe er noch das ihm
verehrte Pferd bestiegen, wiederum ablegte, und hierauf in voriger
Ordnung und Kleidung, in welcher Er gekommen, in sein Gezelt
zuruck kehrte; wobey die Türken ihr gewöhnliches Geschrey aber⸗
mal, wie bey unserer Ankunft, erschallen liessen, wir aber in unse⸗
rer neuen Kleidung einen recht seltsamen und laͤcherlichen Aufzug
machten.
Caftans
Beschrei⸗
bung.Es ist aber dieses Kleid eine Art von einem langen Rock, so
bis auf die Füß hanget, an welchem zwar Flügel aber keine Ermel
angemacht sind, mehrentheils von weiser Farb, und etwas groben
Faden, dabey sich zwischen dem Weisen gelbe Figuren und einige ganz
dünne Züge von Silber præsentiren. Für einen jedweden derselbi⸗
gen zahlet der Sultan eilf Ducaten, wiewol sie es nicht werth sind;
den Profit aber ziehen die Juden, als welche nur allein damit ihren
Handel treiben. Dann weil niemand vor den Sultan ohne der⸗
gleichen Aufzug gelassen, und solches Kleid auch allen ankommenden
vornehmen Gaͤsten ausgetheilt wird, so laufen die Juden in allen Lä⸗
gern und Städten herum, um deren einige loß zu werden; dahero
es auch kommen kan / daß einem in einem Jahr eben dasjenige
Kleid, welches er bereits schon gebraucht, noch öfters zu Handen
kommt. Als wir kaum in unserm Läger wieder angelangt, hatte
der Janitscharn Aga dem Herrn Botschafter einen Rappen,
welcher dem Babylonier an Schoͤnheit nichts nachgab, nur daß die⸗
ser nicht mit so schoͤnen Pferd⸗Zeug versehen war, zu einer Vereh⸗
rung gesendet; worgegen der Herr Botschafter ihm eine Flinten
mit einem doppelten Lauf nebst ein paar nett ausgearbeiteten Pistoh⸗
len zum Gegen⸗Præsent überschicket. Nach des Herrn Groß⸗
Botschafters Rückkehr von dem Seraskier haben sich die Tüͤrken
nach dem Divan, oder Gericht, verfüͤgt, worzu mit der Trommel
ein Zeichen gegeben worden, und hierauf sich die Pfeiffen und uͤbri⸗
ge Musicanten hören lassen, welches bis auf den späten Abend
gedauret. Mitten in der Nacht entstund ein entsetzliches mit Blitz
und Regen vermengtes Ungewitter, wordurch die Zelter aus der Er⸗
den gerissen, und in der Luft hin und her geführet worden. Zu
gleicher Zeit sahe man im Lager ein gewisses Feuer, welches sich bald
zeigte, bald wieder verlohre, so daß es um dieser Ursach willen einige
für
- 103 -
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa.
77
für ein Jrrlicht gehalten haben; andere aber urtheilten ihren Aber⸗
glauben gemaͤß, und hielten es für die Pest, welche sich in Gestalt
einer Flamme nach des Poͤbels Meinung, sehen laͤsset; daß aber das
erstere wahr gewesen, hat sich im Ausgang gezeugt.
Den 21. gabe der Seraskier dem Herrn Groß⸗Botschaf
Seras⸗
kiers Visite
bey dem
Hn. Bot⸗
schafter.
⸗
ter um den Mittag die Gegen⸗Visite, weswegen ihm der Hof⸗
Marschalk, Freyherr von Seebach / mit noch vier Edelleuten,
als den Freyherrn von Locher / Schopen / Jmhof und Stu⸗
denitz / entgegen geschickt wurde, damit sie denselbigen aus seinem
bis in unser Lager begleiten solten. Indessen wurden von dem er⸗
sten Gezelt des Herrn Groß⸗Botschafters bis an das andere
hundert Schritt weit zu beiden Seiten in doppelter Linie der Adel,
die Hauß⸗Bediente, Pagen, Laquayen, und übrige, so bey der Bot⸗
schaft waren, gestellet, und zwar also, daß immer die Vornehmern
dem Gezelt des Herrn Botschafters am nechsten stunden. Der
Marggraf Besora / und Graf Bathyani / wurden beordert,
den ankommenden Gast bey dem grossen Gezelt zu empfangen. Jm Dessen
Comitat.
Herzug giengen die mit leichten Waffen versehene Spahi voran /
blieben aber vor unserm Lager stehend; denen folgten einige Chiau⸗
sen, auf Türkische Manier gekleidet, kurz darauf kamen unterschied⸗
liche Officier von der Militz, nechst diesen des Bascha Hauß⸗Be⸗
dienten in weisen Kleidern, zwischen welchen Er selbst in einem Pur⸗
pur⸗farben Kleid geritten ist, wovon aber viere dessen Pferd regier⸗
ten und ihre Hände zum Theil auf des Pferdes Ruͤcken, theils aber
an den Zaum gelegt hatten: auf beiden Seiten giengen zwey hundert
Janitscharn, welche an statt der Waffen Stecken in den Häͤnden
trugen; gegen denselbigen uͤber bey des Hn. Groß⸗Botschafters
innern Zelt stunde Sr. Excell. Leib⸗Wacht mit aufgepflanzten kur⸗
zen Gewehr in der Hand; hinter ihm aber wurde ein Hand⸗Pferd
geführet, und zu letzt folgten die Troß⸗Buben und Stall⸗Knechte.
Die zu Pferd waren, stiegen alle vor dem ersten Zelt ab; der Se⸗
raskier aber allein ist erst bey dem Eingang des andern abgestiegen,
dessen übrige Leute ihm nur zu Fuß begleitet haben. Hierauf hat Empfang
von dem
Groß⸗Bot⸗
schafter.
der Herr Groß⸗Botschafter ihn bey dem Eingang seines Gezel⸗
tes empfangen, und bey der Hand, doch mit bedecktem Haupt, hin⸗
ein geführt, und auf den ihn bereiteten Sessel angewiesen, und mit
Chocolate und eingemachten Fruͤchten tractiret; dabey des Herrn
Groß⸗
K 3
- 104 -
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
78.
Groß⸗Botschafters Sessel gerad gegen dem Bascha zur rechten
Ruckkehr. Hand gesetzt war. Als sie nun mit einander von unterschiedlichen
Sachen eine zeitlang geredet, ist der Seraskier nach weitläuftiger
Dank⸗Abstattung für die ihme erwiesene Ehr⸗Bezeugung wiederum
nach seinem Lager zuruck gekehrt: worauf sich der Herr Botschaf⸗
ter entschuldigt, daß er, als ein Reisender, einen so vornehmen
Gast nicht nach Wüͤrden bedienen köͤnnen, deme Er noch bey dem
Kaiserl. Ge⸗
schenke an
dem Se⸗
raskier. /Abschied einen höflichen Wunsch beygefügt. So bald er nun wie⸗
der im Lager angelangt, folgten ihm die Kaiserliche Geschenke
auf dem Fuß nach, welche durch den Herrn von Melzern, Obrist⸗
Vorstehern der Leib⸗Wacht; Herrn Cramer / Cassierer bey dieser
Groß⸗Botschaft; Herrn Holzmann / Uhrmachern, und Herrn
Vorner / Kaiserlichen Ober⸗Dolmetsch dahin gebracht worden.
Diesen liese der Seraskier drey neue Caftan / welche die vorigen
an Schönheit und Kostbarkeit übertroffen, dem vierten aber ein
Stuck rothes Tuch und etliche Eln Atlas reichen; deme den Nach⸗
mittag ein Pferd nebst einem Beutel mit Gold nachgeschicket wor⸗
den, davon das erstere dem Kaiserlichen Cassierer, der Beutel
aber dem Dolmetsch zu theil worden.
Sechste Abtheilung.
ENdlich sind wir den 22. Junj, an Paulini⸗Tag, wieder von
Abschied
an densel⸗
bigen.
Nissa aufgebrochen, als vorher der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter den Hof⸗Marschalk mit zwey Edelleuten, Herrn
Stetzer und Mattoni abgeschickt, von dem Beiglerbey in sei⸗
nem Namen Abschied zu nehmen, und füͤr alle erwiesene Höͤflich⸗
keit den gebüͤhrenden Dank abzustatten. Wann ich aber den Se⸗
raskier, wie schon öfters geschehen, Beiglerbey nenne, geschiehet
solches darum, weil dieses der gemeine Name ist, da hingegen Se⸗
raskier etwas besonders und zwar einen solchen Kaiserlichen Stadt⸗
halter der Landschaften und Köͤnigreiche anzeigt, welcher von den
übrigen Baschen und Sangiaken, so gleichfalls gewissen Grafschaf⸗
ten und Plätzen vorstehen, auch ein oder zwey Roß⸗Schweif füh⸗
ren, damit unterschieden wird. Selbigen Tag kamen wir nicht
weiter als zwey Meilen, an den Fluß Kutinska / wo wir das Dorf
Kori⸗
- 105 -
Abbildung:
Türkisches Bad
- 106 -
- 107 -
Reise von Nissa bis nach Sophia.
79
Koritniac zur linken Hand hatten, und zwar darum, weil noch
heute Courier nach Wien muste abgefertiget werden, Jhro Roͤ⸗
misch⸗Kaiserlichen und Catholischen Majestät von allem
diese Zeit über passirten umständliche Nachricht zu ertheilen. Von
dem Tag an, da wir von Belgrad abgereißt, haben wir noch bis
auf diese Stunde kein schoͤnes Wetter gehabt, sondern sind immerzu
von Wind und Schnee haͤßlich vexirt worden.
Suha⸗Ge⸗
bürg.Den 23. Junj hatten wir einen gar uͤblen Weeg zwischen dem
Suha⸗Gebürg und dem Nissava⸗Fluß. Dieser Orten gibt es viel
warme Bäder von dem schweflichten und mineralischen Wasser, so
aus den Bergen heraus springet. Der rothe Sand und Steine
verursachen, daß das Wasser ganz gefärbt davon wird. Auf dem Nah bey⸗
sammen
liegende
Bäder von
unterschied⸗
licher Art.
halben Weeg nach Mustapha Bascha Palanka habe ich etwas
curiöses angemerkt: Man findet nemlich am Fuß des Berges ein
Bad, darzu ein viereckichter Stein ausgehauen ist, desselbigen Quel⸗
le, welche Manns dick heraus dringet, ist weder warm noch kalt,
sondern laulicht; wann man aber 60. Schritt weiter gehet, findet
man in eben diesen Thal eine andere Quelle, die ganz hell und klar
und noch darzu Eiß kalt ist; beide führen Salpeter und Schwefel
mit sich, wie es der Geruch gleich anzeigt. Dieses sind diejenige
Berge, die Servien und Bulgarien von einander entscheiden, Gräͤnzen
von Ser⸗
vien und
von Bulgarien.
welches letzte man ehedessen Volgaria nennete, von dem Scythischen
Fluß Volgo / wohin sich die Scythen gefluͤchtet hatten, und
welchen die Völker daselbst Volgari genennet worden; dahero die⸗
jenige Geographischen Scribenten irren, welche Mustapha Ba⸗
scha noch in Servien setzen. Wir hatten unser Lager nicht weiter
als nur einen Canonen Schuß von diesem Ort zwischen der Nissa⸗
va und Luschnitza / und vor uns disseits das Zerniwirer / jen⸗
Luschnitza⸗
Fluß.seits aber das Ulanitzer Gebürg. Die Luschnitza entspringt in
dem Gebuͤrg, zur rechten der Palanka; und nachdem sie ein Dorf
gleiches Namens und die obere Palanka schnell und mit grossem Ge⸗
räusch vorbey geflossen, ergiesset sie sich in die Nissava. Auf die⸗
Orden des
H. Basilii.
sen Bergen ist ein Closter, worinnen sich Moͤnche von dem Orden
des H. Basilii aufhalten, und nach der Regel ihres Stifters als Ein⸗
siedler leben. Es ist solches der ansehnlichste Orden in der Grichi⸗
schen Kirche, dessen Geistliche durch das ganze Reich des Sultans
aus⸗
- 108 -
80
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
ausgebreitet sind, ihre Clöͤster noch, wie zu Zeiten der Grichischen
Mustapha
Bascha Pa⸗
lanka. Kaisere, bewohnen, und ein sehr strenges Leben führen. Diese Pa⸗
lanka ist ganz anders als die uͤbrigen angelegt: Jhre Befestigungs⸗
Werker sind nur von Bäumen, gespitzten und vorn abgebrannten
Pfälen aufgeführt, und mit Queer-Stangen etlichmal versehen:
Sie ist mit einer vierfachen Mauer von Quater⸗Stüͤcken umgeben/
die von acht in gleicher Weite entlegenen Thüͤrnen vertheidiget
wird. Zu dieser Zeit war keine Besatzung darinnen; wie sie dann
auch wegen der nechst anstossenden Bergen und Felsen nicht im
Stande wäre, weder eine Armee aufzuhalten, noch sich vor einem
Anfall zu wehren, weil sie daraus nur mit kleinem Gewehr ruinirt
Haan oder
öffentliche
Herberge
der Tür⸗
ken.werden könnte. Gegen der Palanka über liegt eine offentliche Her⸗
berge, so die Türken Haan, die Asiatischen Völker aber Cara⸗
vansarai nennen, welche in diesen Landen so gemein, daß kaum
ein Dörflein oder auch wol nur etliche Haͤuser, vornemlich an der
Land⸗Strassen, anzutreffen, dabey nicht dergleichen Wohnung zur
Gemächlichkeit und Aufenthalt der Reisenden gebauet ist. Es kehrt
daselbst ein, wer nur will, und kamen auch ohne einige Bezahlung
darinnen üͤbernachten, dann die Türken halten es für ein Liebes⸗
und GOtt⸗gefälliges Werk, dergleichen Häuser, wovon sie keinen
Nutzen haben / aufzubauen, weil sie denenjenigen dienen, welche we⸗
der ein eigenes Dach, noch Geld haben: So wende sie auch nicht
leicht auf etwas so viel, als wie auf dergleichen Gebäͤue, theils
weil deren die Nachkommen unfehlbar geniessen, als eine Sache,
woran man sich nicht vergreifen darf; da sie im Gegentheil wegen
ihrer uͤbrigen Verlassenschaft nicht sicher genug sind / dessen gröͤsten
Theil der Sultan zum öftern ohne angezeigte Ursach zu sich nimmt,
und seine Schatz⸗Kammer damit bereichert: theils, weiln sie nicht
zweifeln, daß man GOtt für diejenige beständig anflehe, durch de⸗
ren Freygebigkeit dergleichen Herberge aufgeführet sind, als wor⸗
durch denen Nothleidenden Hüͤlfe geschiehet, und ihre benöͤthigte
Nacht⸗Ruhe befördert wird. Das Gebäu an sich selber ist zimlich
groß, und durchgehends von Steinen aufgefuͤhrt, welches die Tüͤr⸗
ken sonst nicht gewohnt sind, als die mehrentheils alles von Holz
bauen; es ist etwas länger als breiter, ins gemein mit Kupfer oder
Bley bedeckt: keine Zimmer findet man darinnen, es sey dann,
daß bisweilen ein kleines für die Bascha mit angebauet ist, wann
sie
- 109 -
81
Reise von Nissa bis nach Sophia.
sie darinnen logiren wollen. Im Vorhof ist gemeiniglich ein Brun⸗
nen, zum Waschen und andern Nothwendigkeiten; in der Mitte
aber ein grosser leerer Platz, die Bagage dahin zu bringen, und die
Cameel, Maulthiere, Pferde, Ochsen und anderes Vieh darein zu
stellen. Um die vier Seiten des Gebäͤues ist rings herum eine an⸗
dere Mauer angehenkt so in der Hoͤhe drey, in der Breite aber
bisweilen einen einigen Schuh mehr austrägt: diese ist oben ganz
gleich, durch die Haupt⸗Mauer des Gebäͤues
aber sind unterschiedli⸗
[che] Rauchfänge geführt. Erst bemeldte angehenckte Mauer dienet de⸗
nen, welche allhier einkehren, zum Schlaff Zimmer / Speiß Saal,
Tisch, Bett und allem andern, sind auch nur allein durch die Brei⸗
te dieser Mauer von ihrem Vieh abgesondert, welches so gar bis⸗
weilen an den Fuß dieser Mauer in solcher Positur angebunden ist,
daß es mit dem Kopf uͤberhin schauet / und ihren Herrn, welche et⸗
wan bey dem Feuer oder Tisch sitzen, eine kleine Visite gibt, wofüͤr
sie auch zu Zeiten mit einem Stuck Brod oder Ruͤben regalirt wer⸗
den. An statt des Betts breiten sich die Reisende einen Teppich
auf, den sie zu dem Ende hinten auf dem Sattel gebunden mit fuͤh⸗
ren, auf diesen legen sie statt des Unter⸗Betts ihren Regen⸗Man⸗
tel, der Sattel dient ihnen zum Haupt⸗Kuͤssen / und ihr langer mit
Pelz gefütterter Rock, mit dem sie sich bey Tag begleiten, muß ih⸗
nen hier bey der Nacht das Deck⸗Bett abgeben; und wann ihnen
noch darzu die Ausdampfung ihres Viehes die kalte Nacht⸗Luft er⸗
wärmet, so schläͤft mancher dabey ruhiger, als die Koͤnigin Pro⸗
serpina in ihrem Königlichen Bette.[5] Hier kan man nichts heim⸗
lich verrichten, und durch nichts als die Nacht den Augen der An⸗
wesenden in etwas entzogen werden. An einige stossen Bäder, Kir⸗
chen, Kaufmanns⸗Läden und Werkstätte, so daß die Reisende sich
waschen, ihr Gebet verrichten, das Vieh in die Traͤnke fuͤhren, und
was ihnen sonst etwan abgehet, fuͤr baares Geld haben koͤnnen. Jn
einigen
dergleichen
Herbergen
hat man
die Kost
umsonst.
Asien gibt es welche, die mit so reichen Einkuͤnften versehen, daß Jn
man den Reisenden auch die Kost umsonst reicht, welche in ein we⸗
nig Kraut, einer Schuͤssel Gersten oder Reiß, der oft mehr ge⸗
brannt als gekocht ist, einem darauf gelegten Stuͤcklein Fleisch und
rings um die Schuͤssel gelegten Brod, bestehet, worzu bisweilen
noch ein wenig Hoͤnig kommt, dabey man auch des Wassers nach
Vergnüͤgen umsonst trinken kan. Es wird aber dergleichen Kost nicht
etwan
L
- 110 -
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
82
etwan nur den Armen vorgesetzt, gleich als ob es denen Reichen und
Vornehmern nicht gut genug seyn duͤrfte, sondern es wird auch de⸗
nen Baschen und Sangiaken auf ihrer Reiß gereicht; dann
gleichwie diese Herbergen jederman offen stehen, und keinem das
Quartier versagt wird, er seye nun gleich ein Christ oder Tuͤrck, ein
Armenianer oder Jud, ein Römer oder ein Grich, reich oder arm:
also bringt es die Gewonheit mit sich, daß diese Speisen jederman
vorgesetzt werden, von welchem er, will er anders nicht für gar zu
delicat und unhöͤflich gehalten werden, wenigstens etwas kosten muß.
Allhier darf man sich drey Tage aufhalten, ohne daß einer was
bezahlt, aber nach deren Verfliessung muß man sich packen, und ein
ander Ort suchen. Wir haben uns für diesesmal in der Hinreisse
wegen der grossen Anzahl unserer Leute, und der dieser Orten gras⸗
sirten Pest solcher Gelegenheit nicht bedienen koͤnnen, ist auch zum
öftern der Pferde besser als unserer gepflegt worden, welche meisten⸗
theils unter den druckenen Daͤchern stunden, wann wir indessen unter
den leinern und Baumwollenen Gezeltern unser Nacht⸗Quartier
aufschlagen musten. Wir wollen aber nun einmal die Herbergen
verlassen, und wieder auf denjenigen Weeg kehren, von dem wir uns
eine zeitlang abgewendet haben.
Man kan nicht anderst, als nur durch einen einigen Weeg
Unbrauch⸗
barer Weg nach So⸗
phia.über Scharkioi nacher Sophia kommen / welcher aber wegen der
hohen Berge, grossen Wälder und vielen Lacken für eine Armee im⸗
passabel ist, sonderlich aber zur Früͤhlings⸗ und Herbst⸗Zeit, wann
der auf den Bergen liegende Schnee durch dem darzu kom̃enden Regen
die Thäler mit Wasser anfüllet: daselbst sind einige Oerter von
Natur also beschaffen, daß derjenige, so sie zu erst occupirt, mit
weniger Mannschaft eine ganze Armee abhalten kan. Durch diesen
Weeg sind wir mit grosser Beschwehrlichkeit marchirt, und nach ei⸗
ner Zeit von fuͤnf Stunden, am 24. Juni, als am Johannes⸗Tag,
Die Ve⸗
stung
Scharkioi.zu Scharkioi ankommen. Diese Stadt hat auf einem Berg, an
welchem die Nissava vorbey fleußt, und worein sich noch zwey ande⸗
re Flüsse, die Duschtina und Sredorek ergiesen, ein Schloß
gleiches Namens, vor welchen im vorigen Tüͤrken⸗Krieg unsere Sol⸗
daten 19. Tag gelegen[6]; allein der gegen überliegende Felsen verhin⸗
dert, daß man bey einer Belägerung die Stadt nicht mit Stucken
beschiessen kan: weil aber der Platz eng / würden die Bomben und
Gra⸗
- 111 -
83
Reise von Nissa bis nach Sophia.
Granaten ohne Zweifel eine desto gröͤssere Würkung thun. Aus
erst bemeldten Felsen quillet an unterschiedlichen Orten das hellste
Wasser herfür, welches durch geheime Röͤhren unter der Erden in
den Stadt⸗Graben und die Stadt selbst geleitet wird. Dann man Die schön⸗
sten Brun⸗
nen sind in
der Türkey.
muß wissen, daß, weil die Tuͤrken, vermoͤg ihres Gesetzes, keinen
Wein trinken, sie an keine Sache mehr Geld, als an Erbau⸗
ung der Brunnen wenden, weswegen auch in der That in ihrem
Lande die allerschoͤnsten anzutreffen sind, und dieses nicht allein in
Städten/ sondern auch auf dem Land und andern unbewohnten
Oertern, damit sich nemlich die Reisende, und diejenige, so auf dem
Feld arbeiten, bey grosser Hitze wieder erfrischen koͤnnen; so geschie⸗
het es auch wol zu Zeiten, daß das Wasser, wann es einen guten
Geschmack hat, viele Meilen mit den groͤsten Unkosten durch Röͤh⸗
ren in die Brunnen geleitet wird. Gemeldte Stadt ist in die Laͤnge ge⸗
bauet, und allenthalben mit Morast umgeben, weswegen man auch
die Land⸗Strassen mit Kieselsteinen pflastern muͤssen, weil ohne die⸗
ses die Wägen nicht wol wuͤrden fort zubringen seyn. Der Weeg
von Nissa her füͤhrt üͤber zwey Brüͤcken, deren eine uͤber die Dusch⸗
tina / die andere üͤber die Nissava geschlagen ist. Hundert Mann Ja⸗
nitscharn liegen darinnen in Besatzung; allein, wann auch gleich noch
mehr darinnen wären, wuͤrden sie doch den Feind an seinen March
nicht hindern, es sey dann, daß er sich selbst dafuͤr mit einer Belä⸗
gerung aufhalten wolte, weil sich der Weeg nach Sophia und Ha⸗
drianopel theilet, also daß sich eine Armee ohne einigen Nachtheil
zur Rechten gegen das Gebürg wenden könnte.
Als die Tüͤrken den Herrn Groß⸗Botschafter anrucken saDer Herr
Botschaf⸗
ter wird be⸗
schossen.
⸗
hen, haben sie ihre drey Stuͤcke, dann mehr hatten sie nicht, drey⸗
mal loß geschossen. Indem wir der Stadt naͤher kamen / beobach⸗
tete ich im Vorbey⸗March gegen das Schloß zu eine alte zerfallene
Kirche, die sie ehemals den Catholischen entzogen hatten, welche
unter ihren Ruin ihre Erretter gleichsam mit folgenden Worten an⸗
redete: Ach daß doch die Christlichen Füͤrsten alle Feindse⸗
ligkeiten unter einander moͤgten beyseits legen/ und in gu⸗
ter Verstäͤndnus mit einander leben/ hingegen die Waf⸗
fen / mit welchen sie sich selbst aufreiben, gegen den allge⸗
meinen Feind des Christlichen Namens kehrten, und die⸗
jenige Oerter/ welche er mit groͤstem Unrecht besitzet/
der
L 2
- 112 -
84
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
der Kirchen und ihren rechtmaͤßigen Herrn / welchen es
mit Gewalt entzogen worden / wieder zubraͤchten! Aber
Jhro Röm.
kais. Ma⸗
jestät Sie⸗
ge / durch
einen an⸗
dern Krieg
verhindert. du wuͤrdest ja wol schon gerochen seyn, und dieses Wunsches nicht
mehr nöthig haben, wo nicht der Aller⸗Christlichste und Gotts⸗
fürchtigste Kaiser durch eines Gotts⸗ und Ehr⸗vergeßnen Men⸗
schen böse Rathschläge, mitten im Frieden, ohne vorher angekündig⸗
ten Krieg / und noch darzu mit solchen Mitteln, die man unter
einem heiligen Vorwand aus den Kirchen⸗Gütern gezogen, in sei⸗
nen Ländern zu derjenigen Zeit wäre angegriffen worden, da Er in
einem andern und heiligen Krieg mit dem Türken war verwickelt
gewesen, wobey Er freylich einer längern Ruhe mit andern nöthig
gehabt hätte, wo nicht der glückliche Fortgang Seiner siegenden
Waffen mitten in ihren Lauf solte gehemmet werden; dann hätte
man Jhm nur noch eine kurze Zeit gegöͤnnet, wuͤrde Er Sich
durch die Göttliche Hüͤlfe bald in den Stand gesehen haben, den
Erb⸗Feind, welchen Er bereits von den Gränzen verjagt, ins kuͤnf⸗
Die Ein⸗
wohner der
Stadt und
Kauf⸗
mannschaft tige allein gewachsen zu seyn, und dessen Macht zu widerstehen Doch
wir erwarten nun die Erfüllung des gethanen Wunsches zur an⸗
dern Zeit, und wenden uns indessen zu den Einwohnern dieser
Stadt, welche gegenwaͤrtig, wie auch durchgehends in der Türkey,
von Musulmäͤnnern / Raitzen / Grichen und Armeniern be⸗
wohnt ist. Diese treiben Kaufmannschaft unter einander, befleissi⸗
gen sich aber dabey der Redlichkeit vielmehr, als die Christen selbst,
wann diese gleich von einerley Religion sind. Jhre Wahren beste⸗
hen nur in gemeinen und zur Küͤche und Kleidung gehöͤrigen Sachen:
und ihre Häuser sind um etwas weniges gröͤsser, als sonst hier zu
Land gewöhnlich ist.
Wir schlugen unser Lager in einer Ebne bey dem Fluß Sre⸗
doka auf, und waren noch immer mit Bergen umgeben, davon
dieser zur Rechten Baßurat / der zur Linken Widisch genennet
wird, welcher noch zwey andere Namen von zweyen Spitzen füh⸗
Fruchtbar⸗
keit des
Erdreichsret, nemlich Bassari und Deposchi. Seit dem wir über die Un⸗
garischen Gränzen kommen, haben wir noch kein fruchtbarer Erd⸗
reich als dieses gefunden, und das also angebauet gewesen ware; sin⸗
temaln die Erde vor Fetten ganz schwarz ist, auch Getraid und
Wein im grösten Uberfluß daselbst wächset. Hierbey ist wol zu
bemer⸗
- 113 -
85
Reise von Nissa bis nach Sophia.
bemerken / daß unter den Grichen oder Raitzen dieses Landes, und Unterschied
der Raitzen
dieser und
anderer Ge⸗
genden.
denen, welche anderswo wohnen, ein doppelter Unterschied seye: der
erstlich, haben sie den Gebrauch, daß, wann sie sich mit dem Heil.
Creutz bezeichnen, sie nach unserer Art die Hand von der linken zur
rechten Seiten fuͤhren, da hingegen die andern von der rechten zur
linken gehen, theils weil sie dafüͤr halten, daß der Heil. Geist vom
Vatter allein und nicht vom Sohn ausgehe; theils, weil insgemein,
und zwar sehr wahrscheinlich, gelehret wird, daß Christus die Ju⸗
den verworfen, und an deren statt die Heyden zu Jüngern ange⸗
nommen habe. Der andere Unterschied bestehet darinnen: daß sie
nach dem Exempel der alten Roͤmer, noch in Geschlechter ausgethei⸗
let sind, also zwar, daß, wann ein Sohn zu einem solchen Alter
kommt, worinnen er sich verheyrathen kan / er auf vätterlichen
Grund für sich und seine Braut ein Hauß aufbaue, wann er nicht
sonst schon ein leeres daselbst findet, und dieses geschiehet so vielmal,
als das väterliche Erb solches zu ertragen geschickt ist; wann aber selbi⸗
ges nicht mehr im Stand, was mehrers zu ertragen, muß er von
dar weichen, und sich eine andere Wohnung suchen. Bey den an⸗
dern Raitzen aber ist es grad umgekehrt, angesehen selbige, so bald
sie sich verheyrathen, mit einem Stuͤck Geld sich muͤssen wegrich⸗
ten lassen, und anders wohin ziehen, damit die gemeinschaftliche
Besitzung der Güter nicht, wie es mehrentheils geschiehet, Uneinig⸗
keit und unversöhnlichen Haß verursache.
Den 25. hielten wir Rast⸗Tag / weswegen der Herr Bot
Hn. Bot⸗
schafters
Einladung
von dem
Cadi zur
Fischerey.
⸗
schafter samt seinem Adel und unserm Füͤhrer dem Mehemet
Aga / von dem Cadi oder Richter dieses Orts in einen vor der
Stadt gelegenen Garten zu einer Fischerey eingeladen worden, da
sich unterdessen die andern mit der Jagd divertirten. Als ich die
grosse Zubereitung zur besagten Fischerey machen sahe, bildete ich mir
nicht ohne Ursach ein, es würde da nichts als Salmen, Forellen,
Platteise / Hechte und andere delicate Fische zum besten geben; wie
man aber darzu sahe, waren es zwey kleine Fischlein, welche diese
elende Fischer mit aller ihrer Zuruͤstung erwischt, und wuͤrden sie
auch diese nicht einmal davon gebracht haben, wann der Himmel
nicht gleichsam selbsten ein Mitleiden mit ihrem ungeschickten Wesen
gehabt, und sein helles Wetter, welches sonsten zum Fischfang
nicht wol dienlich ist, mit trüben Wolken verwechselt, und also
die⸗
L 3
- 114 -
86
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
diese vortrefliche Fischer im truͤben Fischen lassen, jedoch gleichwol;
Ein Vene⸗
tianischer
Soldat
nimmt seine
Zuflucht zu
uns.wegen ihrer Unerfahrenheit, mit schlechtem Vortheil. Unterdessen
kam ein Venetianischer Soldat, von Geburt ein Tyroler, zu
uns, welcher neulich in Morea gefangen worden, jetzt aber sei⸗
nem Herrn heimlich darvon gelaufen ware; dieser suchte seine Zu⸗
flucht bey der Botschaft, welche er auch gefunden, wiewol er sich
schon aus Furcht der Pein und Grösse der Schmerzen zum Abfall
bringen und beschneiden lassen, jedoch nichts destoweniger, seiner
Meinung nach / im Herzen noch ein guter Catholischer Christ ge⸗
blieben.
Der Türki⸗
schen Sol⸗
daten Geil⸗
heit und Muthwill. Die darauf folgende Nacht, nemlich zwischen den 25. und 26.
Junii, ist kein geringer Lermen in unserm Läger entstanden, daß wir
auch anfangs nicht gewust, was wir davon halten solten; endlich
aber fand sich, daß die Tüͤrkischen Soldaten bey der Nacht unge⸗
fehr zu einigen Bulgarischen Weibern gerathen, und sich ihrer, wie her⸗
nach erzehlt worden, durch Versprechen zu bedienen gesucht; weilen
aber diese sich beständig geweigert / haben sie Gewalt gebraucht: ob
sie sich aber durch ihr Geschrey aus den Häͤnden dieser leichtfertigen
Vögel errettet, haben wir so genau nicht erfahren, noch auch ihnen
in ihrer Noth wegen des darzwischen liegenden Wassers, beystehen
können. Sie haben auch schon dergleichen in dem Lager vor Nissa
tendirt, sind aber dabey noch ungluͤcklicher als hier gewesen; sin⸗
temaln gleich einige aus dem Adel mit dem Degen in der Hand den
Nothleidenden zu Hülf gekommen: wie dann sonderlich die zwey
Grafen von Kollovrath und der Graf von Scherfftenberg
alsobald bey der Hand gewesen, und weil sie nicht wußten, aus was
Ursach der Tumult entstanden, auch wol was gefaͤhrlichers muth⸗
maßten, mit entbloͤsstem Gewehr aus den Zelten gesprungen, ohne
daß sie sich Zeit genommen häͤtten, ihre Kleider anzuziehen, zu ei⸗
nem unverwerflichen Zeugnuͤß, wie sie sich jederzeit wuͤrden bereit
finden lassen, für die Ehre ihres Kaisers / und Sicherheit ihrer
Cameraden das Leben aufzusetzen.
Den 26. dito sind wir durch enge Thaͤler laͤngst der Nissava
Gelegen⸗
heit des
Ortes Sa⸗
ribrod.
fort marchirt, bis wir auf Saribrod gekommen, welcher Name
nach unserer Sprach so viel heißt, als des Kaisers Bart, und ein
an einem nicht gar hohen Berg hangendes Dorf ist. Gegen dem⸗
selbi⸗
- 115 -
Reise von Nissa bis nach Sophia.
87
selbigen über haben wir unser Läger geschlagen, und zur linken
das oben oͤde unten aber und in der Mitte sehr fruchtbare Stara⸗
plamina⸗Gebuͤrg im Gesicht gehabt, welches sich bis nach Widin
erstrecket: am Fuß des Berges ist ein crystallen heller Brunnen,
und zwey uͤber die Nissava geschlagene Brücken, davon die eine von
gehauenen Steinen, die andere aber von Eichen⸗Holz verfertiget ist.
Diese letztere ist viel breiter die erstere aber desto höher, ohne
Zweifel darum, damit im Kriegs⸗Zeiten im Fall der Noth eine Ar⸗
mee in gedoppelter Ordnung, zu Fuß und zu Pferd heruͤber gehen,
und dann auch die Reisende sich der steinernen Brüͤcken bedienen
konnen, wann etwan / wie es öfters geschiehet, und wir auch noch
im Vorbey⸗Zug Merkmal davon gefunden, durch den von Regen
und Schnee geschwellten Fluß das Land samt der hoͤlzernen Brüͤcke
unter Wasser gesetzt worden. Der Commendant dieses Orts ist
unserm Herrn Groß⸗Botschafter mit einigen Reutern entge⸗
gen kommen, hat seine Begruͤssung bey Jhm abgelegt, sich so dann
neben den Wagen verfuͤgt, und ist bis vor die Palanka darbey her
geritten. Diese Commendanten⸗Stelle aber ist ihm mit dieser
Bedingung uͤberlassen worden, daß er den Ort bevestigen solte, wel⸗
ches er auch vortreflich præstirt: Er hat nemlich einen aus Leimen
und Stroh aufgefüͤhrten Bauern Hof mit Pfäͤhlen umsetzt, selbige
mit Binzen zusammen flechten und natuͤrlich einen solchen Zaun da⸗
rum füͤhren lassen, wie bey uns diejenige aussehen, worinnen man
Schaafe und Ziegen auf der Waide gehen laͤsst; wordurch er gleich⸗
wol zu wegen gebracht, daß dieses Befestigungs⸗Werk mit dem Na⸗
men einer Palanka belegt wird, und sich die Fremden leichtlich
einen Concept von einer auserlesenen Vestung im Kopf setzen koͤn⸗
ten. Die Einwohner dieses Orts und deren Benachbarte sind von Der Ein⸗
wohner
Freyheit.
allem Tribut auf ewig befreyet, weilen sie im vorigen Krieg, da
Nissa noch in unsern Häͤnden war, unsere Soldaten, so unter An⸗
führung des Grafen Piccolomini bis nacher Sophia und Phi⸗
lippopoli gestreifet, und die herum liegende Landschaft mit Feuer
und Schwerdt verheeret, in einer Enge umgeben, und bey dem
Dorf Dragoman, als sie sichs am wenigsten versehen / mit Si⸗
chel und Hauen angefallen, und nicht wenig davon zu Schanden ge⸗
macht; den Wald aber / wo dieses vorgegangen, nennen die Tür⸗
ken Capi Dervent, das enge Thor: den üͤbrigen Tag haben wir
hier
- 116 -
88
Reise von Nissa bis nach Sophia.
Zwey Rin⸗
ger præsen⸗
tiren sich
vor dem
Hn. Bot⸗
schafter. hier gerastet. Des Nachmittags, da der Herr Botschafter noch
bey der Tafel saß, kamen vor sein Gezelt zwey ganz nackende und
mit Oel bestrichene Ringer / welche auf des Mehemets Befehl
Jhme ein angenehmes Schau⸗Spiel verursachten. Jch habe aber
die Aufführung solcher Leute bey ihrem Kampf ausführlich zu be⸗
schreiben verspahren wollen, bis wir auf den Canal des schwarzen
Meers in ein Kaiserl. Lust⸗Haus kommen, allwo wir auf Befehl
des Groß⸗Sultans in Gegenwart des Groß⸗Viziers Jbra⸗
him Bascha dergleichen Schau⸗Spiel ebenfalls mit angesehen
hatten.
Am 27. Juni haben wir uns durch das felsichte Gebuͤrg Je⸗
schewitz an der Nissava und dem zerfallenen Dorf Dragoman
vorbey, wo der Weeg nach Widin gehet, nacher Chalkali / oder
wie es andere von dem vorbey fliessenden Strom nennen, Slibni⸗
Ursprung
der Nissa⸗
va.ka begeben. Durch diesen Felsen fließt die Nissava, welche nicht
weit davon aus einem Berg zur rechten Hand gegen Sophia / 4.
Stund von dem vorigen Ort, entspringt, so schmal, daß man ganz
bequem daruͤber hinspringen kan. Weder in diesem Dorf noch in der
ganzen Gegend ist ein fruchtbarer Baum, wegen der Hitz und
schlechten Beschaffenheit des Erdreichs, anzutreffen. Als wir von
dar wieder aufgebrochen, kamen wir den 28. dito nach einer Reise
von sechs Stunden nach Obelia, von dar wir aus unserm Lager
Werbniza, so an dem Bach Philippovza liegt, und besser hin
Der Türken
Hoffarth
und Grob⸗
heit.
Jlianch sehen kunten. Jndem nun von daraus die Grafen Thier⸗
heim und Scherfftenberg in die Stadt Sophia giengen, haben
sie der Türken Hochmuth und ungeschliefenes Wesen zu erst em⸗
pfunden. Dann daselbst kamen sie in eines Bascha oder vornehmen
Mannes Hauß / der seine Freunde auf eine Abend⸗Malzeit zu sich gela⸗
den hatte, von deme sie so gleich zu den Bedienten gewiesen wurden,
bey welchen sie sich nach Gefallen lustig machen solten; weil sie sich aber
billig vor besser achteten, als dieser ihre Herrn selbst, welche vermuth⸗
lich von knechtischen Eltern gebohren, und auf knechtische Weise
tractirt worden, bedankten sie sich zum schoͤnsten füͤr so grosse Höͤf⸗
lichkeit, und nahmen, ohne eine andere Ursach zu melden, ihren Ab⸗
schied. Die Türken muthmaßten hieraus, wie die Sache an sich selb⸗
sten war, daß diese Herren von Adel seyn muͤsten, weil sie nicht mit
so
- 117 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
89
so erbarer Gesellschaft speisen wolten, und sie derowegen wieder zu⸗
ruck ruffen, invitirten sie zu sich räumten ihnen die Ober⸗Stelle
ein, bedienten sie mit Rauchwerk und tractirten sie im uͤbrigen auf
das höflichste. Es wurde auch selbigen Tag der Ingenieur-Haupt⸗
mann Herr von Oebschelwitz, noch in die Stadt geschickt, die
Quartier für uns zu bestellen; worauf wir von Obelia nacher So⸗
phia gangen sind.
Siebende Abtheilung.
DJese Stadt
Sophia ist vom Kaiser Justinianus erbauet, Erbauung
der
Stadt
Sophia.
nicht aber von einer jüngern Sophia und Prinzeßin von des
Kaisers Justini II.
Gemahlin
[7], welche mit jener gleichen Na⸗
men gefuͤhret haben soll, wie doch
die Tuͤrken, als welche in der Hi⸗
storie schlecht bewandert,
faͤlschlich vorgeben, und noch viel andere
fabelhafte Sachen von dieser Jungfrau, welche wol niemal in
re⸗
rum
natura gewesen, erzehlen. Dann da sagen sie, es seye dieselbi⸗
ge lange Zeit sehr krank
darnieder gelegen, weswegen sie auf Einra⸗
then der Leib⸗Aerzte sich einen
erhabenen Ort ausgesucht, wo sie ge⸗
sunde Luft und gutes Wasser
antreffen wuͤrde, und weil sie gefun⸗
den, daß sie in beiden Stücken
allhier vergnuͤgt worden, angesehen
in der ganzen Tuͤrkey kein besseres Wasser noch gesundere Luft, als
hier, zu finden, habe sie zur
Dankbarkeit an diesen Ort eine Stadt
und nachgehends auch eine Kirche aufbauen und nach ihrem Namen
nennen lassen. So wird nicht weniger
von ihr erzehlt, daß / als
sie vor
ihres Bruders Verfolgung sich in die Kirche retirirt,
und er
sie eben bey dem Eingang
derselbigen noch ergrieffen, auch ihr mit ei⸗
nem Messer / welches er bereits
schon gezuckt / einen tödtlichen
Stoß beybringen wollen, sie in der Kirchen⸗Thuͤr augenblicklich ver⸗
schwunden
seye.[8] Sie
wird auch deswegen noch für eine heilige Frau
von ihnen gehalten, welche GOTT wegen ihres frommen Lebens
nicht umbringen lassen, sondern von
der Gefahr erretten und schnur
stracks in den Himmel nehmen wollen; worzu sie noch setzen, daß
der Bruder nicht weit von hier ein
Schloß gehabt, wovon sie einem
noch
zur linken Hand, wann man von Nissa
kommt, am Ende der
Stadt die Mauern
weisen. Die Bojana / welche andere Jscha nen⸗
nen,
M
- 118 -
Erstes Buch, Siebende
Abtheilung /
90
Sophia ist
die Haupt⸗Stadt
in der
Bulga⸗
rey. nen, flieset
zum Theil neben der Stadt vorbey, an einigen Orten
aber auch mitten hindurch. Die Stadt
selbst ist zimlich groß und
Volkreich, woselbst die Bulgarischen Könige ihren Sitz gehabt,
hernach aber, wo ich nicht irre, die
so genannten Despoten des
Königreichs Servien, und dieses so lang, als jene Familie
gestan⸗
den, bis endlich Lazarus durch des
Sultans Amurath Waffen
erliegen muste. Nunmehr hat der
Stadthalter in Thracien seinen
Aufenthalt allhier, wann er im Lande ist, und nicht etwan wegen des
Kriegs oder anderer des Kaisers und
des Landes Affairen sich anders⸗
Der Stadt⸗
halter in
Thracien. wo aufhalten
muß. Anjetzo ist dem Türkischen
Botschafter, so sich ge⸗
genwärtig bey dem Wienerischen Hof
aufhält / diese Stadthalter⸗
schaft gegeben worden, ehe er seine
Reise nach Teutschland ange⸗
tretten, führt es aber mehr mit dem
Namen als mit der That, nur
damit
dieser Groß⸗Botschafter ein
groͤsseres Ansehen uͤberkä⸗
me, wann er seine drey Roß⸗Schweife
in besagter Kaiserlichen
Residenz
vor sich hertragen liesse; dahingegen der Seraskier von
Nissa den Namen mit der That
besitzet.
Die Häͤuser sind allhier weit schöͤner als an andern Orten,
worunter auch viele Palläste und Serrallien sind / doch alles nach
Gebäu der
Türkischen
Palläste.
Türkischer Art gebauet. Die Zimmer gehen oder henken vielmehr
oben in einander, so daß man durchs Gegitter von einem ins
andere sehen kan, welches vielleicht wegen der Weiber also einge⸗
richtet ist, damit die eifersuchtigen Mäͤnner auf all ihr Thun und
Lassen Achtung geben koͤnnen; sie sind zimlich klein, und in unter⸗
schiedliche Verschläge und Kästen eingetheilt. Der gröͤste Theil der
Bühne ist ein Werk⸗Schuh hoͤher, als der uͤbrige; weswegen, wann
man selbige besteigen will, man vor erst auf der vorhergehenden die
Schuhe ausziehet; dann man muß wissen, daß die Tüͤrken den Ge⸗
brauch haben, wie ich an einem andern Ort schon gemeldet, wann
sie in ein Zimmer gelassen werden, daß sie vorher die unreinen Schu⸗
he entweder bey der Thuͤr oder dieser Staffel abziehen, welches auch
Unter⸗
schiedliche
Gattungen
der Schuhe
bey den
Türken. die vornehmen Personen zu thun gewohnt sind: Zu dem Ende haben
sie zweyerley Gattung der Schuhe, davon die innere an die Hosen
geheftet, die äussern aber wie Stifeln gemacht sind, deren sie sich
zum Ausgehen bedienen; so ist auch noch eine dritte Art bey ihnen
gebraͤuchlich, die sie Paposchen nennen, und uͤber die innere anzie⸗
hen, wann sie die aͤussern abgelegt haben: Jener höͤhere Theil aber
ist
- 119 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
91
ist mit Persianischen, Babylonischen, Prusianischen oder SmyrZierde der
Türkischen
Zimmer.
⸗
nensischen Teppich belegt, nachdem es nemlich eines jedweden Gele⸗
genheit oder Beutel zu läßt. Die Türkische Polster, so auf wölle⸗
nen Matten der Lange nach auf dreyen Seiten herum liegen, formiren
ein eben so langes Bett, so sie Sofaus nennen, worauf sie fast Türkische
Weise zu
sitzen.
den ganzen Tag, wann ihnen sonst nichts daran verhinderlich ist,
müssig sitzen, ihre Fuͤsse, wie bey uns die Schneider / creutzweiß über
einander schlagen, und in solcher Positur geschäftig ihren Toback rau⸗
chen: sie empfangen allhier die Gaͤste, ihre Weiber verrichten ihre
Hand⸗Arbeit darauf, sie essen, schreiben und schlaffen daselbst.
Dann man trifft in den Zimmern der Tuͤrken weder Sessel, noch Türkische
Zimmer.
Bänke, noch einigen andern Haußrath an, als etwan zu Winters⸗
Zeit ein niedriges Geruͤst, das einen Tisch gleichet, und mit einem
dicken Tuch bis auf die Erde bedecket ist, worunter ein irrden mit
Feuer angefülltes Geschirr stehet; auf dem Land aber haben sie zu
weilen in ihren Lust⸗Gärten einen aus Marmel gehauenen Brunnen,
damit sie Wasser zum Waschen bey der Hand haben: in vielen
Zimmern stehet auch in der Mitten ein kleiner Rauchfang, der wie
ein Kegel gespitzt hinauf gehet, und etwas vorwäͤrts haͤngt, welcher
von Gips gemacht, auch zu Zeiten mit Farben angestrichen und mit
Gold ausgeziert ist. Das obere Getäfel nebst den Wäͤnden sind
von Schindeln oder vielmehr hoͤlzernen Leisten, mit Perlen⸗Mutter
eingelegt und mit Gold und Farben auf das zierlichste gemahlt, daß
also manchmal dergleichen Zimmer vor etliche tausend Ducaten zu
stehen kommt. Die Fenster⸗Scheiben sind in Gips oder Kalk gleichTürkische
Fenster.
⸗
wie bey uns mit Holz oder Bley, eingefaßt, und sehen den Fenstern
in denen alten Kirchen nicht ungleich, machen eine laͤnglichte Figur,
und sind oben entweder ganz oder laͤnglicht rund, auch mit Gold oder
Farben bemahlt und eingebrannt, durch welche die im Kalk oder
Gips formirte Buchstaben gesehen werden, sind auch manchesmal
doppelt gegen einander den Wind desto besser abzuhalten. Hier⸗
durch nun fället das Licht in die Zimmer, in den Bädern aber wird
solches von oben hinein geleitet; und diese stehen so hoch üͤber den ErdHöhe der⸗
selben.
⸗
Boden, als man mit der Hand reichen kan, damit ihre Weiber nicht
überall herum sehen können: wann aber ja zuweilen einige niedri⸗
ger stehen / sind solche entweder voͤllig mit Holz vermacht, oder doch
also mit Gittern verwahret, daß man zwar von innen hinaus aber
von
M 2
- 120 -
92
Erstes Buch / Siebende Abtheilung /
von ausen nicht hinein schauen kan, welches sie abermal um der Wei⸗
ber wegen thun, weil sie dafür halten, daß dieses Geschlecht nicht
genugsam verwahret werden könne; daher es auch kommt, daß sie
ihre Zimmer wol mit hundert Schlössern versperren, und die
Schlüssel darzu keinem Menschen anvertrauen, sondern selbst in ih⸗
Türkischer
Weiber
Verrich⸗
tung.rer Verwahrung behalten. Dann die Türkischen Weiber beküm⸗
mern sich nicht um das Haushalten, wie bey andern freyen Euro⸗
päischen Völkern, sondern verwenden ihre Zeit nur auf ihre Stü⸗
ckerey / und lassen sich keine andere Sorge anfechten, als wie sie ih⸗
re Schönheit erhalten moͤgen; die üͤbrige Hauß⸗Geschäfte überlas⸗
sen sie alle der Männern, welche auch aus Liebe zu ihren Weibern so
gar die Kuchen versehen. Doch ist dieses nur von denen Vorneh⸗
men und Reichen zu verstehen, da es hingegen mit denen Geringen
eine ganz andere Beschaffenheit hat; dann diese halten die Jhrigen
an einem Ort des Gartens verschlossen, wo ihnen so leicht keiner
beykommen kan, bedienen sich indessen ihrer Handreichung so gut als
Türkische
Weiber be⸗
dienen die
Beschnit⸗
tene.wir: Die Vornehmern aber gebrauchen zu dem Dienst ihrer Wei⸗
ber und Kebs⸗Weiber keine andere als Verschnittene, und zwar die
Ungestaltesten, als sie nur finden koͤnnen, zu was End, wird ein
jeder gar leicht selbst verstehen; durch diese lassen sie ihnen ihr
Essen, aber gleichwol nur durch ein hoͤlzernes Gitter, reichen, gleich
als bey unsern Closter⸗Jungfrauen gebräuchlich ist, wann ihnen von
ausen etwas zugebracht wird. Dieser Leute darfen sie sich ohne
Scheu zu ihren Bothen, zu ihren Dolmetschen, an ihre Freundin⸗
nen, zu ihren Zeitungs⸗Trägern und endlich gar zu ihren Hauß⸗Nar⸗
ren gebrauchen, wann sie sich nur dabey in acht nehmen, daß sie sich
nicht gemeiner mit ihnen machen, als ihre Männer oder Herrn ver⸗
tragen köͤnnen.
Jn der Mitte des obern Hauses ohnweit der von diesen jetzt⸗
beschriebenen Zimmern gelegenen Stiege ist gemeiniglich ein wei⸗
ter Gang oder Platz für die Bediente, gleichwie unten her für die
Pferd und andere Thiere. Dergleichen Pallast hatte auch der
Des Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafters
Logis zu
Sophia
Beschaf⸗
fenheit.
Herr Groß⸗Botschafter innen, welcher so groß war / daß zwey
Cüraßier⸗Regimenter samt Pferde und Wäͤgen, nebst aller Baga⸗
ge Platz genug darinn wüͤrden gehabt haben; nichts destoweniger
räumten sie uns noch mehr andere Häuser ein, damit wir unsere
Bequemlichkeit desto besser haben, und die bevorstehenden Strapaz⸗
zen
- 121 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
93
zen der noch vor uns habenden Reise desto leichter ertragen koͤnnten.
Der Groß⸗Sultan hat im letzten Krieg, als Belgrad von den
Unsrigen belagert gewesen, mit seiner ganzen Hofstadt hier logirt,
um den Verlauf der Belagerung allda abzuwarten Als der EngelDes Groß⸗
Sultans
Pallast zu
Sophia
wird dem
Engellän⸗
dischen und
Holländi⸗
schen Ge⸗
sandten ab⸗
geschlagen.
⸗
ländische und Holländische Gesandte von dem zu Passarowitz ge⸗
schlossenen Frieden wieder zurück gekommen, und nach Adriano⸗
pel wolten, haben sie allhier um diesen Pallast für sich und ihre
Suite Ansuchung gethan, aber nichts erhalten köͤnnen, weil nicht
leicht jemand in eine Kaiserliche Wohnung, wie diese ist, eingelas⸗
sen wird. Jn demjenigen Zimmer, allwo der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter Audienz zu ertheilen pflegte, sahe man zur rechten an der
Mauer ein Weyrauch⸗Vaß, als wann es an der obern Schwelle
Gesicht⸗
Wendung
der Türken
bey ihrem
Gebet.einer Thüͤr hienge, fast auf diejenige Art, wie zu Mecha oder Kib⸗
lach / nach ihrer Art zu reden, bey dem Grab Mahomets dieses
Zeichen vorhanden ist, also daß es zu muthmassen, es seye dieses
Zimmer eine Tuͤrkische Capelle gewesen, wo sie taͤglich ihre gewoͤhn⸗
liche Gebete verrichtet haben. Durch dieses Zeichen aber werden
die fremd ankommende Tuͤrken, welche die Gelegenheit des Orts
nicht recht innen haben, angewiesen, gegen welche Seiten sie sich
bey Verrichtung ihres Gebetes wenden sollen/ nemlich gegen dieje⸗
nige / welche, gegen Ciroccum schauet, und zwischen Orient und
Mittag lieget. Unter dem Weyrauch⸗Faß kunte man diese in Tüͤr⸗
kischer Sprach gesetzte Worte lesen: Bunung deruninde ki⸗
mesne bulunmaz ki hamdii senai chuda ve Resuli etmeje;
welche im Teutschen also lauten: Hier soll sich niemand einfin⸗
den / der das Lob GOttes und seines Propheten nicht aus⸗
spricht. Unsere Priester haben im nechsten Zimmer Messe gelesen,
und sind vielleicht die ersten gewesen, die dergleichen daselbst verrich⸗
tet, weil sonst niemaln eines Christlichen Füͤrsten Gesandter allda
beherberget worden. Aber was machen wir so lang in den Haͤusern,
laßt uns vielmehr wiederum unter freyen Himmel in die Stadt
kehren.
Allda florirt die Handlung gar sehr, welche mehrentheils in deKauf⸗Häu⸗
ser.
⸗
nen offentlichen Läden oder Kauf⸗Haͤusern, so sie Bezestene nen⸗
nen, und von puren Stein aufgefuͤhrt, gewoͤlbt und vor dem Feuer
wol verwahrt sind, in schoͤnster Ordnung getrieben wird. Eine jeg⸗
liche Sache hat ihren gewissen Platz; und der meiste Theil der
Kauf⸗
M 3
- 122 -
Erstes Buch / Siebende Abtheilung /
94
Kaufleute sind so wol hier, als zu Constantinopel und anderwerts
Grichen und Armenier, also daß bey nahe alle Sachen der Türken
Janit⸗
scharn trei⸗
ben Kauf⸗
mannschaftdurch Fremde geschlichtet und gehandelt werden. Dann gibt es auch
einige alte Janitscharn durch das ganze Reich, darunter aber viele
ihre Fahne niemal zu Gesicht bekommen, welche Vorkäuffer und
Krämer abgeben. Diese, nachdem sie von ihren Officiern, denen
sie doch niemaln ins Feld gefolgt, vermittelst eines Patrons, eine
Urkund erbettelt, oder solche mit einem Stüͤck Geld erkauft, wer⸗
den von allen Auflagen auf ewig frey gesprochen, hingegen andere
dardurch nur desto mehr beschwehret: es nennen die Tüͤrken solche
Leute Ostorakes / welches eben so viel als Leute, die den Sold und
die Freyheit der Soldaten geniesen, und doch nicht ins Feld ziehen,
so aber dem ersten Ursprung gerad entgegen laͤuft; dann dazu⸗
mal wurden solche Freyheiten denen allein gegeben, welche im Krieg
ihre gesunde Glieder verlohren, und nicht mehr dienen kunten: an⸗
jetzo aber siehet man eine erstaunliche Menge solcher muͤssigen Sol⸗
daten, von guter Gesundheit und Kräften, unter dem Namen der
Ostoraken herum schwermen, und den gemeinen Säͤckel erschöͤ⸗
pfen / anbey des Reichs Einkünften zu was ganz anders, als zu Un⸗
Nissa der
Stadt So⸗
phia sehr
nachthei⸗
lig.terdruckung der Feinde anwenden. Diejenige / welche vom Türki⸗
schen Policey⸗Wesen gute Erkänntnis haben, wollen schon zum
Voraus sehen, daß durch Wegnehmung der Vestung Belgrad
der Stadt Sophia völliger Ruin bevor stehe, und mit der Zeit
alle Handlung von dar nach Nissa werde gezogen werden; weil
es ganz natürlich, daß es einem Land mehr einträͤgt, wann lieber
der Gränz⸗Platz, als ein anderer / der tiefer im Land liegt, zur
Niederlag der Handelschaft gemacht wird, angesehen von daraus
die Wahren gleich genommen und auch mit geringern Unkosten durch
einen kuͤrzern Weeg wieder hinein gefuͤhrt werden koͤnnen.
Gebäu der
Stadt So⸗
phia.
Die Gassen dieser Stadt seynd sehr enge, ungleich, unflätig,
und nur zu beiden Seiten, wo man gehet, mit Kiesel⸗Steinen ge⸗
pflastert; man siehet auch viel Brunnen darinnen, welche aus der
gemeinen Cassa erbauet und auch daraus erhalten werden. Ein jeg⸗
liches Hauß hat fast seinen Garten, in welchem die Bäͤume und
Stauden in so grosser Menge stehen, daß man von ferne meinen
solte, man sehe in einen Wald, oder in eine mit einem Wald um⸗
gebene
- 123 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
95
gebene Stadt. An denen vielfäͤltigen Thuͤrnen auf den Moscheen Der Türken
Moscheen.
solte sich einer auch wol einen steinern Wald vorstellen koͤnnen; die⸗
se, wie auch die runde an die Kirche oft bey 50. angehenkte kleine
Gewölber, sind alle mit Bley bedeckt, die Zinnen darauf verguͤldet,
und machen damit der Stadt von weiten ein propres Ansehen; auf
welchen gedachten Zinnen ein wachsender Mond stehet, gleichwie
wir uns auf unsern Kirchen der Creutze bedienen. Jm uͤbrigen ist die
Stadt weder mit Mauern noch Wall umgeben, ob gleich die Gele⸗
genheit des Orts und Gleichheit des Erd⸗Bodens zu einer Vestung
sie nicht ungeschickt machte: man kan demnach zu Nachts so wol
als bey Tag hinein kommen: wann aber diese Stadt mit Mauern
versehen wäre, koͤnnte man wegen der mit Getrayd besäeten und
mit Weinreben besetzten weiten Feldern vielleicht von ihr sagen, was
jener von einer andern Stadt geurtheilet, daß Ceres und Bacchus
ihre Wohnungen in deren Ring⸗Mauern aufgeschlagen hätte. Der
Hazeln, Dohlen und Turtel⸗Tauben gibt es hier zu Lande so viel,
als bey uns der Fliegen in den warmen Sommer⸗Tägen; und sind
sie dabey durch die ganze Tuͤrkey so zahm, als wie bey uns die Huͤ⸗
ner, Pfauen Gänße und anderes zahme Gefluͤg, welches ohne
Zweifel, sonderlich in Ansehen der Turtel⸗Tauben, daher kommt,
weil die Türken diese vor heilig halten, und es als ein Verbrechen
anrechnen wuͤrden, wann man sie beleidigen wolte, weswegen sie
sich ohne Hindernis vermehren koͤnnen.
Unser Einzug in diese Stadt war, wie alle folgende, demjeniEinzug in
die Stadt
Sophia.
⸗
gen, welchen wir in die Stadt Nissa gehalten, ganz gleich: die
Trompeten wurden geblasen, die Paucken liesen sich hören, die
Fahnen flogen an ihren Stangen herum, und die nur mit weisen
Stecken versehene Janitscharn giengen vorher, das Volk abzuhalten.
Wie aber der Kaiserlichen Groß⸗Botschaft zu Ehren der völ⸗
lige Türkische Adel selbiger Provinz, nemlich die vornehmen Kriegs⸗
Officiers, Richter, Geistliche (dann von keinem andern Adel, als
der in dergleichen Bedienungen stehet, wissen die Tuͤrken was,) vor
Der Herr
Groß Bot⸗
schafter
laͤßt sich
anmelden.
die Stadt heraus ruckte: also schickte der Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter hinwieder zwey von seinen Edelleuten, den Herrn von Franken
und Managetta / samt einem Dolmetsch zum Landrichter, den sie
Molloch nennen, und zum Mußelim/ der des Seraskiers Stel⸗
le versiehet, im Namen des Herrn Groß⸗Botschafters sie zu
begrüs⸗
- 124 -
Erstes Buch / Siebende Abtheilung /
96
begrüͤssen, und Dessen Ankunft zu vermelden; worauf sich selbige
bald eingefunden und ihre Ergebenheit und Bereitwilligkeit zu allen
Geschenke
derer von
Sophia an
den Hn.
Groß⸗Bot⸗
schafter. Diensten und Gefäͤlligkeiten dem Herrn Groß⸗Botschafter of⸗
ferirt, und die gewoͤhnliche Geschenke von Blumen und Fruͤchten
durch ihre Leute überbringen lassen. Sie liessen es aber dabey nicht
bewenden, sondern haben Sr. Excellenz noch besondere Geschen⸗
ke gemacht mit einem Aschen⸗farben gesprenklichten Pferd von un⸗
gemeiner Schoͤnheit und Tugend; dann auch einem eisernen zur Reiß
Eiserner
Stuhl ein
wichtiges
Geschenk. nicht unbequemen Lehn⸗Stuhl, worauf ein Blut⸗rothes atlaßes mit
gelben Franzen umgebenes und eingefaßtes Küͤssen gelegen, mit wel⸗
chen sie nur die Vornehmsten des Reichs, als dem Groß⸗Sul⸗
tan / Groß⸗Vizir / Beiglerbey / Baschen / Sangiacbey /
und üͤbrigen Stadthaltere und Regenten zu beschenken pflegen. Aber
Kostbare
Geschenke
der Edel⸗
leute. die zwey abgeschickten Edelleute haͤtten sich wol nicht sollen traͤumen
lassen, mit was für einem besondern Praesent sie wuͤrden regalirt
werden; es bestunde aber selbiges in ein paar Taback⸗Pfeiffen, de⸗
ren Röhren mit blauer, Feuer⸗ und Rosen⸗rother, gelber, dunkel⸗
brauner, Aschen⸗ und Viol⸗färbiger duͤnner Seite, wie auch mit ge⸗
triebenen oder geschlagenen Metall etlichmal umwunden gewesen;
und was die Kostbarkeit vermehrt, war dieses, daß diesem Geschenk
ein artiges scheckigtes wol gemäͤstes Kaninchen erst das rechte Ge⸗
wicht und Ansehen geben muste, worein sie sich entweder alle beide
theilen oder darum losen mogten, wessen es seyn solte. Allein es ist
sich daruͤber nicht zu verwundern, angesehen die meisten Geschenke
der Türken von dieser Art sind, da gaben sie einem bald einen halb⸗
gebundenen Blumen⸗Strauß; bald ein halb⸗seidenes Schnuptuch,
davon das Dutzend, wol gerechnet, um ein paar Thaler zu stehen
kommt; einen Sack darein man Taback fassen kan, Käß, Milch, und
was dergleichen Schleckereyen noch mehr sind; und bey aller dieser
Filzigkeit wollen sie noch darzu für sehr freygebig angesehen seyn,
und verlangen, daß man sich verwundern soll, weil sie sich so sehr
Janit⸗
scharn⸗
Wacht.verunkostet haben. So oft einer aus dem Hauß gehen wolte, sich
etwas einzukaufen, oder sich sonsten umzusehen, nahm er zu seiner
Sicherheit einen Janitscharn mit sich, der den ungestuͤmmen Poͤbel
abhalten muste. Selbige hatten die Wacht vor des Herrn Groß⸗
Botschafters Wohnung / damit niemand anders, als der daselbst
was zu verrichten hatte, sich hinein tringen moͤchte; so wurden auch
in
- 125 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
97
in die übrige Häuser Janitscharn verlegt, damit man sie bey der
Hand hätte, sich ihrer im Fall der Noth zu bedienen.
Den 30ten hielten wir zu Sophia still, und wurden indes⸗
sen die Wagen geändert, neue Vorspan ausgetheilt, und ein Both
nach Nissa mit Briefen geschickt, davon einer auch an dem Se⸗
Des Mol⸗
lochs Be⸗
such an den
Hn Bot⸗
schafter.raskier gerichtet war. Der Landrichter, oder Molloch/ kam
mit seinem fuͤnf oder sechs jäͤhrigen Sohn, dem Herrn Groß⸗
Botschafter eine Visite zu geben, welche beide einen Bund, der
etwas breiter war, als die Gemeinen zu tragen pflegen, auf den
Kopf hatten; und weil auch daran die gruͤne Farb zum Vorschein
kam, solte man daraus abnehmen, daß sie von Muhamet ab⸗
stammeten, weil niemand als dessen Geschlecht solche Farb an ih⸗
ren Bünden führen darf. Vor Zeiten hielte man sehr viel auf
diese Emir / oder Euladi Resuli / wie sie mit einem andern Na⸗
Emir / wer
sie seyn?
men genennt werden, absonderlich da dieses Reich noch in seinem
Anfang und an der Abstammung kein Zweifel war; heut zu Tag
aber ist es in solches Abnehmen und die Geschlechts⸗Linien in solche
Ungewißheit gerathen, daß in Egypten wenig Eseltreiber und
Stall⸗Knechte seyn / welche nicht aus selbigem herzustammen praeten⸗
diren; und wann die Welt nur noch wenige Secula stehen solte,
duͤrfte es wol darzu kommen, daß eben so wol alle Muselmäͤnner Mu⸗
hamets Enenkel genennt wuͤrden, als man uns ins gesamt Adams⸗
Kinder heißt: Und dieses so wol darum / weil dieses Geschlecht durch
die Männer und Weiber fortgepflanzt wird, und derjenige, der ei⸗
ne Mutter aus diesem Geschlecht gehabt, so wol füͤr einen Nach⸗
kommen Mahomets zu halten ist, als derjenige, dessen Vatter da⸗
von herstammet; als auch deswegen, weil sich taͤglich viele von dem
Nakib Eschrel / Vorsteher gedachten Ordens, diese Ehren⸗Zeichen
mit Geld erkaufen, der ihnen dafuͤr falsche Briefe ertheilet, worin⸗
nen er ihr altes Herkommen weitläͤuftig behauptet. Sie werden
aber hierzu desto begieriger gemacht, weil dieses Geschlecht unter Freyheit
der Emir.
ihnen vor heilig gehalten wird, und um eben dieser Ursach willen
von der weltlichen Obrigkeit ihnen grosse Freyheit zu erkannt wor⸗
den, wornach ihnen allen der Mund waͤssert, ob schon die wenig⸗
sten davon deutlich darthun köͤnnen, daß sie von Muhamet ab⸗
stammen. Unter andern Vorzug war dieser nicht der geringste, daß
kein anderer Türk um einiger Ursach willen, bey Verlust seiner
rech⸗
- 126 -
Erstes Buch / Siebende Abtheilung.
98.
rechten Hand, einen Emir mit Schlägen tractiren durfte; wann
aber dieser einen andern beleidiget hatte, muste man ihn bey ihrem
Vorsteher verklagen, welcher seine eigene Stadt⸗ und Henkers⸗
Knechte hat, und über ihr Leben und Tod wie ehmal, also auch
noch heutiges Tags, richten kan. Aber nunmehro ist diese Furcht,
einen Emir zu schlagen, völlig verschwunden: dann nachdem sie
vermerket, daß ihre Anzahl so wol als ihre Verwegenheit von Tag
zu Tag zu nehme, sintemaln der Nakib ihre Parthey hält, und
dabey solche Freyheiten einem jedweden seines Gefallens überläßt /
nur damit er seine Botmässigkeit desto weiter ausbreite, auch nie⸗
mand öffentlich straffet, damit dem Geschlecht nicht ein Schand⸗
Fleck angehenkt werde, haben sie endlich dieses Joch von sich gewor⸗
fen und hierinnen ihre Freyheit behauptet; wie dann auch
diejenige, welche eine subtilere Nase haben, und hinter die Streiche
dieser Emir gekommen, sich kein Bedenken machen, bey sich ereigne⸗
ten Fall sie mit druckenen Faͤusten oder andere Manier tapfer abzu⸗
schmieren; und damit sie gleichwol Respect vor den gruͤnen Bund
haben, nehmen sie ihnen denselbigen vorher mit aller Ehrerbietung
vom Kopf, und legen ihn mit einem Kuß vor sich hin. Einen an⸗
dern Vorzug aber behaupten sie noch heutiges Tages, daß, wann
der Sultan selbst zu Feld ziehet, oder bey einer öͤffentlichen Ver⸗
richtung sich sehen lässet, der andere Vorsteher ihres Geschlechts /
Alemdar genannt, Jhme die grüne Fahne des Muhamets vor⸗
trägt. Im übrigen köͤnnen sie sich zu allen Aemtern gebrauchen
lassen, wie es auch in der That geschiehet; doch haben die wenigsten
zur Kaufmannschaft ein Belieben, auser zu derjenigen, welche Esir⸗
gi genennet wird, und im Kauf⸗ und Verkaufen der Sclaven bestehet,
worzu sie alle von Natur geneigt sind / weilen dabey von der Auf⸗
nehmung und Behaltung der Christen in die Dienstbarkeit gehandelt
Geilheit
der Emir
wider die
Natur.
wird, welches sie für kein geringes verdienstliches Werk halten. Sie
sind anbey zu nichts so sehr als zur Sodomitischen Suͤnde geneigt,
und der Knaben⸗Liebe überaus ergeben, worinnen sie auch die Tar⸗
tarn selbst übertreffen.
Gespräch
des
Hn.
Botschaf⸗
ters mit
dem Mol⸗
loch.
Doch laßt uns wieder zu dem Herrn Botschafter kehren;
diesen treffen wir in einem
Gespraͤch mit dem Molloch oder Land⸗
richter von dem Glauben,
Gebraͤuchen und Sitten der Juden an,
wie sie, nachdem sie unsern Heyland / welchen die Türken selbsten
für
- 127 -
Beschreibung der
Stadt Sophia.
99
für einen grossen Propheten, der nur
dem Muhamet allein nach
zu setzen sey, danebst für einen
heiligen und vollkommenen Mann hal⸗
[t]en, zum Tod verurtheilet,
und an den schäͤndlichen Creutz⸗Galgen
gehenket, zur Straffe ihres begangenen Buben⸗Stuͤcks nunmehr
keinen beständigen Sitz und
Aufenthalt unter den Volkern mehr
finden, sondern allenthalben ohne eigenen Heerd und Fuͤhrer herum
irren / und bey nahe aus allen
Ländern verstossen sind: wie diese
gottlosen Leute auf nichts anders bedacht, als wie sie jederman mit
Betrug hinter gehen, und ihre Güter
an sich bringen moͤgen. Die⸗
sen Discours aber hat der Herr Botschafter um keiner andern
Ursach willen vorgenommen, als den
Landrichter allgemach dahin
zu disponiren, daß er ihm zur
Erledigung einer Christin, welche,
wie Er vernommen, von einem Juden in seinem Hause eingeschlos⸗
sen und gefangen
gehalten wuͤrde, desto willfaͤhriger, und mit weni⸗
gern Unkosten, verhelfen moͤgte.
Dann was für Zeit die Kaiserli⸗
che Geschäfte dem Herrn Groß⸗Botschafter noch uͤbrig lie⸗
sen, verwendete er auf
die Ausübung Christlicher Liebes⸗Werke,
hielte eine fleissige Nachfrag nach gefangenen Christen, und
suchte
sie wieder in ihre Freyheit
zu stellen. Er unterhielte mit grossen UnLiebe des
Hn. Groß⸗
Bot⸗schafters in
Erledigung
der Gefan⸗
genen.
⸗
kosten Leute / welche
die ganze Stadt durchlaufen und Jhme einen⸗
so unschuldigen Raub durch eine noch
heiligere Hinterlist verschaffen
musten. Und damit die Tuͤrken auf diejenige, welche Jhm dergleichen
zu weege brachten, keinen Argwohn
haben kunten, als welche sie son⸗
sten mit Schlägen grausam wuͤrden
tractirt haben, hat er solche Leu⸗
te durch eine hintere Thüͤr und
heimliche Stiegen zu sich bringen,
und durch eben dieselbige wiederum fort gehen lassen. Diese ange⸗
wendte Müͤhe
und Sorgfalt ist auch nicht vergeblich gewesen, sin⸗
temaln dardurch füͤnfe
ihre Freyheit erlanget, ohne daß jemand von
den Angebern wäre ausgekundschaftet worden; unter denen einer
ein Oestreicher, von Jps an der
D[o]nau gebüͤrtig, gewesen, und
vor fuͤnf Jahren von den Tüͤrken mit
Gewalt beschnitten worden,
aber sich
gleichwol zu ihrer Religion weder mit dem Herzen noch mit
dem Mund bekennet. Bey dieser
Gelegenheit hat der Herr Graf Hn. Grafen
von Thier⸗
heims
Großmuth
gegen eine
Gefange⸗
ne.
von Thierheim seine Großmüthigkeit und Christliche Liebe gegen
die Bedrangten gleichfalls erwiesen,
angesehen er eine gefangene Frau,
welche zu des Herrn Botschafters
Quartier seine Zuflucht genom⸗
men, 6. Türken aber selbige wieder
zuruck ziehen wolten, mit entbloͤ⸗
sten
- 128 -
Erstes Buch /
Siebende Abtheilung /
100
sten Degen von solcher
Gewaltthätigkeit errettet, und zugleich das
Völker⸗Recht vertheidiget, welches nicht will, daß eines
Botschaf⸗
ters Quartiers⸗Freyheit durch einige Gewaltthätigkeit solle verletzet
werden.
Nun wollen wir uns aus der Stadt in die Kirche begeben,
Kirche zu
Sophia.
welche ebenfalls von obgedachter Sophia / wie sie vorgeben / er⸗
bauet worden.[9] Darinnen soll ihr Sarg noch bis auf diese Stunde
in dem obern Theil mitten in einem Gewoͤlb aufgehalten werden, und
daraus ein sehr angenehmer Geruch, nach der Tüͤrken eigenen Geständ⸗
nis, herfür gehen; doch kan man denselbigen nicht mehr sehen,
weil er mit einer Mauern verbauet ist: sie halten dafür, daß etwas
Göttliches darinnen müsse verborgen seyn, weswegen sie auch zu Ver⸗
ehrung dieses Coͤrpers bewogen werden. Es zeiget so wol die Art des
Gebäues, als dessen Gestalt, Eintheilung Schiff, Sacristey und
anderes, daß dieselbige ehmaln denen Christen zu ihrem Gottesdienst
gedienet habe; jedoch ist nicht zu läugnen, daß der Thurn und die
Decken in
der Kirche. daran liegende Gewöͤlbe von den Tüͤrken aufgebauet worden. Die
ganze Kirche ist mit dem feinsten Matten oder Decken von Binzen
belegt, in derselbigen aber gegen Orient, wo unsere Vorfahren das
Allerheiligste aufbehalten hatten, ist das Grab des Erz⸗Betrügers
Muhamet zu sehen, und viele von desselben luͤgenhaften Schriff⸗
ten daselbst zu finden. Auf dem Esterrich liegen hin und wieder
Schaafs⸗Häute, deren sich verlebte und vornehme Personen bedie⸗
nen, damit sie nicht, wann sie mit uͤber einander geschlagenen Füͤssen
mit dem ganzen Leib auf der Erden liegen, von dem kalten Boden
und dessen heraus steigenden Dämpfen schaden nehmen. An einem
hohen Fest wird der ganze Boden mit Persianischen Teppichen be⸗
legt. Jch habe auch nachgehends in einer andern vornehmen Mo⸗
schee dieser Stadt, die von Mahumud Bascha erbauet wor⸗
den, und von dem sie auch gleichwie die Unsrigen von dem ihnen
gewiedmeten Heiligen, den Namen füͤhret, Decken gesehen, welche,
da sie auf des Herrn Botschafters bezeigten Verlangen ausge⸗
breitet worden, sechs Eln breit und so lang gewesen, daß sie von ei⸗
nem Ende der Kirchen bis zum andern gereichet hat; und versichert
uns derjenige Kirchen⸗Diener, welcher uns solche gezeigt wie
er von seinen Vorfahren verstanden, daß diese Decken schon laͤnger
als ein ganzes Sæculum von ihnen gebraucht worden, und wann
er
- 129 -
101
Beschreibung der Stadt Sophia.
er genau rechnen wolte, sie nunmehro schon 176. Jahr dieneten;
gleichwol waren sie nicht so abgenutzt, daß sie nicht noch viel laͤnger
solten dauern können: es ware das Geweb daran nicht nur sehr
dicht, sondern auch sehr schoͤn und fein.
Jn beiden Moscheen stunden zwey Predigt⸗Stuͤhle, von wel⸗
chen sie die gewoͤhnlichen Reden oder Predigten an das Volk halten:
davon der eine etwas niedrig, als dessen sie sich taͤglich bedienen, und
mit dem Alcoran, und dessen Auslegern, auch vielen andern Bet⸗Büͤ⸗
chern angefüllet ist: der andere aber erhabener, und oben mit einer
Cron bedeckt, auf welchen man durch viele Staffeln steiget; und
wie von jenen ihres luͤgenhaften Propheten Irrthuͤmer und falsche
Lehren verlesen werden: also muß dieser zu ihren predigen dienen.
Neben diesem Predigt⸗Stul war nur in der ersten Moschee ein mit
höͤlzernen Gegitter vermachtes Zimmer, welches um eine Staffel
höͤher als der uͤbrige Theil der Kirche, auch mit Tapezereyen behängt
und belegt, und zum Dienst des Groß⸗Vizirs, oder andern Ba⸗
schen, wann sie zugegen, ausersehen ist; in beiden aber ist ein Ver⸗
schlag für die Weiber gemacht. Jm übrigen wird man weder in die⸗
ser noch einiger andern Moschee etwas von Zierrath finden, ausser
etwan etliche in Gestalt eines Circuls in den Gewoͤlben herum haͤn⸗
gende Ampeln, deren oft mehr bey einander sind, und von Gläͤsern,
verguldeten Kugeln, Straussen⸗Eyern, Muscatnuͤssen von seltsamer
Grösse, unterschieden werden; einen Brunnen zum waschen, kupfer⸗
ne mit Wachs⸗Lichtern versehene Leuchter / des Muhamets auf
eine Tafel gemahltes Grab, wie es in der Mecha zu sehen; der
Weeg zum Paradeiß und zur Höllen; die Stauden, so der Erz⸗Be⸗
trüͤger gepflanzet haben, und nach der mehresten Tüͤrken Meinung
noch heut zu Tage grünen solle; und endlich auch des Ebbubecker / Ausleger
der Muha⸗
meitschen
Lehre.
Omar / Osman / Hali / als ihrer vier vornehmsten Lehrer Na⸗
men, oder einige aus dem Alcoran gezogene und mit Finger⸗ und
Ehlen⸗langen Buchstaben geschriebenen Stellen, welche die von mir
oben angezogene Stücke noch mehr erläͤutern. Dann nachdem
Muhamet einmal bey sich beschlossen, einen neuen Glauben und
Gesetz aufzurichten, welches zwar nach vieler Meinung von dem
Münch Sergius soll verfaßt worden seyn, hat er dabey überall den
HErrn Christum, als einem seinen Vorgeben nach groͤssern Prophe
Muhamet
des HErrn
Affe.
⸗
ten als Moyses und alle andere, aber doch kleinern als er selbst, Christi
zu
N 3
- 130 -
102
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
zu imitiren sich befliessen. Dannenhero wie nach unsers Heylands
Tode und Entziehung Seiner sichtbarlichen Gegenwart sich vier
Evangelisten gefunden, welche die Worte ihres Meisters, oder den
von Jhm gepredigten Glauben, in ein Buch eingetragen, und das
neue Gesetz solte genennet werden, davon das alte nur ein Schatten
und Vorbild war: also haben auf gleiche Weise die des Muhame⸗
tanischen Aberglaubens ergebene Leute diese vier Männer aufge⸗
bracht, über den von ihm erdichteten Glauben und neue Lehre ei⸗
ne Auslegung zu machen; und ob sie schon in vielen Stucken von
einander abgehen, werden doch nichts destoweniger ihre Meinungen
für recht und orthox gehalten. Es sind auch in diesen Moscheen
weder Bänke zum sitzen, noch Altäre, ausser zu Mecha, wo der⸗
selben viere anzutreffen, und GOtt für die Erhaltung dieser vier
Lehren und deren Nachfolger unaufhöͤrlich dabey angeruffen wird.
[10]So findet man auch keine Bilder daselbst, sintemaln solche von ihnen
entweder weggeschaft oder ausgekratzt worden; und schelten die Ca⸗
tholischen Christen deswegen für Götzen⸗Diener, weil sie in ihren
Kirchen Statuen oder gemahlte Bilder dulten, welche sie auf keine
Weise vertragen koͤnnen. Mich duͤnkt aber, die Tüͤrken haben sich
deswegen schlecht vorgesehen, indem sie die Bilder aus ihren Kir⸗
chen und von ihren Altären verbannet, und doch gleichwol die
Namen davon, welche eben dieselbige Wuͤrkung haben, und demje⸗
gen, der an sie gedenket, wiederum in das Gedaͤchtnis bringen, nicht
mit weg geschaffet.
Achte Abtheilung.
Christliche
Untertha⸗
nen zu
Grublian.
NAchdem wir nun zu Sophia ein paar Tag ausgeruhet,
sind wir den 1. Julj nacher Grublian aufgebrochen, wel⸗
cher Ort zwey Stund von dar, an dem Fluß Jokaro ge⸗
legen ist, über dessen zwey höͤlzerne Brüͤcken wir unsern Weeg ge⸗
nommen, und das Läger also aufgeschlagen, daß wir ein Dorf zur
rechten, eine anmuthige Wiese zur linken Hand, und gemeldten
Fluß, welcher weder breit noch tief, aber von einem sehr schnellen
Lauf ist, im Rucken hatten. Ein anderer Fluß, die Müh⸗
le im Dorf triebe, war von der grossen Hitze so ausgetrucknet, daß
er
- 131 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
103
er kaum die darinn liegende Steine bedeckte: der meiste Theil Un⸗
terthanen daselbst sind Raitzen, und auch der Raitzischen oder Gri⸗
chischen Religion zugethan, welche zu uͤben sie nur in ihren Haͤusern
zusammen kommen, nachdem ihre oͤffentliche Capelle von den Tuͤr⸗
ken schon laͤngst zerstoͤret worden, deren Ruin samt den entbloͤßten Al⸗
tären und Pfeilern, wie auch die ihrer heiligen Bilder beraubte Stel⸗
len nicht ohne Mitleiden angesehen werden koͤnnen, welche letztere/
wann sie reden koͤnnten/ ohne Zweifel ihre alte Oerter und vorige
Verehrungen wieder begehren wuͤrden. Die Haͤuser daselbst sind
noch kleiner, als man an andern Orten findet, und nur aus Rohr,
Halmen, Stroh und Holz zusammen gefüͤgt; doch ist das Wasser
daselbst so gesund, als fruchtbar der Erd⸗Boden sich zeiget: durch
diese blickte eine Art von Metall herfuͤr, so man Talk nennt, und
Kupfer hält, wie Herr Dorschaus, ein in der Chymie wol erfahr⸗
ner Mann, behaupten wolte. Noch ehe man hieher kommt, siehet
man etwas zur rechten Hand den Witoscha⸗Berg, von welchem Des Wito⸗
scha⸗Bergs
Merkwuͤr⸗
digkeiten.
etwas zu gedenken sich der Muͤhe wol verlohnet: Es erstreckt sich
seine Höhe bey vier Stunden, und hat gleich unten vier unter⸗
schiedliche warme Bäder, so dieser Orten sehr beruͤhmt sind, auch
etliche Döͤrfer, Aecker, Wiesen, und Weingärten / und dieselbige
nicht allein unten, sondern auch so gar zu oberst auf seinem Gipfel;
man kan aber auf solchen einen so grossen Unterschied der Luft
antreffen, daß man dabey alle vier Jahrs⸗Zeiten bemerken wird:
unten, wo man durch eine Ebene auf den Berg gehet, spuͤhret man
die gröste Hitze, so daß das Graß und die Erde von der Sonnen
ganz verbrannt oder doch völlig ausgetrocknet ist; auf den obern
Theil findet man den annehmlichen Frühling, wo die Narcissen,
Violen, und andere Blumen den lieblichsten Geruch von sich geben;
in den Wäͤldern trifft man die Fruchtbarkeit des Herbstes an; die
rauhe Winters⸗Zeit aber zwischen den Felsen und Stein⸗Klippen,
deren eine dermassen an die andere stosset, und auflieget, daß es schei⸗
net / es seye dieses kein Werk der Natur, sondern der Kunst, und
die poetische Fabel damit bekräftiget, als ob durch die Riesen der
Berg Oßa auf den Berg Pelius getragen worden. Zwischen die⸗
sen liegt der tiefste Schnee, welcher durch die Winter⸗Käͤlte also zu⸗
sammen gefrohren, daß er auch bey der gröͤsten Sommer⸗Hitz und
in den Hunds⸗Tägen niemaln ganz zergehet: die davon herab fallen⸗
de
- 132 -
Erstes Buch/ Achte Abtheilung /
104
de Bäche, so theils aus der Erden herfür dringen, theils von den
jähen Klippen mit grossem Getoͤß herunter stuͤrzen, verursachen auf
denen obern Wiesen grosse Lachen. Von den benachbarten Ackers⸗
leuten werden viele tausend Pferde und Schaafe dahin getrieben, de⸗
nen es gleichwol an Weide im geringsten nicht fehlet. Es befinden
sich auch Erz⸗Gruben auf diesem Berg, aus welchen Eisen in grosser
Menge gegraben wird; in der Hoͤhe aber gibt es den schoͤnsten Pro⸗
spect auf die unten herum liegende Felder.
Den 2. Julj kamen wir nach Jenihaan / oder Novihaan /
einem füͤnf Meil von Sophia entlegenen Flecken; von dannen wir
den 3ten weiter üͤber Wokerela nach Jchtiman oder Jhliman
giengen. Dieses Jchtiman mag seinen Namen vielleicht von ei⸗
nem daselbst geschlossenen Frieden bekommen haben, weil es auf
Teutsch eben so viel als ein Friedens⸗Bündnis bedeutet. Der rau⸗
he Weege und die täͤglich anwachsende Sonnen⸗Hitze hat unsere bis⸗
Reise bey
der Nacht. her bey Tag fortgesetzt⸗ als nachgehends bey der Nacht vorgenom⸗
mene Reise um ein merkliches verhindert; angesehen wir gemeinig⸗
lich zu Mittag, wann die Hitze am stärksten zu seyn pflegt, still ge⸗
legen, hingegen um vier, zwey, zwölf und auch zehen Uhr in der
Nacht aufgebrochen sind. Die Moscheen, Bäder und Brunnen ha⸗
be ich an bemeldten beiden Oertern eben also wie anderwäͤrts befun⸗
den: die Haanen oder gemeine Herbergen wurden auch mit gemei⸗
Gemeine
Herberge
zu Jeni⸗
haan.nen Geld erbauet und unterhalten; und habe ich zu Jenihaan ei⸗
ne dermassen grosse angetroffen, daß 900. bis 1000. Pferde oder
Joch⸗Ochsen gemächlich darinnen stehen können. Jndem wir hier
zu Jchteman einen Rast⸗Tag hielten, und andere auf die Jagd
ausgiengen, habe ich derweilen die maͤnnliche und weibliche Tracht
der Bulgarn, deren noch viele hierum unter den Tuͤrken wohnen,
Kleider der
Bulgari⸗
schen Män⸗
ner. etwas genauer untersucht: Die Mannsbilder tragen / wie die Rai⸗
tzen in Servien, ein kurzes wüllenes Wammes, mehrentheils von
blauen oder weisen groben Tuch, und lange Hosen von eben derglei⸗
chen Farb; an diese sind die Strumpfe genähet, über welche sie ein
Stück Fell oder Leder ziehen, so sie mit vielen Stricken fest binden,
und ihnen an statt der Schuhe, Stieffeln und allem andern dienet;
und wann sie durch morastige Felder oder unsaubere Weeg reisen,
machen sie solche an der Sonnen oder beym Feuer wieder trocken,
und
- 133 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
105
und ziehen sie alsdann von neuem an: an statt der Hauben haben
sie ein Stück Schaafs⸗Haut auf dem Kopf; die Haare sind ihnen
bis auf einen Zopf abgeschnitten, und in der Hand füͤhren sie einen
Stecken, woran ein gespitztes Eisen fest gemacht ist, dessen sie sich
bey ihrem Vieh an statt der Geisel bedienen, und sich auch im gehen
darauf lehnen. Jhre Weiber gehen nicht, wie die Türkischen, mit Kleider der
Bulgari⸗
schen Wei⸗
ber.
bedecktem Gesicht, haben auch keine Hosen an: ihr Rock gehet ih⸗
nen bis auf die Füsse, und siehet einem Hembd aͤhnlich, ausser wel⸗
chem sie fast zur Sommers⸗Zeit nichts anders anhaben: dessen Ma⸗
terie von eben nicht zart-gesponnener Wolle ist, als woraus wir in un⸗
sern Ländern Säcke zu machen pflegen, aber von vielfältiger Stüͤckerey
und Farben ganz bund und scheckicht aussiehet; woruͤber sie einen gleich
bunden von Cameel⸗Haaren oder Wolle gar seltsam geflochtenen
Gürtel legen. Jhr Schmuck bestehet in schwehren silbernen und verSchmuck
derselbi⸗
gen
⸗
guldeten Ohren⸗Gehaͤngen, und dergleichen Ringen, in Steinen,
Muscheln, gefärbten Glaß / Bildern, Blumen und allerley schlech⸗
ten Münze; damit nun zieren sie den Kopf, den Hals, die Haare,
Finger, Brust, und bilden sich darauf mehr ein, als die Königin
aus dem Reiche Arabien, oder die stolze Cleopatra selbsten. So Tracht der
Jung⸗
frauen.
lang sie noch Jungfrauen sind, gehen sie wenig aus, und lassen sich
auch selbst nicht viel sehen, haben ihre Haare gebunden und üͤber
den Rüͤcken herab hangend: so bald sie aber heyrathen, binden sie
dasselbige hinauf. Jhrer viele tragen einen ungeheuren grossen Hut, Weiber
Hüte.
dessen Breite über die Schultern herab hanget, die Höhe aber fast
eine Ele über den Kopf hinaus gehet, im übrigen auch denen
Unsrigen ganz ungleich, sintemaln das oberste Theil / oder dasjeni⸗
ge, was gegen den Himmel schauet, am breitesten ist, als wann er
mit Fleiß darzu gemacht wäre, nicht daß er den Regen abhalten,
Töchter
werden an
den Bräͤu⸗
tigam ver⸗
kauft.
sondern auffangen solte. Wann einer eine Tochter zur Ehe begehrt,
kauft er solche von den Eltern, und duͤnget, so genau er kan, wel⸗
ches Geld alsdann die jungen Ehe⸗Weiber statt ihres Heyrath⸗Guts
behalten, und im ersten Jahr ihrer Vermaͤhlung an ihrem Leib als
einen sonderlichen Schmuck tragen. Die Jungfrauen nehmen hierMünz ein
Schmuck
der Bulga⸗
rischen
Weibs⸗Bilder.
⸗
zu was sie gewinnen, oder geschenkt bekommen, womit sie oft so be⸗
laden sind, als die Esel, wann sie Säcke in die Muͤhl tragen, wie
sie dann auch ihre Schönheit und Stand nach der Menge sol⸗
cher Münzen æstimiren. Die Braut wird von ihren Verwandten
und
O
- 134 -
106
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
Uberfüh⸗
rung der
Braut zum
Bräuti⸗
gam.und Bluts⸗Freunden zu dem Bräutigam geführt, davon ein Theil
unterwegs weinet, der andere singet, der dritte trägt die Hochzeit⸗
Fackeln vor, der vierte flechtet der Braut die Haare, der fünfte
lößt sie wieder auf / und unter diesem Getändel kommen sie zum
Bräutigam; allwo sie 14. Tage hindurch verhüͤllet bleibt, und wann
in dieser Zeit der Mann die ehliche Pflicht von ihr begehret, welches
ihme doch nicht seines Gefallens, sondern nur zur bestimmten Zeit
erlaubt ist, legt sie deswegen den Schleyer doch nicht von sich, bis
sie endlich nach verflossener Zeit das Gesicht wiederum bloß gibt,
und hierauf mit ihrem Mann das Hauß⸗Wesen nach ihren besten
Vermögen versiehet. Und weil wir in so weit der Bulgarn Kleider⸗
Tracht genugsam besehen, so laßt uns wieder ins Lager zuruck
kehren.
Daselbst wäre uns noch diesen Tag bald ein grosses Unglück
Entsetzli⸗
ches Unge⸗
witter. durch ein unvermuthet entstandenes Wetter zu Handen gestossen.
Dann ob es gleich den ganzen Tag üͤber schoͤn heiter gewesen, hat sich
doch auf dem Abend ploͤtzlich ein solch grausam mit Donner, Blitz
und Regen vermischtes Ungewitter erhoben, daß man häͤtte meinen
sollen, die Welt wuͤrde daruͤber zu Grunde gehen, und der juͤngste
Tag kommen: die mehresten Zelten wurden aus der Erden gerissen
und durchs Läger in die Luft fort gefüͤhrt; diesem wurde der Hut,
einem andern die Parucke, dem dritten die Pantoffeln / und jenem
wieder was anders durch den Wind abgenommen: ja, was am mei⸗
sten zu verwundern, so wurden die schwehr beladene Wägen aus
ihrer Stelle bewegt, und in einen Graben getrieben, wo sie endlich
nicht weiter fort kommen kunten. Es blitzte so stark, daß man wie
beym Licht lesen kunte; und hatte es bey nahe das Ansehen, als ob
von dem herabfallenden haͤufigen Regen, welcher auch die Felder
überschwemte, eine andere Suͤndfluth oder doch gefäͤhrlicher Wol⸗
ken⸗Bruch zu besorgen stünde. Die Berge schützten uns vor dem
Wind so wenig, daß derselbige, wie gleichsam durch eine Röͤhre,
nur desto heftiger auf uns los stürmte. Wie aber selten ein Un⸗
Feuers⸗Gefahr.glück allein kommt, so geschahe es auch hier, sintemaln, da wir be⸗
reits von Luft und Wasser genugsam bestritten waren, das Feuer
seine Wut nicht weniger an uns ausüben wolte, worzu unserer
Fuhrleute Nachlässigkeit oder vielmehr Unbedachtsamkeit Gelegenheit
gegeben; dann diese hatten Feuer unter ihre Toͤpfe geschiert, und sol⸗
che
- 135 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
107
che an die Wagen⸗Deichsel gehangen, um sich darinnen was zu es⸗
sen zu kochen / oder auch wol bey der Nacht des Feuers zu ihrer Er⸗
wärmung zu bedienen: nachdem sie aber durch das Wetter von dar
weg getrieben worden, hat unterdessen dasselbige die Wäͤgen, wor⸗
auf die Kaiserliche nach Constantinopel bestimmte Geschenke gepackt
waren, ergriffen; und wo des Herrn von Wettsteins sonderbaDurch Hn.
von Wett⸗
stein abge⸗
wendet.
⸗
re Wachtsamkeit nicht das beste dabey gethan häͤtte, duͤrften wir ver⸗
muthlich einen unbeschreiblichen Schaden erlitten haben: dieser aber,
als er ein mehr denn gewoͤhnliches Feuer erblickt, und daraus nicht
unbillig was schlimmes muthmassete, ist alsobald im blosen Hembd
aus seinem Zelt gesprungen, hat sich mit dem Leib voͤllig auf die Er⸗
den gelegt, mit Händ und Füssen gedämpft, und dardurch diese gros⸗
se Gefahr glücklich abgewendet.
Den 5ten dito sind wir anderthalb Meil von Banga in einer
Ebene an der Maritz zu stehen gekommen; woselbst auch noch ein
anderer Fluß oder Bach, dessen Namen ich aber nicht erfahren koͤn⸗
nen, ohnerachtet ich durch die Dolmetschen die Tuͤrken deswegen fra⸗
gen lassen, welche solchen keinen andern Namen zu geben gewust, als
daß es ein Bächlein seye. Die Stadt Samcova hatten wir vor
uns mitten in den Bergen liegend, so wir aber nicht zu Gesicht be⸗
kommen; ruckwäͤrts lag ein Dorf / welches man auf ihre Sprach das
Vogel⸗Dorf nennet, und dieses, wie ich muthmasse, darum, weil Vogel⸗
Dorf.eine gewisse Art Bäume daselbst zu finden, die unsern Pappel⸗
Bäumen fast gleich, deren Blätter sich stäts bewegen, und damit
die Vögel abhalten, daß sich keiner darauf setzet noch nistet. Zur Berg Rho⸗
dope.
rechten sahen wir die Spitze des Bergs Rhodope / so noch mit
Schnee bedeckt war, und von den Benachbarten Rulla genennt
wird, aus deme die Maritz ihren Ursprung nimmt, wie solches
auch Ovidius und Plinius bezeugen. Zur linken zeigten sich die⸗
jenige Berge, welche die Bulgarey und Thracien von einander
entscheiden, und bis an den Haͤmus zwischen Sophia und Phi⸗
lippopel sich erstrecken. Sie fangen schon in dem Köͤnigreich Ser⸗
vien, ohnweit Raschna oder Sumantzio an, und lauffen immer
fort durch unterschiedliche Länder, bis sie aus Thracien an das
Thracien
oder die
Romanie.
schwarze Meer kommen. Dieses Thracien wird von den Tüͤrken
Rurnili / insgemein aber die Romanie genennt, und solches ohne
Zwei⸗
O 2
- 136 -
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
108
Zweifel darum, weil der Kaiser Constantinus aus dem alten Latio
Leute nach Grichenland üͤberfahren lassen, damit Er dem neuem
Rom auch ein neues Latium beyfügen, und die Nachwelt üͤberzei⸗
gen möͤgte, daß das neue Rom oder Constantinopel dem alten
gleich gewesen, wo nicht gar dasselbige uͤbertroffen habe. Ehe wir
aber in gedachte Ebene hinab gestiegen haben wir vorhero die so be⸗
kannte Pforte des Kaisers Trajani besehen.
Pforte des
Kaisers
Trajani.
Dieselbige liegt zur linken in den Bergen, deren gäͤhe Klippen
und sehr tiefe Abgründe kaum einen Zugang verstatten; weswegen
wir unsere Wägen und Bagage eine andere Strasse gehen lassen,
unsere Curiosité aber zu vergnuͤgen, uns unserer Pferde bedient, da⸗
mit wir gleichwol dasjenige selbst in Augenschein nehmen koͤnnten,
wovon wir bereits in so vielen Buͤchern gelesen haben. Es ist aber
dieses Werk weit nicht so wichtig, als der gemeine Ruff es gerne
machen will; die ganze Sache bestehet darinnen, daß zwey steinerne
Säulen neben einander aufgerichtet, und oben durch ein Gewoͤlb
an einander gehenckt sind, welche auf solche Weise eine grosse leere
Pforte vorstellen. Diese hat Kaiser Trajanus zum Gedächtnis
des von Jhm durch selbige Gegend geführten Kriegs⸗Heers aufge⸗
führet, da Er die Thracier und Teutsche zu bestreiten und seiner
Herrschaft zu unterwerfen im Anzug war, weil Er sich hierdurch ei⸗
nen Weeg gebahnet, da vorher keiner gewesen ist. Sie bestehet
theils aus Hau⸗Steinen, theils aus Ziegeln, welche letztere aber viel
breiter und fester sind, als diejenige, deren wir uns heutiges Tags be⸗
dienen: es spaltet sich aber dieselbige schon an vielen Orten, und
dürfte die meiste Zeit gedauert haben, absonderlich da sie dem
Wind und Regen sehr exponirt ist; wie dann auch der Herr von
Dierling / welcher schon einmal mit der vorigen Groß⸗Botschaft
unter dem Grafen von Oettingen allda gewesen, und anjetzo bey
gegenwärtiger als Secretair stehet, mich versichert, daß sie von sel⸗
biger Zeit an merklich zusammen gefallen seye. Es ist aber diese
Pforte auch noch einer andern Verhaͤngnis unterworfen, da nem⸗
lich die Anbeter des lieben Alterthums mit Gewalt Steine aus der⸗
selbigen brechen, um solche mit in ihr Vaterland zu fuͤhren, und in
ihrer Studier⸗Stube oder Kunst⸗Kammer als ein geheiligtes Bild
der Göttin Pallas, und aus dem Trojanischen Brand gerettete
Hauß⸗
- 137 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
109
Hauß⸗Götter zur sondern Zierde oben anzustellen. Jch habe nicht Excess in
der Liebe
zur Anti⸗
quität.
wenig über diejenige unter uns lachen muͤssen/ die doch Wunder
meinten, wie sie in der Antiquität beschlagen waͤren, daß sie aus
grosser Inclination zu derselbigen gemeldte Steine begierig zusam⸗
men gesucht, und ihre Schub⸗Säcke dicht damit angefüllt;
warum haben die guten Leute nicht lieber von dem nechst anliegenden
Felsen Steine herunter geschlagen und mit sich geschleppt, welcher
ohne Zweifel älter als diese Pforte gewesen ist. Ein sehr curiöser Geist⸗
licher / aus einem gewissen Orden, von welchem man nicht anders
als mit der groͤsten Behutsamkeit reden muß, wann man sich keine
Miß⸗Gunst zu ziehen will, weil er sich den Ruhm der Gelehrsamkeit
nach Verdienst erworben hat / bezeigte eine ungemeine Sorgfalt füͤr
diese steinerne Denkmale; dann nachdem einer unterwegs dergleichen
Steine als eine unnöthige Last von sich geschmissen, hub es jener
mit sonderbahrer Veneration und nicht geringem Frohlocken wieder
auf, verschlosse es in seine Kuͤsten, und zweifelte nicht, daß die ge⸗
lehrte Welt eine ganz ausserordentliche Obligation deswegen vor
ihn haben müͤste, weil er dergleichen Kostbarkeit von dem augen⸗
scheinlichen Untergang gerettet. So hat sich auch einer unter mei⸗
nen Landsleuten, ein sonst gar verständiger und dienstfertiger
Mensch, gefunden, welcher bey seiner Ruckkunft einem seiner ver⸗
trautesten Freunde, so um einer mir unbekannten Ursach willen
nicht mit reisen können, eine zimliche Quantität von diesem Traja⸗
nischen Schatz mitgetheilet, in der sichern Meinung, er koͤnnte sein
ergebenstes Gemüth gegen Jhm nicht besser an den Tag legen, als
wann er ihn mit demjenigen so reichlich beschenkte, welches er vor
das kostbarste unter allen seinen Raritäten hielte. Wann demnach Die allzu
grosse Cu⸗
riosité darf
wol hinter⸗
gangen
werden.
sich ja einer finden solte, der dergleichen Stein nicht zu sich genom⸗
men und deswegen von andern als ein Verachter der Antiquität duͤrfte durchgelassen werden, dem will ich wolmeinend rathen, wo⸗
ferne er anders keine solche Suͤnde zu begehen vermeinet, welche aus⸗
zusöhnen ganz Latien und Grichenland mit allen ihren Steinen nicht
capable wären, daß er so gleich bey seiner Ruckkunft nach Wien
auf den Kahlen⸗Berg gehe, und von dar einen so grossen Stein mit
sich nach Hauß trage / als er unter seine Freunde auszutheilen ge⸗
nugsam zu seyn glaubt, welche gewiß eben so gute Würkung als
jene Trajanische haben werden, womit er gleichwol den Namen ei⸗
nes
O 3 - 138 -
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
110
nes Liebhabers und Kenners der Antiquität behaupten, dabey aber
auch zugleich doppeltes Lob verdienen wird, eines theils, daß er an⸗
derer Leute Thorheit so artig zu hintergehen gewust; andern theils aber,
daß er der wahrhaftigen Antiquität damit nichts entzogen, welche
durch anderer unnuͤtze Curiosité nur mehr und mehr verstuͤmmelt
und ihr gaͤnzlicher Ruin nur desto eher befoͤrdert wird: dann so weit
diese vorwitzige Hände haben reichen koͤnnen, ist dieses rare Denkmal
von ihnen zerstuͤmmelt und bey nahe ganz ausgehoͤlet worden. Das
Gewölb ist ohnedem schon ganz zerspalten, und nicht zu verwun⸗
dern, wann es nechstens uͤber einen Haufen faͤllet. In der linken
Säulen, nach demjenigen Weeg gerechnet, welchen wir dahin ge⸗
kommen, kunte man unten einen grossen Stein von weisen aber nicht
nach heutiger Art polirten Marmel eingemauert sehen, auf welchem
ein blaufarbigtes Quater⸗Stüͤck lieget, in deme einige lateinische
Sprüche eingehauen gewesen, so man aber wegen des daruͤber gestri⸗
chenen Kalchs und in die Mauern hinein geschobenen Theils, auch
der noch uͤbrigen durch den vielfäͤltigen Regen ausgelöͤschten Buchsta⸗
ben ohnmöglich mehr lesen kan. Allein es wolten einige aus der in
die Höͤhe oder gegen dem Himmel gerichteten Schrifft urtheilen, daß
dieser Stein eigentlich nicht zu dem Werk selbsten gehöͤre, sondern
von ungefehr in diese Pforten versetzt und vielleicht damit ausgeflickt,
von den Reisenden aber zu einem Denkmal ihrer ehmaligen Gegenwart
also gezeichnet, hingegen von Regen und Schnee und Laͤnge der Zeit
wiederum ausgeloͤscht worden. Wann ich meine Meinung davon
sagen darf, so kommt es mir vor, daß unter andern auch um eben
dieser Ursach willen, weil die Schrifft gegen dem Himmel schauet,
und halben Theil mit Kalch überstrichen ist, es eine alte Schrifft muͤs⸗
se gewesen seyn, damit bey einmal erfolgender Niederreissung dieser
Pforten die Nachwelt in Erfahrung bringen moͤgte, wer solche auf⸗
geführet, und was ihm darzu Anlaß gegeben; welches die Alten
gar sehr in Gebrauch gehabt, wie wir aus ihren ruinirten Gräͤbern,
Särgen, Kirchen und andern aufgerichteten Denkmaln versichert
sind, daran man vor ihrer Destruction dergleichen nicht merken
kunte, was man nachgehends beobachtet, auch noch heut zu Tage
an grossen vornehmen Gebaͤuen wahrnehmen kan. Jn diesen Bergen,
über welche wir nach bemeldter Pforte gehen müssen, wird viel
Eisen⸗Bergwer⸗
ke.Eisen gegraben, und zu gerichtet, wie wir dann im Ruckweeg verschiedene
damit
- 139 -
111
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
damit beladene Wägen angetroffen; so ist uns auch eben daselbst Warmer
Brunnen.
ein warmer Brunnen aufgestossen, dessen Wasser immerzu so stark
heraus siedet, als wann es etliche Stunden bey dem Feuer gestan⸗
den, so daß man Eyer und andere leichte Speisen gar leicht darin⸗
nen kochen koͤnnte. Unten am Berg, nicht weit von unserm Lager Zerstörte
Kirche.
stunde wiederum eine alte zerstoͤrte Kirche, in welcher jetzt die Raben
und Turtel⸗Tauben ihre Wohnung aufgeschlagen: der Regen fie⸗
le zu allen Seiten hinein, und war mit keinem Dach mehr bedecket;
auf der Mauern wuchs das Gras, die Baͤume und Stauten schaue⸗
ten zum Fenster heraus, so, daß es recht erbaͤrmlich anzusehen, wie
dasjenige durch der Barbarn Verwüͤstung nunmehro zu einem Sitz
der Vögel worden, welches ehedessen ein Wohnhauß des Aller⸗
höͤchsten gewesen.
Als wir den 6ten dito über hohe gaͤhe Stein⸗Klippen, zwischen
welchen die Maritz mit grossem Geraͤusch durchflieset, unsern Weeg
fort gesetzet, sind wir über Jabrowitz und Kiskoi nacher
Seranweg / so ebenermassen zwischen den Bergen liegt / noch
bey guter Zeit gekommen. Der Name Kiskoi bedeutet so viel als
Jungfrauen⸗Dorf, und hat seinen Namen von denen Weibs⸗Bil⸗
dern, deren wir nirgends mehr als hier angetroffen. Zu Serhan
Eine Men⸗
ge Reiger
und
Schwal⸗
ben.
⸗
weg haben wir eine grosse Menge weiser Reiger und unbeschreibli⸗
che Anzahl Schwalben gesehen, welche so gar, wo sie hingeflogen, die
Luft verdunkelt, so heiter auch das Wetter dazumal gewesen ist. Auf
der Ebene gegen Serhanweg ist ein Bach / welcher ganz mit
Krebsen angefüllt, und sich in die Maritz ergieset. Gestern erUnsicher⸗
heit dieser
Gegend.
⸗
innerten uns unsere Janitscharn, daß keiner von der gemeinen Land⸗
Strassen auch nur im geringsten abgehen solle, noch vielweniger die⸗
sen Tag sich allein auf dem Weeg begeben, weil sich dieser Orten
sehr viel Strassen⸗Räuber und Möͤrder aufhalten, welche Rott⸗
weise die Reisende anfielen, und wo diese sich nicht zusammen hielten,
noch unter einem starken Geleit mit gewafneter Hand ihnen wider⸗
stünden, wären sie in Gefahr, durch sie auf allerley hinterlistige
Weise in Schaden zu kommen; weswegen auch an verschiedenen Or⸗
ten die Spahi Wacht hielten, damit wir desto sicherer waͤren, und sie
uns im Nothfall zu Hülf kommen könnten. An diesen Tag haben
wir zu erst Thracien betretten, da wir uns bishero noch immer
mit den Bulgarischen Bergen schleppen muͤssen; nachdem wir aber
nun⸗
- 140 -
112
Erstes Buch, Achte Abtheilung /
nunmehro diese zuruck gelegt, werden wir forthin bis nach Con⸗
stantinopel einen ebenen Weeg haben. Ehe wir diese Landschaft
gar verlassen, wollen wir erst ein wenig untersuchen, womit sich die
Unterthanen in der Bulgarey und in dem Koͤnigreich Servien
nehren, und mit was für Gaben und Dienste sie der Pforten ver⸗
bunden sind.
Die mehreste aus ihnen sind so wol als andere in dem ganzen
Der Unter⸗
thanen
Auflagen
in der
Bulgarey
und Ser⸗
vien.Reich schuldig und mit Eid verbunden, sich so oft im Krieg gebrau⸗
chen zu lassen, als oft solches die Noth und der gemeine Nutz erfor⸗
dert, wovon auch so gar Juͤnglinge und Kinder nicht ausgeschlos⸗
sen, sondern nur allein die verlebten Personen und welche einen
Leibs⸗Schaden oder sonst nicht Kraͤffte genug haben, dieser Pflicht
überhoben sind. Doch ist ihnen dabey gleichwol erlaubt, Handel⸗
schaft zu treiben, so lang sie daheim in Frieden sitzen / wie sich dann
auch die mehresten damit ernehren. Die Bauern und Ackers⸗Leute
zahlen der Pforten jährlich zehen Löwen⸗Thaler / dafür stehet ihnen
hernach frey zu pflanzen, saen, Ernden, und allerhand ihnen gefäl⸗
lige Handthierung zu treiben. Derjenige, welcher zwey Joch⸗Och⸗
sen oder Pferde hat, muß eines davon sechs Monat zu des Sul⸗
tans Diensten gebrauchen, welche Zeit sie gemeiniglich von unserer
Ostern bis auf Michaelis zu rechnen pflegen, weil in solcher die
Türkische Armee gegen dem Feind im Felde stehet, als deren Cam⸗
pirung wegen des weiten Weegs, so ihre aus allerhand Nationen zu⸗
sammen geraffte Soldaten wieder nach ihrer Heimat in die Winter⸗
Quartier ziehen muͤssen, nicht leicht laͤnger dauert. Füͤr diese Zeit
nun des halben Jahrs zahlt man ihnen nichts, und sind sie gezwun⸗
gen, sich und ihr Vieh selbst zu verkosten. Wann es des Sultans
Interesse erfordert, muͤssen sie aus einem Land in das andere ziehen,
ohne daß deren Stadthaltere sauer darzu sehen noch deswegen in Un⸗
fried mit einander leben darfen, wie es leider oftmals zum höͤchsten
Nachtheil des obersten Regenten und gemeinen Wesens bey uns ge⸗
schiehet. Es sind viele von denenjenigen Waͤgen, so uns von Nissa
aus Servien bis nach Sophia in die Bulgarey geführet, nicht
weit von dem schwarzen Meer aus Thracien herkommen, von
wannen sie Proviant, Kriegs⸗ und andern Werk⸗Zeug nach Nissa
gebracht haben.
Nach⸗
- 141 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
113
Nachdem wir den 7ten dito etliche Stunden in einer grossen Die Stadt
Basard⸗
schik.
Ebene längst der Maritz fort gegangen / sind wir nach Basard⸗
schik, einer bey denen Tüͤrken beruͤhmten Stadt, gekommen: wo⸗
bey wir auf dem Weeg dahin etlichmal uͤber die Maritz gehen muͤs⸗
sen, doch meistens dieselbe zur linken Hand gehabt, welche noch bis⸗
her so seicht, daß man dadurch waten kan, ohnerachtet sich schon ei⸗
nige Fluͤsse in dieselbige ergossen haben; jedoch wann sie von Schnee
oder Regen aufgeschwellet ist, hat man einer Brüͤcken oder Schiffs
vonnoͤthen, wann man hinuͤber kommen will. Erst bemeldte Stadt
liegt an gedachtem Fluß, einem lustigen Ort, uͤber welchen eine hoͤlzer⸗
ne Brücke gebauet, darauf nach Lands⸗Gewohnheit viele Türki⸗
sche Bünde in Holz geschnitten stehen, womit solche abgetheilet
wird. Nebst diesem lauft noch ein anderes Wasser fast um die gan⸗
ze Stadt, und ergieset sich endlich gleichfalls in die Maritz. Die Die Be⸗
schaffen⸗
heit der
Häuser zu
Basard⸗
schik.
Häuser daselbst sind weit schöͤner, grösser und besser als zu Nissa /
Sophia und allen übrigen Orten. Die Vordächer oder
Lauben gehen an denselbigen so weit herfür, daß man gar gemächlich
darunter wohnen köͤnnte, wann nur Mauern hinauf geführet und
man zur Seiten bedeckt wäre. Es gibt viel Bäder allhier, auch wei⸗
tere und reinere Strassen, als in andern dergleichen Städten. Die
Kaufmannschaft wird mit grossem Vortheil der Stadt getrieben,
welche auch gar bequem darzu, nemlich mitten im Reich liegt, wes⸗
wegen eine jedwede Sache leichtlich verschlossen werden kan. Da⸗
selbst ist der Haan mit grossen Unkosten, denen Beduͤrftigen damit Haan da⸗
selbst.
an die Hand zu gehen, von puren Quater⸗Stuͤcken gebauet, in des⸗
sen Vorhof ein Brunnen⸗Kasten stehet, der zu mehrern Zierde in⸗
nen und aussen mit Bley belegt ist, in welchen das Wasser immer
zu rinnet, und wieder hinausflieset, und koͤnnen auch daraus 50.
Pferde zugleich getränckt werden. Jch habe bey dem Eingang Allmosen⸗Stock.
der Stadt einen Allmosen⸗Stock beobachtet, welcher zum Behuf
der Armen aufgerichtet ist, und davon ich mich nicht erinnere, daß
ich an einem Ort in der ganzen Tuͤrckey dergleichen gesehen haͤtte,
ohnerachtet die Tüͤrken alle andere Völker an Barmherzigkeit und
Liebe gegen den Nechsten übertreffen. Auf ihren Kirchhöfen ist eiKirchhöfe.
⸗
ne unbeschreibliche Menge von Grab⸗Steinen anzutreffen, sinte⸗
maln die Tüͤrken in dem Gebrauch haben, füͤr einen jeden Todten ein
besonders Grab zu machen, damit nicht einer den andern in demjenigen
Kampf
P
- 142 -
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
114
Kampf, welchen sie, ihrem Glauben nach, mit dem böͤsen Geist nach
ihrem Tode haben, verhinderlich seyn möͤgte, wann sich mehr als
einer in einem Grab befinden solte: daher kommt es dann, daß
diese Kirch⸗Höfe grösser als die Städte selbsten sind, und man ge⸗
wiß von denen darauf befindlichen Steinen eine groͤssere Stadt, als
die dabey liegende hölzerne ist, würde aufrichten können. Diese
Grab⸗Steine sind zweyerley Gattung, einige sind rund, andere flach
und duͤnne, und ist an diesen letztern dasjenige Theil, so ober der Erden
stehet, viel breiter, als das untere, also daß man sich daran eine um⸗
gewendte Pyramide vorstellen kan; jene aber mit einem Türkischen
Bund gezieret: welche bey dem Kopf stehen, und allezeit zu gegen
sind; diese aber bey den Fuͤssen, und sich bey gar vielen nicht finden.
Beide sind mehrentheils von Marmel, mit Laub⸗Werk, Gold und
unterschiedlichen Farben, auch bisweilen mit Türkischen Buchstaben
gezieret. Diejenige, so es im Vermoͤgen haben, lassen sich noch dar⸗
zu einen länglicht⸗viereckigten Sarg von weisen Marmel, oder auch
ein Grabmal verfertigen, welches auf Säulen stehet / und mit ei⸗
nem Dach vor dem Regen und Ungewitter verwahrt ist. Uber die⸗
ses sind der Türken Gräber viel weitläuftiger als die Unsrige, und
Streit der
Türken
nach ihrem
Tod / mit
den bösen
Geistern.zwar eben um ob angefüͤhrter Ursach willen, damit sie nemlich, wann
sie darinnen, in Gesellschaft des guten Engels Gebrai oder Ga⸗
briel / mit den bösen Geistern Aruth und Maruth streiten / desto
besser um sich schmeissen koͤnnen; wie sie dann für ihren Gehüͤlfen,
den Gabriel / der ihnen bey diesem Kampf mit Rath und That an
die Hand gehet / ein kleines Zimmer darinnen zu richten lassen, sie
selbst auch in solcher Positur in das Grab gelegt werden, daß sie das
Gesicht nach der Mecha / dem Grab ihres Propheten, und fälsch⸗
lich eingebildeten Wohnsitz der Auserwehlten kehren. Ehe sie noch
Begräbnis
Ceremo⸗
nie der
Türken. dahin gebracht werden, wäscht man ihnen den Leib vielmaln ab,
setzt den Bart in Ordnung, und bestreicht sie mit wol riechenden
Sachen / damit sie fein recht gebutzt in dem Himmel erschienen.
Den 8ten dito blieben wir daselbst in der Stadt liegend, um
etwas aus zu ruhen, und zur noch uͤbrigen Reise uns desto geschickter
zu machen. Indessen brachten die Einwohner des Orts Blumen,
Früchte, Fladen, Kuchen, und allerhand Torten herbey, absonder⸗
lich aber ein Trink⸗Geschirr / das mit Nägelein und Graß sehr ar⸗
tig
- 143 -
115
Reise von Philippopel bis nach Adrianopel.
tig auf dem obern Theil bewachsen war, damit der darinnen enthal⸗
tene Trank desto kuͤhler verblieb/ mit welchen sie den Herrn Groß⸗
Botschafter zum Zeichen der Freundschaft und Hochachtung be⸗
beschenkten. Es hat auch derselbige in solcher Zeit vernommen, wie Erlösete
Gefangene
zu Basard⸗
schik.
daß viele gefangene Christen allda aufbehalten würden, weswegen Er
sich höchst angelegen seyn lassen, selbige los zu machen; durch wel⸗
ches Beyspiel der erste und zweyte Adel gleichfalls bewogen worden,
Geld zusammen zu schiessen, und ein paar gefangene Christen da⸗
für los zu kaufen: auf solche Weise wurden in dieser nicht gar
grossen Stadt deren viere aus ihrer Sclaverey erloͤset, darunter ei⸗
ner solche absonderlich fuͤhlen muͤssen, als welcher nicht allem mit
acht und zwanzig pfüͤndigen Fesseln sich taͤglich herum schleppen und
damit an die Arbeit gehen, sondern auch noch zu Nachts, wann er
sich schlaffen gelegt, binden lassen muͤssen. Nachdem wir nun
den 9ten in der Nacht unsere Waͤgen und Bagage voraus geschickt,
sind wir selber in aller früͤhe aufgebrochen, und noch denselbigen
Vormittag zu Philippopel ankommen.
Neunte Abtheilung.
DJese Stadt haben wir nur im Vorbeygehen gesehen, weil Pest zu
Philippo⸗
pel.
wir uns wegen der darinn grassirenden Pest, so täglich vie⸗
le Menschen hinweg gerissen, nicht lang daselbst aufhielten.
Als wir bey dem ungemeinen grossen Kirch Hof vorbey fuhren, ha⸗
ben wir neben dem Weeg viele Graͤber beobachtet, so noch mit fri⸗
scher Erden bedeckt gewesen, woraus man die Gewalt dieser Seuche
gar leicht beurtheilen kunte; weswegen scharf verbothen worden,
daß niemand nach der Stadt gehen, oder von daraus etwas mit sich
nehmen solte, damit dardurch die ganze Botschaft nicht in Gefahr
gesetzt würde. Sonst ware wol nicht zu zweifeln, daß wir daselbst
nicht solten viel merkwuͤrdiges angetroffen haben, worduch die maͤch⸗
tigen Victorien Philippi des Grossen/ Alexandri Magni
Vaters, auf die Nachwelt fortgeflanzt worden. Busbeck in seiLage dieser
Stadt.
⸗
nen Türkischen Sendschreiben berichtet von dieser Stadt, daß sie
auf einem von dem daselbst befindlichen dreyen Huͤgeln gelegen seye,
welches mir Anfangs nicht so vorkommen, indem ich geglaubt, daß
sie
P 2
- 144 -
116
Erstes Buch / Neunte Abtheilung /
sie auf alle drey gebauet wäͤre, habe es aber nachgehends anders be⸗
funden / indem ich nur durch einige Gebäͤue, welche üͤber solche han⸗
gen, betrogen worden; weswegen ich meine Meinung geändert, als
ich durch ein Perspectiv derselben Gelegenheit, Ab⸗ und Eintheilung
etwas genauer betrachtet, und dabey angemerket, daß die Stadt
zwar auf zwey Spitzen stehet, welche aber nur einen einigen Berg
ausmachen, da der andere vor Zeiten wol auch mit dergleichen
Ringmauern umgeben gewesen, die aber jetzt mehrentheils zerfallen
sind. So habe ich auch vier Hügel gefunden / wo Busbeck nur
drey will gesehen haben: und kan ich ihm darinnen nicht beyfallen,
Bedeu⸗
tung der
Erd⸗Hau⸗
fen.wann er meinet, das diejenige Erd⸗Haufen, die in dieser Gegend an zutreffen, Zeichen der in diesen Feldern gehaltenen Schlachten seyn
sollen, als worunter die Erschlagene begraben lagen; sintemaln durch
alle Landschaften des Sultans, die wir durch gezogen, dergleichen zu
sehen sind, worunter auch einige waren, so erst neulicher Zeit aufge⸗
worfen worden, von welchen man mich auf genaue Nachfrage be⸗
richtet, daß diese Gewohnheit schon vor alten Zeiten gewesen, und
zwar zu dem Ende eingeführet seye, damit die Armeen in Kriegs⸗
Zeiten wissen koͤnnten, welchen Weeg sie halten muͤsten. Auf einer von
denenjenigen Spitzen, auf welchen die Stadt stehet, siehet man ei⸗
nen viereckigten Thurn, welcher vor diesem zur Vertheidigung des
Orts statt einer Vestung gedienet; und damit solcher vor feindlichen
Anfällen desto sicherer seye, hat man keine oder doch wenig Haͤu⸗
ser dahin gebauet: es gebrauchen die Türken anjetzo denselbigen
für einen Wacht⸗Thurn, haben auch eine Uhr darauf gestellet. An
dem Fuß des ersten Bergs flieset die Maritz vorbey, und theilet
durch ihren Lauf die Stadt selbst von der untern Vorstadt ab, wel⸗
che beide aber durch eine Bruͤcke, uͤber welche man von einer zur an⸗
dern gehen kan, wiederum vereiniget werden. Wir sind nur durch
den letzten Theil der jenseit liegenden Vorstadt gekommen, und ha⸗
ben über 100. Schritt hinaus unser Lager aufgeschlagen. Auf den
zweyen andern Bergen, welche gleichfalls an der Maritz liegen, ist
im geringsten nichts von einigem Gebäu zu sehen; wovon uns aber
im Rückweeg ein Neapolitaner, so viele Jahre gefangen gewesen,
erzehlet, daß zu Zeiten Philippi des Grossen alle 4. Berge mit
Ring Mauern umgeben gewesen, wie die Türken von ihren Vor⸗
fahren berichtet wären, so ich aber nicht glauben kan, weil das ge⸗
ringste
- 145 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
117
ringste Wahrzeichen davon nicht zu finden. Diese Stadt ist so groß als
Sophia, ihre Häuser eben, wie daselbst, erbauet, die Gassen sind
gleichfalls also eingerichtet, und ist nur ihrem Lager nach von jener
unterschieden. Gleich bey dem Eingang faͤllt einem ein von gehaue⸗
nen Steinen und Ziegeln aufgefuͤhrter Thurn in das Gesicht, wie
auch ein Haan oder offentliches Wuͤrthshauß, welches von dem
letzten Ungewitter sehr beschäͤdiget worden; angesehen der Wind die
Schindel und das Bley von den Daͤchern theils hinweg gefüͤhrt,
theils sonst zu schanden gemacht, so daß der Regen nunmehr voͤllig
hinein schlagen kunte. Hier hat man die gewöͤhnliche Begrüͤssung
mit Stuck⸗Schiessen bey unserer Ankunft unterlassen, weil sie mit
dergleichen groben Geschuͤtz nicht versehen waren; doch ist uns gleich⸗
wol die Besatzung entgegen gangen, und hat den Herrn Botschaf⸗
ter bis ins Lager begleitet. Jn dieser Gegend waͤchset der Reiß, Reiß / wie
er waͤchst.
fast auf diejenige Art, wie bey uns der Waitzen, doch muß er ein
fettes Erdreich haben, weshalben man die Aecker oͤfters uͤberschwem⸗
met / damit sie fruchtbar werden/ und das Angesäete besser wurzeln
kan; in welchem Absehen man das Wasser in Graͤben und Lacken
auffängt, damit dasselbige im Fall der Noth von daraus üͤber die
Felder kan gefuͤhret werden, deren in dieser Ebene eine solche Men⸗
ge und von solcher Gröͤsse anzutreffen, daß sie etliche Stunden weit
und wie ein Garten in Better ausgetheilet sind, darauf mehr Reiß
wächset / als man in der ganzen Tüͤrkey verzehren kan. Von hier⸗
aus fängt die Maritz an Schiffreich zu werden, wie wir dann
Flöße und andere mit Getraid und Eisen beladene Fahrzeuge das
Wasser hinunter nach Adrianopel fahren sehen.
Den 10ten bekamen wir andere Pferde zum Reiten und Vor⸗
spann, und nahmen damit erstlich den Weeg an der Maritz vor⸗
bey, von dar aber durch eine grosse und morastige mit Rohr und
Binsen bewachsene Wiesen, welche wir mit Jagen durch gestrichen,
und uns alsdann hinter den Fluß Stannimocka gesetzt, wobey Stann⸗
mocka⸗Fluß.
sich ein Flecken gleiches Namens befindet, den wir aber nur durch
die Bäume zur rechten Hand liegen sahen. Dieser Fluß / welcher
seinen Ursprung in dem Berg Rupora nimmt, wird sehr schnell,
und reißt heftig fort, wann es viel regnet, oder der Schnee in den
Felsen zergehet, also daß die darüber geschlagene Brücke gar oft
repa⸗
P 3
- 146 -
Erstes Buch / Neunte Abtheilung /
118
reparirt werden muß; wie wir dann im vorbey reisen denjenigen
Schaden, der dardurch verursachet worden, mit Augen haben se⸗
hen koͤnnen, indem sich die Aecker davon noch voller Wasser zeigten,
und eine nieder geworfene steinerne Bruͤcke in ihrem Ruin praesen⸗
tirte, deren Bogen / worauf sie gestanden, noch aus dem Wasser
Closter der
Basilia⸗
ner⸗Mön⸗
che. herfür sahe. Auf dem Gipfel desjenigen Bergs, woraus dieser
Fluß entspringt, stehet ein Closter, in welchem eine zimliche Anzahl
Grichischer Mönche sich befinden, die nur von Wurzeln und Kräͤu⸗
tern zu leben gewohnt sind; von welchen ich vernommen, daß ehe⸗
dessen nicht so viel Wasser allda anzutreffen gewesen, womit sie nur
hätten den Durst loͤschen koͤnnen, nachgehends aber häͤtte sich das
Miraculö⸗
se Wasser⸗
Erfindung Bildnis der allerseeligsten Jungfrauen Maria gefunden, ohne daß
jemand gewust, wie es an solches Ort gekommen, und von der Zeit
an könne man das beste Wasser in Uberfluß daselbst haben.
Die dort herum wohnende Bauers⸗Leute haben die Gewohnheit, das
Einfalt der
Bauern.sie sich, so oft sie das Heil. Sacrament geniessen wollen, nicht allein
mit diesem Wasser waschen, sondern auch vor dessen Gebrauch des⸗
selbigen nach Genüͤge trinken, und solte diese liebe Einfalt wunder
meinen, was es füͤr eine grosse Suͤnde waͤre, wann sie dieses andaͤch⸗
tige oder gar heilige Werk unterliessen; worinnen aber gewißlich die
Grichische Pappas oder Mönche weit mehr als diese Bauern zu
schelten, als deren Gelehrsamkeit sich entweder nicht so weit erstreckt/
daß sie wissen, was sich bey solcher heiligen Handlung gezieme: oder
wann sie es wissen, einem so grossen Mißbrauch gleichwol durch die
Finger sehen, und ihrer Schuldigkeit nach eine so thörichte Einfalt nicht
nach Verdienst abstraffen. Jch war entschlossen, mit einigen aus
dem Adeln und dem Herrn Prælaten der Groß⸗Botschaft dort⸗
hin zu gehen, und dasjenige, was wir bisher nur gehöͤret hatten, mit
Augen anzusehen, allein die augenscheinliche Gefahr, in welche wir
alle insgesamt damit wuͤrden gesetzt haben, hat uns von unserm
Vornehmen billig abgehalten. Zu eben dieser Zeit kam aus mehr
gemeldter Gegend ein Bauer, den seine Curiosité antrieb, den
Herrn Groß⸗Botschafter zu sehen, und Jhm seine Bäuerische
Höflichkeit zu bezeugen: als diesen der Herr Botschafter fragte:
ob in dem Dorf, wo er herkame, die Pest auch regierte? hat er dar⸗
auf geantwortet, daß die Türken zwar darmit unvexirt blieben, allein
über die armen Bauern gienge es treflich her, und wuͤrden sie häͤufig
da⸗
- 147 -
119
Reise von Philippopel bis
Adrinopel
.
davon weg gerissen, doch hätten die wenigsten erwarten wollen, bis
die Reihe auch an sie gekommen, sondern sich mit der Flucht davon ge⸗
macht. Gewiß, dieses wäre den guten Leuten in Teutschland oder einem
andern wol bestelltem Reich nicht so ungerochen hingangen; weil
sie daselbst, wann sie bey so grosser Gefahr einer Seuch die Gräͤn⸗
zen überschriten, ohne die gewoͤhnliche Contumacie zu halten, ohne
Zweiffel an ihren besten Hals wären aufgehangen worden. DazuEin flüchti⸗
ger Sclav.
⸗
mal kam auch ein Sclav, welcher bey einem Juden in Dienstbarkeit
gewesen, der ihme die Freyheit öfters versprochen, aber niemaln ge⸗
halten, zu uns geflohen, und hat auch willig gefunden, was er so
ängstig gesucht: weil er aber in der Eil seines Herrn Eselin mit ge⸗
nommen, aus Furcht, wann er solche von sich liesse, er duͤrfte vor
der Zeit verrathen und wieder eingeholet werden, hat man jenem
sein lastbares Thier wieder zurüͤck geschickt, diesem aber die Freyheit
bestättiget.
Der uͤbrige Weeg bis nach Constantinopel war bey nahe eine
continuirliche Jagd gewesen, weil wir von hieraus bestäͤndig ebenen
Weeg hatten; wie dann auch unsere Fuͤhrer sich sehr angelegen seyn
liesen, dem Herrn Groß⸗Botschafter den Weeg angenehm zu
machen / weswegen sie ihn nicht nur in solche Oerter fuͤhrten, wo
sie das meiste Wild vermutheten, sondern Jhm uͤber dieses noch die
vortreflichsten Hunde zu wegen brachten, welche sie Jhm auch zum Geschwin⸗
digkeit der
Türkischen
Hunde.
Theil verehrten, davon ein jeder in einem Lauf drey bis vier Haasen
einholte, wie ich dann so gar einen gesehen, welcher den sechsten
nicht verfehlet hatte, worüber er sich aber auch so ermiedet,
daß man ihn auf einen Wagen bringen und mit fort fuͤhren muͤssen.
So weit aber diese Hunde die Unsrigen an Geschwindigkeit uͤbertref⸗
fen, so fix sind sie auch im Einholen / wann sie das Wild einmal auf⸗
getrieben haben; weswegen sie sich im Laufen bestäͤndig an der Er⸗
den halten, so daß sie schier mit dem Kopf und Bauch solche beruͤh⸗
ren: an statt daß die Unsrigen ihre Ohren spitzen, lassen diese sie herab⸗
haͤngen; sonst sind sie ihnen an der Gestalt nicht ungleich, haben einen
haarichten rauhen Schweif, sind langfüͤssigt, rahnig, und spitz⸗
köpfig.
Den 11ten haben wir den vorigen Weeg gehalten, und sind
Papasli.
längst der Maritz linker Hand fort gegangen, und endlich nach
Papasli kommen, allwo die vorige Botschaft uͤbernachtet, wir
aber
- 148 -
120
Erstes Buch / Neunte Abtheilung.
aber sind weiter bis nach Hali Aga Czeschma geruckt, welches
nach unserer Sprach so viel als des Hali Aga Brunnen bedeutet,
und eine Wiese ist, welche wegen der vielen Brunnen, so der Hali
Aga daselbst graben lassen, seinen Namen uͤberkommen, allwo wir
drey viertel Stunden von der Maritz weg uns gegen die rechte
Verände⸗
rung der
Wohnung
ganzer Ge⸗
schlechter.Seite gewendet haben. Auf dem Weeg sind uns viele Tüͤrkische
Wägen begegnet, mit welchen sich bisweilen ganze Türkische Fami⸗
lien samt Sack und Pack anders wohin fuͤhren lassen, entweder einen
bequemern Ort füͤr ihr Hauß⸗Wesen aufzusuchen, oder der stark gras⸗
sirenden Pest zu entfliehen. Diese Wagen kamen mir nicht anders
vor, als wie unserer Teutschen Bauern ihre Hüͤner⸗Wägen, in wel⸗
chen sie ihr Gefluͤg zu Markte bringen; dann sie haben ein niedri⸗
ges Dach, liegen völlig auf der Achs auf, und sind / wie jene, mit
Gattern versehen / auswendig mit Farben angestrichen, inwendig
aber Küssen gelegt, auf welchen sie wie die Hüner über den
Eyrn sitzen, dieselbige schleppen ein, zwey oder mehrere Pferde fort,
nachdem sie beladen sind; an die andern Fahr⸗Zeuge aber werden
Ochsen angespannet. Bey Papasli fliesen zwey Bäche vorbey,
deren ein jeder sich in die Maritz ergieset/ und alsdann gleichen
Namen führen.
Den 12. Julj sind wir über Cayali und Kuruczeschma
nach Semischeze / und zwar noch Vormittag kommen, auf wel⸗
chen Weeg wir viele Brunnen angetroffen haben, und die Banska
daselbst vorbey fliesen sehen; ehe wir aber noch hinzu kommen, hat
Des Ba⸗
scha von
Chaskoi
Beglei⸗
tung.sich der Stadthalter oder Bascha von Chaskoi / bey dem Herrn
Groß⸗Botschafter eingefunden, Jhn aus Ehrerbietung durch
seine Provinz zu begleiten, in welcher Zeit er Jhm beständig an der
Seiten geritten. Dieser Bascha ist so viel als General-Quartier⸗
Meister, und wann der Sultan zu Feld ziehet, wird er allezeit
mit dem ersten Roß⸗Schweif voraus geschickt, um solchen daselbst
aufzustecken, wo das Kaiserl. Lager soll geschlagen werden. Er ist dem
Herrn Botschafter drey Stund weit entgegen gekommen, und
hat Jhn nicht eher verlassen, bis Er in das Zelt hinein getretten.
Den Tag darauf hielten wir abermal Rast⸗Tag; und den nechst fol⸗
genden hat er aus Befehl des Groß⸗Vizirs den Herrn Groß⸗
Botschafter wiederum sechs Stund, nemlich bis auf die Gränzen
seiner Landschaft, begleitet; und weil er vernommen, daß er ein Lieb⸗
haber
- 149 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
121
haber der Jagd wäre, hat er Jhm durch unseres Führers des Me⸗
hemet Aga
Sohn ein unvergleichlich Wind⸗Spiel verehret, welVerehret
dem Hn.
Botschaf⸗
ter einen
Hund.
⸗
ches ganz allein etliche Haasen auf das hurtigste einholen kunte.
Diese Tage über wurden unsere Ohren wiederum mit einer Tuͤrki⸗
schen Music gequälet wegen Gegenwart des Bascha, als welche der⸗
gleichen allenthalben mit sich herum zu fuͤhren pflegen; und bestun⸗
de solche aus Seiten⸗Spiel und Pfeiffen, wie auch aus einigen run⸗
den hoͤlzernen nicht gar hohen und mit Pergament uͤberzogenen Rei⸗
fen, zwischen welchen an unterschiedlichen Orten kleine runde Plat⸗
ten hinein gesteckt und in der Mitte nur etwas weniges angeheftet
waren, die, wann man sie ruͤhrte/ einen Klang wie die Cymbeln
oder Schellen von sich gaben: Hierzu kamen noch fuͤnf grosse und
zwey kleine Trommeln, davon die letztern nur bisweilen mit einem
Stück Leder, die erstern fuͤnf aber mit einem Stecken, so an einem
Ende wie ein kleiner Koch⸗Loͤffel formirt war, immerzu mit einer
Hand an den obern Theil geschlagen worden, an dem untern Theil
aber wurden sie nur je zuweilen mit einem duͤnnen Ruͤtlein geruͤhret,
damit dieser Klang von dem erstern unterschieden wäre.
Den 13. besuchte der Herr
Groß⸗Botschafter in Begleitung
einiger aus dem Adel und seiner
Hauß⸗Bedienten den Bascha, wel⸗
cher sich an
die Banska gelagert hatte; deme des Bascha Bothen
oder Chiausen in weiser Kleidung,
nebst dessen Trabanten, Pa⸗
gen,
Hauß⸗Bedienten, und Knechten entgegen kamen, Jhn einzuho⸗
len, so auch
nachmals alle in guter Ordnung vorher giengen: auf der
andern Seiten des Wassers empfienge
denselben der Mehemet
Aga unser Füͤhrer, und bey
dem Eingang des Zelts, welches mit weiß
und roth untermischten Teppichen und
gelben Polstern belegt war, der
Bascha
selbst. Allda sahe man zwischen Jhm und dem Mehemet
für
dem Herrn Botschafter einen Stul gesetzt, um welchen sie nebst un⸗
serm Adel auf
denen Sofaus herum lagen; worauf Er mit der
gröͤsten Höͤflichkeit tractirt, und
alsobald die suͤssen Fruͤchte, Caffé,
Rosen⸗Wasser, Rauchwerk angeschafft,
und in der Runde herum
gelangt wurden: und weiln Se.
Excellenz vernommen, daß der Ba⸗
scha
sich einige Tage üͤbel auf befunden, offerirte Er ihm seinen Leib⸗
Arzt, für welches Anerbiethen aber sich der Bascha aufs höflichste be⸗
dankte, und
zu verstehen gabe, daß er nunmehro desselben nicht mehr
nöthig hätte, nachdem er sich wieder
besser befände; dafür ersuchte
er
Q
- 150 -
Erstes Buch/ Neunte Abtheilung
/
122
er Jhm jedoch zum öftern gar sehr um
seinen hohen Vorspruch bey
der Pforte für ihn und einen seiner
Freunde, so ihm auch geneigt
versprochen und nicht weniger auch
redlich gehalten worden; wie er
dann dessen Nachdruck nicht lang
hernach erfahren, da er durch ein
Kaiserliches Rescript von dar ab und
zu Verwaltung einer gröͤssern
Provinz gefordert worden. Endlich
invitirte er den Herrn Bot⸗
schafter auf den andern Tag zu einer Jagd, da er Jhn an ein be⸗
quemes Ort
führen wolte, wo sie die Geschwindigkeit ihrer Hunde
auf die Prob stellen koͤnnten;
hierauf haben Se. Excell. ihm gegenseits
seinen Wagen angebotten, um Sie
beide dahin zu bringen, und nach bei⸗
derseits
gegebenen Worten haben Sie sich wiederum zurüͤck nach dem
Lager und Zelt begeben. Nachmittag
kam seiner Gewohnheit nach der
Mehemet Aga
zu dem Herrn Botschafter / und weil er
ein in
seiner Lehr sehr geuͤbter Mann war,
hatte er sich oͤfters mit Dem⸗
selben in ein
Gespraͤch von ihrer Religion eingelassen, welches aber
gar heimlich geschehen muste, weil
er sonst, wo es auskommen wäͤ⸗
re, den Kopf
darüͤber hätte verliehren koͤnnen. Man wird aber gar
leicht abnehmen / wie tief dieses
Volk in dem Aberglauben
stecke, wann man betrachtet, daß mit
buͤndigen Schluͤssen bey ihnen
nicht aufzukommen; und wann man sie
gleich noch so sehr in die
Enge treibt, so daß sie nichts mehr
auf eines seine Vorstellungen zu
antworten wissen, sind sie gleichwol
nicht dahin zu bringen, daß sie
überwunden geben, sondern beruffen
sich auf ihre Buͤcher, worinnen
diese ihre Meinung enthalten wäͤre,
und damit muß ihr ganzer Streit
geschlichtet seyn: und ob es zwar an
dem, daß auch bey uns der
Glaube der Vernunft muß vorgezogen
werden, so ist doch unsere
Uberzeugung in Glaubens⸗Sachen also
beschaffen / daß wir be⸗
finden, wie
der Glaube zwar über, aber nicht wieder die Ver⸗
Mehemets
Discurs
vom Glau⸗
ben.nunft sich erstrecke. Besagter Mehemet bediente sich indessen fol⸗
gender
Erzehlung: es sey in ihren Buͤchern geschrieben, daß vor dem
jüngsten Tag oder Ende der Welt viel
Kriege und Uneinigkeiten ent⸗
stehen
wuͤrden; in denselbigen wuͤrden die Tuͤrken anfangs die Ober⸗
Hand haben
und ganz Europa / sonderlich aber Jtalien und Rom,
als das Haupt der Welt / unter ihre
Botmässigkeit bringen: als⸗
dann solten
die Christen aus allen Orten sich versammlen, die Tüͤr⸗
ken wieder
vertreiben, und Constantinopel selbst
einnehmen; wor⸗
auf die
Türken nach Damascus fliehen, und,
nachdem sie sich
re⸗
- 151 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel
123
recolligirt haben, ihren vorigen
Wohnsitz wieder zu erobern
trachten wuͤrden: hernach werde der
Teufel kommen, und die Men⸗
schen mit
seiner Lehr und Kuͤnsten verfuͤhren, diesem aber werde sich
einer aus ihren Pfarrern, den sie
Emaum nennen, ein frommer,
heiliger und geistreicher Mann, aus
dem Geschlecht des Maho⸗
mets
entsprossen, und zu eben diesem End erwecket, widersetzen,
seine falsche Lehr widerlegen, und
eine andere und bessere heraus ge⸗
ben; er soll
auch von JESU unsern Seeligmacher einen Stecken
Des Hn.
Botschaf⸗
ters Erklä⸗
rung dar⸗
über.
bekommen, mit welchem er den Teufel
todschlagen werde. Als der
Herr Botschafter ihm dieses zustunde, dabey aber zeigte, daß es
nicht bloß nach dem Buchstaben
muͤsse verstanden werden, sondern et⸗
was anders
darunter verborgen seye, nemlich, daß die boͤse und
giftige Lehre des Menschen aus ihm
einen Teufel, oder noch wol,
wo es moͤglich, was aͤrgers mache:
durch den heiligen Mann aber
wuͤrden die Lehrer und Väter der
Kirchen verstanden / welche mit dem
verborgenen Stecken der neuen und
heiligen Lehre Christi dem bö⸗
sen Geist
umbringen, das ist, das Gift seiner schädlichen Lehre mit
der Warheit vertreiben; hat der
Mehemet diese Auslegung
zwar für wahrscheinlicher gehalten,
aber doch allezeit wiederum darge⸗
gen gesetzt,
daß es also, wie er es erzehlt häͤtte, in ihren Buͤchern
geschrieben stünde.
Zu einer andern Zeit, als er in des Herrn
Gedicht
der Türken
vom Dia⸗
mant.
Botschafters Ring einen
Diamant beobachtet, hat ihn die Curiosité
angetrieben, nach dessen Namen zu
fragen, und da er solches ver⸗
nommen,
ruͤhmte er zwar dessen Schoͤnheit / wolte aber doch dabey
behaupten, daß solcher Stein Gift
bey sich füͤhre. Weil aber der
Herr Botschafter ihn versicherte, daß er nur in so fern schäͤd⸗
lich, wann
man denselbigen zu Pulver mache, und einem Menschen
beybringe, als in welchem Fall
solcher die Gedärme und das Ein⸗
geweid
dermassen zerreisse, daß auf keine Weise mehr zu helfen stuͤn⸗
de: hat
dieser dargegen gesetzt, wie er gelesen habe, daß der von sei⸗
ner
Schöͤnheit aufgeblasene Diamant von GOtt gestrafft, und aus
dem schoͤnsten und kostbarsten
Edelstein in das schädlichste Gift seye
verwandelt dabey auch dem geringsten
Metall, dem Bley, die Kraft
ertheilt worden, daß es die Härte
des Diamants auflösen köͤnne.
Als nun hierauf der Herr Botschafter ihme zu verstehen gab
/
wie dieses auch Gleichnis weise, als
wie das vorige mit dem Stecken
müsse angenommen werden, da nemlich
GOTT der HERR oft
schlechte
Q 2
- 152 -
Erstes Buch / Neunte Abtheilung
/
124
schlechte und verworfene Geschöpfe
erwehle, um damit die Stär⸗
kern zu
Schanden zu machen, indem ja in seinem eigentlichen Wort-
Verstand
dieses nicht könne gesagt seyn / angesehen der Stein weder
Rede noch Vernunft habe: gabe der
Mehemed zwar gnugsam zu
verstehen, wie er an dieser Erklärung
nichts auszusetzen finde,
brachte aber immerzu seine alte
Einwendung dargegen für, daß es
Von Pfer⸗
den.in ihren Büchern also geschrieben
stünde. Er erzehlte auch, daß
in Arabien noch Pferde aus
demjenigen Geschlechte anzutreffen, auf
welchen Mahomet geritten, welche
unter den Tüͤrken theuer ver⸗
kaufft, und
wann sie noch in Mutter⸗Leib, drey, vier bis fuͤnf hun⸗
dert Ducaten
füͤr eines gezahlt wuͤrde; von diesen Pferden behaupte⸗
te er, daß
sie des Freytags nichts fressen; deme der Herr Bot⸗
schafter
beyfüͤgte: er glaube, daß sie es auch des Sambstags nicht
thun würden, wann man ihnen nichts
gebe. Damit aber dieses
Mährlein noch einen mehrern Zusatz
bekäme, wolte er auch behaupten /
daß diese Pferde so gar beten
könnten / und führte zu dessen Beweiß
die vielfältigen und selzamen
Bewegungen des Haupts von dieser
auf jene Seiten an, wordurch sie
ihre Andacht zu verstehen geben
wolten; ja ich glaube, wann man ihme
dieses zugestanden/ er wuͤr⸗
de ihnen gar
eine vernuͤnftige Seele und andere den Menschen zu⸗
kommende
Eigenschaften beygelegt haben. Einsmals brachte der Herr
Botschafter den Mißbrauch der
Beschnittenen auf die Bahn, und
zeigte / wie es wieder das alte
Gesetz liefe, worauf sie doch gleichwol
selbsten viel zu halten pflegten,
indem es daselbsten hiese: Seyd
fruchtbar und mehret euch; auf
dieses muste er bekennen, daß
sich solches von ihrer Kaisere und
Fürsten argwöͤhnischen Geilheit her⸗
schriebe, und
sie auch noch heutiges Tags ihrer Macht hierinnen
mißbrauchten. Dann die bösen
Potentaten, indem sie sich von al⸗
len
menschlichen Gesetzen befreyet und uͤber dieselbe zu seyn glauben,
lassen es dabey nicht bewenden,
sondern greifen so gar GOtt dem
HERRN selbst nach seiner Gewalt, und
bezeigen sich als absolu⸗
te Herrn über
der Menschen Leben, welches sich doch GOTT al⸗
lein
vorbehalten. Es wird aber von der Tüͤrken Lehre und Aber⸗
glauben schon
noch zur andern Zeit zu reden Gelegenheit geben,
weswegen wir uns jetzo nur immer
wieder auf den Weeg machen
wollen.
Wel⸗
- 153 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
125
Welchen wir auch den 14. dito ferner fortgesetzet, und nach⸗
dem die schwehr beladene Wägen in der Nacht voraus gegangen,
denselbigen Tag acht Stunde zurüͤck gelegt. Noch vor der Son⸗
nen Aufgang schickte der Herr Botschafter seinen Hof⸗Marschalk
Der Ba⸗
scha fäh⸗
ret mit dem
Hn. Groß⸗
Botschaf⸗
ter.
mit einigen aus dem zweyten Adel und den Hauß⸗Bedienten nach
dem Bascha, denselbigen zu invitiren, welcher sich auch bald darauf
mit den Seinigen eingestellt, in den Wagen gestiegen, und mit uns
fort marchirt ist. Allhier saß der Herr Botschafter abermal zur
rechten, zur linken der Bascha und gegen uͤber der Dolmetsch Herr
Theyls; unsere Trompeter giengen voran / und des Bascha Musi⸗
canten folgten, so ihre Instrumenten ohne Unterlaß hoͤren liessen;
die Chiausen machten ihr gewoͤhnliches Geschrey und wiederholten
dasselbige zum öftern, absonderlich aber wann sie bey einem Ort
vorbey kamen, damit nemlich die Bauern daselbst wissen möͤgten,
daß ein Bascha oder andere vornehme Person vorbey ziehe. Unter
solcher Kurzweil sind wir zu Usundschova noch gar fruͤhe, zu Har⸗
manli aber um den Mittag ankommen; an welchen beiden Orten
ein schöͤner Haan und Kirchen sich befinden, so aus lauter Quater⸗
Stücken aufgefüͤhret, die Flügel, Gewölber, Stiegen und Gaͤnge
aber alle mit Bley bedeckt sind. Unser Laͤger haben wir in einer nicht
gar grossen Ebene eine halbe Stunde von Harmanli aufgeschla⸗
gen, und zwar so, daß wir das Dorf Swrica, so mitten zwischen
zwey kleinen Bergen gelegen, zur rechten, die Maritz aber zur lin⸗
ken hatten. Dieser Fluß ist von Harmanli etwas entfernt, so daß
er nur von dem Berg herab kan gesehen werden; hingegen rinnet
die Oludera fast daran vorbey, über welche eine Brüͤcke geschlagen,
die mit einer Stiegen versehen, vermittelst deren man aus dem Was⸗
ser bis auf die Schwibböͤgen hinauf kommen kan. An diesem Tag
war mit der Jagd wenig zu thun, und haben wir uns wegen Ungele⸗
genheit der Oerter nicht damit bemuͤhen moͤgen.
Den 15ten sind wir über die Hepipcze gangen, an welcher
ein kleines Dörflein gleiches Namens liegt / aber weder einen
Haan, noch Brunnen oder Kirchen hat, und von dar nahmen wir
unsern Weeg nach Mustapha Bascha Kiupri, oder wie es an⸗
Schöne
Brüͤcke zu
Mustapha
Bascha
Kiupri.
dere nennen Tzgupri Cuprussi, welches Ort von der von
Mustapha Bascha dabey aufgerichteten ungemein schoͤnen Brü⸗
cke
Q 3
- 154 -
126
Erstes Buch / Neunte Abtheilung /
cke, dergleichen man in ganz Europa wenig sehen wird, seinen Na⸗
men bekommen. Es bestehet aber diese Brüͤcke aus 20. Jochen,
welche alle von den groͤsten Quater-Steinen verfertiget sind, mit wel⸗
chen auch ein langer Weeg hinaus diß⸗ und jenseits der Brüͤcke belegt
ist. Mitten auf derselben ist etwas aufgerichtet, das unsern Altä⸗
ren nicht ungleich siehet, und ein weiser Marmel⸗Stein bedecket,
worauf Türkische Buchstaben eingehauen, durch welche der Name
desjenigen, der es erbauen lassen, samt der Ursach, warum solches
geschehen, angezeiget wird. Es soll sich die Summa der darauf ge⸗
wandten Unkosten auf 400. Beutel oder 200000. Thaler erstrecken,
Merkwür⸗
digkeit da⸗
von. und erzehlen die Türken, daß der Sultan / nachdem sie völlig im
Stand war, dem Mustapha habe so viel wiederum angebotten,
als es ihm gekostet, wann er sie wieder verkauffen wolte, worauf er
sich einen Tag Bedenk⸗Zeit ausgebetten, aber noch in selbiger Nacht
Gift zu sich genommen, damit er sie dem Kaiser nicht wider seinen
Willen verkauffen duͤrfte, dabey aber gehoft, daß er sich durch die⸗
se That bey der Nachwelt einen ewigen Namen zu wegen bringen
würde.[11] Als dieses der Sultan vernommen, hat er denjenigen,
welcher zu erst üͤber bemeldte Brüͤcke gehet, mit unzehlichen Fluͤ⸗
chen belegt, ohne Zweifel darum, damit dieses Denkmal
um so viel weniger æstimirt wuͤrde, je wenigern Nutzen es auf sol⸗
che Weise schaffete, wann sich niemand daruͤber zu gehen getrauen
dürfte, und er also deren Ansehen bey der Nachwelt verringern
moͤgte. Es hat sich aber mit allen diesen des Bascha
Vater nicht ab⸗
schrecken lassen, daß er nicht solte zu erst daruͤber gegangen seyn.
Am gemeldten Tag nahm der Bascha von Chaskoi seinen
Des Ba⸗
scha von
Chaskoi
Abschied
von dem
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ter.Ruckweeg, nachdem er sich von dem Herrn Groß⸗Botschafter
beurlaubet, und ihm ein Præsent von einem schoͤnen Pferd und zwey
wol abgerichteten Sperbern gemacht hatte; dann es ist nicht zu
glauben, wie sehr sich die Tüͤrken mit diesen Raub⸗Voͤgeln ergöͤtzen,
indem sie sich derselbigen zum Lerchen⸗ und Wachtel⸗Fang bedienen,
womit sie auch den Herrn Botschafter nachgehends zum öͤftern
zu delectiren gesucht / und es damit folgender massen angefangen:
Türkischer
Vogel⸗
Fang mit
den Sper⸗
bern.Es sitzen einige zu Pferd, halten diese Voͤgel fest in der Hand, und
lassen sie nicht frey auf derselben stehen, wie bey uns im Gebrauch ist;
wann nun eine Lerche oder Wachtel aufstehet, und so nahe kommt,
daß sie vom Sperber kan gesehen werden, werfen sie solchen, so
stark
- 155 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
127
stark sie können, nach dem Raub; erhaschet er nun den Vogel nicht
gleich im ersten Anfall / ist es darum geschehen, und gehet er dieses⸗
mal frey durch: hingegen sind die mehresten so wol geuͤbt, daß ihnen
selten ein Vogel echappiren kan. Zur selbigen Zeit schickte der Herr
Botschafter den Herrn Daniel Lampert Hulin, einen woler⸗
fahrnen und beruͤhmten Leib⸗Arzt, samt einem Dolmetsch, Namens
Gottschalk, in die Stadt Adrianopel, sich der Luft und der da⸗
selbst grassirenden Krankheit besser zu erkundigen, damit, wo dieselbi⸗
ge noch stark anhielte, Er die Stadt entweder vorbeygehen, oder
doch nur in Eil durchziehen koͤnnte, damit durch einigen Aufent⸗
halt niemand von den Seinigen angesteckt und damit die ganze Ge⸗
sandtschaft in Gefahr gesetzet wuͤrde. Den 16. war wiederum ein
Rast⸗Tag, woran sich einige an statt der Ruhe, die Jagd besser
gefallen liessen.
Den 17. sind wir gleich frühe über die obbemeldte beruͤhmte
Brücken gegangen, und haben die Maritz zur rechten Seiten gelassen,
welche uns bisher bestäͤndig zur lincken Hand geblieben. Auf dem halben
Weeg jenseit des Flusses kamen wir von weiten bey dem Dorf Chir⸗
mente vorbey, so auf einen Berg gebauet, und gleichsam an dem Fel⸗
sen hanget. Worauf wir endlich zwey Stunde vor Adrianopel lie⸗
gend geblieben, von dar der vor zwey Tagen abgeschickte Leib⸗Arzt wie⸗
der zu uns gekommen, und erzehlet, daß zwar in der Stadt eine Seuche
grassire, und man Geschwulst, rothe Blattern und mehr andere Zei⸗
chen an denen Patienten finde, aber die Luft noch nicht inficirt wäre;
es erstreckten sich die Zahl der Todten täͤglich nicht hoͤher als auf 3 bis
4. und dieses nur unter den gemeinen Leuten, welche mehr von ihrer
unordentlichen Lebens⸗Art, als von einer ansteckenden Krankheit dahin
stüͤrben, es käme auch wol darzu, daß an manchem Tag gar keiner be⸗
graben wuͤrde; weswegen der Herr Groß⸗Botschafter sich ent⸗
schlossen, mit seinem ganzen Gefolg die Stadt zu beziehen, in wel⸗
chem Absehen Er noch selbigen Abend den Quartier⸗Meister Kraft
mit einem Dolmetsch hinein geschickt, die Quartier allda einzurichten.
Ehe aber solche noch weg waren, kame einer von des Mollach oder Des Mol⸗
lach zu A⸗
drianopel
Abferti⸗
gung an
die Ge⸗
sandt⸗
schaft.
Landrichters nahen Anverwandten, der ihm auch wegen seines ho⸗
hen Alters in seinem Amt adjungirt war, und brachte mit sich aus
der Stadt unterschiedliche Kuchen, Fruͤchte und Blumen füͤr
den Herrn Botschafter. Hierauf haben wir uns den 18. dito, auf
- 156 -
Erstes Buch/ Neunte Abtheilung.
128
erhaltene Nachricht wegen der eingerichteten Quartier, in schöͤnster
Einzug in
die Stadt
Adriano⸗
pel.
Ordnung nach der Stadt begeben; aus welcher uns die Spahi und
Janitscharn, unter welchen viel erst angehende sich befunden, in ihrer
gewoͤhnlichen Confusion und Kleidung, mit ihren Stecken in den
Händen, wodurch sie eher Vieh⸗Treibern als Soldaten ähnlich sa⸗
hen, entgegen giengen; die alten Janitscharen hatten ihre Ordens⸗
Hauben, die jungen Ankömmlinge aber kleine rothe Kaͤpplein, so noch
mit keiner Leinwand umwunden waren, auf den Kopf. Zwischen
diesen sind wir, nebst den Vornehmsten aus der Stadt, welche mehr
denn eine halbe Meil dem Herrn Botschafter entgegen geritten,
Der dazu⸗
mal kranke
Bostangi
Bascha
kommt dem
Herrn Bot⸗
schafter
entgegen. mitten hindurch in die Stadt eingezogen. Es hat sich auch so gar
der dazumal alte und kranke Bostangi Bascha, oder Ober⸗Aufse⸗
her über die Kaiserliche Gebäu und Gaͤrten, in seinen ohnweit der
Stadt gelegenen Garten bringen lassen, um den Herrn Groß⸗
Botschafter seine Reverenz zu bezeigen, und seine Dienste zu offe⸗
riren; deme Se. Excellentz nach Jhrer Ankunft wiederum zwey E⸗
delleute, den Herrn von Weipler und Ausem in gleicher Verrich⸗
tung zugeschickt: Er fertigte auch den Herrn Hulin und Dorschaͤus,
seine beyde Leib⸗Aerzte, an ihn ab, welche seine Kranckheit untersuchen,
und ihme hierwider dienende Mittel verordnen solten.
Es liegt aber diese Stadt Adrianopel in Thracien an der
Beschrei⸗
bung der
Stadt A⸗
drianopel.Maritz / in welche vom Aufgang her die Tunsa flieset. Von Lam⸗
pridio in Elagabalo wird sie Oresta genennt: in folgenden Zeiten
aber hat sie nach Ammiani Zeugnuͤß Uscudama geheisen / endlich
aber, nachdem sie Kaiser Adrianus erneuert, nach Jhm den Na⸗
men Adrianopel angenommen, welches die Tüͤrken Edrene aus⸗
sprechen; diese Erneuerung aber ist im 885ten Jahr nach Erbauung
der Stadt Rom von bemeldtem Kaiser vorgenommen worden. Die
Ebene daselbst ist nicht so groß, wie sie Seyfried beschreibt, son⸗
dern zum Theil mit Hügeln umgeben, und auch selbst die Stadt
auf einige derselben angebauet. Um das Jahr Christi 1363. hat
selbige der Sultan Amurath den Christen zu erst hinweggenom⸗
men, von welcher Zeit an so wol er, als alle nachfolgende Orienta⸗
lische Kaisere, sie zu ihrer Residenz erwehlet, bis um das 1455te
Jahr die Türken Constantinopel eingenommen haben. Jn ihren
Umkreiß macht sie eine runde Figur, ist mit einer Mauer umgeben,
zwischen welcher in gleicher Weite von einander stehende Thüͤrne auf⸗
gefüh⸗
- 157 -
Abbildung:
Prospect des Serallien
pag. 129
- 158 -
- 159 -
129
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
geführet sind, an denen ehedessen viele Griechische Schrifften zu le⸗
sen waren, welche aber die alles verzehrende Zeit auch wieder aus⸗
gelöschet. Die Zügel selbst wurden zu dieser Schrifft gebraucht,
indem sie auf eine solche Manier aus der Mauern herausgerucket
worden, daß sie allerhand Buchstaben dardurch vorstelleten, deren zwar
noch einige davon zu sehen, doch nicht in solcher Ordnung und Voll⸗
kommenheit, daß man einen ganzen Sensum heraus bringen koͤnnte.
Das Kaiserliche Serallien liegt ungemein plaisirlich; dann auf der Kaiserliche
Serallien.
einen Seiten gehet es auf die fruchtbarste und lustigste Felder hin⸗
aus auf der andern aber wird es durch den Caradare⸗Fluß, oder
der Arda / und nach Seyfrieds Benennung Capriza / von der
Stadt abgesondert.[12] Selbiges ist mit einer hohen Mauer umfangen,
aber das mittlere Gebäu mehrentheils von dergleichen Holz wor⸗
innen keine Wüͤrmer wachsen. Es ist uͤber dieses mit Bley bedeckt,
und gar artig mit gruͤner und rother Farb bestrichen; so geben auch die
auf den Dächern verguͤldete Knoͤpfe demselbigen eine nicht geringe
Zierde. Seyfried meinet, es falle wegen der weit herfüͤr stehenden Dä⸗
cher mehr Licht in die Zimmer und das innere Hauß, wovon ich aber
gerad das Gegentheil glaube; dann eben darum sind die Daͤcher so
weit herausgeruckt, damit sie einen Schatten verursachen, und auf
solche Weise die Strahlen der Sonnen destomehr aufhalten sollen.
Wir werden auf der Ruck⸗Reise bessere Gelegenheit haben, von diesem
Serallien zu handeln, als welches uns auf Kaiserlichen Befehl aufge⸗
schlossen und gezeigt worden. Jn diese Stadt pflegt sich der Sul⸗
tan entweder zu seiner Recreation zu begeben, oder wann er sich in
Constantinopel nich recht sicher weiß. Doch ist er auch hier nicht
Des Mu⸗
stapha
Dethroni⸗
sirung zu
Adriano⸗
pel.allezeit von der Gefahr befreyet, und hat des jezt regierenden Kaisers
Ahmed Bruder, der Mustapha, diese Stadt zimlich fatal für
sich befunden; dann weil er den Janitscharen vier Jahr und drey
Monat den Sold schuldig blieben, wurde er von ihnen angeklagt, daß
er der Jagd allzu sehr ergeben wäre, hingegen die Regierungs⸗Sorge
an den Nagel hienge, und derowegen des Reichs allhier entsetzt, an des⸗
sen statt sie seinen Bruder auf den Thron erhoben. Er ist aber gleich⸗
wol eines natuͤrlichen Todes gestorben, oder, wie einige gar wahrschein⸗
lich dafür halten, durch des Ahmeds Anhänger mit Gift aus dem
Weeg geräumt worden,[13] nachdem er drey Soͤhne, den Mamud / Dessen hin⸗
terlassene
Söhne.
Assan und Osman hinterlassen, die uͤbrigen aber sind noch bey sei⸗
nen
R
- 160 -
130
Erstes Buch, Neunte Abtheilung.
nen Lebs⸗Zeiten entweder gestorben, oder sonst auf die Seiten ge⸗
schafft worden: diese drey hinterbliebene aber werden von den Janit⸗
scharn sehr geliebt, welche ihnen auch zu Vormuͤndern verordnet sind;
Des Jün⸗
gern Gunst
bey den Ja⸗
nitscharn.weswegen man gaͤnzlich dafuͤr haͤlt, daß der Juͤngere aus ihnen noch
einmal zum Kaiserthum gelangen doͤrfte, weil er wegen seiner Freyge⸗
bigkeit von denen Tüͤrken gar sehr æstimirt wird. Dann die Tuͤrcken
Die Suc⸗
cession
haftet auf
dem Otto⸗
man. Hauß.sehen nicht auf das Alter oder die erste Geburth, sondern lassen sichs
genug seyn, wann sie in ihrer Wahl nur das Köͤnigliche Ottoman⸗
nische Hauß nicht vorbey gehen.
Morgens um 2. Uhr kame ein Tuͤrck mit einer Trummel vor
Ramazam
oder die
grosse Fa⸗
sten.die grosse Moschee, und gieng von daran durch die ganze Stadt, das
gewöhnliche Zeichen zur dreyssig⸗tägigen Fasten damit zu geben, wel⸗
che Fasten sie Ramazam, das darauf folgende Fest aber Bai⸗
ram nennen, so unsere vierzig tägige Fasten und darauf fol⸗
gende Ostern einigermaßen vorstellen kan. Diese Zeit hindurch es⸗
sen und trinken die Tuͤrken niemal bey Tag, schmauchen auch keinen
Toback vor der Sonnen Untergang: so bald sie aber die Sterne am
Himmel erblicken, stellen sie Gastereyen an, und brechen sich in kei⸗
nem Ding etwas ab; verrichten also dasjenige bey der Nacht, wel⸗
ches sie sonsten nur bey Tag zu thun gewohnt sind: wie sie dann, weil
sie des Tags über nichts essen dörfen, eben darum auch nicht arbeiten;
doch muß dieses von denenjenigen nur verstanden werden, welche von
guten Vermoͤgen sind, da hingegen diejenige, die nur so viel haben, als
sie mit ihrer Hand⸗Arbeit verdienen, mit ihren nuͤchternen Mägen
gleichwol die Hände nicht doͤrfen feyren lassen. Diesen Monat hin⸗
durch werden ihre Kirchen⸗Thuͤrne, deren allda gar viele und nach
ihrer Art sehr wol gebaute anzutreffen, mit vielen Lichtern behenkt,
so daß man zu weilen um eine einige Kirche etliche tausend Ampeln
brennen siehet: dann weiln ihre Moscheen oft mit vier und noch mehr
solchen Thürnlein versehen, und ein jedwedes derselben wiederum in so
viele Hoͤhen oder Absätze abgetheilet ist, die alle absonderlich muͤssen be⸗
leuchtet werden, kan man sich leicht die Rechnung machen, daß unzaͤhlich
viel Lampen darzu erfordert werden, damit solche allenthalben ein be⸗
ständiges und genugsames Licht haben. Bey allen diesem Licht aber tap⸗
pen sie gleichwol in der Finsternuͤß herum; und denenjenigen welchen taͤg⸗
lich ein neues Licht aufgesteckt wird, bleiben nichts destoweniger die
Herzen durch ihre falsche Lehre in beharrlicher Dunkelheit. Hier ge⸗
niessen
- 161 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
131
niessen die Weiber mehrere Freyheit, als anderer Orthen, und doͤrfen
sich öfters unter den Leuten sehen lassen. Die starke Handlung, wor⸗
Einwoh⸗
ner / Gas⸗
sen/ Haͤu⸗
ser / Kir⸗
chen Kauf⸗
manschaft /
Fruchtbar⸗
keit der
Stadt A⸗
drianopel.
zu das vorbey fliesende Schiffreiche Wasser vieles contribuiret, hat
unterschiedliche Nationen hieher gezogen: die Häuser sind viel schö⸗
ner und groͤsser als in allen denen Städten, so wir bishero noch ge⸗
sehen haben, die Gassen hingegen sehr eng und ungleich. Sonsten
trifft man allhier wenig Sehenswürdiges an, auser einigen vorneh⸗
men mit Kupfer bedeckten Moscheen/ denen die angebauten hohe und
kunstreiche Thuͤrne, die mit mancherley dicken und kuͤnstlich- ausge⸗
hauenen Säulen besezte Gaͤnge, die von Metall gegossene Saͤulen⸗
Füsse und Blatten, der kostbare Marmol, die Gleichheit des Bo⸗
dens, die zierlich geschnitzten Thuͤren, schöͤne Brunnen, prächtige Ein⸗
gänge, verguldete Knoͤpfe, und mit sonderbahrer Kunst gewirkte Tep⸗
piche ein vortrefliches Ansehen machen. Das Erdreich ist sehr frucht⸗
bar, so daß weder an Wein noch andern Fruͤchten der geringste Man⸗
Röm. Ca⸗
tholischer
Gottes⸗Dienst da⸗
selbst.gel erscheinet, wie dann hiesiges Gewaͤchs vom Wein füͤr das beste
in der ganzen Türkey gehalten wird. Unsern Gottes⸗Dienst
versehen zwey Priester aus dem Orden des H. Franciscus mit nicht
geringer Erbauung bey ihrem sehr kleinen Christen⸗Haͤuflein; sie sind
aber in der Tracht von der Tuͤrkischen so wenig, als die Armenianer,
Griechen, Araber und Juden unterschieden; als welche aus einem
langen mit Pelzwerk gefüͤtterten Rock und weiten bis auf die Schuhe
herabhangenden Hosen bestehet, dabey haben sie auch einen langen
Bart, und werden durch nichts als den Haupt⸗Schmuck von den Turban
daran wer⸗
den die
Türken er⸗
kannt.
Türken unterschieden: dann diese werden gleich an ihren Turban er⸗
kannt, weil solchen niemand / als sie allein, gebrauchen darf, an dessen
statt sich andere pelzerner Hauben bedienen, welche sie, absonderlich aber
die Juden, mit bunter oder schwarz⸗ und weiser Leinwand, doch we⸗
der so dick noch breit, und auf eine ganz andere Manier als die Tür⸗
ken, umwinden. Allhier haben wir auch einen erfahrnen Feldscheerer
Christlicher
Feldscherer
daselbst.
angetroffen, der ehedessen unter dem Graf Guido Stahrenber⸗
gischen Regiment gedienet hatte, aber zu Anfang des verwichen Kriegs
von den Türken gefangen worden, und hernach viele Jahre bey einem
Herrn als ein Sclav dienen muͤssen, bey dem er ein so leidliches Tractament
gehabt, daß er auch niemal von ihm einigen Schlag empfangen; und
weil er seinem Herrn dabey wol und treulich gedient, hat dieser ihn
noch vor seinem Absterben die Freyheit geschenkt / und seine Erben
im
R 2
- 162 -
Erstes Buch / Neunte Abtheilung /
132
im Testament dazu verbunden, daß sie diesem seinen so wol verdienten
Knecht ein gewisses Stuck Geld, anbey auch Brod und Fleisch für sei⸗
ne Haußhaltung, so lange er leben wuͤrde, umsonst reichen solten. Die⸗
ser Mann lebet noch mit samt seiner Frauen, die gleichfalls eine
Billiches Sclaven⸗Tracta⸗
ment bey
den Tür⸗
ken.Christin ist, ob er gleich bereits schon das achtzigste Jahr zuruck ge⸗
legt hat / und geniesset das von seinem Herrn ihm vermachte Legat
in erwünschter Ruhe; dann dieses muß man den Türken nachsagen,
daß sie die Diener und Sclaven, durch deren Fleiß und Bemuͤhung
sie sich einen Nutzen schaffen koͤnnen, sehr wol und oft besser, als die
Christen die ihrige, halten. Die ersten Jahre sind für solche ungluͤck⸗
liche Leute am beschwehrlichsten, absonderlich wenn sie noch jung,
weil die Tuͤrken selbige entweder mit Schmeicheln, oder, wann dieses
nichts verfangen will, mit der Schäͤrfe zu ihren Glauben zu bringen
suchen; wann aber dieser Sturm uͤberwunden, wird man finden,
daß die Gefangenschaft nirgend erträglicher als bey den Tüͤrken seye,
und wann ein Knecht in einer Kunst erfahren ist, gehet ihm nichts
anders als die Freyheit ab, ausser welche er alles andere hat, was ein
freyer Mensch sich nur wuͤnschen kan: dabey aber muß man auch die⸗
ses wissen / daß sie so hart daran kommen, einen solchen Menschen von
sich zu lassen, als guͤtig sie sich in andere Weege gegen ihm bezeigen,
und wann sie ja gezwungen werden, ihn füͤr baar Geld zu dimittiren,
wissen sie ihn theuer genug anzuschlagen. Ein Exempel ihrer Hart⸗
näckigkeit sehen wir in diesem Punct an einem gewesenen Sclaven,
mit Namen Anton Armaroli, einem gebohrnen Venetianer; die⸗
ser wurde erstlich an einen Griechen, nachgehends aber an einen Ar⸗
menier verkaufft, welcher ihm versprochen, nach Verfliessung zweyer
Jahre die Freyheit wieder zu geben; nachdem aber dieselbige vorbey
waren, hat ihn sein Herr, aus Hofnung / einen noch groͤssern Ge⸗
winn von ihm zu ziehen, gleichwol nicht loß gelassen: weil er nun also
sein wol bedachtsames Versprechen leichtsinniger Weise wider zuruck
gezogen, hat jener gleichfalls dafür gehalten, daß er nun nicht mehr
schuldig sey, länger treu zu verbleiben, weswegen er seine Zuflucht zu
uns genommen. Als er nun deswegen von seinem Herrn vor Gericht
belanget worden, hat er sich nicht nur genugsam verantwortet, son⸗
dern auch durch den hohen Vorspruch des Herrn Groß⸗Bot⸗
schafters seine Freyheit erlanget.
Den - 163 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
133
Den 19. und 20ten sind wir allhier still gelegen, in welcher Zeit
von Wien aus so wol Couriers ankommen, als auch wieder zuruck
spedirt worden; es haben auch durch des Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ters Bemuͤhung einige Gefangene unterdessen ihre Freyheit erhalten, Des Herrn
Botschaf⸗
ters Ver⸗
richtung zu
Adriano⸗
pel.
ein anderer aber, welcher unlängst zwischen Nissa und Sophia zu
uns geflohen war, und nun, da er deswegen Geld von den Türken be⸗
kommen, wiederum zu ihnen uͤberlaufen wollen, wurde von den Unsri⸗
gen aus der Flucht zuruck gezogen. Bey dieser Gelegenheit haben wir
auch die Kirchen und Kauf⸗Häuser besehen, da dann nicht mit Still⸗
schweigen zu übergehen, daß, obschon die Türken von dem Vor⸗
nehmsten bis auf den Geringsten bey den Eingang der Kirchen die
Schuhe abzulegen gewohnt sind, der Herr Groß⸗Botschafter
seine Stiefeln doch niemal aus⸗ noch andere Schuhe angezogen, wor⸗
wider gleichwol die Tuͤrken niemaln was eingewendet. Hier sind aufs
neue von dem Bostangi Bascha der Herr Hulinus und Dor⸗
schaͤus verlangt worden/ damit sie nach genau untersuchter Krank⸗
heit / welche doch in nichts anders als einem von hohem Alter herkom⸗
menden bloͤden Gesicht und boͤsen Augen bestunde, die mit sich brin⸗
gende Arzney appliciren oder deren Gebrauch anweisen moͤchten,
welche aber nicht eher hinaus kommen wolten, bevor er ihnen nach Lands⸗
Gewohnheit die benoͤthigten Pferde zugeschickt häͤtte. Diesen haben
sich alsdann der Feldscheerer Morelli / und Frankenberg der A⸗
pothecker zugesellet, und bey eben dieser Occasion erhielte ich auch
Erlaubnüß, das Serallien oder den Kaiserlichen Pallast von
aussen, wie ich ihn vor beschrieben habe, und den darzu gehöͤrigen
Garten von innen zu besehen. Es zeigte sich allhier gleich, daß ein Zierlicher
Garten an
dem Se⸗
rallien.
Kaiserlicher Gärtner oder vielmehr Ober⸗Aufseher über die Kaiserli⸗
che Gebäue und Lust⸗Häͤuser allda wohnen müsse, indem alles, wo
man nur hinsahe, gar unvergleichlich nett abgezeichnet, und in ganz
ungemeine Ordnung gebracht war. Gleich vor dem Hauß des Ba⸗
scha, so gegen dem Serallien uͤber liegt, und nur von einem Fluß davon
abgesondert ist, fielen einem neun schändlich zugerichtete irrdene Blu⸗
men Stoͤcke mit gemeinen schier halb verwildeten und mit Graß haͤu⸗
fig bewachsenen Nägelein in die Augen; die Bäume im Garten stun⸗
den in schoͤnster Confusion, dabey sich der Gaͤrtner, wie es schiene,
ein Gewissen machte, auch nur einen einigen ungleichen Zweig daran
zu beschneiden, und lieber der Natur ihren Lauf ließ; die kurzen
R 3
Weege
- 164 -
134
Erstes Buch / Zehende Abtheilung /
Weege zeigten von seiner Ungedult, welche ihm nicht verstattete, ei⸗
nerley Gang lang fort zu gehen, vielmehr aber sich auf eine oder an⸗
dere Seiten bald wieder hinum zu schlagen; deren Enge erlaubte
nicht, mit jemand in Gesellschaft zu spatzieren, sondern erforderte
lauter tiefsinnige Philosophos, welche nur immer mit sich allein zu
reden gewohnt sind, es seye dann, daß sie sich resolviren, wie die
Schnee⸗Gäͤnse hinter einander fort zu streichen; an dessen Kruͤmme
aber solte man sich leichtlich einen Jrr⸗Garten vorstellen koͤnnen, in
welchen man die Leute, ehe man sichs versiehet, aus dem Gesicht
verliehrt; doch sahe man nichts desto weniger einige breite Strassen
darinnen, welche vielleicht nur dem Kaiser und seiner Suite zur Be⸗
quemlichkeit in solcher Distanz angegeben worden. Wind⸗Kraut,
Schaaf⸗Linsen und andere rare Gewaͤchse liesen sich allhier eben so
wol, doch sehr gesparsam, antreffen, an welchen noch darzu das
Unkraut seine Tyranney auszuüben suchte, und diesen Kostbarkeiten
auf unterschiedliche Weise den Untergang drohete. Doch mag diese
nachlässige Sorgfalt vermuthlich daher kommen, weil gegenwaͤrti⸗
ger Kaiser seit dem Tod seines Bruders wenig mehr nach Adria⸗
nopel kommt, folgends dessen Abwesenheit auch die Kaiserli⸗
chen Gebäue entgelten muͤssen; dann ausser diesem muß man beken⸗
nen, daß die Tüͤrken auf ihre Gaͤrten was zu wenden pflegen. Es
Visite des
Bostangi
Bascha bey
dem Herrn
Botschaf⸗
ter.hat sich aber auch der Bostangi Bascha selbst gefallen lassen, sei⸗
ne Visite bey dem Herrn Groß⸗Botschafter abzulegen, welcher
ihn von dem Adel bey dem Eingang empfangen, in dem Zimmer
selbst aber mit Chocolate und eingemachten Fruͤchten tractiren las⸗
sen, dagegen er den Herrn Botschafter mit frischen Obst und
Weintrauben in Uberfluß versehen hat.
Zehende Abtheilung.
DEn 21ten sind wir nach einem Aufenhalt von dreyen Tagen
wiederum von Adrianopel aufgebrochen, und haben un⸗
sere Reise über die fruchtbaren Felder der Landschaft Thra⸗
cien fort gesetzet. Unterwegs trafen wir zu beiden Seiten Kirchhö⸗
fe, Gräber, Brunnen, Städte, Flecken und Dörfer an, und zur Lin⸗
ken sahen wir Burnupampukli / Karabaiera / Oul⸗Bascha
und
- 165 -
Reise von Adrianopel bis nach Ziorly.
135
und Haskoi, zur Rechten aber zwey kleine Flüsse, Bosnaquoi
und Sekenderkoi / über welche zwey steinerne Brücken geschlagen
waren; der eine davon welcher auf den Land⸗Charten nicht zu finden,
kam uns schon auf halben Weeg nach Hapsa / der andere aber bey jetzt
gedachtem Ort selbst zu Gesichte; und weil die Pest noch nicht nach⸗
gelassen, haben wir uns in das Ort nicht hinein gewagt, son⸗
dern auf dem Feld unter freyen Himmel unser Lager aufgeschlagen,
und daselbst der frischen Luft genossen. Zu Hapsa siehet man eiPrächtiger
Haan zu
Hapsa.
⸗
nen sehr prächtigen Haan / an welchem zwey Fluͤgel angehengt sind,
deren jeder aus sieben grossen Schwibboͤgen bestehet, unter welche
die Heerden und das Joch⸗Viehe köͤnnen gestellet werden. Jn der
Mitten hat es einen Brunnen, eine sehr grosse zierliche Pforte, der
Boden ist mit Quater⸗Steinen gepflastert, gerad gegen über stehet
eine Moschee mit drey Gewoͤlbern, welche so wol als der Haan selbst
mit Bley bedeckt sind. Hier zu Land drischet man nicht / wie bey Dreschen
mit Och⸗
sen.
uns, mit Flegeln, sondern mit den Ochsen auf freyen Feld, wes
wegen man auch grosse Haufen mit Getraid auf dem Felde liegen
siehet; dieses aber geschiehet folgender Gestalt: es wird eine lange
runde Walzen, welche zwischen zwey kleine Hoͤlzer eingefaßt ist, von
denen in der Runde herum gehenden Ochsen, die von den aͤussersten
anfangen, und sich nach und nach immer naͤher zu dem Mittel⸗Punct
wenden, herum getrieben, und dieses so lang und viel, bis das Stroh
völlig zerstückelt, und die Köͤrner von ihren Aehren los worden;
welche alsdann auf der Erden liegend von den Steinlein und Staub
gereiniget und ausgewehet werden.
Den 22ten als am Tag Maria Magdalena, wurden vor unsern
Aufbruch einige Messen gelesen; nach deren Vollendung giengen
wir über Manarelliquoi nacher Babaeskisi / oder Eski Baba /
oder auch nur Baba, und liesen den Bach Sugitleka samt dem
Dorf Jeneackenscheli rechter Hand, linker Hand aber Qulelli/
Tgollimar und Quantiquoi liegen. An diesem Tag kamen Zween
Sclaven
kommen zu
uns.
zween Sclaven zu uns geloffen, davon der eine ein Schwed aus
Stockholm / seiner Profession ein Strumpfstricker, der andere aus
der Mark⸗Brandenburg / ein Schuster, war. Sie hatten von
Adrianopel aus die ganze Nacht ihre Flucht fortgesetzt, bis sie uns
erlangt haben. Der Herr Groß⸗Botschafter hatte dieselbige be⸗
reits von dem Stadt⸗Richter zurück fordern lassen, weil er durch sei⸗
ne
- 166 -
136
Erstes Buch / Zehende Abtheilung /
ne Ausspäͤher von ihrem Darseyn schon Nachricht erhalten / gabe
auch dabey vor der Schwed seye von Luͤbeck gebuͤrtig, weil er son⸗
sten keine genugsame Ursach wuͤrde gehabt haben, ihn, als der kein
Teutscher wäre, abzufordern; allein so lang wir uns in der Stadt
aufhielten, hat sich der Herr dieser Sclaven auf sein Land⸗Gut reti⸗
rirt, und selbige mit sich genommen, auch allda mit den Füͤssen an
einen Stock schliessen lassen: es hat aber eine von seinen Weibern,
welche aus der Walachey gebuͤrtig war, und barmherziger als die
andern seyn mogte, ihnen Gelegenheit und Mittel an die Hand ge⸗
geben, wie sie sich los machen koͤnnten, indem sie ihnen einen Sack
zu gelangt, worein sie Feilen und andere eiserne zu ihrer Erledi⸗
gung dienende Instrumenten gesteckt, mit welchen sie ihre Banden
aufgelöset; und weil sie uͤber dieses noch zwey Thuͤren offen gelassen,
fanden sie bey ihrer Erledigung destoweniger Schwührigkeit: wie
uns dieses alles einer von den Beiden umstäͤndlich erzehlet hatte.
Es wurde auch schon vorher von einem aus unseren Priester für
sie Geld gebotten, allein ihr geitziger Herr wolte keinen nicht anders
als für 150. Ducaten uͤberlassen. Sie versicherten uns, daß sich noch
mehr dergleichen Sclaven zu Adrianopel befäͤnden, welche aber
von ihren Herrn auf gleiche Weise weg geschaffet worden.
Den 23ten brachen wir in der Nacht auf, wie wir schon ehe
bey heisen Tagen gewohnt waren, und nachdem wir uͤber zwey Was⸗
ser, die Eskibaba / oder, wie es andere nennen/ Mela und Na⸗
mastir gesetzt, sind wir zu Burgas, einem beruͤhmten Mark⸗Fle⸗
Dem Hn.
Botschaf⸗
ter stunde
ein grosses
Unglück
bevor. cken / ankommen. Heute hätte dem Herrn Groß⸗Botschafter ein
grosses Ungluͤck begegnen koͤnnen, wann es der Hoͤchste, deme dafuͤr
herzlich gedanket seye, nicht noch in Gnaden verhütet; dann
da setzte sich sein Pferd unvermuthet auf die beiden hindern Füͤsse,
und wolte seinen Reuter aus dem Sattel heben, es hat aber Se. Ex⸗
cellenz so viel Zeit gefunden, noch vor dem gaͤnzlichen Fall herab zu
springen, so daß Er zwar den rechten Fuß und Schulter ein wenig
verrenket, aber dagegen in Gefahr stunde, mit samt dem Pferd um
das Leben zu kommen. Des andern Tags blieben wir bey Burgas
stehen, und wurde gegen dem Mittag Befehl ertheilet, daß keiner
aus dem Lager gehen solte, weil etliche tausend Mann Tartarn allda
Reicher
Haan zu
Burgas.vorbey marchiren wuͤrden. Der hier sich befindende Haan ist gleich
dem zu Hapsa auf diejenige Weise eingerichtet, von welcher ich
schon
- 167 -
137
Reise von Adri[a]nopel bis nach Ziorly.
schon oben an einem Ort gemeldet, daß es dergleichen in Asien gar
viele gebe, die nemlich von ihren erstern Stiftern mit so reichen Ein⸗
kommen versehen sind, daß den Fremden Reiß, Brod und andere
Sachen umsonst gereichet werden muͤssen. Der Groß⸗Vizir Jb
Jbrahim
ein Stifter
vieler Haa⸗
ne.
⸗
rahim hat durch das ganze Reich so viel dergleichen öͤffentliche
Würths⸗Häuser oder Haan gestiftet, als Tage in einem monatli⸗
chen Jahre zu zehlen, welche er auch alle sehr reichlich begabt hat.
Dieser lebte zu Zeiten des Kaiser Solimans, welcher die
starke Ungarische Vestung Siget belagert, aber auch davor sein
Leben lassen müssen; weil nun Jbrahim des Kaisers Tod auf eine Dessen klu⸗
ge Verhä⸗
lung von
des Kai⸗
sers Tod.
verschmitzte Weise ganzer 40. Tage verborgen gehalten / und dem
Reich nicht geringen Nutzen dardurch zu gewendet, haben sie ihm
grosse Ehre und Freyheiten wider ihre Gewohnheit ertheilet, indem
sie sich sonst für die empfangene Gutthaten schlecht erkäͤnntlich bezei⸗
gen. Unter andern Vortheilen, welche sie ihm zu erkannt, ist bilDardurch
erworbene
Freyhei⸗
ten.
⸗
lig oben anzusetzen / daß er und alle seine Nachköͤmmlinge dem Na⸗
men eines Hans oder Köͤnigs füͤhren durften; diesem wurde noch
beygesetzt, daß niemand bey dessen Familie weder mit dem Schwerdt
noch durch den Strang oder auf eine andere gewaltthätige Weise
darf hingerichtet werden, welches Privilegii die Familie der Kiu⸗
perli sich auch zu erfreuen hat. Die gröste Straffe, die man
ihnen anzuthun fähig ist / bestehet darinnen, daß man sie ins Elend
verschicken kan, welches aber doch auch so weit eingeschrenkt,
daß, wider die sonst gewöͤhnlichen Gesetze und Ordnungen dieser
Barbarischen Völker, die Güter bey den Erben bleiben muͤssen, nicht Erbe der
Exulanten
ist der Tür⸗
kische Kai⸗
ser.
aber in den gemeinen Seckel oder zu des Sultans Schätze gebracht
werden darfen; dann ausser diesem pflegt der Sultan der ver⸗
bannisirten Güter einzuziehen, und sich für den Erben derselben
darzugeben / mit was Recht oder Unrecht solches auch geschiehet
darauf wird wenig regardirt. Nunmehr ist aus diesem Geschlecht
nur noch ein einiger vorhanden / so 19. Jahr alt ist, und noch keine
Kinder hat.
Den 25. als am Jacobi Tag, sind wir auf Carischtran kom⸗
men, und hatten zur linken Seiten unsers Lägers ein morastiges
Wasser, welches so klein war, daß man daruͤber springen oder doch Kaiserl.
Lust⸗Hauß
zu Carisch⸗
tran.
dardurch gehen kunte, an dessen Ende drey viereckigte gespitzte und
aus Quater⸗Steinen verfertigte Säulen stunden, so in der Mitten
S
eine
- 168 -
Erstes Buch, Zehende Abtheilung /
138
eine Höle hatten, wordurch das Wasser in des Sultans Lust⸗Hauß
geleitet wurde, welches wir auf den Nachmittag besehen, aber lang
nicht so beschaffen gefunden, daß es eine tuͤchtige Wohnung für ei⸗
nen grossen Prinzen abgeben sollen. Das Gebäͤu war an sich selbst
viereckigt, und hatte auf der Erden kleine mit hoͤlzernen Gittern ver⸗
machte Zimmer, in denen die Weibsbilder aufbehalten werden: man
sahe auch zwey Bäder allda / die an Schönheit mit den Zim⸗
mern voͤllig accordirten; und duͤrfte man in Teutschland noch wol
Ställe antreffen, so dieser Köͤniglichen Wohnung einen Wett⸗
Streit ihrer Vortreflichkeit halben anbieten koͤnnten. Der Hüter
dieses Serallien empfienge den Herrn Botschafter bey dem Ein⸗
gang mit dem gewöhnlichen Geschrey, füͤhrte ihn durch das ganze
Viele Kin⸗
der bey den
Türken
was rares. Hauß, præsentirte Jhm seine junge Zucht, mit welcher er sich gar
viel wuste, weil es bey den Türken gar was seltsames wann ei⸗
ner viel Kinder hat: darunter war auch eines von dreyen Jahren,
die eine jede Sache gar eigentlich mit ihren Namen zu nennen
wuste: sie war auch nicht haͤßlich von Angesicht, zuͤchtig, die Haa⸗
Farbe der
Haare und
Nägel.re nach Türkischer Mode mit Safran, die Nägel an den Fingern
aber mit Berg⸗Zinober oder Purpur gefärbet, welches also zu ge⸗
het: Sie haben ein Graß⸗grünes Pulver, dasselbige machen sie
naß, bestreichen auf den Abend die Nägel damit, und verbinden
sie, alsdann veräͤndert sich die Nacht uͤber diese Farb in roth, wel⸗
che den Häͤnden also anklebt, daß man sie kaum durch vieles Wa⸗
schen in 14. Tagen wieder herunter bringen kan. Füͤr die Ursach sol⸗
cher Gewohnheit geben sie dieses an, daß, weil die Mäͤnner beschnit⸗
ten wären, die Weiber doch auch was haben muͤsten, welches ihr
Geschlecht von andern unterscheidete, wie wir dessen von unsern
Führer dem Mehemet berichtet worden. Allein die Verständigern
unter ihnen wissen eine andere Ursach vorzubringen, und sagen, es ha⸗
be diese Mode der Männer Eifersucht und zwar zu dem End er⸗
dacht / damit die in Orient zur Geilheit geneigte Weiber sich nicht
selbst stilleten, und mit ihrer eigenen Person eine fleischliche Suͤnde
begiengen, welches auf solche Weise leichtlich gemerket und nach
Verdienst gestraffet werden koͤnnte; welchen Gebrauch doch auch die
Armenier, Grichen / Juden und Christen observiren: jedoch ver⸗
hindert dieses, daß andere Voͤlker in der Tuͤrkey diesen Gebrauch
beybehalten, gleichwol nicht, daß man die erst angefüͤhrte Ursach
nich
- 169 -
Reise von Adrianopel bis nach
Ziroly
.
139
nicht für sehr wahrscheinlich halten solte, da indessen andere Natio⸗
nen es nur wegen Landes⸗Gewohnheit mit machen, und in dieser an
sich selbst indifferenten Sache sich andern gleich stellen.
Da wir bey dem Serrallien Hüter waren, und unser Adel Caf⸗
fé trank, liesse sich der Herr Groß⸗Botschafter mit dem Capi⸗
gi Baschi in ein freundliches Gespraͤch ein, und fragte unter an⸗
dern, ob auch daselbst ein Haan seye, der so reiche Einkünfte / als
wie der zu Hapsa und Burgas / habe / daß man darinnen den Rei⸗
senden die Kost umsonst reichen müsse? worauf Er zur Antwort be⸗
kam, daß zwar ein Haan sich allda befinde, habe aber damit keine
solche Beschaffenheit, wie mit jenen Beiden; diesem setzte er noch
hinzu, wie einige von denselben, vornemlich aber in Asien, solche
Einkünften hätten, daß man nicht allein den Menschen, sondern
auch dem Joch⸗Vieh seine nothwendige Verpflegung reichen muͤste,
es wären aber mit der Zeit diese Stiftungen durch Nachläͤssigkeit oMiß⸗
brauch der
Stiftun⸗
gen.
der Geitz derjenigen, so die Güter in Verwaltung gehabt, ganz und
gar abkommen. Fragte dabey uns: ob es nicht auch also bey uns
zu gienge, daß viele Sachen, so einen guten Anfang gehabt, mit der
Zeit immer abnehmeten, bis endlich ihr völliger Untergang erfolge?
Was solten wir nun hierauf diesen Barbarn antworten? Ach daß
wir doch mit Grund der Warheit das Gegentheil hätten behaupten
köͤnnen, aber werden wir nicht taͤglich, GOTT sey es geklagt, eines
andern überführet? Wie viele geistliche und weltliche Stiftungen
sind nicht im Teutschland von ihren ersten Stiftern gemeinen Nu⸗
tzens wegen mit grossem Vortheil aufgerichtet und mit reichlichen
Einkommen versehen worden, von welchen man anfaͤnglich den groͤ⸗
sten Seegen verspuͤhret? Sind aber nicht eben dieselbe von nach⸗
lässigen und ungerechten Haußhaltern zum öftern also beschnitten
und eingezogen worden, daß man jetzo kaum ein kleines Merkmal
ihrer vorigen Gestalt mehr zu sehen bekommt? Es hat aber auch
gleichwol nicht mit allen diese Beschaffenheit; die einige MannaManna⸗
gettische
Stiftung
in Wien.
⸗
gettische Stiftung in Wien, in welcher schon viel brave Mäͤnner
zum nicht geringen Nutzen der Oesterreichischen und aller Teut⸗
schen Landen erzogen worden, kan uns ein Exempel von getreuen
Verwaltern sothaner Stiftungen vorstellen; angesehen solche durch
deren Fleiß und Sorgfalt so hoch angewachsen, daß sie nunmehro
noch
S 2
- 170 -
Erstes Buch / Zehende Abtheilung.
140
noch einmal so grosse Unkosten erträget, als anfangs geschehen
können. Durch diese Gelegenheit nun hatten wir erfahren, wie der
Haan zu Burgas seinen Anfang genommen.
Mehr bemeldter Jbrahim hatte unter seinen übrigen Kin⸗
dern auch einen Sohn, welcher Stadthalter oder Bascha in Bos⸗
nien gewesen, wider den aber bey dem Sultan täglich von den
Unterthanen Klagen einliefen, wie er viele Neuerungen vornähme,
mit Steuren, Gaben und ungewöͤhnlichen Kopf⸗Geld sie beschwehre⸗
te, und mit denen, so sich dessen zu geben weigerten, sehr scharf ver⸗
führe / welches der Sultan seinen Vater, der damaln Groß⸗
Vizir war, zu verstehen gab; worauf dieser den Sultan versicher⸗
te, wie er daran seyn wolte, daß dergleichen von ihm ins kuͤnftige
nicht mehr solte vorgenommen werden; hierauf schickte er zween
Kaiserliche Caͤmmerlinge, welche mit bessern Recht Henkers⸗Knechte
heisen können, zu seinem Sohn, die ihm ohne Verzug seinen
Kopf bringen musten. Als er nun deswegen von dem Sultan zu
Rede gesetzt worden, hat er darauf geantwort, daß er auf solche
Weise seinem Versprechen nachgekommen, nach welchem er sich ver⸗
bunden, daß Se. Majestät von seinem Sohn dergleichen Klagen
nicht mehr hoͤren solten; und aus dessen Verlassenschaft ist nun hier
der erste Haan zu Burgas erbauet und dabey jaͤhrlich grosse Ein⸗
künften zu Unterhaltung und Nutzen der Reisenden angewiesen wor⸗
Wo das
Wort
Haan sei⸗
nen Ur⸗
sprung her
habe. den, läßt auch sehr wahrscheinlich, daß von diesem Jbrahim die
offentliche Würthshäuser den Namen Haan bekommen haben.
Nachdem der Capigi Baschi seine Rede hiemit geendiget, erinner⸗
te sich der Herr Botschafter, daß er gestern noch von einem eini⸗
gen Vettern dieses Jbrahims gedacht hatte, und wolte demnach
wissen, wo sich dann derselbige anjetzo aufhielte, ob er vielleicht eine
Charge im Feld oder am Hof bekleidete? bekam aber zur Antwort, wie
er sich auf dem Lande auf seinen Gütern aufhalte / ein einsames Le⸗
ben führe, und zu Staats⸗Sachen gar nicht gebraucht wuͤrde, wei⸗
len die Pforten vielmehr darauf bedacht ware, daß dieses Geschlecht
ganz und gar moͤgte vertilget werden; und als der Herr Botschafter
Alcorans
Gesetze von
Verwal⸗
tung der
Aemter.ihm dargegen den Einwurf machte / wie dieses dem Alcoran entgegen
liefe, weil derselbige haben wolle, daß ein jeder, der bey guter Ge⸗
sundheit und Verstand sey, entweder in Kriegs⸗ oder Staats⸗Sa⸗
chen sich solle gebrauchen lassen: läugnete jener zwar nicht, daß
die⸗
- 171 -
Reise von Adrianopel bis nach Ziroly.
141
dieses im Mahometischen Gesetz enthalten, es wuͤrde aber von den
Vornehmen, und denen, so die Regierung verwalten, schlecht beob⸗
achtet: man gebrauche nur diejenigen zu öffentlichen Bedienungen,
welche dem Hof anständig, andere aber liesse man dessen ungeachtet
dannoch sitzen / und bekümmere sich nicht darum, ob beide Theile dar⸗
zu geschickt sind, oder nicht; es wäre dieses eben die Ursach / daß
brave und geschickte Männer vielmaln vorbey gegangen, nichts wer⸗
the Leute aber durch Recommendation ganzen Ländern zu Regen⸗
ten vorgesetzt wuͤrden, und um eben dieser Ursache willen des Reichs
gänzlicher Ruin noch endlich zu befuͤrchten stuͤnde: er wolle, so bald
er nach Stambul komme, dieses dem Groß⸗Vizir mit mehrern
vorstellen.
Ach, wie wäre es doch zu wuͤnschen, daß auch viele Christliche Miß⸗
brauch in
Vergebung
der Aem⸗
ter.
Fürsten hierüber keine Ursach zu klagen hätten; was für vortref⸗
liche Leute finden sich nicht oͤfters an Euren Hoͤfen, die Jhr Euch im
Rathen und Thaten aufs beste koͤnntet zu nutz machen, welche aber,
weil sie die Gunst Eurer Ministers nicht besitzen, ja vielmehr von
ihnen, als Leuten, welche sich gar vielfäͤltig von ihren Affecten regi⸗
ren lassen, angefeindet werden, nicht in die Hoͤhe noch zu Eurer
Bekanntschaft gelangen können, sondern wol die Zeit ihres Lebens
in dem Winkel der Vergessenheit still sitzen, und als ein verachtetes
Lichtlein sich selbst verzehren muͤssen, da sie doch / wann man sie her⸗
für gezogen, und so zu reden öfentlich auf den Leuchter gestellet hät⸗
te, nicht nur in Eurem Füͤrstlichen Hauß leuchten, sondern wol gar
das ganze Land mit ihrem Glanz erfüllen koͤnnen. Wiewol die
Staats⸗Bedienten nicht jederzeit in diesem Stuck die Schuld allein,
ja vielleicht wol die wenigste daran haben. Es gibt noch viel beherz⸗
te und gewissenhafte Leute darunter, so sich den Nutzen eines Lan⸗
des oder Reichs lieber, als ihr Privat-Interesse seyn lassen; weswe⸗
gen kluge Regenten sich in Wehlung ihrer Ministers nicht selbst in
Licht stehen, sondern sich bemuͤhen sollen, diejenige auszusuchen, wel⸗
che dem gemeinen Wesen gute Dienste zu leisten vermoͤgen: auf sol⸗
che Weise werden die bereits angenommene in ihrer Pflicht desto si⸗
cherer erhalten, wann sie durch so kluge Wahl den hohen Verstand
ihres Principals erkennen; andere geschickte Leute aber aus allen
Ländern und Nationen herbey gezogen, weil sie einen solchen Hof
für
S 3
- 172 -
142
Erstes Buch / Zehende Abtheilung /
für denjenigen heut zu Tag gar seltsamen Ort ansehen / wo die Tugend
und Verdienste belohnet werden.
Jedoch damit wir mit unsern moralisiren grossen Herren nicht
beschwehrlich seyn/ wollen wir davon abbrechen, und wiederum in den
Nach dem
Alcoran
soll man
auch den
Feinden
Glauben
halten.Alcoran hinein gucken, in welchen sich der Herr Botschafter mit
dem Mehemet / als einem in seinen Gesätzen gar wol erfahrnen
Mann, zimlich vertieft hatte, wie Er dann unter andern daran lobte,
daß derselbige haben wolle, man solle auch die Feinde, mit welchen man
in Frieden lebe, gegen andere, die sie anfallen, vertheidigen, und daß sie
so bald von GOtt wuͤrden verlassen werden, so bald sie ihren Freun⸗
den oder Feinden nicht Glauben halten und von dem mit ihnen ge⸗
machten Vertrag abweichen würden. Hier fande sich nun der Türk
betroffen, indem er gänzlich dafür hielte, es ziele dieses auf den von den
Musulmaͤnnern ohnlängst gebrochenen Stillstand, und wolle Er
ihnen hiemit ihre Treulosigkeit vorruͤcken, weshalben er sich auf das
äusserste bemühete, diesen Schandflecken von seiner Nation abzuleh⸗
nen, und vielmehr darzuthun, daß das Kriegs⸗Feuer nicht von ihnen,
sondern uns wäre angezündet worden, ja daß sie hierbey nicht mehr
gethan, als was ihnen das natuͤrliche Recht erlaubet/ indem sie nur
Gewalt mit Gewalt abgehalten hätten. Diese eifrige Vertheidigung
seines Volks hörte der Herr Botschafter mit guter Gelassenheit
an, und gab ihm hierauf mit lachendem Mund zu verstehen, daß Er
mit leichter Mühe wuͤrde darthun koͤnnen, wer Urheber von dem ver⸗
wichenen Krieg gewesen; Er hielt aber für rathsamer, die fast geheil⸗
te Wunde unberuͤhrt und verdeckt zu lassen, als sich der alten Feind⸗
seeligkeit ohne einigen Vortheil zu erinnern: wiewol es mir auch vor⸗
gekommen, als ob Se. Excellentz, als ein weit aussehender Herr,
dieses nur zu dem Ende vorgebracht, damit, wo sich etwan ein neuer
Feind wieder uns herfür thun solte, sie dardurch moͤgten angefrischt
werden, gesamter Hand die Waffen zu ergreiffen und sich demselbi⸗
Andere Po⸗
litische Ge⸗
spräche des
Herrn Bot⸗
schaftersgen einmüthig zu widersetzen. Es hat auch der Herr Botschafter
seine politische Klugheit auf eine andere Weise bey eben dieser Ge⸗
legenheit an den Tag gelegt, wann Er unter dem Schein einer son⸗
schafters derbahren Vertraulichkeit gegen diesem Mann ihn versicherte, daß
er ihme anjetzo etwas zu offenbahren gedaͤchte, welches Er vielleicht
mit besserem Nutzen verschweigen wuͤrde; er habe nemlich angemer⸗
ket, daß diesem anjetzo in schöͤnstem Flor stehendem Reiche nun nichts
weiter
- 173 -
Reise von Adrianopel bis nach
Ziorly
.
143
weiter abgehe / als eine ordentlich⸗eingerichtete Handelschaft, vermoͤg
welcher allen und jeden frey stehen moͤgte, die Handlung in fremde
Länder zu treiben, und sie auf so sichern Fuß zu stellen, daß die Kauf⸗
manschaft keine Gefahr dabey zu befuͤrchten, denen Unterthanen aber
desto gröͤsserer Nutzen davon zu hoffen stuͤnde; welches Er jedoch nur
einig und allein in diesem Absehen vorgebracht, damit der Orientali⸗
schen Compagnie die freye Aus⸗ und Einfuhr in diese Länder moͤgte
leicht gemacht werden.
Man bliebe aber bey dieser Unterredung nicht in den SchranTheologi⸗
sche Ge⸗
spraͤch.
⸗
ken der Welt⸗Weißheit, oder der philosophischen Sitten Lehre, es
vertieften sich diese vornehme Disputanten so gar in Goͤttlichen
Betrachtungen. Es wurde weiß nicht von wem die Materie von dem
Schmerzen des Zipperleins auf die Bahn gebracht, und dabey erin⸗
nert, daß derjenige, der damit behaftet, grosse Gedult darzu vonnoͤ⸗
then hätte; welche Gelegenheit der Mehemed Aga in acht nahme,
und diese Tugend ungemein erhebte, indem er sie einen Schluͤssel zum Lob der Ge⸗
dult / und
anderer
Tugenden.
Himmel nennte, welche wir sonderlich noͤthig hatten, wann wir uns den
Eingang zu der ewigen Freude eröfnen wolten. Deme der Herr
Botschafter beyfügte, daß nicht allein die Gedult, sondern auch
alle andere Tugenden solche Schluͤssel waͤren, gleich wie im Gegen⸗
theil die entgegen gesetzten Laster für so viel Schlösser passirten,
die uns denselbigen verschlossen hielten, welche aber durch eine
reumüthige und aus einem zerknirschten und gläubigen Herzen ent⸗
springende Abbitte unserer begangenen Suͤnde und Laster wiederum
koͤnten aufgeschlossen oder zerbrochen und uns damit ein freyer Zutritt
zu GOtt unsern himmlischen Vatter verstattet werden; daß aber sol⸗
che Abbitte von uns täglich zu widerholen, daran wuͤrde kein Ver⸗
ständiger zweifeln: wann aber, so oft wir uns selbsten durch vielfaͤl⸗
tige Ubertrettung der Göͤttlichen Gebote diese Thuͤr verschliessen, der
barmherzige GOtt durch unsere Reue nicht bewegt wuͤrde, dieselbige
wiederum zu eröͤfnen / müsten unfehlbar alle Menschen an ihrer See⸗
ligkeit verzweifeln. Hierbey nahme der Herr Botschafter Anlaß,
diese Frage aufzuwerfen: Warum solche Gnade nur den Menschen
und nicht auch den gefallenen Engeln gegeben seye; und da jene nach
so vielfältig und oft wiederholten Suͤnden wieder aufstehen koͤnnten:
diese ehmaln reineste und himmlische Geister dargegen ihre kaum began⸗
gene Suͤnde mit der ewigen Straffe büssen muͤßten? Worauf der
Türk
- 174 -
144
Erstes Buch / Zehende Abtheilung /
Warum
die Men⸗
schen und
nicht die
Engel nach
dem Fall
wieder zu
Gnaden
aufgenom⸗
men wor⸗
den. Türk zur Antwort gab / daß die sonderbahre Liebe GOttes gegen den
Menschen, als einer der edelsten Creaturen, dessen eine Ursache seye.
Diesem aber setzte der Herr Botschafter entgegen, wie aber ja kein
Zweifel, daß die Engel weit vortreflicher als die Menschen
wären, und folglich um eben dieser Ursach willen der grosse GOtt
zu jenen eine grössere Liebe, als zu diesen tragen muͤste / als die mit
jener Englischen Vortreflichkeit in keinen Vergleich koͤnnten gezogen
werden: Hier wolte es nun bey dem Tuͤrken nicht recht mehr fort,
und war durch solchen Einwurf ganz zweifelhaftig worden, doch be⸗
sane er sich indessen auf keine unebene Antwort / wann er sagte: es
wäre den Engeln ein grösser Licht, als denen Menschen gegeben wor⸗
den / vermittelst dessen sie das Gute von dem Bösen besser unterschei⸗
den, die Schwehre der Sünde, und den darüber entbrannten Zorn
GOttes genauer erwegen und deutlicher einsehen köͤnnen, weswegen sie
dann auch schärfere Straffe verdienet; deme er noch beysetzte, daß er
nicht so gelehrt, und erfahren, auf alle solche Theologische Spitz⸗
findigkeiten so gleich zu antworten; er bäte inständigst, es ihme zu
gut zu halten, wann er etwas nicht gruͤndlich beantwortet hatte; zu
Constantinopel wolle er dem Herrn Botschafter wem stellen /
der Jhme in allen dergleichen Materien Satisfaction leisten solte.
Hierauf rühmten Se. Excellentz des Mehemets guten Verstand
und Geschicklichkeit, setzten aber hinzu, daß der Glaube eine Ga⸗
be GOttes wäre, und zur Erlangung der ewigen Seeligkeit höchst
nothwendig; wir indessen wären hievon folgendes überzeigt, daß
GOTT, als Er eine andere und zwar die Menschliche Natur an⸗
nehmen und also GOtt und Mensch zugleich seyn wollen, welches
ein unverwerfliches Zeichen einer ganz auserordentlichen Liebe gewe⸗
sen, doch darinnen eine noch weit groͤssere und unbegreiflichere erwiesen,
daß Er dem Menschen nach dem Fall Mittel an die Hand gegeben,
durch welche er wiederum aufstehen und sich mit Jhm versöhnen koͤnn⸗
te; sintemalen Er den vornehmsten Zweck seiner angenommenen
Menschheit nicht wuͤrde erhalten haben, wann niemand sich gefun⸗
den, den er hätte retten koͤnnen; daß aber denen Engeln kein Mittel
zu ihrer Erlösung übrig geblieben, erhelle daraus, weil sie gleich nach
ihrem Fall auser Stand gesetzt worden, etwas wiederum zu verdie⸗
nen/ oder, weil ihre Werke wegen der einmal verlohrnen und nicht
wieder
- 175 -
145
Reise von Ziorly bis vor Constantinopel.
wieder erhaltenen Gnade, in den Augen GOttes nicht angenehm
seyn kunten, sondern füͤr unguͤltig und todt angesehen wurden.
Eilfte Abtheilung.
NAch diesem geendigten Gespraͤch und genommener NachtErste An⸗
sicht des
Meers.
⸗
Ruhe sind wir den 26. dito weiter fort nach Ziorli gangen,
und haben denselbigen Tag das erstemal zur rechten Seiten
das Meer zwischen dem Hellespont liegen sehen, von welchem wir
noch 4. Stunde entfernet waren: man kunte viele Schiffe auf dem⸗
selbigen beobachten, die mit ihren Seegeln herum fuhren. All⸗
hier halte ich für unnoͤthig, von den Haan oder Moscheen et⸗
was mehr zugedencken, weil sie durch die ganze Tuͤrkey anzutreffen
und bey nahe in allem einander gleich kommen. Den 27ten haben
wir unsern March bis auf Kunickli unter beständigen Jagen fort⸗
gesetzt, und trafen allda eine solche Menge Haasen an, daß man hätte Menge der
Haasen.
glauben sollen / sie wären aus der Luft herunter gefallen; einer von
unsern Janitscharen kunte sie alle auf der Erden liegen sehen, welche er
uns auch gar fleisig zeigte: ein anderer war so fix und accurat im Wer⸗
fen, daß er mehr als einen mit seinem Stecken getoͤdtet. Dieses Dorf
ist nicht sehr groß, und hanget an einem Huͤgel, an welchem der Gli⸗
cyner⸗Fluß vorbey streicht, den einige in den Land⸗Charten
besser gegen Ziorly zu setzen; solcher ist, wie die mehresten andern,
mit einer steinernen Brüͤcke versehen. Mitten auf dem Weeg wur⸗
de uns ein Dorf mit Namen Segbanloi gezeigt, das so viel als einen
Segban⸗
loi/oder
Hunds⸗
Hüter.
Hunds⸗Hüter bedeutet; dann so lang wir Christen Constantinopel
noch innen hatten, nachdem die Türken Adrianopel schon einge⸗
nommen, gebrauchten diese bemeldten Ort an statt eines Wacht⸗
Hauses, um auf diejenige Christen, welche auf dem Land wohnten,
Achtung zu geben, damit sie nicht zu den Jhrigen in die Stadt uͤber⸗
gehen moͤgten, und hiervon wird auch wol der Ort seinen Namen be⸗
kommen haben; sintemalen die Christen vor Zeiten von denen Tüͤrken,
da diese noch die Oberhand hatten, nur füͤr Hunde gehalten und auch
also genennet worden, und folglich dieser Ort den Namen bekom⸗
men, daß man ihn einen Hüter der Hunde hiese, weil man von dar⸗
aus auf die Christen Achtung gegeben. Nachdem aber die Tüͤrken
etlich
T
- 176 -
Erstes Buch / Eilfte Abtheilung /
146
Die Tür⸗
ken werden
höflicher. etlichmal geklopft worden, haben sie nun beynahe mehr Leutseeligkeit
an sich genommen, als sie vorhero Grausamkeit spuͤhren lassen, wie
dann auch ihre politische Regierung noch taͤglich zunimmt.
Den 28ten dito liesen wir zwey Doͤrfer, als Herackle zur rech⸗
ten und Tezantiquoi zur linken, liegen, und marchirten eine gute
Zeit neben dem Ufer des Meers fort. Einige unter uns hatten das
Meer noch niemal gesehen; andere bezeigten eine Verwunderung
über die vielfäͤltigen und unterschiedliche Arten der Muscheln, und heb⸗
ten derselben einige auf; wieder andere suchten Schwammen, so zum
theil noch halb leicht und weich, theils aber durch das Salz⸗Wasser
die Natur der Binsen⸗Steine an sich genommen. Einige von un⸗
sern Leuten, welche ihr beherztes Gemüth zeigen wolten, sind zu Schif⸗
fe gegangen, haben die Segel aufgezogen, und sich eine Strecke ins
Meer gewagt. Jndem kamen wir noch selbigen Tag auf Selym⸗
bria, einen Hafen, so an dem Meer zwischen dem Hellespont
Lange Mauern
vor Con⸗
stantino⸗
pel.sehr nahmhaft und bekannt ist. Man gibt vor, daß die lange Mau⸗
ren von dem Schwarzen Meer bis hieher sich erstrecket habe, womit
ehedessen die nahe um Constantinopel gelegene Güter und Lust⸗
Häuser eingefangen waren, und soll dieselbige vierzig tausend Schritt,
oder nach anderer Scribenten Meinung 280. Wetläͤufe, welche fuͤnf
und dreissig tausend Schritt ausmachen / von der Stadt entfernet
gewesen seyn; ihre Breite bey 20. Römer⸗Schuhe ausgemacht,
ihre Länge aber sich auf 420. Wettläͤufe oder ein und füͤnfzig tau⸗
send und füͤnf hundert Schritte erstrecket haben; und damit solche
von der Besatzung desto bequemer moͤgte defendirt werden, waren
die Durchgaͤnge der Thuͤrne noch mit andern Thuͤrnen verwahret,
auf welche man von unten auf nur durch einen einigen Weeg steigen
kunte, so daß eines jedweden Thurns Besatzung die Feinde, wann sie
auch schon bis zwischen die Mauern avancirt wären, noch lange
hätte aufhalten koͤnnen. Diese Mauern war von dem Anfangs recht⸗
gläubigen nachgehends aber zu der Eutychianischen Ketzerey üͤberge⸗
trettenen Kaiser Anastasius, der nachgehends von dem Donner
erschlagen worden / zu erst wider der Scythen und Bulgarn Ein⸗
fall erbauet worden, wie der Kirchen⸗Scribent Evagrius erzehlt.
Es ist aber dieselbige von den Barbarn, die von dem Schwartzen und
Meoti⸗
- 177 -
Reise von Ziorly bis vor Constantinopel.
147
Meotischen Meer, von der Jnsul Colchis und dem Berg Caucasus
her in Europa eingefallen, öfters eingenommen, und uͤber einen
Haufen geworfen worden, welche aber Justinianus / der andere
Kaiser nach dem Anastasius / wiederum repariren und die bemeld⸗
ten Thürne darzu bauen lassen, damit die von dem schwarzen
Meer nach dem Hellespont Reisende einen sichern Weeg hätten,
wofür auch schon vorher Anastasius gesorget, da er eine Meer⸗
Enge allda zu weegen gebracht, und Constantinopel / welche da⸗
mals nur eine Halb⸗Jnsul war / zur einer völligen kleinen Jnsul ge⸗
macht. Ehe man gar hinzu kommt, trifft man einen mittelmaͤssigen
Bach süsses Wassers an, und bey demselbigen einen grossen Mo⸗
rast, worüber eine ungemeine lange Brüͤcke, von mehr als dreisig
Jochen ist, welche aber dazumal ganz trucken stunde; und dieses
mag zu dem Ende geschehen seyn, damit wann die heftigen Meer⸗
Wellen den Strom zuruͤck treiben, und mit Meer⸗Wasser anfüͤllen,
die Reisenden doch nichts destoweniger fort kommen koͤnnten / weil
das ergossene Wasser hier einen Ort hat, wo es zusammen lauffen
kan. Das Schloß zu Selymbria liegt auf einer Anhöhe, welches
Selym⸗
bria.
so wol gegen das Meer als das trockene Land siehet, und zeigen die
daselbst noch vorhandene alte eingefallene Mauren und Thürne, daß
dasselbige ehedessen muͤsse befestiget gewesen seyn. Man gehet zu sol⸗
chem durch drey Pforten hinein, woran sich mancherley in Oni⸗
kel gehauene Grichische Schrifft vor dem muß præsentirt haben,
welches an einigen aber noch sehr wenigen käͤnntlichen Buchstaben ab⸗
zunehmen, als die man mit genauer Noth für Grichische halten
kan; die mehresten hat die Gewalt des Winds und das Alterthum
zu nichte gemacht. Jn der Vorstadt ist ein Kaiserliches Proviant⸗
Hauß / in welches das Getraid von dasiger Landschaft gebracht wird.
Jn der obern Stadt oder Schloß haben die Grichische Möͤnche ei⸗
ne zwar kleine aber schöne und zierliche Capelle, um welche keine
Fenster sind, das Licht aber durch das Dach hineinfäͤllt: zur Sei⸗
ten derselbigen haͤngen grosse dicke Wachs⸗Kerzen, so die Lieb⸗
haber der seeligsten Jungfrau ihr zu Ehren aufgeopfert haben / deren Wunder⸗
thätige
Bildnis
der Jung⸗
frau Ma⸗
ria.
wunderthätige Bildnis allhier aufbehalten wird. Die Gestalt die⸗
ser Bildnis ist flach, aus einer silbernen Blatte geschlagen, und in einen
Kasten eingeschlossen, allwo sie durch ein Glaß kan gesehen werden.
Jn dieser Kirche sollen sich auch noch Gebeine von einer andern Hei⸗
ligen
T 2 - 178 -
Erstes Buch / Eilfte Abtheilung /
148
Gebeine
der Heil.
Zena. ligen befinden welche nach Bericht des Vorsteher dieses Orts,
der ein ansehnlicher alter Mann war, Zena
[14] soll geheissen haben. Es
wolte diese Gebeine der Kaiser Constantin von Rom nach seiner
Stadt führen, nachdem aber das Schiff an das Selymbrische Ufer
gekommen, kunte es weder durch den Wind, noch durch Schiff⸗
Stangen abgetrieben werden, so lang es diesen Heil. Cörper aufhat⸗
te, weswegen man sie in solche Kirche gebracht, um an demjenigen
Ort zu ruhen, den die Heilige ihr selbst darzu bestimmt hatte; wor⸗
auf das Schiff seinen Lauf wieder ungehindert fort setzen können.
Von dieser Kirche wolte der Vorsteher behaupten, daß sie eine von
denen sieben seye, deren in der Offenbahrung Johannis gedacht
wird; allein daß der gute Alte seine schlechte Wissenschaft in der Kir⸗
chen Historie damit verrathen, erhellet daraus, weil daselbst aus⸗
drüͤcklich gemeldet ist, daß dieselbige Kirchen in Asien gelegen, da doch
Selymbria noch zu Europa gehöͤret: zudem werden bemeldte Kir⸗
chen ordentlich mit Namen genennt, und kan also auch um dieser Ur⸗
sach willen für keine aus derselbigen gehalten werden; aber so weit
war dazumal dieser liebe Mann in den Grichischen Geschichten noch
nicht gekommen.
Den 29. Julj
blieben wir zu Selymbria / in welcher Zeit
Nachricht
von Scla⸗
ven.
der Herr Botschafter durch seine Ausspäher Sclaven aufsuchen
lassen, davon er so viel Nachricht bekommen, daß zwey von einem
Juden nach Constantinopel geführt worden, eine in dem vorigen
Krieg bey Belgrad gefangene Sclavin aber in dem Kaiserl. Pro⸗
viant-Hauß aufbehalten und zu einer Wäscherin gebraucht würde,
welcher aber, weil sie eine Dienst⸗Magd des Sultans ist, und von
niemand als Jhm selbst kan los gegeben werden, der Herr Bot⸗
schafter nicht eher als zu Constantinopel dem Passarowitzischen
Friedens⸗Vertrag gemäß abfordern kunte. Daselbst ist auch ein
Venetianischer Hauptmann mit seiner Gemahlin zu uns gekommen,
der zwar vorher schon die Freyheit erhalten, aber wegen gemachter
Schulden sich nicht von dannen machen durfte, ist aber gleichwol
auf Sr. Excellenz Vorspruch entlassen worden, und bis für die
Mauren der Stadt mit uns gezogen. Hierauf kamen wir bis
Tschemetschen / oder bis an die grosse Brücke, nachdem wir um
11 Uhr Vormittag bey einem andern kleinen Städtlein, so mir nie⸗
mand zu nennen wuste, vorbey gegangen waren. Auf dem Weeg hat⸗
ten
- 179 -
149
Reise von Ziorly bis vor Constantinopel.
ten wir das Meer beständig zur rechten, und sahen wir viel kleine
Nachen und Last⸗Schiffe, so die Waaren, als Melonen, Kuku⸗
mern rc. der Tüͤrken gröͤste Delicatessen, von den Insuln des Helle⸗
sponts anders wohin führten. Besagte grosse Brüͤcke bestehet aus
vier kleinern, da immer eine ein kleines Stuͤck Erde von der andern
unterscheidet, davon die erste 9. die zweyte 5. die dritte und vierte
aber 7. Schwibbögen von ungleicher Grösse und Breite hat. Un⸗
ser mit Ried und Binsen allenthalben bewachsenes Lager stunde also,
daß wir zur Rechten vor uns das Meer, zur Linken die Brüͤcke und
den Morast, hinter uns das feste Land hatten, worauf ein Dorf,
und jenseit der Brücke noch ein anderes Dorf gelegen war. Diesen
Tag kam endlich der Herr von Dierling / Secretair bey der BotZuruck⸗
kunft des
Hn. von
Dierling /
und Zei⸗
tung we⸗
gen der
Pest.
⸗
schaft, mit dem Dolmetsch, welche voraus geschickt gewesen,
Kundschaft wegen der Krankheit einzuholen, wieder zu uns, und
zwar mit der Nachricht, daß allda die Pest sehr überhand nehme, so⸗
daß der Sultan sich bemuͤssiget gesehen, seine Wohnung zu ändern,
und mit seinem Hof nach dem schwarzen Canal zu gehen, weswegen
wir uns eine zeitlang auf dem Feld aufhalten müsten, um daselbst,
bis sich das Ubel gelegt, der freyen Luft zu geniessen; doch wuͤrde
das Lager nicht weit von der Stadt entfernet seyn, so wol die benö⸗
thigten Lebens⸗Mittel desto bequemer daraus anzuschaffen, als auch
die Geschäͤften mit weniger Hinternisse zu tractiren: wir vernahmen
auch zugleich, daß daselbst ein Tefterdar / oder Vorsteher von der Tefterdar
wer sie
sind.
Cammer, deren bey den Tüͤrken drey sind, seines Amts entsetzt wor⸗
den / weil er der Militz ihren Sold nicht auszahlen lassen, als um
welcher Ursach willen der Aufruhr zu Nissa seinen Anfang genom⸗
men.
So bald wir den 31 über die grosse Brücke gegangen, und die Hö⸗
he des Bergs erreicht hatten, sahen wir auf einmal die Stadt Con⸗
stantinopel vor unsern Augen liegen, nach welcher wir auf unsern
so kleinen Tag⸗Reisen längstens verlangt, ja recht sehnlich geseufzet
haben, weswegen wir auch Kutschuk Tschemetschen / oder der
kleinen Brücke desto geschwinder zu eilten; und wird diese letztere da⸗
rum so genennt, weil sie das feste Land, welches durch das Meer
abgerissen, wiederum an einander haͤnget. Von dar kamen wir nach
Haznadar Tschiflick / einem nicht gar eine Meile von Con⸗
stantinopel entlegenen Lust⸗Hauß, woselbst wir Taut Bascha,
wo
T 3
- 180 -
Erstes Buch / Eilfte Abtheilung.
150
wo sich die Türkische Armee zu versammlen pflegt, zur Linken, zur
Rechten aber das Meer zwischen dem Hellespont, und vor uns
den Canal des schwartzen Meers hatten, von welchen wir nun weiter
nicht dann anderthalb Stund entfernet waren. Wann wir nur
den Berg hinan giengen, kunten wir Bisantz oder Stambul völ⸗
lig vor uns liegen sehen, davon wir aber um der Pest willen,
woran täglich noch viel Leute dahin sturben, entfernet bleiben mu⸗
sten, um dessen Wegnehmung wir den Himmel beständig angeflehet,
damit wir nicht an Erreichung unsers Zweck, die Alterthümer da⸗
rinnen zu besehen, gehindert wuͤrden, wann dieses Ubel so lang als
die Gesandtschaft hätte dauern sollen.
Abgeord⸗
nete von
der Repu⸗
blic Ragu⸗
sa.Als wir noch dahin unterwegs waren, kamen die Abgeordnete
von der Republic Ragusa, welche ehedessen dem Köͤnigreich Un⸗
garn einverleibt gewesen, nun aber unter Tüͤrkischer Bothmäßigkeit
stehet, zu dem Herrn Botschafter / ihr Bewillkommungs⸗Com⸗
pliment bey Jhm abzulegen. Jhr Anbringen bestunde darinnen,
daß sie Befehl hätten, dem Herrn Groß⸗Botschafter / dessen
Ruhm sich schon längst allenthalben ausgebreitet hätte, im Namen
der Republic ihre schuldigste Ehrerbietung zu bezeugen: es erfreue
sich dieselbige sehr, daß Se. Excellenz in allem hohen Wolseyn in
diesen Orientalischen Ländern angelangt wäre, Sie aber, als Dero
Gesandte / hätten sich sonderlich auch zu dem Ende allhier eingefun⸗
den, ihre Freude daruͤber, und die Ergebenheit, mit welchem sie in
ihren Herzen dem Erz⸗Herzoglichen Hauß noch beständig zuge⸗
than verblieben, an den Tag zu legen; sie haͤtten sich zwar vorgenommen,
Sr. Excellenz gar bis an die kleine Brücke entgegen zu kommen,
wären aber durch unsern starken March, dessen sie sich nicht verse⸗
hen hätten, daran gehindert worden. Dieses beantwortete der
Herr Botschafter mit wenig Worten, nennte sie dabey nur Ab⸗
geordnete der Republic/ ob sie sich gleich vorher selbsten den Na⸗
men der Gesandten beygelegt, und dankte ihnen, füͤr die Jhm hie⸗
rinnen erwiesene Ehre; deme Er noch beyfuͤgte, wie es billig und
lobwürdig seye, daß sie in der Liebe und Treue gegen das Erz⸗
Herzogliche Hauß / unter dessen Bothmässigkeit sie ehmaln ge⸗
standen, und von dem sie ihren Ursprung hatten, noch beständig
verharreten. Nachgehends begab sich der Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter mit etlichen wenigen aus dem ersten Adel, und einigen Hauß⸗
Bedien⸗
- 181 -
Reise von Ziorly bis vor Constantinopel.
151
Bedienten nach dem Lust⸗Gebäu, da indessen wir uͤbrigen uns un⸗
ter den Zelten einquartirten.
Dieses Lust⸗Hauß ist von einem Vorsteher der Kammer oder Lust⸗Hauß
vor Con⸗
stantino⸗
pel.
Zahl⸗Meister, welchen die Türken auf ihre Sprach Haznadar
nennen, erbauet worden, das aber nach geschlossenen Frieden zu
Passarowitz der Sultan dem Jbrahim Bascha / der gegen⸗
wärtig die von der Pforten abgeschickte Groß⸗Botschaft zu Wien
versiehet, und erster Bevollmächtigter bey gedachtem Friedens⸗Schluß
gewesen, geschenket, jedoch den Namen von seinem ersten Erbauer
noch beständig behalten. Vor dem obern Theil des Hauses stehet
ein Brunnen⸗Kasten, welcher das aus einem Marmel oder Alaba⸗
ster verfertigten Brunnen haͤufig hervor stossende Wasser auffängt;
gedachter Brunnen aber hat seinen Ursprung in des Türkischen Hn.
Groß⸗Botschafters Zimmer, von dar dessen Wasser durch Röhren
in das untere Hauß und den Kraut⸗Garten geleitet wird. Ein an⸗
derer Blumen⸗ und Lust⸗Garten stehet uͤber des Botschafters Woh⸗
nung, so zwar nicht sehr groß, aber mit auf Pyramiden Art ge⸗
schohrnen Lorbeer⸗ und Cypressen⸗ wie auch andern Frucht⸗Bäumen
aufs zierlichste besetzt und eingetheilet ist; dergleichen Gäͤrten nebst
ihren Gebäͤuen man an dem Gestad des Meers und anderwäͤrts in
grosser Menge antrifft.
Nachdem nun der Herr Groß⸗Botschafter mit denen SeiDes Me⸗
hemetes
Compli⸗
ment we⸗
gen des
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ters glück⸗
licher An⸗
kunft.
⸗
nigen an diesem letzten Ort gluͤcklich angekommen, hat Ihn unser
Führer Mehemed Aga, Kaiserlicher Kämmerling, folgender Ge⸗
stalt complimentirt: Jch empfinde keine geringe Freude /
daß Eu. Excellenz, Groß⸗Botschafter bey dem Groß⸗
Sultan / bis vor die Mauern der Stadt Constanti⸗
nopel gluͤcklich gebracht habe; weswegen ich mich
alsobald in die Stadt verfüͤgen/ und GOTT dem
HERRN den Jhm dafüͤr gebuͤhrenden Dank nach
unserer Weise abstatten werde / weil es Jhm gefallen/
Eu. Excellenz unter meinem Geleit bisher in allem ho⸗
hen Wolseyn zu erhalten. Meines Theils wuͤrde es
mir höchst⸗erfreulich gewesen seyn/ wann nach Dero
unver⸗
- 182 -
152
Erstes Buch / Eilfte Abtheilung / rc.
unvergleichlichen Meriten Dieselbe allenthalben hätte
bewuͤrthen koͤnnen; es werden aber Eu. Excellenz gnä⸗
dig geruhen/ die Zeit und dem auf dem Land in höch⸗
ster Duͤrftigkeit lebenden armen Bauers⸗Volk etwas
nachzusehen; meine vornehmste Bemuͤhungen soll nur
dahin gerichtet seyn/ wie forthin nunmehro aus der
Stadt alles im Uberfluß angeschaffet werde / und in
keinem Stuck der geringste Mangel erscheine. Anjetzo
aber will mich ungesäumt zu dem Groß⸗Vizir bege⸗
ben / um demselben Eu. Excellenz gluͤckliche Ankunft
zu hinterbringen / welche Botschaft Jhm auch nicht
anders als sehr angenehm wird zu vernehmen seyn.
Als auf das letztere der Herr Botschafter sich vernehmen ließ,
wie er solches durch die Seinige zu verrichten gedenke, versetzte jener,
daß solches zwar in dessen Belieben stuͤnde: jedoch erfordere es sei⸗
ne eigene Pflicht und Schuldigkeit, dieses auch selbsten über sich
zu nehmen: deme er noch mehr in einer geschickten, leichten und wol
gesetzten Reden beygefügt, so daß weder an deren Erfindung
noch Kunst und Zierlichkeit im geringsten was zu de⸗
sideriren gewesen.
Ende des Ersten Buchs.
Der
Türckischer Bot⸗
schafter am Röm.
Kaiserl. Hof.
- 184 -
Der
Historischen Nachricht
Von der
Rom. Kaiserlichen Groß⸗Botschaft
nach der Ottomannischen Pforten
Zweytes Buch.
Erzehlung dererjenigen Begebenheiten / die sich zu⸗
getragen / seit dem sich die Botschaft vor Constan⸗
tinopel im Läger unter den Zelten aufge⸗
halten.
Erste Abtheilung.
NAchdem sich nun Mehemed in die Stadt beNachricht
an dem
Groß Ve⸗
zier von
unserer
Ankunft.
⸗
geben, ertheilte der Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter alsobald Befehl, daß man dem Groß⸗
Vezier Jbrahim die Nachricht von seiner
Ankunft in das hiesige Läger hinterbringen solte;
zu welchem Ende Herr Baron Seebach,
Hof⸗Marschalk, und Obrist⸗Wachtmeister
unter dem Virmondischen Regiment, in Beglei⸗
tung der Dolmetschen Herrn Theyls / zwey von seinen Laqueyen, und
drey Granadirern, dahin abgefertiget wurde. Als er nun ohne Auf⸗
U
schub
- 186 -
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
154
schub Audienz erhalten, ist er noch selbigen Abend mit dieser Antwort
Antwort
desselbigen.an den Herrn Groß⸗Botschafter zurück gekommen, wie dem
Groß⸗Vezier durch so unverwerfliche Zeugen hoͤchst angenehm zu
vernehmen gewesen, daß Se. Excellentz der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter / nach so viel überstandenen Beschwehrlichkeiten nunmeh⸗
ro bey der Kaiserlichen Residenz glücklich angelanget, er wolle
sich indessen äusserst dahin bemuͤhen, und ernstlich anbefehlen, damit
alles, was man nur verlangen und zu dieser Jahrs⸗Zeit zu bekommen
seyn mögte, auf ersten Wink angeschafft wuͤrde. Dazumal kamen
drey Söhne unsers Füͤhrers des Mehemeds in unser Lager, bey
Drey Söh⸗
ne des Me⸗
hemeds
machen bey
dem Herrn
Botschaf⸗
ter ihre
Aufwar⸗
tung.dem Herrn Groß⸗Botschafter ihre Aufwartung zu machen, wor⸗
unter zwey noch unmuͤndig, der dritte aber, ob er schon das sieben⸗
zehende Jahr noch nicht zuruck gelegt / schon verheyrathet / und der
vierte beständig mit uns auf der Reise gewesen. Diese wurden von
Sr. Excellentz mit Caffé tractirt, sie aber verehrten Jhm zur Be⸗
zeugung ihres Respects ein aus weisen Adlers⸗Federn verfertigten
Sonnen⸗Wädel, welche nur oben an der aͤusersten Spitzen in schwar⸗
ze Farb gedaucht / unten aber, wo die Handhebe hinein gestossen
wird, von rothen mit Gold auf das zierlichste gestüͤckten Sammet,
gefasset waren, deren sich allein die Vornehmsten, einen Luft damit
zu machen, bedienen.
Benach⸗
richtigung
an drey
Gesandte
von des
Hrn Groß⸗Botschaf⸗
ters Gegen⸗
wart.Den 1. Augusti schickte der Herr Groß⸗Botschafter auf
einmal drey aus dem zweyten Adel, nemlich die Herren Baronen von
Studenitz, und Locher, und den Herrn von Wetstein/ einen Edel⸗
mann aus der Schweitz, ab seine Ankunft zu Haznadar Schiftlick
dem Französischen, Englischen und Holländischen Gesandten zu ver⸗
melden, welches auch der erste bey dem Marquis de Bonac, der
zweyte bey dem Graf Stanian / und der dritte bey dem Graf
Warum
solche allen
dreyen zu
einer Zeit
geschehen.Colyers verrichtet. Es haben aber Se. Excellentz diese drey Her⸗
ren darum zu einer Zeit abgeordnet, weil, wie bekannt, Frankreich
und Engelland noch immer bey der Pforten um den Rang strei⸗
ten, ob gleich diese Controvers im Roͤmischen Reich schon laͤngst bey⸗
gelegt ist, so daß keiner dem andern im geringsten daselbst weichen
will; welches auch die Ursach gewesen, warum bey der vorigen
Groß⸗Botschaft, die doch sonsten der Graf von Oettingen ruhm⸗
würdigst versehen, der Französische Gesandte Herr von Ferriol, und
eben dieser Kaiserliche Groß⸗Botschafter niemaln zusammen ge⸗
kom⸗
- 187 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
155
kommen, weiln er den Englischen Gesandten
[15] eher als ihn vorgelas⸗
sen, da doch jener eher als dieser zu Jhm gekommen, oder vielmehr
schon in seinem Hause zugegen gewesen, und die Visite abgestattet,
welches Er ihm ja Ehrentwegen nicht versagen koͤnnen, und zwar um
so viel weniger, da der Französische Gesandte diese Höflichkeit verab⸗
säumet hatte. Jedoch wer den Herrn von Ferriol kennet, und wie
er öfters solche Dinge bey der Pforten und anderswo tentiret, wo⸗
mit er nirgend auslangen können, wird sich über diese seine Auf⸗
fuͤhrung destoweniger verwundern. Damit aber gleichwol bey so guter
Veständnuͤß der beyden Cronen solcher Verdruß vermieden wuͤrde,
hat man die Ankunft allen dreyen zu gleicher Zeit intimirt, welches
auch gar wol aufgenommen worden: und da der Franzöͤsische Ge⸗
sandte in dem Königlichen Pallast zu Pera / als seiner gewöhnli⸗
chen Wohnung, der Engelländische aber auf seinem Lust⸗Hauß zu
Belgrad, ohnweit des Schwarzen Meers sich aufhielte, kunte es
ohne dem nicht anders seyn, als daß dieser wegen Entlegenheit des Orts
einige Stunden später als jener die Nachricht erhalten; welches sich
dann der Herr Groß⸗Botschafter kluͤglich bedienet, keinen auf
solche Weise beleidiget, noch einem vor dem andern den Vorzug zu
gestanden, und sich also auf keiner Seiten einigen Verdruß zugezogen.
Diese drey Abgeordnete haben die Herrn Gesandten zu Mittag bey
sich zur Tafel behalten, und endlich mit gebuͤhrender Danksagung
wegen dieser Höflichkeit und ergebenster Gratulation zu glüͤcklicher
Ankunft an den Herrn Groß⸗Botschafter wiederum dimittirt.
Der erstere kame schon Nachmittags um fuͤnf Uhr im Lager an; die
zwey andern aber kunten kaum bey spater Nacht zu uns gelangen, Des Fran⸗
zösischen
Gesandten
Abferti⸗
gung an
den Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafter.
weil sie sich wegen der vielerley Weege im Wald veriret hatten.
Ehe aber der Herr von Studenitz sich wieder einstellete, fanden sich
schon der Canzler von der Franzoͤsischen Nation, zween Secretarien von
dem Gesandten, nebst unterschiedlichen Kaufleuten und Bedienten
bey uns ein, unsern Herrn Groß⸗Botschafter im Namen ihres
Gesandten und der ganzen Nation zu felicitiren. Diesen aber ist Des Tüͤr⸗
kischen Dol⸗
metschen
Absendung
an den
Hrn. Groß⸗
Botschaf⸗
ter.
der erste Dolmetsch bey der Pforten, Maurus Cordatus / des
berühmten Mauri Cordati Enenkel von der Mutter her, und der die⸗
sen Namen um seines Mütterlichen Groß⸗Vatters hohen Verdien⸗
sten wegen angenommen, noch zuvor gekommen, als der von dem
Groß⸗Vizier zu dem Ende abgeschicket war, den Herrn Groß⸗
Botschaf⸗
U 2
- 188 -
156
Zweytes Buch / Erstte Abtheilung /
Hochach⸗
tung der
Dolmet⸗
schen son⸗
derlich des
Mauri
Cordati.Botschafter zu complementiren. Es ist dieses ein sehr reicher
Mann, und wegen seiner Treue bey dem Sultan und Groß⸗Ve⸗
zier in sonderbahren Gnaden, ohnerachtet er ein Christ und der
Catholischen Religion zu gethan ist; wie dann auch überhaupt die
Dolmetschen bey den Türken in grossem Ansehen sind / und denen
Richtern und Referendarien der Rechts⸗Sachen gleich geachtet wer⸗
den. Dieser fragte den Herrn Botschafter, wie Jhm die hiesige
Luft anstünde; es hätte der Sultan dem Groß⸗Vizier durch ein
Hand⸗Schreiben, wie auch einigen andern, Befehl ertheilet, einen ge⸗
sunden und unverdächtigen Ort vor die ankommende Gaͤste auszu⸗
Dessen Ab⸗
forderung
der Anrede
an den
Sultan. suchen. Bey eben dieser Gelegenheit wurde der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter von ihm um Communicirung derjenigen Anrede ersucht,
deren Er sich bey der Audienz gegen dem Sultan gebrauchen
würde; denn die Pforte hat die Gewohnheit, daß man alle seine
Reden dem Kaiser zugleich geschrieben übergibt, damit man sich
auf eine Antwort könne gefast machen: er setzte darzu, wie er zum öf⸗
tern dergleichen Anrede ein ganzes Monat bey sich im Hause hätte,
auf welche im Namen des Kaisers solte geantwortet werden, und
wäre zu dieser eine noch gar kurze Zeit uͤbrig, in welcher er sich zu ei⸗
ner Antwort fertig halten muͤßte. Der Herr Botschafter verwun⸗
derte sich über dieses unerwartete Zumuthen, und gab ihm mit freund⸗
lichen Gesicht und laͤchlenden Minen zu verstehen, wie Er eben noch
nicht darauf gedacht, mit was für Worten seines Kaisers Be⸗
fehl Er vortragen wolte; dann nachdem ihm der Innhalt bekannt
wäre, würde es an Worten nicht fehlen, absonderlich wo die Sa⸗
che und Wahrheit selbst reden muͤsten, sintemaln man nur in Er⸗
manglung dieser an jene zu denken hätte: Er seines theils pflege / von
der Wahrheit secundirt / an die Worte nicht eher zu gedenken, als
wann sie bey verstatteter Audienz in Gegenwart grosser Fürsten und
Potentaten vorgebracht werden sollen; Er wolle sich aber gleichwol
nach der Gewohnheit accomodiren, und mit nechsten seine Rede auf⸗
setzen, und ihme uͤberschicken. Etliche Stunden hernach hat noch ein
Geschenke
und Brief
des Groß⸗Viziers. anderer von des Groß⸗Viziers Hauß⸗Officiern, den die Türken
Aga nennen, seine Aufwartung gemacht, und den Herrn Botschaf⸗
ter mit Blumen, Früchten und mit von zweyen Pferden getragenen
feinen Zucker und Caffe-Bohnen regalirt: 33. Träger wurden ge⸗
braucht,
- 189 -
Von des Hrn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
157
braucht, welche die in Gläsern und erhabenen Köͤrblein auf runde
hölzerne Tafeln gestellte Sache auf ihren Köͤpfen herbey brachten.
Diesen hat der Groß⸗Vizier noch einen Brief beygelegt, von wel⸗
chem die Dolmetschen versichern wolten / daß er mit so grosser Zäͤrt⸗
lichkeit geschrieben seye, daß auch ein Verliebter seiner Gelieb⸗
ten nichts anmuthigers vorschwatzen könne. Es schützte der
Groß⸗Vizier darinnen eine ganz auserordentliche Neigung und
Sympathie vor, mit welcher er dem Herrn Groß⸗Botschafter
zugethan wäre; Er solte doch, so viel Jhme nur immer moͤglich, ei⸗
len, damit sie bald zusammen kämen; es schiene ihm ein jeder Au⸗
genblick zu lang und beschwehrlich, in welchem er von Jhme ent⸗
fernet leben muͤste: wobey er dem Herrn Botschafter frey stelleDessen An⸗
erbieten
mit klin⸗
genden
Spiel in
die Stadt
zu ziehen.
⸗
te, mit fliegenden Fahnen und klingenden Spiel in die Stadt einzu⸗
ziehen. Welches leztere aber Se. Excellentz nicht ohne Verdruß
vorlesen hoͤrten, und Sich deswegen vernehmen liessen, wie davon
noch nicht die Rede gewesen, und damit zu verstehen geben wolte,
daß Er dißfalls schon selbst wuste, was zu thun wäre; es bemuͤhete
sich aber der Dolmetsch, Herr Theyls / seiner Gewohnheit nach,
dieses zum besten auszulegen / indem er dem Herrn Botschafter
vorstellete, wie die Pforte hierdurch nur den Æstim gegen Jhm und
in seiner Person zugleich gegen Jhro Römischen Käiserlichen
Majestät bezeigen wolle, als Die Jhme unangefragt dieses zustuͤn⸗
de / welches Sie keinem andern Koͤniglichen oder Füͤrstlichen Ge⸗
sandten einräumen wüͤrde. Es hätten der Englische und Holländi⸗
sche Gesandte dergleichen Ansuchung gethan; und zwar bemühete sich
dieser durch vieles Bitten nur so viel zu erhalten, daß er bey seiner
Zuruckkunft von dem Paßarowitzer Friedens⸗Schluß etliche für sein
eigen Geld erkaufte grosse Flauten oder Hautbois für sich duͤrfte her⸗
gehen lassen: jener aber verlangte nichts mehr, als ihm nur eine eini⸗
ge Fahne zu verstatten, wurde aber gleichwol beiden als eine solche
Sache abgeschlagen, welche niemand als dem Kaiserlichen Bot⸗
schafter könte verstattet werden; vielleicht habe der Groß⸗Vizier
vermeinet, es wäre Sr. Excellentz diese Affaire bekannt, und dahe⸗
ro etwan im Zweifel, ob dieses Verboth Jhme auch angehen folte.
Es wolte sich aber der Herr Botschafter mit allem diesem nicht
befriedigen lassen, welcher darauf beharrete, daß deswegen noch kei⸗
U 3
ne
- 190 -
Zweytes Buch, Erste Abtheilung.
158
ne Anfrag geschehen, und diese Sache im Ceremoniel schon ge⸗
nugsam debattirt und keinem fernern Zweifel unterworfen wäre.
Hierauf liessen Se. Excellentz unter die Träger ein Trank⸗Geld aus⸗
theilen / und sie ihrer Weege wiederum fortgehen.
Portiuncu⸗
la Fest ge⸗
feyert.Den 2. Augusti / am Tag Portiuncula, an welchem der HErr
Christus dem H. Francisco die Wundenmahl auf dem Berg Alver⸗
nia in Jtalien eingedruckt hat, wurde in dem grossen Zelt ein schoͤ⸗
ner Altar aufgerichtet, mit den gestern vom Groß⸗Vizier zu einem
ganz andern Absehen geschickten Blumen gezieret, und zu beiden
Seiten die reich mit Gold gestickte Standarten ausgebreitet; un⸗
terschiedliche Priester, unter andern aber der Abt zu Domben Graf
von Schrottembach / lasen Messe, und breiteten das Lob GOt⸗
tes aus; der Schall der Trompeten und Paucken samt den übri⸗
gen musicalischen Instrumenten und lieblichsten Stimmen feuerte
die von Goͤttlicher Liebe ohne dem schon brennende Gemuͤther noch
mehr an / und der meinste Theil vom Adel und Hauß⸗Bedienten wol⸗
ten durch eine reumüthige Beicht und Geniessung des allerheiligsten
Sacraments ihren Schutz⸗Heiligen den Grossen Franciscum ver⸗
Des Engli⸗
schen und
Holländi⸗
schen Ge⸗
sandten
und des
Mehemeds
Aga Ab⸗
fertigung
an den
Hrn. Bot⸗
schafter. ehren. Unterdessen haben der Englische und Holländische Gesandte
ihre Legations-Secretarien ins Lager geschickt, bey dem Herrn
Groß⸗Botschafter das Bewillkommungs⸗Compliment abzule⸗
gen; welche Höflichkeit auch der Mehemed Aga, zweyter Bevoll⸗
mächtigter bey dem Friedens⸗Schluß zu Paßarowitz, nicht unterlas⸗
sen wollen, sondern hat durch seinen Kiaha oder Hofmeister bey Sr.
Excellentz die Begrüͤssung ablegen, und Jhnen zum Zeichen der
Freundschaft unterschiedliche Geschenke aus seinem Garten und Tei⸗
chen von Melonen, Weintrauben, Birn, Krebsen und Fischen offe⸗
riren lassen: er gab anbey zu verstehen, daß sein Herr des andern Ta⸗
ges sich selbst einfinden wuͤrde, wann es Sr. Excellentz nicht be⸗
schwehrlich, oder wegen des an selbigem Tag bevorstehenden Einzugs
Des Herrn
Botschaf⸗
ters Ant⸗
wort auf
des Mehe⸗
med Aga
Compli⸗
ment. die Zeit nicht schon zu weit verlaufen wäͤre. Worauf der Herr Bot⸗
schafter geantwortet, wie Jhme die Gegenwart seines Freundes je⸗
derzeit nicht anders als lieb und angenehm seyn könnte; deme Er
noch seinen Glüͤckwunsch wegen des neu erhaltenen Schatz⸗Meister
Amts beyfügte, mit dem Zusatz, daß ihme daraus noch mehr Ehren
und Dignitæten zu wachsen moͤgten: dem Kiaha aber wuͤnschte Er /
daß ihme die von seinem Herrn bisher bekleidete Charge solte zu theil
wer⸗
- 191 -
Abbildung:
Plan von Constantinopel
- 192 -
- 193 -
Abbildung:
Einzug des Röm. Kayserlichen
Groß⸗Botschaffters in Constantinopel.
- 194 -
- 195 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
159
werden. Es liesse ihm auch der Herr Botschafter weil Er wuste,
daß der Mehemed Aga ein dicker und fetter Mann war, und für
seinen Wanst gar sehr sorgte, im Schertz zu entbieten: wann ihme da⸗
mit gedienet wäre / wolle Er ihn nach zuruckgelegter dreisigtägigen
Fasten öfters mit Chocalate bedienen, weil er, als ein grosser Lieb⸗
haber von einen strengen und maͤßigen Leben, nach so langem Fasten
dessen gar sehr benöͤthigt seyn duͤrfte.
Heute ist einer von unsern Fuhr Leuten, so schon lang Kraftloß geVermeinte
eingerisse⸗
ne Pest.
⸗
wesen, unversehens umgefallen, wordurch gleich der Ruff entstanden, er
seye von der Pest angesteckt gewesen, welches auch keine geringe Furcht
und Schrecken in unserm Lager verursachet; man hat aber bey
genauer Untersuchung ganz ein anders befunden, und haben uns die
Leib⸗Aerzte und Feldscheerer versichert, daß wir deswegen nichts zu Offerirung
eines Scla⸗
ven an den
Marquis
de Bonac.
befürchten hätten. Hierauf wurde abermal der Herr von Wetstein
zum Französischen Gesandten Marquis de Bonac geschicket / um
ihm einen Gefangenen aus Languedoc, den die Edelleute erst neu⸗
lich loß gekaufft, zu præsentiren. Dazumal ist auch Herr Kramer /
Cassirer und Verwaldter der Kaiserlichen Geschencke, und mit gefüͤhrAuspack⸗ und Ein⸗
theilung
der Kaiser⸗
lichen Præ⸗
senten.
⸗
ten Gelder, nebst dem Uhrmacher Holzmann / mit bemeldten Præ⸗
senten in die Stadt geschickt worden, damit solche ausgepackt und
nach der ihnen vom Hof mitgegebenen Vorschrifft eingetheilt werden
könnten. Weil aber die meisten Vizire sich dazumal in ihren Provin⸗
zen aufhielten, muste man auf Befehl des Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ters von solcher Richt⸗Schnur etwas abweichen, und die ihnen zu
gedachte Verehrungen an andere austheilen; wobey aber gleichwol
des Hofs Intention nach Möglichkeit beobachtet worden.
Einzug in
Constanti⸗
nopel.Nunmehro haben wir den 3ten besagten Monats unsern Ein⸗
zug in die Stadt Constantinopel fast auf gleiche Weise, wie zu
Wien / gehalten: Gleich bey anbrechenden Tag wurden die muthig⸗
sten mit dem kostbarsten Zeug geschmüͤckte Pferde aus dem Kaiserli⸗
chen Stall gezogen, deren Zäume und üͤbrige Ruͤstung aus fein ge⸗
schlagenen und mit vielerley Steinen besetzten Silber verfertigt wa⸗
ren. Kurz vor sieben Uhr sind wir mit fliegenden Fahnen unter
Trompeten⸗ und Paucken⸗Schall und anderer Music aus dem Lager
gegen die Stadt marchirt, welche wir so gleich im Gesicht hatten.
Der Herr Groß⸗Botschafter, der sich des vom Sultan Jhm
zuge⸗
- 196 -
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
160
zugeschickten und mit einer von Gold gestickten Decke aufgebutzten
Pferds bedienet, liesse ein anderes von seinen eigenen mit kostbaren
Zeug auf Teutsche Art geziertes nachführen / deme einige mit
sechs und zwey Pferden bespannte Wägen folgten, unter welchen
sich auch drey von dem Sultan / der solche aus sonderbarer Neigung
gegen diese Groß⸗Botschaft abgeschickt, befunden haben, wobey
absonderlich ein Zug grauer Schimmel mit rothen Schweifen se⸗
henswürdig gewesen. Auf dem halben Weeg kam der Dolmetsch
von der Pforten, den Herrn Groß⸗Botschafter zu compli⸗
mentiren, so von dem Obristen der Bothen oder Chiaoux Ba⸗
schi und zween Spahiler Agasi samt noch einigen andern beglei⸗
tet war. Auf unsern Zug musten wir bey einem Lust⸗Garten vor⸗
Frühstuck
unter Wee⸗
ges.
bey, welchen eine Sultanin auf ihre Kosten anlegen lassen, daselbst
sind wir abgetretten, um das darinnen füͤr uns zubereitete Früͤh⸗Stuck
einzunehmen; dann weil wir noch weit zu marchiren hatten, wurde
für uns gesorget, damit nicht einige von den unsrigen auf dem Weege
verschmachten moͤgten. Allhier ist der Herr Groß⸗Botschafter von
denenjenigen, welche man Jhm entgegen geschickt, nochmaͤlen empfan⸗
gen, in das für Jhn zu bereitete Zimmer geführt / auf den für Jhn
gestellten Sessel angewiesen, (an dessen statt sich die Tüͤrken ihrer ge⸗
wöhnlichen Sofaus bedient) und mit Caffé und unterschiedlichen
nach Lands⸗Art, doch nicht übel zugerichteten Speisen tractirt wor⸗
den; der Scherbeth muste an statt des Trunks dienen, und was bey⸗
Des Sul⸗
tans Edel⸗
Knaben be⸗
dienen den
Herrn Bot⸗
schafter. nahe noch nicht erhöͤrt worden, des Sultans Hasodaͤ oder Edel⸗
Knaben dabey aufwarten. In der Mitte des mit Gold Silber
und allerhand raren Gemählden auf das kostbarste ausgezierten
Speiß⸗Saals stunde ein gedeckter Tisch / woran 40. Personen ganz
gemächlich sitzen kunten, wobey wider die Türkische Gewohnheit
einige zu diesem Ende verfertigte Bänke gestellt waren: hieran nun
wurde der erste und zweyte Adel logirt, da indessen die andern auf den
mit Persianischen Teppichen belegten Boden herum lagen / und ihr
Früh⸗Stuck, so gut sie kunten, verzehrten, bey welchem, wann nicht
einer ungefehr ein Schälgen Scherbeth bey dem Kopf kriegte, sie ih⸗
Türken be⸗
dienen sich
keiner gül⸗
denen und
silbernen
Geschirre.ren Durst mit Wasser löschen musten. Die Speisen wurden alle in
Porcellanenen, steinern und iradischen Geschirren aufgetragen, der⸗
gleichen man sich auch zum Trank bedienet; sintemalen ihnen der Ge⸗
brauch
- 197 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
161
Gebrauch guldener und silberner Geschirre bey Tisch durch ein den
gemeinen Wesen sehr zuträgliches Gesetz verbotten ist; wie ich mich
dann auch nicht entsinnen kan, daß ich jemaln bey einem vornehmen
Türken etwas von Gold oder Silber auf dem Tisch gesehen, es muͤ⸗
ste dann etwan die an statt des Tisches daselbst gestellte runde Platte
nebst einem Hand⸗Becken zum waschen, und einem Rauch⸗Vaß, das
Gesicht, die Hände und dem Bart damit zu beraͤuchern, gewesen
seyn; wie sie dann die dem Herrn Botschafter vorgelegte Messer
auch anderweit entlehnt hatten. Hingegen ist an Speisen, wie uns
nachgehends die Soldaten und Bedienten erzehlt, ein solcher Uber⸗
fluß gewesen, daß über die hundert Schuͤsseln von ihnen wieder zu⸗
rück gekommen, von den Tuͤrken aber mit samt den Loͤfeln, deren wir
uns bey dem Essen bedient, unter die Grichischen Knaben ausge⸗
theilet worden; angesehen sie es für grosse Sünde wuͤrden gehalten
haben, wann sie etwas von demjenigen zu sich nehmen sollen, welches
die Unglaubigen oder Jaouer berührt und verunreinigt hätten. Es
hat auch darum keiner von ihnen etwas gekostet, weil niemand vor
Aufgang des Abend⸗Sterns oder der Sonnen⸗Untergang wegen ih⸗
rer grossen Festen was geniessen durfte/ wie schon im vorigen ange⸗
zeigt worden, da die meisten aus ihnen gewohnt, selbige Zeit uͤber
den Tag mit schlaffen / und die Nacht imit andern Verrichtungen
zuzubringen.
Hier hat sich ein gebohrner Sachs / Namens Schmied, ein Ein abge⸗
fallener
Sachs
kommt zu
der Bot⸗
schaft.
nichtswuͤrdiger Mensch, bey uns eingefunden, der sich bey der vori⸗
gen Botschaft unter den Grafen von Oettingen vor einen Edel⸗
mann ausgegeben, nachgehends aber aus einer mir unbekannten Ur⸗
sach freywillig den Türkischen Glauben angenommen; dieser Gotts⸗
vergeßne Mensch hat sich gleichwol kein Bedenken gemacht, vor dem
Herrn Botschafter zu erscheinen, und Jhm zu ersuchen, daß Er
die Gnade für ihn haben, und dem Groß⸗Vizir bey Gelegenheit
sein weiteres Glüͤck und Fortkommen recommendiren wolle. Die⸗
ser hat auch nachgehends auf dem Weeg und bey der Ruckkehr mit
dem Herrn von Klimberg viel von seiner Frauen, welche er zu
Hauß bey den Seinigen gelassen, von seinen mit ihr gezeugten Kin⸗
dern, alten Bekannten und Freunden geschwatzt: und als gedachter Hr.
von Klimberg ihn unter andern fragte, ob er nicht bisweilen aus
Reu angetrieben nach Teutschland zuruck, oder an GOTT und die
künf⸗
X
- 198 -
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
162
künftige Ewigkeit gedächte, nahm er solches nur für Scherz auf
und machte ein Gespott und Gelächter daraus. Aber du leichtfer⸗
tiger Boͤßwicht! ist ein GOTT im Himmel, der sich um der Men⸗
schen Thun und Lassen bekuͤmmert, so wird er dich um deiner Frech⸗
heit und Treulosigkeit willen schon zu finden wissen; und wer weiß,
ob wir nicht nechstens von Seiner an dir vollzogenen gerechten Ra⸗
che Nachricht empfangen. Jedoch, was halte ich mich läͤnger bey
diesem Treulosen auf, ich will mich lieber wiederum auf den Weeg
zu meiner Gesellschaft wenden.
Eine grosse
Menge Zu⸗
schauer vor
Constanti⸗
nopel. Nachdem wir nun, wie
gesagt, in bemeldten Garten so herrlich
tractirt worden, sind wir nach
empfangenen wol riechenden Was⸗
sern und Rauchwerk von dar wiederum
aufgebrochen, und naͤher ge⸗
gen die Stadt
geruckt vor welcher sich eine unglaubliche Menge
Leute von allerhand Alter Geschlecht
und Condition eingefunden,
unsern Einzug mit anzusehen: die
Königliche und andere Gesand⸗
ten, welche
sich dazumal auf ihren Lust⸗Häusern zu Belgrad auf⸗
hielten,
haben sich etliche Stunden weit hieher verfuͤgt, den propren
Einzug der Römisch⸗Kaiserlichen
Groß⸗Botschaft mit
anzusehen; da ihre Bedienten sich
indessen an die Strassen gelagert; und
damit sie solchen desto öfter
betrachten kunten, sind sie mit ihren
Pferden immer einen naͤhern Weeg
voraus gesprengt, und haben sich
wiederum an einen solchen Ort
gesetzt, wo wir noch einmal vorbey
ziehen musten. Ja so gar der Sultan und Groß⸗Vizir selb⸗
sten sollen
bey dem Canal des schwarzen Meers in
einem Winkel
verborgen gewesen seyn, und uns in
geheim aus einem Fenster ob⸗
Beschrei⸗
bung des
Zugs in der
Stadt. servirt haben. Die Türken giengen mit ihren grossen
mit Kaisers-
Leinwand
umwundenen Buͤnden, welche sie Kalibi nennen, und
dreymal grösser, als die sonst
gewöhnlichen seyn, die sie auch nur
bey den grösten Solennitäten
aufsetzen / ganz hochmüthig voran;
worauf wir in eben dieser Ordnung
die neulich bey dem Abzug aus
der Kaiserlichen Residenz Stadt Wien gehalten worden, durch
die Stadt Constantinopel gezogen. Die Janitscharn stunden in
ihrer Ordens⸗Tracht, nemlich mit
uͤber den Rücken haͤngenden Hau⸗
ben und
langen an den vordersten Enden aufgeschüͤrzten Roͤcken,
nicht allein an den Pforten, sondern
auch an vielen Orten der Stadt in
zwey-
- 199 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
163
zweyfacher Linie, damit sie das Volk
abhielten, und uns durch Ejup /
eine von dem H. Job so genannte
Vorstadt, begleiteten.
Es ist aber diese Stadt Constantinopel erstlich von PauBeschrei⸗
bung der Stadt Con⸗
stantinopel.
⸗
sanias erbauet worden, wie solches in dem ersten Buch der Supple⸗
mentorum des Q. Curtii zu lesen[16]. Vor Zeiten wurde sie By⸗
sanz genennt von Bysante, oder Byzeno, des Neptuni und Croës⸗
sæ, einer Tochter der Jo, Sohn, wie Stephanus dißfalls vorgibt,
oder, nach der Meynung Eustachii, von einem Füͤhrer der dem
Thracischen König Byza zugehörigen Flotte; oder auch wol von By⸗
za dem Admiral der Flotte, welche der Grichischen Stadt Me⸗
gara zustäͤndig war; woraus dann folgen muͤste, daß Bysanz eine
Pflanz⸗Stadt der Megarenser gewesen, wie Porphyrogeneta
von Them. im 2. Buch 1. Cap erzehlet. Sie kan ihren Ursprung
schon sieben hundert Jahr vor Christi Geburt, oder nach Erschaf⸗
fung der Welt ohngefehr 3500. von denen Zeiten herholen, da das
Jsraelitische Reich untergieng, und Hiskias in Judäa, Hosea in
Jsrael und Salmanasser in Assyrien regieret hatten. Diesen ih⸗
ren ersten Namen hat sie wol tausend Jahr, bis auf die Zeiten
Constantini des Grossen / ersten Christlichen Kaisers, behalten,
welcher, nachdem er sie auf das neue von Grund auf erbauet, sie
kuͤnftig hin nach seinem Namen nennen lassen; und bey dieser Gele⸗
genheit ist der erste Grund zum Christlichen Glauben in Orient wie⸗
der gelegt worden. Nachdem sie nun 1047. Jahr eine Residenz
des Orientalischen Christlichen Reichs beständig gewesen, und eben
dasselbige unter einem andern Constantino, einem Sohn Manue⸗
lis Paläologi / und Bruder Joannis / wiederum verloschen, ist
sie unter erst bemeldten Kaisers Regierung um das Jahr Christi
1453, von Mahomet dem Zweyten mit 400000. Mann belagert,
und nach einer Zeit von 54. Tagen mit stuͤrmender Hand eingenom⸗
men worden, von dar an sie mit dem jetzt regierenden Ahmed dem
Dritten 17. Türkische Kaisere auf dem Thron gesehen, weil sie
alle ihre Residenz allhier aufgeschlagen, welche sie vorher zu Prusa
in Asien gehabt hatten. Selbiges ist, gleichwie das alte Rom, auf
sieben Hügeln gelegen, weswegen man es auch das neue Rom ge⸗
nennt; wiewol anjetzo fast gar kein Merkzeichen mehr davon vor⸗
handen, und wuͤrde Constantinus / wann Er wiederum zuruck
in
X 2
- 200 -
164
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
in diese Welt kehren solte, Mühe genug haben, wofern Er sein vo⸗
riges Constantinopel mitten in dieser Stadt finden wolte, so gar
unähnlich ist sie ihr selbst worden. Dieses aber muß man ihr lassen,
daß keine so vortrefliche Gegend in der Welt, als diese / anzutreffen:
sie ist von dem Luxinischen und Hellespontischen Meer umge⸗
ben, und daher zur Kaufmannschaft überaus bequem; liegt in Form
eines Driangels, so daß zwey Spitzen davon gegen das Meer, die
dritte aber gegen das feste Land siehet. Gegen Mittag hat sie den
Hellespont / gegen Aufgang den Auslauf des schwarzen Meers /
der ungemein grosse und Schiffreiche Hafen liegt ihr gegen Mitter⸗
nacht, und Landwerts gehet ihr die Sonne unter, wohin man uͤber das
schwarze Meer / so die Türken Caradenis nennen, kommen
kan: wann nun mit dieser vortheilhaftigen Situation die heutige
Manier zu fortificiren verknuͤpft wäre, wuͤrde kaum in der Welt
ein festerer Ort zu finden seyn. Auf der Land⸗Seite hat sie zu un⸗
terschiedlichenmal einen dreyfachen aber mehrentheils mit Erden,
Steinen und Schollen angefüͤllten Graben; ist auch daselbst mit einer
doppelten Mauer, und gegen dem Meer zu nur mit einer einfachen
versehen: an derselbigen stehen unterschiedliche vier⸗ und achteckigte
Thuͤrne, welche die Roͤmer noch erbauet, davon die obern die untere
an Grösse übertreffen; und ob sie schon ehmaln wären capable ge⸗
wesen, eine ganze Armee aufzuhalten, so sind sie doch nicht mehr im
Stand, sich nur vor einen kleinen Anlauf zu schüͤtzen; wie dann so
wol die Mauern als Thürne so schlecht beschaffen, daß sie an
vielen Orten grosse Risse haben, und zu verwundern, wo sie nicht
Türken
pflegen
nichts aus⸗
zubessern. noch gar über einen Haufen fallen: dann die Tüͤrken pflegen selten
was auszubessern, weil sie sagen, daß sie zum Verstoͤren und Nie⸗
derreissen, nicht aber zum aufbauen kommen seyn. Diese Stadt hat
zwey und zwanzig Pforten, davon sechs Landwerts stehen, als eine
unter dem Pallast Constantini unweit des grossen Markts, den die
Türken heutiges Tags Fener nennen, welchen Platz sich Constan⸗
tinus um dieser Ursach willen zu seiner Wohnung soll erwehlet ha⸗
ben, weil Er solchen am gesuͤndesten befunden, so er mit dreyen an
unterschiedliche Oerter ausgesetzten Fischen probirt; die andere
Pforte siehet gegen Adrianopel / die dritte stehet auf der Höͤhe des
siebenden Bergs; die vierte ist die guͤldene Pforte; die fuͤnfte gehet
gegen
- 201 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
165
gegen Selymbria; die sechste findet man bey den sieben Thuͤrnen;
die uͤbrigen sechszehen sind gegen das Meer zu gerichtet, und zwar
laufen eilf davon gegen den Canal, und fuͤnfe gegen das Meer zwi⸗
schen dem Hellespont, darunter die Pforten des Seralliens nicht
mit begriffen sind: unter diesen fuͤhrten die erstern bey den Alten den
Namen Blachernea, heut zu Tag die Burg⸗Pforte; Cynigos,
anjetzo Xilo-Pforten; Phanaria, Agia, Jubalica, die Mehl⸗
Holz⸗Saamen⸗Fisch⸗ die Neorii und Demetrii, und die letztere
die Mist⸗Pforten; dann sind auch noch die Loͤwen⸗Condesca⸗
la⸗ und noch zwey andere Pforten, welche die Geschicht⸗Schreiber
zu nennen vergessen haben. Gedachte Mauern und Pforten sind
mit vieler Grichischen und Lateinischen Schrifft geziert / dafür man
an der Vornehmen Häuser Türkische lesen kan. Die Gassen sind
sehr enge, schlüpfrig, abhängig, die Häͤuser gröͤsten Theils von Leim
und Holz erbauet, also daß man die Stadt weder von innen schoͤn,
noch von aussen stark oder fortificirt nennen kan; die Wohnungen
hingegen mit Leuten dermassen angefuͤllt, daß oft unter einem Dach,
oder auch wol in einem Zimmer etliche Haußhalten anzutreffen:
wann man nun den unbeschreiblichen Gestank, die rohe unverdauliche Ursach der
öftern
Contagion
in Constan⸗
tinopel.
Speisen, als Pfeben, Gurken, und dergleichen, mit welchem sich der
Pöbel fast nur allein naͤhrt, und das liebe Wasser darzu trinket,
in Erwegung ziehet, wird sich niemand wundern, wann bey entste⸗
hender grossen Sommer⸗Hitze viel dahin sterben; vielmehr wäͤre es
für was seltsames zu halten, wann sich bey einer so grossen Menge
Volks und unordentlichen Lebens⸗Art das Gegentheil finden solte.
Jn den meisten Gassen, durch welche wir diesen Tag gefüͤhrt worden,
sahen wir Häuser, die man eher für Spelunken der wilden Thiere, als
Wohnungen der Menschen hätte halten sollen, und mit dergleichen
raren Gebäuen sind noch darzu die vornehmsten Haupt⸗Strassen
am meisten angefuͤllt; dann die anderen, so mit mehrerer Zierlichkeit
aufgebauet, finden sich nur an denen Plätzen, welche dem An⸗
lauf des Volks nicht so sehr unterworfen, und wo auch die Stadt
am wenigsten bewohnt ist. Wir haben wol üͤber drey Stunden mit
unsern Zug in der Stadt zugebracht, und gleichwol kaum den sech⸗
sten Theil davon betretten. Diejenigen Gebäu, so an dem HafenDie schön⸗
sten Gebäu
außer der
Stadt.
liegen, übertreffen diese in der Stadt an Pracht und Ansehen; und
längst dem Canal bis an das schwarze Meer præsentiren sich viele
Lust⸗
X 3
- 202 -
166166
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
Lust⸗Häuser vornehmer Personen, Gärten, Weinberge, Wiesen,
Sultans
verschlosse⸗
ner Pallast.
Wälder, Städte und Flecken. Es hat auch der Sultan daselbst
einen verschlossenen Pallast für das Frauen⸗Zimmer, welcher Be⸗
sicktas genennet wird, worinnen Er den ganzen Sommer uͤber zu
residiren pflegt, wiewol auch der in der Stadt befindliche ein recht
Königliches Ansehen hat, von welchem man auf zwey Meere hinaus
sehen kan, worein aber niemand, er sey dann ein Tuͤrk oder Beschnit⸗
Bezahlte
Curiosité
eines Frau⸗
enzimmers. tener, gelassen wird. Kurzweilig ist zu hören, was man von eines
ausländischen Gesandten Gemahlin erzehlet: diese hatte grosses Ver⸗
langen, das Königliche Gebäu oder Serallien in der Stadt von in⸗
nen zu sehen, weswegen sie dem Kuslir Aga / oder Obersten der
verschnittenen Mohren, mit welchen sie durch ihr langes Daseyn in
gute Bekanntschaft gekommen / mit grossen Verheissungen dahin zu
vermögen gesucht, daß er ihr darzu behüͤlflich seyn moͤgte. Der
Mohr, welcher die Gefahr, in welche er sich setzen wuͤrde, schon
voraus sahe, wo er solches ohne des Sultans Consens vorneh⸗
men wuͤrde, und doch gleichwol den Vortheil, welchen er daraus zie⸗
hen kunte, nicht verabsäumen wolte, entschloß sich, dem Sultan
davon Nachricht zu geben, welcher es endlich mit diesem Beding er⸗
laubte, daß sie in keiner andern als Tuͤrkischen Kleidung darinnen er⸗
scheinen, der Mohr aber Jhn sichere Nachricht geben solte / an wel⸗
chem Ort und in welcher Ordnung er sie stellen wolle, damit er im
Vorbeygehen und Ausmusterung eines Schlaff⸗Gesellens unter sei⸗
nen Cuncubinen ihr, als ware es eine aus diesen, das Schnuptuch
zu werfen und damit in sein inneres Gemach noͤthigen koͤnnte, da⸗
selbst seine Kurzweil mit ihr vorzunehmen. Dieses wird abgeredter
massen ins Werk gerichtet, die Dame auf bestimmten Tag in Tüͤr⸗
kischer Tracht zu erscheinen invitirt, welche sich auch um angesetzte
Stunde eingestellt: hierauf führt sie der Mohr in ihrer Unschuld
hinein, erzehlt ihr aber anbey, wie es bey ihnen der Gebrauch, daß
diejenige, welche der Sultan auf erst beschriebene Weise zu sich be⸗
ruffe, Jhm auf dem Fuß folgen muͤsse, und wann ihr dergleichen be⸗
gegnen und sie solches abschlagen wuͤrde, stuͤnde ihnen beiden ein gros⸗
ses Unglück bevor, und koͤnnten sie in Gefahr laufen den Kopf zu
verliehren; sie zwar, weil sie sich an einem solchen Ort eingefunden:
er aber, daß er sie hinein gefuͤhrt; nunmehro seye es an dem, daß sie
sich
- 203 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
167
sich zu einem oder dem andern resolviren muͤsse. Indem nun der
schlaue Kopf ihr dieses alles mit solchen Umständen vorgestellet, ent⸗
stehet augenblicklich ein Tumult vor der Thuͤr, der Sultan tritt
hinein, der Verschnittenene eilet dem Kaiser entgegen, und läßt
diese ganz bestuͤrzt unter den andern stehen. Da sie sich nun in solcher
Angst befindet, stehet der Sultan schon neben ihr, gibt ihr das
gewöhnliche Zeichen, und zwingt sie damit, in sein Schlaff⸗Zimmer
zu folgen, wo die Comœdie des Amphitruo noch einmal aufge⸗
führet worden; der Gesandte indessen liesse sich von seiner Alcme⸗
na nichts böses träumen, welche gleichwol in diesem Tuͤrkischen
Frauen⸗Zimmer mehr erfahren, als sie vielleicht zu wissen begehrt
hat, bis sie erst den andern Tag wiederum zuruck geschickt und dar⸗
mit des neuen Mercurii und seines Knechts Sosiä listiger Betrug
entdeckt worden.
Dieser in der Stadt liegende Kaiserliche Pallast samt dem dar⸗
zu gehörigen Garten begreifft in seinem Umkreiß bey die anderthalb
Meilen / welchem aber der in der Vorstadt weder an Gröͤsse noch
Weitläuftigkeit beykommt. Jedoch stoßt an diesem letztern des ViVornehme
Palläste an
dem Se⸗
rallien.
⸗
zirs / an des Vizirs seinen Pallast aber derjenige, so dem Ni⸗
schanschi Bascha zu stehet, dergleichen auch noch mehr in der
Ordnung folgen; dann es pflegen sich die Vornehmsten des Hofes
zu Sommer⸗Zeit, wie auch im Früͤhling und Anfang des Herbsts
mehr an dem Canal, als in der Stadt aufzuhalten, so wol in ihren
Gärten und Lust⸗Häusern der frischen Luft zu geniessen, indessen da
in der Stadt zur selbigen Zeit die Pest, wie jährlich zu geschehen
pflegt, herum wütet: als auch, damit sie in allen Begebenheiten dem
Kaiser desto näher seyn. Gegen dem Constantinopolitanischen Wacht⸗Thurn bey
Constanti⸗
nopel für
des Lean⸗
ders Thurn
gehalten.
Pallast und der an einem Berg gegen über liegenden Asiatischen
Stadt Scudari præsentirt sich mitten im Meer, wo das Euxini⸗
sche oder schwarze und das zwischen den Hellespont zusammen⸗
fließt, ein Thurn, welchen viele für denjenigen gehalten, nach wel⸗
chem der bey den Poeten und sonst allenthalben so bekannte Juͤng⸗
ling Leander zur Nachts⸗Zeit durch Sturm und Wellen nach sei⸗
ner geliebten Hero zu schwimmen pflegen, welches er auch so lang an⸗
getrieben, bis er einsmals bey ungestuͤmmen Wetter, als ihr der
Wind das zum Weegweiser verordnete Licht in der Latern ausge⸗
löscht,
- 204 -
168
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
löscht, des Weegs verfehlt und durch den Wirbel fort gerissen im
Angesicht ihrer untergehen und ein Opfer ihrer thörichten Liebe wer⸗
den muͤssen; wobey er dann folgenden Vers in seiner Angst zum oͤf⸗
tern soll wiederholt haben:
Parcite, dum propero; mergite, dum redeo.
Schont wilde Fluthen nur noch jetzt, laßt mich das Ufer
fassen,
im Ruckweg will ich eurer Wuth mich gerne üͤberlassen.
Allein es verrathen diejenige, die solches auch nur muthmassen duͤrf⸗
te, ihre grosse Unwissenheit in der Historie mehr als zu viel; dann
daß ich alle andere, welche von dieser Geschicht ausführlich
gehandelt, mit Stillschweigen uͤbergehe, so ist aus dem einigen Ovi⸗
dio klärlich zu erweisen, daß diese Meer⸗Enge des Hellesponts zwi⸗
schen Sestus / auf der Seiten von Europa / und Abydus / auf dem
Asiatischen Boden, zu suchen seye, über welche der thörichte und un⸗
vorsichtige Jüngling zu schwimmen in Gewohnheit hatte, wann er
seinen närrschen Begierden genug thun wolte: und daß eben daselbst
die nicht gluͤckseeligere Hero, und eines solchen Zufalls wol wuͤrdige
Priesterin, weil sie ihren unsinnigen und nun mit Meeres⸗Wellen
streiteten Liebhaber nicht zu Hüͤlfe kommen kunte, aus lauter Jammer
sich von einem hohen Thurn herab gestüͤrzt, damit sie doch mit dem⸗
jenigen im Tod moͤgte vereiniget seyn, welchen sie im Leben nicht mehr
umarmen köͤnnen.
Um diese Gegend haben die Tüͤrken 2. Schloͤsser, so heutiges Tags
die Dardanellen genennt werden, und mit Stuͤcken wol besetzt sind,
Dardanel⸗
len.woselbst alle aus dem hohen und Egaͤischen Meer ankommende Schif⸗
fe visitirt und die ein⸗ und ausfahrende Waaren untersucht werden,
so daß keiner hier vorbey schiffen, noch die Seegel aufziehen darf, be⸗
vor er ans Land gestiegen, und nach genauer Besichtigung und Schä⸗
tzung seiner aufhabenden Güter dem Zoll⸗Schreiber die Gebüͤhr da⸗
für erstattet hat. Mehr benannter Thurn aber dienet den Schiffen⸗
den zu einem Weegweiser, nach welchem sie sich bey der Nacht rich⸗
ten den Constantinopolitanern aber zum Wacht⸗Thurn, von wel⸗
chem sie die aus dem Meer heran kommende Schiffe observiren koͤn⸗
nen. Es stehet derselbige mitten im Meer / und kan von Winden
und
- 205 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
169
und Wellen auf beiden Seiten bestüͤrmet werden, wovon er aber
gleichwol, weil er auf einen unbeweglichen Felsen ruhet, keinen
Schaden zu fürchten hat. Das ganze Gebäu formirt ein
zweyfacher von ungleicher Grösse zusammen gesetzter viereckigter
Thurn, worauf die Türken einiges leichtes Geschütz gepflantzt ha⸗
ben / so von den Janitscharn beständig bewachet wird; und gibt dessen
weise Farbe bey heitern Wettern einen solchen durchtringenden Glanz
von sich, daß man ihn ohne Verletzung des Gesichts nicht wol an⸗
schauen kan. Am meisten ist daran zu verwundern, daß, ob er Brunnen⸗
Wasser
mitten im
Meer.
gleich zwischen zweyen gesalzenen Meer⸗Wassern liegt, es ihm doch
an süssen Wasser niemaln fehlet; und reicht der in der Mitte des
Felsen eingehauene Brunnen⸗Kasten so viel Wasser, als man des⸗
sen benöthiget ist, welches beständig aus dem Felsen herfür quillet,
und nicht, wie man etwan meinen moͤgte, von dem Regen⸗Wasser
aufgesammlet wird.
Als wir durch eine andere Pforten wiederum aus der Stadt Kirchhof
der Tür⸗
ken.
gekommen, befanden wir uns wiederum, so zu reden / in einem
steinern Wald / dessen wir kein Ende sehen kunten. Dann, wie
schon im vorigen Buch erinnert worden, pflegen die Tuͤrken einem
jeden Toden ein neues Grab zu machen, welches sie mit Marmel
oder andern Steinen und Saͤulen auszieren, daher ihre Kirchhöͤfe
in eine also unermeßliche Weite anwachsen, daß man nur von de⸗
nen darauf befindlichen Steinen gar wol ein steinernes Constanti⸗
nopel an statt des gegenwaͤrtigen hoͤlzernen aufbauen koͤnnte. So
bald wir uns wieder ausserhalb der Stadt befanden / begab sich der
Herr Groß⸗Botschafter von seinem Pferd in den Wagen, des⸗
sen Exempel einige andere folgten, um sich vor der Sonnen⸗Hitz da⸗
rinnen zu verbergen; die andern aber behielten ihre Pferde zwischen
den Füssen, und rieten damit nach dem vorigen Lager: Zu welcher
Zeit Seiner Excellenz von dem Französischen Gesandten ein
Teutscher von ihm los gekaufter Sclav an statt des ihm üͤberschickten
Lanquedoker verehrt wurde.
Den 4ten Augusti fertigten Se. Excellenz aus dem ersten Des Frey⸗
herrn von
Zweifel Ab⸗
fertigung
an den
Groß⸗Vi⸗
zir.
Adel den Freyherrn von Zweiffel / samt dem Dolmetsch Herrn
Vorner, den Sprach⸗Knaben Carl Ludwig Momartz
[17] und
einige andern seiner Bedienten zum Groß⸗Vizir ab / so wol in
sei⸗
Y
- 206 -
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
170
seinem Namen für die gestrig überlassene Pferde zu danken, als auch
zugleich zu vernehmen, um welche Stunde es Jhm am gelegensten
wäre, des Herrn Botschafters Visite anzunehmen. Es legte
aber eben an diesem Tag der Mehemet Aga seine Besuchung ab,
und brachte die Nachricht, wie er eben dergleichen Commission an
Des Me⸗
hemets Aga
Zuspruch.Se. Excellenz von dem Groß⸗Vizir hätte. Hierauf dankten Die⸗
selbige für die von Jhm durch die abgestattete Visite erwiesene Höf⸗
lichkeit und freundliches Andenken, ersuchten ihn aber zugleich, dem
Commis⸗
sion an
dem Groß⸗
Vizir.
Groß⸗Vizir in seinem Namen für die Jhnen angebottene Ehre
hinwiederum gebuͤhrenden Dank abzustatten, und zu melden, wie
Sie nichts mehr wuͤnschten, als bestäͤndig oder wenigstens sehr oft
um Jhn zu seyn, weil Sie Sachen von grosser Wichtigkeit mit
Jhm abzuhandeln hätten; es würde Jhnen sehr schwehr fallen, wann
Sie durch die leidige Seuch noch länger von der Stadt solten abge⸗
halten und an ihren Handlungen gehindert werden, weil dadurch
auch zugleich das gemeine Wesen würde leiden müssen. Es hielte
aber der Herr Botschafter höchst vernüͤnftig dafuͤr, daß es nun Ge⸗
legenheit gebe, zu dem Ende an einem dritten Ort auser der Stadt zu⸗
sammen zu kommen, welches vor Jhm noch keinem zugestanden wor⸗
den; wiewol es auch der Mehemet dem Herrn Botschafter von
dem Groß⸗Vizir ungebetten versprochen, auch sich anerbotten, Jhn
dahin zu begleiten, worauf Se. Excellenz zu verstehen gaben, daß es
Jhnen sehr angenehm seyn würde, und zwar um so viel mehr, damit
er dasjenige bekräftigen könnte, was bey dem Passarowitzischen Frie⸗
dens⸗Tractaten abgehandelt worden; und hierauf haben sie den noch
übrigen Theil des Vormittags in allen Vergnuͤgen zugebracht. Die⸗
ser Mehemet war ein ansehnlicher, bescheidener, freundlicher, hold⸗
seeliger und schöͤner Mann, auch bey den Seinigen wegen der Erfah⸗
renheit im Gesetz und andern Sachen in grossen Estime; seine an⸗
nehmlichen Gebehrden und angebohrne Sanftmuth verursachten, daß
er gleichsam immerzu laͤchelte. Unterdessen hat sich auch ein Dol⸗
metsch von den Venetianern eingefunden, um zu vernehmen, wie viel
der Herr Botschafter erlösete Sclaven aus ihrem Lager mit sich
führete, damit zu deren Heimreise könnte Anstalt ge⸗
macht werden.
Zweyte
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir. 171
Zweyte Abtheilung.
DEn 5. dito hat der Herr Groß⸗Botschafter in Besuchung
des Groß⸗Vizirs.
Begleitung seiner ganzen Suite die Visite bey dem Groß⸗
Vizier, oder Obrist⸗Feld⸗Herrn und Stadthalter des
Türkischen Reichs abgelegt, und zwar in eben dieser Ord⸗
nung und mit demjenigen Pracht, als bey dem Einzug in die Stadt
beobachtet worden, auser daß man die Fahnen und Paucken
zuruckgelassen, und die Trompeten nicht geblasen, dergleichen auch
geschehen, da Se. Excellentz den 8ten darauf bey dem Sultan die
Audienz gehabt; unsere Soldaten aber haben das Lager verwahrt,
damit nicht, wie bey dergleichen Gelegenheit gar gerne zu geschehen
pflegt, unter solcher Zeit uns etwas daraus entwendet wuͤrde. Hierzu
wurden jedesmal so wol für den Herrn Groß⸗Botschafter, als
auch für die andern alle die Pferde aus des Sultans oder des
Groß⸗Viziers Stall hergegeben: die Janitscharen waren wieder⸗
um an vielen Orten der Stadt ausgetheilet, und viele vornehme
Kriegs⸗Bedienten, Räthe, Cammerherrn und Richtere hatten uns
mit ihren hohen Buͤnden begleitet. Der Chiaoux Baschi, oder Fehlge⸗
schlagene
List des
Chiaoux
Baschi
Oberster der Bothen, welches eine ansehnliche Bedienung bey den
Türken bedeutet, war zu Einholung des Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ters abgeschickt, wobey er sich allerhand Finessen bediente, um Dem⸗
selben zur linken Hand zu reiten, weswegen er Jhm bald dieses bald
jenes zeigte und erklärte, nur damit er Ursach mit Jhm zu reden
und nahe an seiner Seiten zu seyn haben moͤgte; allein es wusten
Se. Excellentz durch allerhand Wendung seines Pferds dieses gar
artig zu vermeiden; weil sich aber der Türk durch eine so höfliche
Reprimande nicht wolte abweisen lassen / liessen Sie ihm öͤffentlich sa⸗
gen, daß er voraus reiten solte, weil es sich nicht schicken noch sein
Character zulassen wolle, jemand an der Seiten zu leiden, welchem
Befehl auch der Türk gehorsamlich nachlebte, und sich den daruͤber
gefaßten Verdruß im geringsten nicht merken ließ. Hieraus wuͤrde
wol der Herr von Ferriol / gewesener Französischer Gesandter nichts
gemacht haben, wann jener unter dem Reden nichts anders als die
linke Seiten gesucht häͤtte, ob er schon sonst ein Mann von sehr ho⸗
her
Y 2
- 208 -
Zweytes Buch / Zweyte Abtheilung.
172
Des Herrn
von Fer⸗
riols Af⸗
faire mit
dem Tür⸗
kischen
Hof.her Stirn war: ja dieser Herr von Ferriol, sage ich, welcher wegen
seiner Händel in der ganzen Türkey und Frankreich bekannt ist, abson⸗
derlich wegen der bewusten Affaire, die er mit dem Türkischen Hof
gehabt, worinnen er doch nicht reussiren koͤnnen; dann als er ge⸗
sucht, bey dem Türkischen Kaiser mit dem Degen an der Seiten
zur Audienz gelassen zu werden, hatte er zu dem Ende ein weit klei⸗
ners Seiten⸗Gewehr, als sonst gewöͤhnlich, verfertigen lassen, damit
er solches desto eher unter seinen Kleidern verbergen koͤnnte. Allein
dieser Anschlag ist noch zeitlich entdeckt worden, und weil er sich nicht
nach der Lands Gewohnheit accommodiren wollen, sondern vielmehr
protestirt, daß ihm solches zukäme, muste er, da er bereits schon vor
dem Zimmer stunde, doch, ohne den Kaiser zu sehen, wieder abzie⸗
hen, kunte auch mit aller seiner Bemuͤhung nicht mehr zu wege brin⸗
gen, daß man ihn nochmaln vorgelassen hätte.
Bey diesem Zug sind wir durch eben die Pforten gefüͤhrt wor⸗
Grosser
Brand zu
Constan⸗
tinopel.den, durch welche wir vor etlichen Täͤgen unsern Einzug genommen,
dabey wir aber einen ganz andern Weeg gehalten, doch endlich zu
derjenigen Gegend gekommen, wo im 1718ten Jahr den 17. Ju⸗
li der grosse Brand in der Stadt ohnweit dem Meer entstan⸗
den; dann weil der Nord⸗Wind das Feuer sehr heftig angeblasen,
sind dardurch 51000. Häuser, 2283. Kramladen, 171. Kirchen,
152. Palläste, 130. Oefen / 80. Roß⸗Mühlen, 98. Stadt⸗Bäder,
1601 ofentliche Schulen in die Asche gelegt, und bey 14 bis 15000.
Menschen auf einmal verbrandt worden. Dabey haben der Kaiser
und Moufti, ihr oberster Priester, sehr viel gelitten, als denen ihre
meisten Palläste dardurch im Rauch aufgangen. Um zwey Uhr in der
Nacht ist die Brunst entstanden, und hat sich nicht eher als des andern
Tags um 4. Uhr wieder gelegt, also daß die Stadt von diesem schäd⸗
lichen Feuer bey 30. Stunden illuminirt gewesen. Aber man hat
sich darüber nicht so gar sehr zu verwundern; dann weil die Häͤuser
denen Hüner⸗Ställen sehr gleich kommen, gar nahe an einander ste⸗
hen, aus Holz und Leimen zusammen geklebt sind, welcher leztere vom
Feuer ohnedem bald erhitzt wird, anbey die Gassen so eng, daß die
Dächer beynahe an einander stossen / kan es nicht anderst seyn, als
daß bey einmal ausgebrochenen Feuer ganze Gassen darauf gehen
müͤssen / und kan auch die Flamme nicht eher gestillt werden, bis es kei⸗
ne zum Brennen taugliche Materie mehr findet; weswegen man
die
- 209 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
173
die Hauser entweder niederreissen und solcher gestalt dem Feuer die
Nahrung entziehen, oder der Flamme ihre Wut so lange lassen muß,
bis sie von selbst wieder nachlaͤßt; so beschwehrlich aber das eine, ab⸗
sonderlich bey Nacht und entstehenden Nord⸗Wind ist, so gefährlich
und betruͤbt duͤrfte manchem das andere Mittel vorkommen. Doch
darüber haben viele ihre besondere Gedanken gehabt, daß / wie kurz
vor des Graf von Oettingen Ankunft in die Stadt Constanti⸗
nopel 72000. Häuser abgebrannt sind: also auch jetzo nur den Tag
Merkwür⸗
dige
Feu⸗
ers⸗Brunst
bey der vo⸗
rigen Ge⸗
sandt⸗
schaft.
vor den geschlossenen Frieden zu Passarowitz diese grosse Feuers⸗
Brunst entstanden. Im Vorbeyziehen kunten wir noch die traurige
Merkmale davon sehen, nemlich, die verbrannten Kirchen⸗Daͤcher,
das zerschmolzene Bley, die zersprungene Glaß⸗Scheiben / zerstörte
und verbrochene Brunnen, und dann auch des Kaisers Arcadii
Säulen / welcher das Erdbeben ohne dem schon stark zugesetzt
hat, daß man wegen ihrer vielen Risse sie aller Orten mit eisernen
Reifen belegen müssen, anjetzo aber durch das Feuer und dem Rauch
ganz schwarz worden; wie sie dann auch heutiges Tags die Verbrannte
genennt wird, und unter diesem Namen allenthalben bekannt ist.
Endlich sind wir in des Groß⸗Vizirs Pallast, und zwar in
Groß⸗Vi⸗
zirs Pal⸗
last.
demjenigen angelangt, welche dieselbige insgemein, wann sie gleich ih⸗
re eigene Häͤuser haben, zu derjenigen Zeit bewohnen, in welcher sich
der Sultan in der Stadt aufhält, weil solcher nicht weit von der
Kaiserlichen Burg, und sie also gleich, wann man ihrer vonnoͤthen
hat, bey der Hand seyn können. Dieser hatte drey Höfe, wo⸗
selbst die Janitscharen in Ordnung stunden, auf dessen ersten die Be⸗
dienten, auf dem andern der Adel, und auf dem dritten nahe bey der
Stiegen der Herr Groß⸗Botschafter selbsten von dem Pferde
stieg. Es hat dieser Pallast zwar einen sehr weiten Umkreiß, aber
die Bau Kunst ist gar schlecht daran observirt, und durch die un⸗
zehlichen Winckel ganz verstellt. Hier giengen die Chiausen mit
ihren Strauß⸗Federn auf dem Haupt und silbernen oder mit Sil⸗
ber beschlagenen Stäblein in den Händen voran, wie von deren Be⸗
schaffenheit schon in dem ersten Buch Meldung geschehen; dann die⸗
se Chiausen sind nichts anders als Bothen, welche man darzu ge⸗
braucht, daß sie fremde Gaͤste empfangen, oder sie, ihnen den Weeg
zu zeigen, voraus schicket: wir selbsten befanden uns in der Mitte /
und einige andere aus den Tüͤrken folgten.
Im
Y 3 - 210 - 174
Zweytes Buch / Zweyte Abtheilung /
Jm Hinaufgehen trafen wir zur rechten Hand den Harem,
Der Ha⸗
rem oder
das Sa⸗
rallien der
Kaiserli⸗
chen Prin⸗
zeßin.oder das Serallien der Kaiserlichen Prinzeßin an, in welchem sie
viele hundert Sclaven ihres Geschlechts um sich hat, wie mich
diejenige, welche es gesehen, berichtet haben, über die sie zu gebieten,
sich ihrer Dienste nach Gefallen gebraucht, sie beschenkt, straffet, fort⸗
schaft, befördert, wie es ihr im Kopf kommt; es wird aber auser de⸗
nen Verschnittenen kein ander Mannsbild hineingelassen, wie dann um
dieser Ursach willen acht abscheuliche Mohren bestäͤndig vor der Thuͤr
Wer des
jetzigen
Groß⸗Vi⸗
zirs
Ge⸗
mahlin.
die Wacht halten, welche diejenige, so sich etwas zu nahe hinzuma⸗
chen wollen / abhalten. Aber was wüͤrden so viele Wachter nutzen,
wann die keusche Schamhaftigkeit oder eheliche Treue manquirte?
Vor diesem Zimmer haͤnget ein mit Gold schoͤn gestickter Vorhang,
und die darinn wohnende ist des Groß⸗Viziris
Gemahlin, des regieren⸗
den Kaisers Ahmed Prinzeßin, welche dazumal das 15te Jahr noch
nicht erreicht hatte. Vorher war ihr schon der Ahli Bascha, der
die Grichische Landschaft Morea den Venetianern abgenommen und
unter das Türkische Joch gebracht, zu ihrem Gemahl gegeben, da
sie noch ein Kind von acht Jahren gewesen; doch hat er diese seine
Gemahlin, oder vielmehr Gespons, niemaln mit einem Aug gesehen,
noch viel weniger beruͤhrt, ob er sie schon zum Lohn seiner Tapfer⸗
keit damaln zur Ehe bekommen, als er nach uͤberwundenen Feind
siegreich wiederum zu Hauß angelanget. Es ist aber dieses eine bey
den Türkischen Kaisern schon lange hergebrachte Gewohnheit, daß
sie denen Stadthaltern oder Baschen, die sie uͤberreden wollen, daß
sie ihnen mit sonderbahrer Gnade zugethan wären, zum Zeichen ih⸗
res beständigen Wolwollens, ihre Prinzeßinnen, so bald sie nur ge⸗
bohren sind, zur Ehe versprechen, daher es dann leichtlich kommen
kan, wie es auch oft geschiehet, daß sie unterschiedlichen gegeben
Politique
der Türki⸗
schen Kai⸗
ser in Aus⸗
stattung
ihrer Prin⸗
zessinnen. werden, ohne daß sie ihre zugedachten Maͤnner, oder diese sie, jemaln
zu sehen bekommen. Hierunter aber ist eine grosse Politique dieser
Kaisere verborgen; dann erstlich versorgen sie auf solche Weise ihre
Prinzessinnen auf das reichlichste, ohne daß es ihnen im geringsten
was kostet, indem sie sich einen solchen Tochter⸗Mann erwählen,
der das Kind, wann es noch in der Wiege liegt, mit einer kostba⸗
ren Morgen⸗Gab versehen, dabey auch Königlich und auf das proper⸗
ste erziehen lassen muß, ob sie schon noch in ihres Kaiserlichen Herrn
Vaters Händen ist: Hernach dienets ihnen auch darzu, daß sie auf
eine
- 211 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
175
eine ganze unverdächtige Manier derjenigen Schätze an sich ziehen
können, welche ihnen um ihrer Macht willen verdächtig scheinen, und
vor welchen sie in Gefahr stehen, Reich und Leben zu verliehren;
dann weil es für keine geringe Ehre geachtet wird, des Kaisers Ei⸗
dam zu seyn / welches gleichwol andere mit neidischen Augen anse⸗
hen, greifen sich in diesem Stuck auch die Allergeitzigsten über die
maßen an, und wollen in Unterhaltung ihrer zugedachten Gemah⸗
lin für verschwenderisch gehalten werden. Hierbey ist auch noch Neben des
Kaisers
Prinzessin
darf keiner
eine Frau
oder Con⸗
cubin ha⸗
ben.
was besonders anzumerken, daß, ob schon das Mahometische Ge⸗
setz jedermann frey lässet, vier rechte Ehe⸗ Weiber und darneben so
viel Concubinen zu haben, als man ernehren kan, es jedoch durch
die Gewohnheit eingeführt ist, daß niemand, der eine Kaiserliche
Prinzeßin zur Ehe hat / weder andere rechtmäßige noch auch Kebs⸗
Weiber darneben haben darf, sondern alle zum Zeichen der schuldigen
Hochachtung gegen das Kaiserliche Geblüth, von sich schaffen
muß: wordurch diese schlaue Regenten ohne Zweifel inten⸗
dirt, damit ihre Prinzessinnen allein Erben seyn, wann ihr Ge⸗
mahl ohne Kinder absterben solte / welches sich gar bald ereignen kan,
und solte es auch durch ihre eigene Beyhuͤlfe geschehen; oder damit sie
doch mit andern in die Erbschaft eintretten koͤnnen, wann etwan aus
einer andern Ehe ein maͤnnlicher Erb uͤbrig wäre: und durch diese
Maxime ergiessen sich alle Ströme des Reichthums in das Kaiserli⸗
che Meer, von dar sie aber nicht leicht wiederum heraus fliessen.
Wie aber diese vorgedachte Prinzeßin in ihrer noch ersten
UnDer Groß⸗Vizir Jbra⸗
him des
Kaisers
Tochter⸗Mann.
⸗
schuld so
geschwind zu zweyen Männern gekommen, solches hat sich
folgender gestalt zu getragen:
Nachdem Ahli in dem für die Tür⸗
ken
unglüͤcklichen Treffen bey Peterwardein
geblieben / ist Jbra⸗
him
von Grichisch⸗ Weisenburg zuruck
gesandt worden, den
Verlauf dieser Schlacht und Ubergab
der Vestung dem Hof aus⸗
führlich zu
berichten, da er dann zum Caimacan oder Stadthal⸗
ter erklärt,
und ihm zugleich diese jungfräͤuliche Wittib zur Gemah⸗
lin gegeben
worden / ohnerachtet er schon selbst aus andern Toͤchter
erzeuget, welche schon verheyrathet
und älter als diese ihre neue
Mutter waren. Er hat aber seine neue
Braut oder vielmehr Ge⸗
mahlin im
ersten Jahr eben so wenig als der Ahli gesehen, weil sie
noch nicht mannbar wahr, und
deswegen in ihres Kais. Herrn Vat⸗
ters Residenz
so lang verblieben, bis sie das Jahr darauf an Kräf⸗
ten
- 212 -
176
Zweytes Buch, Zweyte Abtheilung
/
ten so weit zugenommen, daß sie ihm
in seinen eigenen Pallast zu
Vermehrung seines Geschlechts
überlassen werden kunte; bey wel⸗
chem sie sich
nunmehro aufhäͤlt, sein Vergnüͤgen vermehren hilft,
und ihn im uͤbrigen füͤr sie sorgen
laͤßt, die andern Weiber und Scla⸗
vinnen aber
hat er nach Landes⸗Gebrauch von dieser Zeit alle von
Dessen
liebste
Sclavin.
sich weg schaffen muͤssen. Unter
diesen letztern war eine Venetia⸗
nerin, die er über die massen liebte, und von den Janitscharen um
800. Ducaten gekauft hatte, welche
er seinen Zugzieher, den die
Türken Mardar nennen, zur Ehe
gegeben: als sie nun einmal
krank darnieder lag, liesse sie den
Jußoff oder Joseph / einen Ju⸗
den, der des
Kaiserlichen Leib⸗Arztes, auch eines Juden, Tochter⸗
Mann war, zu
sich beruffen, um ihre Krankheit zu untersuchen:
wie er nun befunden, daß solche von
der üͤberfluͤßigen Gall herkä⸗
me, und dabey
wuste, daß sie ihre Sclavinnen mit Schlä⸗
gen und
allerhand seltsamen Plagen grausam tractirte, hat er sie, ob
er gleich ein Jud war, zu mehrerer
Sanftmuth und einem Christen
anständigern Wandel ermahnet; sie
solte gedencken, wie sie von Ca⸗
tholischen
Eltern gebohren, die nicht gewohnt wären, die Armen
und Gefangenen so unbarmherzig zu
tractiren: Worauf sie aber ge⸗
antwortet,
wie die in der Dienstbarkeit gezeugt⸗ und gebohrne Mäg⸗
de keines
bessern Tractaments wuͤrdig waͤren; sie muͤsten sich nur
an dasjenige gewohnen, was sie die
Tage ihres Lebens wuͤrden zu lei⸗
den haben.
Und es ist auch gewiß, daß kein erbarmenswüͤrdigerer
Stand auf der Welt zu finden, als
derjenigen Sclavinnen, welche
bey denen abtruͤnnigen Christinnen
dienen muͤssen, indem diese ge⸗
meiniglich
viel schlimmer als die gebohrnen Tuͤrkinnen selbst sind:
sie affectiren eine strenge
Ernsthaftigkeit, und damit machen sie ihrer
Sclavinnen Dienste nicht nur
haͤrter, sondern auch fast unerträg⸗
lich. Doch
was halten wir uns laͤnger bey denen Sultaninnen und
Türkischen Weibern auf; laßt uns
viel lieber wieder zu den Mäͤnnern
kehren, mit welchen wir jederzeit
ungehindert umgehen koͤnnen: dann
ich glaube nicht / daß jemand von
unsern Leuten mit Wahrheit sagen
wird, er habe eine solche
Gemeinschaft mit den Tüͤrkischen Wei⸗
bern gehabt,
wordurch er etwas von ihren Heimlichkeiten erfahren
hätte. Nachdem wir nun noch etliche
andere Zimmer zwischen
denen auf beeden Seiten rangirten
Türken vorbey gegangen, wurden
wir in dasjenige geführt, wo der Groß⸗Vizir den Herrn Groß⸗
Bot⸗
- 213 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
177
Botschafter empfangen hat.
Es ist aber allhier zu wissen, daß Gebrauch
bey Abstat⸗
tung der
Visiten.
bey den vornehmsten Tuͤrken der
Gebrauch / daß, wann man bey ei⸗
nem die Visite
ablegen will, man eher in dem Zimmer, als der Herr
desselbigen, seyn müsse; alsdann
kommt erst nach einer kleinen Ver⸗
weilung der
Patron des Hauses, welcher von zweyen, so ihn unter
den Achseln gefasst / geführet wird;
hinter ihm aber folgen seine Pa⸗
ge und
Bedienten, die mit ihrem gewöͤhnlichen Geschrey ihres Herrn
Ankunft zu erkennen geben. Jene Mode
schreibt sich von dieses Vol⸗
kes Hochmuth
her / welche sich besser als andere achten; wie ich dann
eben diese Gewohnheit auch zur
andern Zeit beobachtet, nicht weniger
aber auch wahrgenomen, daß, wie sie
nicht aufstehen, wann sie jemand
bey dem Eintritt sitzend antrifft,
also auch niemand im Weggehen beglei⸗
ten, sondern
es durch ihre Bediente verrichten lassen. Der einige Mouff⸗
ti /
ihr oberster Priester, hat die Ehre, daß ihn der Groß⸗Vizir Jm Anse⸗
hen des
Moufti.
bey seiner Ankunft entgegen kommen,
und bey dem Weggehen wie⸗
derum bis an
die Thuͤr des Zimmers begleiten muß, von dar er gleich⸗
falls andern
zur Begleitung uͤberlassen wird. Der Sultan selbst
stehet von seinem Thron auf, wann
Jhn der Moufti zu besuchen
kommt, da doch der Groß⸗Vizir sich
vor seinem Kaiser mit dem
Angesicht auf die Erde wirft, um
damit zu verstehen zu geben, daß
er, welcher doch in dem ganzen Reich
der Vornehmste, in Gegen⸗
wart des
Sultans der Geringste / ja noch weniger als der Geringste
ist. Das Zimmer des Groß⸗Vizirs, welches an dem bey den
Sofaus erhabenen Ort mit weis
Sammeten von Gold gestickten
Teppichen belegt war, ist nicht
sonderlich groß, aber von Tüͤrken
also angefüͤllt gewesen / daß sie
uns bey nahe solten zerquetscht haben,
und gieng das Geträng erst recht an,
als die Kaiserliche Geschen⸗
ke durch die
Heiducken hinein gebracht worden: so war auch der gan⸗
ze Pallast
von den vornehmsten Feld⸗Herren und Staats⸗Bedienten
besetzt, welche ihn gleich als einen
von Himmel herab gestiegenen Gö⸗
tzen verehrt,
und die gröͤsten Männer unter ihnen so gar seine Fuͤs⸗
se geküßt
haben.
Hierauf wurden dem ersten Adel in demjenigen Zimmer, wo
der Herr Groß⸗Botschafter mit dem Groß⸗Vizir neben einan⸗
der auf der Sofaus sassen, die Caftans ausgetheilt, gleich wie
denen andern in dem nechst daran stehenden, welche letztere sich auf
hundert Stuck beliefen; über besagtem Zimmer waren noch vier
andere,
Z
- 214 -
Zweytes Buch/ Zweyte Abtheilung.
178
andere, von zimlicher Groͤße, die zu des Groß⸗Vizirs oder der
Türkische
Canzley. Türkischen Reichs⸗Canzley dieneten; woselbst die Herrn Canzeli⸗
sten wie s. v. die Schweine auf dem Boden herum gelegen, und weder
mit Polster noch was anders versehen gewesen, ausser daß vor oder viel⸗
Schreib⸗Zeug. mehr neben ihnen auf der Seiten ihre Schreib⸗Truͤhlein stunden,
worinnen sie ihre Feder, Dinten / Messerlein, Papier und andern
Werkzeug verwahret hatten; dabey ich bemerkt, daß sie sich
weder der Gäͤnse⸗noch Schwanen⸗Kiel zum Schreiben bedienen,
sondern ihre Schreib⸗Federn aus Rohr machen, wie dann auch ihre
Dinte und Papier viel dicker und groͤber als das unsrige ist: wann
sie schreiben, legen sie die Hand unter das Papier, welche ihnen an
statt des Tisches, Pult⸗Brets und alles andern dienen muß, so daß
sie ihre ganze Schrifft gleichsam in der Luft verfertigen. Doch wir
begeben uns wieder in das Audienz-Zimmer, allwo nach beider⸗
seits gewechselten Bewillkommungs⸗Complimenten der Herr Groß⸗
Botschafter folgende Rede in Lateinischer Sprache gehalten:
Seine geheiligte Römische Kaiserliche auch in Germa⸗
Rede des
Groß Bot⸗
schafters
an den
Groß⸗Vi⸗
zir.
nien / Spanien / Hungarn / und Böheim Königliche Maje⸗
stät rc. rc. Carl der VI. wuͤnschen allen denen, so hieran
gelegen ist / zu dem vor einem Jahr geschlossenen Frieden
vielfältiges Glück / und haben mich als Jhren geringsten
Diener mit einigen Vornehmen von Adel Seines Hofes zu
Eur. Excellentz abgefertiget / in Dero Person nicht allein
Sie selbst, sondern zugleich den ruhmwuͤrdigsten Kaiser
der Ottomannischen Pforten zu begrüssen; und hierinnen
bestehet der Befehl meines allergnädigsten Kaisers: was
aber mich anbelangt/ erfreue ich mich sehr/ daß aus
Dessen sonderbahrer Gnade Gelegenheit habe / Eur. Ex⸗
cellentz mündlich zu sprechen / und Jhnen meine Dienst⸗
geflissenheit zu bezeugen. Jch wuͤnsche / daß Euer Excel⸗
lentz in derjenigen hohen Wuͤrde / in welcher Sie bereits
stehen / ein hohes Alter erreichen / und derselbigen noch
mehr andere groͤssere Belohnungen nach Dero hohen Ver⸗
diensten beygelegt werden moͤgen. Mir aber bitte ich
hierbey aus / daß dieselbige mich mit ihrer unverfälsch⸗
ten
- 215 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
179
ten und unverbruͤchlichen Freundschaft beständig beehren
wollen. Mein allergnädigster Kaiser / wie auch Jhro
Hochfürstl. Durchlaucht der Prinz Eugenius von Savoyen
haben anbey zur Bestaͤttigung ihrer durch mich versicher⸗
ten Gewogenheit und Freundschaft verlangt / daß ich Eu.
Excellentz gegenwaͤrtige Schreiben einhäͤndigen solle.
Nachdem der Herr Groß⸗Botschafter seine Rede geendiUberlie⸗
ferung des
Kaisers
und Prin⸗
zen Eugenii
Schreiben.
⸗
get, wurde Sr. Römisch⸗Kaiserlichen Majestät Schrei⸗
ben dem Groß⸗Vizir durch den Herrn Carl Grafen von Ba⸗
thyani / unter dem Kaiserlichen Caraffischen Curassier-Regiment
Obrist⸗Lieutenant; derjenige aber, welchen auf Befehl des Prin⸗
zen Eugenii der Hof⸗Kriegs⸗Rath an Jhn abgehen lassen, durch
Herrn Otto Friederich von Oebschelwitz / Ingenieur-Hauptman,
überreichet. Als nun hier ein beystehender Bascha dem Herrn Gra⸗
fen den Seinigen abnehmen wolte, entschuldigte sich dieser mit ei⸗
ner wolanstäͤndigen Manier, wolte die angebottene Höfligkeit nicht
annehmen, sondern uͤberlieferte solchen in des Groß⸗Vizirs eigene
Hände, welcher hierauf mit den Gebaͤrden und mit dem Mund be⸗
zeigte, daß ihme solche so wol als ihre grossen Uhrheber höchst
angenehm wären; wie er es dann auch dem Herrn Botschafter
durch den Dolmetsch der Pforten dem Mauro Cordato versi⸗
chern lassen. Damit ich aber bey dieser Gelegenheit etwas von des
Groß⸗Vizirs Alter, Natur, Gemüths⸗Neigung und übrigen Sit
Groß Vi⸗
zirs Be⸗
schaffen⸗
heit.
⸗
ten gedenke / so ist derselbige allem Ansehen nach nicht weit uͤber das
fünfzigste Jahr hinaus, und wird von jederman für einen braven /
bescheidenen, liebreichen, klugen und vorsichtigen Mann gehalten, der
die Gesetze genau beobachtet, ein Liebhaber des Friedens ist, und die
Tugend auch an seinen Feinden lobet und bewundert; die Militz er⸗
hält er durch seine Freygebigkeit bey ihren Pflichten, welche sonst
des Kaisers Geitz leichtlich zur Aufruhr bewegen könnte: seine Klei⸗
dung ließ sehr modest, und bestunde in einem langen weis Atlasen
und mit Belz gefütterten Rock, kunte aber nicht besser als durch den
Haupt⸗Bund von denen andern unterschieden werden, als der zimlich
hoch und viereckigt unten etwas weiter als oben, und gleichsam
Schlangen⸗weis in die Hoͤhe hinauf gieng, hatte einen ganz weissen
Umschlag, ausser daß eine guldene Schnur einmal über zwerch
durch⸗
Z 2 - 216 -
180
Zweytes Buch / Zweyte Abtheilung /
durchhinginge, und dessen Ende gleichfalls mit guldenen Fäͤden durch⸗
zogen war, welche auch Büschel⸗ weis durchschimmerten. An dem
Finger hatte er einen uͤberaus grossen und feurigen Diamant steckend;
seine Messer⸗Scheide, wie auch das Heft an dem Messer waren mit
Sapphir, Chrysolith, Carfunckel, Schmaragd, Türkis und andern
kostbaren Steinen reichlich besetzt.
Höret den
Herrn Bot⸗
schafter ste⸗
hend an.
So bald der Herr Botschafter seine Rede geendiget, wel⸗
che, weil es die erste gewesen, der Groß-Vizir wider die Lands⸗
Gewohnheit stehend angehöret, liessen sich beide auf den sehr schöͤ⸗
nen und mit Gold reich gestickten Sofaus nieder. Der Groß⸗
Vizir nahm seinen Platz in den Winkel, gabe Seiner Excel⸗
lentz die Stelle zur rechten Hand, und kehrten beide ihr Gesicht ge⸗
gen die Thüͤr zu, von welcher aber der Groß⸗Vizir mehrers ent⸗
fernet war: ich verstehe aber hier die Haupt Thuͤr, als nach welcher
man bey dergleichen Gepraͤng zu urtheilen pflegt; dann sonsten waͤ⸗
re der Groß⸗Vizir einer andern kleinen Thür naͤher gewesen, durch
welche er nach seinen geheimen Zimmer gehen kunte. Als sie nun
daselbst sich mit einander freundlich unterredet, hat der Herr Groß⸗
Botschafter der Kriegs⸗Gefangenen gedacht, welche Vermög der
Paßarowizer Friedens⸗Tractaten beiderseits müsten ausgewech⸗
selt werden; wobey er auch Mittel vorschlug, wie diejenige, deren
Namen Er aufgezeichnet, zu erfragen wären, und auf was Weise
der Groß⸗Vizir dieses löblich⸗ und GOtt⸗gefällige Werk am
füglichsten befoͤrdern koͤnnte. Unterdessen wurde Caffé, suͤsse Fruͤch⸗
te, Rosen⸗Wasser, Biesam und andere wolriechende Sachen aus⸗
getheilt, davon ein jeder nach Belieben zu sich nehmen kunte: der
Groß⸗Vizir aber nebst andern Vornehmen des Hofes nahme we⸗
gen der noch wehrenden Fasten im geringsten nichts zu sich, damit
sie andern kein böͤses Exempel geben moͤgten. Wolte GOtt! daß
dieses alle Obrigkeitliche Personen beobachteten, und nicht in der
vorgefaßten Meinung stünden, als ob sie an gar kein Gesetz gebun⸗
den wären, so dörfte sich vielleicht das gemeine Volk auch nicht so
viel heraus nehmen, wann sie von ihren Obern nicht geaͤrgert wuͤr⸗
Præsent
des Groß⸗
Vizirs an
den Herrn
Botschaf⸗
ter.den. Bey dem Abschied wurde der Herr Groß⸗Botschafter von
dem Groß⸗Vizir mit einem aus Gold gewüͤrkten und mit Zobel ge⸗
fütterten Caftan, samt einem schöͤnen Rappen mit Sattel und Zeug
nebst einem kostbaren Säbel beschenket, davon Er das Kleid, ehe Er
noch
- 217 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
181
noch aus dem Hof geritten, wieder von sich gelegt, des Pferds aber
sich auf dem ganzen Heimweeg bedienet hatte. Hier wurden wir auch
erinnert, daß wir den vorigen Weeg nicht wieder nehmen solten,
weil der Sultan hierum in der Naͤhe unserer wartete, und uns zu
sehen verlangte; weswegen wir uns, ob wol nicht ohne Beschwehr⸗
nis wegen der engen Gassen, in Ordnung stellten, und einen andern
Weeg aus der Stadt führen liessen, als wir hinein gekommen sind.
Es waren die Höfe im Hauß so dicht mit Leuten angefüͤllt, daß wir
kaum durch kommen kunten, welches auch die Ursach war, daß viele
ihre vorigen Pferde unter dem Volk nicht finden koͤnnen, und ohne
Zweifel zu Fuß hätten heimgehen muͤssen, wann ihnen dißfalls der
Türken Höflichkeit nicht wäre zu statten kommen, als welche frey⸗
willig wieder andere an deren statt zugefuͤhret hatten.
Den 6ten ist ein von den Franciscanern zu Adrianopel ausgeloͤß⸗
ter Sclav von Neapolis gebürtig / nach einer zweytägigen Krank⸗
heit in der Nacht ploͤtzlich gestorben, und auch alsobald begraben wor⸗
den, weil zu besorgen stunde/ es duͤrfte der Coͤrper wegen der gros⸗
sen Hitze einen uͤblen Geruch machen, und zu böͤsen Krankheiten Ge⸗
legenheit geben. Diesen Morgen wurden unterschiedliche entweder
Amts oder anderer Geschäͤfte halber in die Stadt geschickt; Graf
Kinigl mit dem Dolmetsch Herrn Theyls an den Groß⸗
Vizir abgefertigt; der Herr von Dierling aber, als Botschafts⸗
Secretair, samt dem ersten Kaiserlichen Dolmetsch bey der Pforten,
Herrn Vorner / nach dem Reis⸗Effendi / oder Reichs⸗Canzler
abgesandt; und als diese letztern auf den Mittag wieder zurüͤck kom⸗
men, sind sie alsobald wieder dahin versendet worden, wie sie dann auch
die darauf folgende ganze Nacht in ihres Kaisers Verrichtungen
zu gebracht. Fast eben um diese Zeit kam der Französische Gesandte in
Französi⸗
schen Ge⸗
sandten
Visite bey
dem Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafter.
Begleitung vier und zwanzig Person, so theils Edelleute, theils
Hauß⸗Bediente oder Kaufleute von Galata und Pera waren, aus
der Stadt ins Lager zu uns geritten, dem Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter die Visite zu geben. Selbiger wurde bey dem Eingang
von dem Hof⸗Marschalk Freyherrn von Seebach, deme noch zwey
aus dem andern Adel zu gegeben wurden, begleitet, und von dar
durch die Hauß⸗Bedienten, ersten und zweyten Adel, so zu beiden
Seiten ausgetheilt stunden, biß zum Herrn Botschafter geführt,
wo⸗
Z 3
- 218 -
Zweytes Buch / Zweyte Abtheilung /
182
Leibwacht
ist nur dem
Kaiserl.
Botschaf⸗
ter erlaubt. wobey die Leib⸗Wacht, so allhier keinem als dem Kaiserlichen
Botschafter erlaubt ist, im Gewehr stunde. Jn dem Vor Zim⸗
mer, oder vielmehr in dem bedeckten Gang, welcher denen, so die
Türkische Bau⸗Art mit Augen angesehen, oder aus einem Riß oder
Büchern erlernt haben, wol bekannt ist, hat der Herr Groß-Bot⸗
schafter seiner erwartet, und nach geschehener Umhalsung und ab⸗
gelegten Bewillkommungs⸗Compliment, in sein inneres Zimmer
geführt. Uber der Thüͤr gegen Norden war an der Bühne ein von
rother dicker Seiden mit Gold reichlich besetzter Himmel aufgehän⸗
get, unter welchem sich Seiner Römisch⸗Kaiserlichen Ma⸗
jestät / Carl des Sechsten Bildnis, ganz geharnischt in
Manns⸗Grösse auf einem mit rothen und mit Gold reich verbräm⸗
ten Damast⸗überzogenen Tisch (dergleichen auch die Stühle und übriger
Ausbutz war) præsentirt; über dieser sassen etwas zur rechten / wei⸗
len es in der Mitten wegen eines daselbst stehenden aus weisen Mar⸗
mor gehauenen Brunnen nicht seyn koͤnnen, beyde Herrn Bot⸗
schafter auf zween Lehen⸗Sesseln gegen einander von der Thuͤr in
gleicher Weite entfernet, wie es dann auch die Abtheilung des Zim⸗
mers nicht anders zu lassen wolte. Es uͤberliessen Se. Excellenz
dem Französischen Gesandten Ehrenthalben in seinem Logis das Fen⸗
ster und kehrten sich hingegen mit dem Rücken gegen die Mauer,
woruͤber sich jener auch sehr vergnuͤgt bezeugte. Hier unterhielten
sie einander mit vertrautem Gespraͤch, und erinnerten sich an diejeni⸗
gen ehmaln aufgehabte Commissionen, welche zu cachiren anjetzo
nicht mehr noͤthig war. Endlich verlangte der Französische Gesand⸗
te den Teutschen Adel zu sehen, worinnen Jhm auch gleich willfah⸗
ret worden, und ist kaum zu sagen, welcher Theil es dem andern an
Höflichkeit zuvor gethan / ob nemlich die Unsrige mit Offerirung ih⸗
rer Dienste, oder jener mit Bezeugung seiner Dankbarkeit sich am
meisten signalisirt. Unterdessen wurden allerhand Teutsche, Unga⸗
rische, Welsche und Frantzösische Weine, nebst Caffé, Citronen⸗
und Kirschen⸗Wasser, Mandel⸗Milch, Zucker⸗Brod, und andere
dergleichen Delicatessen von den Edel⸗Knaben und Dienern des
Herrn Groß⸗Botschafters herum gelangt, davon ein jeder nach
Gefallen nehmen kunte, wie dan auch die Bedienten und Hauß⸗Genos⸗
sen ihren Antheil bekommen; dabey sich dann die nun aufs neu mit
uns
- 219 -
Abbildung:
Audienz des Röm.-Kaiserlichen Groß-Botschaffters bey dem Sultan.
- 220 -
- 221 -
Des Hn. Groß⸗Botschafters Audienz bey dem Sultan.
183
uns verbundene Franzosen so wol in die Teutsche Manier zu schicken
gewust / daß einigen bey dem Aufbruch ihres Herrn wegen des vie⸗
len Aufgiesens ihre Füsse nicht mehr pariren wollen, sondern mit
sehr ungewissen Schritten folgten. Von dieser Zeit an hat sich der
Herr Groß⸗Botschafter bestäͤndig mit einer Music uͤber der Ta⸗
fel bedienen lassen.
Dritte Abtheilung.
DEn 7ten dito wurden zu der am folgenden
Tag bestimmten Des Hn.
Botschaf⸗
ters Au⸗
dienz bey
dem Sul⸗
tan.
Audienz bey dem Groß⸗Sultan alle Anstalten vor⸗
gekehrt / und in der
Nacht gegen 12. Uhr mehr dann 300.
prächtig aufgebutzte Pferde aus des Sultans Marschstall herbey
geführt / worbey sich auch viele Kaiserliche Bedienten eingestellet,
um uns mit ihren Fackeln
vorzuleuchten. Wir zogen eben diejenige
Strassen, welche wir schon vormals gehalten, Ordnung und
Klei⸗
dung
kam auch uͤber ein, auser daß der Herr
Groß⸗Botschafter
nun in einem Spanischen Mantel⸗Kleid
erschiene, da er sich vorhero Kleidung.
nur seines Teutschen Habits bedient
hatte. Es geschahe aber der
Aufbruch
um dieser Ursach willen bey der Nacht, weil dem Tag
darauf den Herrn Groß⸗Botschafter zu Ehren Divan oder gros⸗
ses Gericht
solte gehalten werden, in welchem alle Beysitzer noch vor
Tags erscheinen müssen. Derselbige
wurde bey dem Stadt⸗Thor
von dem Chiaoux Baschi / oder Vorsteher der Bothen, empfan⸗
gen, woselbst
Se. Excellenz sich aus dem Wagen, dessen Sie sich
bey der Nacht bedient/ zu Pferd
begeben, und so gleich samt uns
in
die Stadt geritten. Als wir in solcher auf dem Almeide⸗ oder der
Verwei⸗
lung auf
dem Almei⸗
de⸗Platz.
alten Grichen Renn⸗Platz kamen,
musten wir uͤber eine halbe Stun⸗
de auf den Pferden halten, weil der
Groß⸗Vizir und andere Vor⸗
nehme noch
nicht vorbey waren, als welche vor uns da seyn und auf
dem Rath⸗Hauß in ihrer gehörigen
Stelle unserer erwarten sol⸗
ten, damit gleich bey Ankunft des
Herrn Groß⸗Botschafters
das Gericht seinen Anfang nehmen
koͤnnte. Nachdem nun die Ge⸗
richts⸗Personen des Divans vorbey
waren, ist die Botschaft weiter
fort
geruckt; und als wir in dem aͤussern Vorhof gegen der SoAnkunft
bey dem
Rath⸗Hauß.
⸗
phia⸗Kirche / welche von
der Göttlichen Weisheit ihren Namen
⸗
führt,
- 222 -
184
Zweytes Buch / Dritte
Abtheilung /
führt, angelangt, begegnete uns der
Kiaha / des Sultans Obrist⸗
Hof⸗Meister, in einem
prächtigen Aufzug und mit grossem Gefolg /
so daß es schiene, als ob er den Herrn Groß⸗Botschafter ein⸗
führen wolte / welcher aber seinen
Weeg weiter genommen, und nur
im
Vorbeygehen Se. Excellenz begrüͤsset hatte. Jn diesem sehr
grossen Hof stunden zu beiden Seiten
die Capigi (Kaiserliche Cäm⸗
merlinge und Wächter), Boltagi
(Holzhacker), Bostangi
(Gärtner),
Chiausi (Bothen), Wekilhargi (Schafner), Ast⸗
chi und Karakullukagi (Ober⸗ und
Unter⸗Köche), Halvadgi
(Zucker⸗Becker), Saka (Wasser⸗Träger), Agiamoglani, Jcho⸗
glani / Peikii (die
Knechte und Edel Knaben) mit ihren Füͤhrern,
die Janitscharn und Soulaks (des Sultans Leib⸗Wacht), Sou⸗
lack⸗Baschi /
Thor Baschi / Oda Baschi / Bairactares (ihre
Feld⸗Herrn, Hauptleute, Lieutenants, Fändrich), die Gebegi
(Schwerdtfeger), Topchi
(Feuer⸗Werker), und zwar alle in ihrer
Ordnungs⸗Tracht / durch welche, als die zu diesem Ende darzu
be⸗
stellt
waren, wir hingezogen, und ihren zuruffenden Glüͤck⸗Wunsch:
Osckeldi, Sabalhei / Sabansheirula /
wir wünschen euch
alles Guts, oder/
guten Morgen, anhöͤren koͤnnen: davon einige
eben dieses uns auf Teutsch nachgeruffen, als welches sie
durch unsern
bisherigen Umgang, und
da sie uns zur Leib⸗Wacht zu gegeben wa⸗
ren, von uns gelernet hatten.
Andere, aber sehr Wenige, so kein
Bedenken trugen, sich öͤffentlich für Freunde der Teutschen aufzu⸗
werfen,
wuͤnschten, daß GOTT mit uns seyn wolle, welches sie in
ihrer Sprach also vorbrachten:
Salameleck! riefen wir ihnen a⸗
ber dieses auf ihre Sprach zu erst
zu, und kamen ihnen mit Höflich⸗
keit zuvor, pflegten sie es mit
ihrem Aleckemi Salam / GOTT
sey euch
gnaͤdig, oder, GOTT segne euch, zu beantworten, wel⸗
ches die Tuͤrken nicht
leichtlich einem ausser ihrer Religion zu wuͤn⸗
schen pflegen, weil sie selbige vor
Jaouren oder Unglaubige halten,
die
des Goͤttlichen Beystands nicht werth seyen; jedoch gibt es auch
höfliche Leute unter ihnen, so ihr
wildes Wesen abgelegt, und bes⸗
ser zu leben wissen. Vor dem zweyten
grossen Burg⸗Thor stieg der
Herr Groß⸗Botschafter an derjenigen
Stiegen, wo der Groß⸗
Vizir und
andere Vornehme abzusteigen pflegen, gleichfalls von sei⸗
nem Pferd, nachdem die
uͤbrigen von dem Comitat schon mitten im
Hof die Pferde verlassen und dem Herrn Botschafter zu Fuß nach⸗
- 223 -
Abbildung:
Der Groß-Sultan
- 224 -
- 225 -
Des Hn. Groß-Botsch. Audienz bey dem Sultan.
185
nachgefolget sind, auch vorhero das
Gewehr, ausser dem Herrn
Botschafter, welcher keines
mit sich geführt, abgelegt hatten.
Diese grossen Thore haben doppelte ungefehr 20. Schritt von einan⸗
der entlegene
Pforten, und jede derselben auch gedoppelte eiserne
Flügel, zwischen welchen beiderseits
die Janitscharn Wacht halten,
bey
deren man aber, wie bey andern Hoͤfen gebraͤuchlich, von auf⸗
gehenktem Gewehr nichts
zu sehen bekommt. Die Thüͤr⸗Schwellen,
Portal, und uͤbrige Zierath waren von Marmel; und oben auf dem
Gewölb der Pforten stehet ein
kleines viereckigtes Zimmer, so, wie
alle andere Gebäue dieses Pallasts, mit Bley bedecket ist. Nicht lang
nach unserer Ankunft kam der Chiaoux Baschi oder Obriste der Einholung
von dem
Chiaoux
Baschi.
Bothen mit noch einem andern
Vorsteher, welcher den zwischen ge⸗
dachten doppelten Pforten warteten
und auf einer Bank unter den
Türken
sitzenden Herrn Groß⸗Botschafter über
den zweyten Vor⸗
hof in den Divan führte. Sie hatten silberne Stäbe in den Hän⸗
den, die oben
mit einem dicken Knopf versehen waren, welchen sie so
oft wieder die Erde stoßten, als oft
sie sich bewegten, oder zu be⸗
fürchten war, daß der Herr Botschafter mit dem Fuß an einem
Stein stossen moͤgte; wie ich
dann solches auch dazumal bemerket,
als nachgehends der Groß⸗Vizir aus
dem Divan zu dem Sultan
geführt worden. Hier hätte man nach
derjenigen Menge, welche
hin und
wieder gelaufen, schliessen sollen, als ob alle Vornehmen im
ganzen Türkischen Reich zusammen
beruffen wären; dann es ist die⸗
ses einer von denjenigen groͤsten
Gerichts⸗Tägen gewesen, so nur alle
drey Monat pflegt gehalten zu werden, und bey welchem denen Sol⸗
daten, damit
der Sultan seinen Reichthum zu zeigen
Gelegenheit
hätte, ein sechs
Monat⸗Sold ausgezahlt werden solte. Jch habe
bey dieser Gelegenheit von den Französischen Kaufleuten
vernom⸗
men, daß der Sultan ihnen schon von
neun Monaten her den
Sold
hinterhalten, um sie damit für ihre Zaghaftigkeit in etwas zu
bestraffen, um deren willen man dem
Feind so viele Städte und Läͤn⸗
der hätte abtretten muͤssen, welches
etwan bey tapferer und langer
angehaltener Gegenwehr vermieden werden koͤnnen: wurde Er in
dieser Zeit um den Sold von ihnen
angesprochen, verwiese Er sie
nach
Temeswar und Belgrad / von daraus sie solchen holen
Divans
Beschrei⸗
bung.
solten. Dieser Divan, in welchen
alle Streitigkeiten unter denen
Türken abgehandelt werden, stosset an das Serrallien, oder an den
Kai⸗
Aa
- 226 -
186
Zweytes Buch, Dritte Abtheilung.
Kaiserlichen Pallast gegen Norden,
dessen rechter Flügel ein kleines
Viereck formirt, das gewoͤlbt, aber nicht gar groß, mit Gold und
Farben sehr zierlich gemahlt, und der
Boden mit Marmel belegt ist:
Rings
herum gehet ein weiter bedeckter auf Marmelsteinern Säu⸗
len ruhender Gang, um
welchen viele Ahorn⸗ und Cypressen⸗Bäͤu⸗
me gepflanzt sind, damit man vor der
Sonnen⸗Hitze gesichert, in den
heisen
Sommer⸗Tägen im kühlen daselbst spatzieren könne; auf
der Seiten der Thür, durch welche man
in Hof gehet, stehet ein
Brunnen,
und gleich gegen üͤber auf der Mittag⸗Seite liegt ein Bad
und die Kuche, worinnen üͤber
hundert Koͤche in beständiger Arbeit
Der Janit⸗
scharn Ku⸗
chen.begriffen: diese Kuche aber ist in viele unterschiedliche
Theile abge⸗
theilt, damit sie durch ihr Hin⸗ und Wiederlauffen einander nicht
hindern, noch ihre Menge eine
Confusion verursache; und zwar
bestehet solche in acht halb⸗gewoͤlbten Boͤgen, deren ein jeder ein
kleines
Häußlein ausmachet, und in
der That nichts anders, als ein hell⸗
leuchtender Camin, so in der Höhe
wie eine Latern zugespitzt ist.
Hier
wird an einem Ort gekocht/ am andern gebraten, anderswo
wiederum etwas anders zu bereitet,
und hat eine jede Sache ihren
eigenen Platz, der von den andern mit Mauern unterschieden ist.
Sold der
Janit⸗
scharn
wie
er gereicht
wird. Aus dieser Kuche wird den
Janitscharn, wann man ihnen den Sold
zahlet, welches alle viertel Jahre, wann nicht was anders darzwi⸗
schen kommt /
geschiehet, der Reiß ausgetheilet. Der Platz zwischen
dem Divan und der Kuͤche ist auf
allen Seiten mit Schranken umge⸗
ben, hinter welchen die Janitscharn
zu dieser Zeit stehen und pas⸗
sen, bis ihnen ihr Sold für die
Thuͤr ihrer Oden, oder Zimmer,
worein sie ausgetheilet sind, geworfen wird, da sie dann
alsobald herfüͤr springen, und wie
unsinnig nach den Saͤcken laufen,
und wo es einer dem andern vor dem Maul wegnehmen will, kriegen
sie sich bey den Koͤpfen / und
schlagen sich pro patria herum, oder
stossen einander über den Haufen, wofüͤr sie zur Belohnung dieser
ihrer nichts wuͤrdigen Tapferkeit
nichts anders als die Ehre haben,
daß sie den eroberten Sack ihren Füͤhrer oder Oda Baschi nach
Hauß tragen darfen, der alsdann erst
einem jeden seinen Antheil zu⸗
zehlet. Es halten aber die Türken
bey Auszahlung ihrer Militz ei⸗
ne ganz andere Ordnung, als wir bey
der Unsrigen zu beobachten
pflegen:
dann wie diejenigen/ so bey uns unter einer Hauptmann⸗
schaft stehen, auch
gleiche Besoldung geniessen, so verhält es sich doch bey
- 227 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Sultan.
187
bey ihnen ganz anders, und hat
mancher sieben, ein anderer acht,
der
dritte hingegen neun und mehr Asperl, ohnerachtet sie alle unter
einem Hauptmann stehen.
Als der Herr Groß⸗Botschafter in den Divan hinein ge⸗
gangen, hatte schon ein jedweder seinen Platz eingenommen, und
wurde angemerkt/ daß im Hineintretten der Groß⸗Vizir sich et⸗
was von seinem Ort bewegt, gleich als ob er ein wenig aufstehen
wolte. Nachdem man nun einige Streitigkeiten, welche der Sul⸗
tan / der hinter einem in der obern Mauer gemachten Gitter ver⸗
borgen war, selbst mit angehöͤret, debattirt hatte, sind eine Menge
gelb lederner Saͤcke, so vor der Thuͤr auf einen Haufen lagen, von Geld⸗Sä⸗
cke für die
Soldaten.
gewissen darzu bestellten, und bey der Cammer in Diensten stehenden
Leuten, die alle grosse Bünde auf dem Haupt hatten, hinein ge⸗
bracht, und vor dem Groß⸗Vizir in 136. kleine Haufen, deren je⸗
der aus zehen Säcken bestunde in eben so viel Linien auf den Boden
des Divans hingelegt worden. Sechs aus diesen Linien hatten vier
und zwanzig, die übrigen aber nur drey und zwanzig Haufen. Zu
beiden Seiten formirten diese Haufen fuͤnf Linien in die Laͤnge, zwi⸗
schen welchen ein leerer Platz gelassen wurde / daß man durch hin ge⸗
hen kunte: eine jegliche dieser Linien aber hielte eine von den andern
unterschiedene Münze in sich, also daß z. E. eine aus Asperl / die
andere aus Para/ die dritte aus Solata oder Jßolat / die vierte
aus Grosch / oder welches eben so viel, Reichsthalern, die füͤnfte,
sechste und so ferner entweder aus gleicher Muͤnze oder doch halben
Reichsthalern oder Gulden bestunde; dann ausser diesen bey den
Türken fast keine andere Silber⸗Münz bekannt ist; ihre letzt ge⸗
prägte Ducaten aber sind unsern Ungarischen am Werth gleich, doch
werden sie in ihren Läͤndern hoͤher angenommen, von welchen auch einige
kleinere Saͤcke angefuͤllt gewesen, deren Gepraͤg, wie auch aller ihrer
übrigen Münze auf der einen Seite aus etlichen Tüͤrkischen Buch⸗
staben, auf der andern aber aus des Kaisers verzogenen Namen be⸗
stehet. Als nun alle Säcke in den Divan gebracht waren, liesse sich
der Groß⸗Vizir bald aus diesem, bald aus jenem Haufen einen
Sack reichen / das Band abschneiden, und das geschlagene Geld in
ein eisern Maaß schuͤtten, und sich zeigen, damit er dessen Güte oder
Falschheit untersuchen köͤnnte, alsdann wurde es nach solcher Unter⸗
suchung mit eben demselbigen Maaß wiederum in den Sack gethan.
Nach⸗
Aa 2 - 228 -
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung /
188
Ehrerbie⸗
tung für
des Sul⸗
tans
Schreiben. Nachgehends brachte man ein Schreiben von dem Sultan herbey,
Krafft dessen Er nicht allein befohlen, die Janitscharn zu zahlen,
sondern auch die Ordnung vorgeschrieben, welche Er damit wolte
beobachtet wissen. Hier ist nicht auszusprechen, mit was für Ehr⸗
erbietung, Demuth und Hochschätzung dieser erste Fürst des Türki⸗
schen Reichs die Befehl seines Kaisers empfangen habe; derjenige,
vor welchem kurz vorher der Janitscharn Aga, Obrist der Kaiserl.
Leib⸗Wacht zu Fuß, welche Feld⸗Herrn Stelle ohnstreitig den zwey⸗
ten Rang im ganzen Reich, wann er absonderlich zugleich Bascha
von dreyen Roß⸗Schweifen ist, nebst andern Vornehmen und bey
den Jhrigen in grossem Ansehen stehenden Türken bey dem Eintritt
im Divan auf die Knie gefallen und seine Füsse geküsset, ist anjetzo
den Uberbringer desselbigen entgegen gegangen, hat das Kaiserliche
Schreiben nicht nur so bald er es erhalten, mit einem Kuß vereh⸗
ret und an die Stirn gedruckt, sondern auch solches Kuͤssen bey des⸗
sen Eröfnung und geendigten Durchlesen zum drittenmal wiederho⸗
let: wobey nicht zu vergessen / daß derjenige, welcher solches Schrei⸗
ben überbringt, bey den Tuͤrken Telkidgi genennet wird, und im
Vorbeytragen durch den Vorhof dasselbige mit der rechten Hand in
die Höhe hält, damit er jederman sehen kan, in der Linken aber ei⸗
nen Stab hat, mit welchem er bey einem jeden Schritt auf die Er⸗
Auszah⸗
lung der
Janit⸗
scharn. de stößt. Nach Durchlesung des Briefs, und Anschaffung der be⸗
nöthigten Säcke vor den Divan, die alle nach der Reihe auf die
Erden gestellt werden, wurden die Janitscharn Haufen weiß nach
Benennung der Zahl I. II. III. &c. herbey geruffen, das sie ohne
Zweifel noch von den Römern gelernet; wobey dann der Janit⸗
scharn Aga mit einem schoͤnen und mit kostbarn Steinen besetzt⸗ und
angeheften Reiger⸗Busch, so lang die Zahlung dauerte, beständig an der
Seiten stunde. Der geruffene Janitscharn⸗Haufen liefe mit aller
Macht den Säcken zu, und truge solche mit sich davon, welche
Kurzweil etliche Stunden angehalten hat. Wann sie diese Arbeit
fein lustig und munter verrichten, ist es ein Anzeichen, daß sie mit
ihrem Regenten wol zu frieden sind; wann sie aber auf die Geld⸗Säͤ⸗
cke nicht hurtig zu greifen, oder den Reiß, davon sie heute wegen der
noch wehrenden Fasten nichts bekommen, verschütten und mit Fuͤs⸗
sen tretten, hat sich der Kaiser einer Aufruhr zu besorgen. Wir
haben solcher ausgetheilten Saͤcke 2360. gezehlt, ohne diejenige, in
wel⸗
- 229 -
Des Hn. Groß Botsch. Audienz bey dem Sultan.
189
welchen das Gold aufbehalten wurde / welche zwar kleiner aber an
der Zahl nicht geringer / und in einen jeden solchen Sack 500. Reichs⸗
thaler oder 1661. Ducaten und 20. Pera waren, so sich in allen
auf eine Summa von 2360000. Reichsthaler oder 786566. Duca⸗
ten und zwey Reichsthaler belauft / wann man nemlich einen Duca⸗
ten auf drey Reichsthaler rechnet, wie sie dazumal gegolten haben.
Jndem man nun in dem Divan hiemit beschaͤftiget war, wurde der Die Bot⸗
schaft wird
in Serral⸗
lien gespei⸗
set.
Adel und üͤbrige Gefolg des Herrn Botschafters ins nechste Sei⸗
ten⸗Zimmer, so gegen der Sonnen Aufgang stehet / zur Tafel be⸗
ruffen, wohin zwar Se. Excellenz auch geladen waren, die sich aber
entschuldigten, und bey dem Groß⸗Vizier im Divan blieben, mit
welchem Er ohne Zweifel würde gespeist haben, wann nicht die jähr⸗
liche Fasten vor dem Bairam solches verhindert haͤtte. Jn diesem Personen/
aus welche
der Divan
besteht.
Gericht ist zu gegen der Groß⸗Vizir, der Capudan Bascha oder
obrist Vorsteher über die See⸗Flotte, der Nischanschi Bascha
(Kaiserlicher Zug⸗Zieher der offentlichen Briefschaften und Befehl,
so die Türken Nischani nennen), welche beide zwar nicht um die⸗
ser Aemter willen, sondern weil sie auch Vizir von drey Roß⸗
Schweifen waren, einen Platz hier begleideten, den der vorige Ca⸗
pudan Bascha nicht gehabt hat; ferner die zwey Cadilescher
(Richter) aus Europa und Asien, drey Tefterdar (Schatz⸗
Meister oder Cammer⸗Vorstehere), der Reis⸗Efendi oder Reis⸗
Kital (Reichs⸗Canzler), dessen Bedienung so viel als ein Königl.
oder Fürstlicher Geheimer⸗oder Staats⸗Rath bedeutet. Der Præses
in diesem Gericht ist jederzeit der Groß-Vizir, ausgenommen in sol⸗
chen Streit⸗Sachen, üͤber welche der Kaiser selbst ein Urtheil zu
fällen beliebt; und wann sich dergleichen bisweilen zutragt, gibt Er
solches mit Zusammen⸗Schlagung seiner Hände zu verstehen, wor⸗
auf so gleich der Chiaoux Baschi oder Vorsteher der Bothen,
welches Amt so viel als bey uns ein Marschalk oder bey den Franzo⸗
sen ein Introducteur oder Einfuͤhrer der Gesandten zur Audienz heis⸗
sen soll, zum Kaiser hinauf gehet, den Befehl vernimmt, und sol⸗
chen den Groß⸗Vizir hinterbringt. Herr Vorner/ erster KaiErlangte
Justiz ei⸗
nes Fran⸗
zosen.
⸗
serlicher Dolmetsch, erzehlte mir, wie sich einesmals in seiner Jugend,
da er noch zu Constantinopel Sprach Knab gewesen, zu getragen,
daß ein Französischer Kaufmann einen Türken oft für Gericht ge⸗
fordert, aber kein Recht erhalten koͤnnen, weil entweder der Richter
die
Aa 3
- 230 -
190
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung /
die Sache nicht recht verstanden, oder nicht allerdings approbirt;
weswegen der Franzos die Hände über den Kopf zusammen geschla⸗
gen, und im Divan in Türkischer Sprach überlaut ausgeruffen:
Gerechter GOTT! ist dann keine Gerechtigkeit mehr in
der Welt? Du bist mein Zeug/ daß mir hiemit das grö⸗
ste Unrecht wiederfäͤhrt. Als dieses der Sultan gehört / gibt
er das gewöhnliche Zeichen, läßt den Chiaoux Baschi vor sich
kommen, und befiehlt, daß man die Sache noch einmal untersuchen
und demjenigen, der recht hat, Gerechtigkeit wiederfahren lassen
solte.
Ordnung
und Pro⸗
cess im Ge⸗
richt.Die Ordnung und Process in
diesem Gericht war dazumal fol⸗
gende: Der
Groß⸗Vizir saß mitten auf einer mit gruͤnen Tuch
überzogenen Banck / gerad unter
demjenigen Fenster, aus welchem
der Kaiser, wann Er zu gegen ist,
die Streit⸗Händel der Par⸗
theyen, und
der Richter darüber gefälltes Urtheil anhörte: unter
seinen Füssen hatte er ein
Staffel⸗hohes Bänklein, seine Kleidung
war weiß, und stellte gleichsam
damit die rechte Beschaffenheit eines
Richters vor, welcher untadelhaft,
rein und gerecht seyn solle; sein
Bund eben also beschaffen, wie ich
solchen neulich bey der Heimsu⸗
chung des Herrn Groß⸗Botschafters beschrieben,
als mit
dergleichen er jederzeit in den
Divan zu gehen pflegt. Zu seiner
rechten Hand saß oben auf der Bank
der Capudan Bascha, Obri⸗
ster über das
See⸗Wesen, in einem gruͤnen Kleid, um gleichsam
durch diese Wasser Farb zugleich
seine Bedienung anzuzeigen, dessen
Haupt mit einem Vizir⸗Bund gezieret
gewesen: Zur Linken die zwey
Richter von Europa und Asien in
roth⸗gewäͤsserten Kleidern / mit
ihren mehr breit als langen
Staats⸗Büͤnden auf dem Kopf. Diese
Leute sind nach ihrer Art, da man
ohnedem bey ihnen nicht viel auf
die Studien häͤlt, ein klein Bißgen
klüger als die andern, welchen
auch die Geheimnisse ihres Glaubens
anvertrauet, und eben in solcher
Authorität stehen, als in unserer
Kirchen die Cardinäle, aus denen
auch gemeiniglich der Mufti, ihr
oberster Priester, erwehlet wird.
Sie urtheilen nach ihrem eigenen
Recht, von welchem man nur un⸗
mittelbar an
den Sultan appelliren kan; muͤssen uͤberall dem Kai⸗
serlichen Hof
nachfolgen / und sitzen dem Groß⸗Vizir allezeit zur
lincken Hand, jedoch mit diesem
Unterscheid, daß der Richter in Eu⸗
ropa die
obere Stelle behauptet, weiln des Sultans Hof anjetzo in
die⸗
- 231 -
Des Hrn. Groß⸗Botschafters Audienz bey dem Sultan.
191
diesem Theil der Welt ist, ob schon
seine meisten Laͤnder in Asien liegen;
wann aber der Sultan wiederum nach
Asien uͤbergienge, dabey aber
gleichwol seine Landschaften in
Europa behauptete, wuͤrde ohne Zwei⸗
fel der
Cadilescher in Asien den Vorzug haben. Der Nischanschi
Bascha, der fast so viel als etwan
der Siegelverwahrer in Frank⸗
reich
oder Engeland bedeuten soll, ob schon
seine Bedienung, wie
aus dem obbemeldten erhellet, ganz
anders beschaffen ist, sintemaln
das Kaiserliche Siegel der Groß⸗Vizir
beständig in Verwahrung
hat / sasse zur rechten Seiten auf
einer besondern mit rothen Tuch
überzogenen Bank, dessen Kleid blau
gewäͤssert, der Bund, wie der
übrigen Vizir, beschaffen, die linke
Hand aber mit einen uͤberaus kost⸗
baren Ring
gezieret war. Neben Jhm war dem Herrn Groß⸗
Disput
über die
dem Herrn
Botschaf⸗
ter einge⸗
raumte
Stelle im
Divan.
Botschafter ein kleiner Stul
gesetzt, auf welchem Er sich auch
Anfangs nieder gelassen: nachdem Er
aber eine kurtze Zeit darauf
gesessen, schickte Er den Dolmetsch,
der Jhm, so lang der Rath ge⸗
dauret,
beständig an der Seiten gestanden, zu dem Groß⸗Vizir/
und ließ anfragen, was dieses zu
bedeuten, daß man Jhn hieher lo⸗
gire da Jhm
doch als einem Kaiserlichen Botschafter die Bank
der Vizir von dreyen Tug oder
Roß⸗Schweifen gebuͤhre, welches
eigentlich die rechtmaͤßige Stelle
derer Ministers vom ersten Rang sey,
und die Jhme vor denen andern
Gesandten, billich zukomme; war⸗
um man Jhn
dann nicht dahin angewiesen? Worauf Jhm der Groß⸗
Vizir wissen
lassen / daß man damit nicht gesonnen, den Rang der
Kaiserlichen Botschafter im Zweifel
zu ziehen, sondern es wäEntschul⸗
digung.
⸗
re nur um
besserer Bequemlichkeit willen geschehen, damit Er alles
Vorlauffende desto genauer
beobachten koͤnnte, wann solches zu En⸗
de, moͤgte Er
sich nach Gefallen einen Platz erwehlen; worauf aber Se.
Excellentz zu verstehen gaben, wie
Sie sich bereits an dem Zeug
sat gesehen: womit Sie auch zugleich
von dem Stul aufgestanden,
und Jhre Stelle auf der Vizir⸗Bank
eingenommen / von der Sie
was noch ruckstäͤndig, folgends mit
angesehen haben. Gegen dem
Nischanschi Bascha zur Linken hatten
die drey Tefterdar ihre
Stelle auf einer absonderlichen Bank
eingenommen, welche aber
nicht wie die vorigen uͤberzogen
war; dieselbigen werden nach ihrer
gemachten Eintheilung Vorstehere der
ersten zweyten und dritten
Schatz⸗Cammer genennt, unter welchen
auch Mehemet Efendi/
der
- 232 -
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung
/
192
der andere Gevollmaͤchtigte bey dem
Paßarowitzischen Frieden, sich
befunden. Firdefs Efendi, der
Türkischen Botschaft Secretaire
bey ermeldter Friedens⸗Handlung, wie
auch andere Canzelisten,
Schreiber und dergleichen Leute von
der Feder, spatzirten entweder
in dem Neben Zimmer auf und ab, oder
stunden um die Banke her⸗
um. Diese
Bursche, wann sie nur ein wenig Schreiben gelernet,
ob es schon oft aussiehet, als ob es
die Hüner zusammen gekratzt hät⸗
ten, und man
es kaum lesen kan, weil weder Anfang noch Ende dar⸗
Efendi
wer
sie sind.an zu sehen,
werden gleichwol Efendi oder Rechts⸗Hoch⸗ und
Wohlgelehrte Herren genennt.
Besagtes Neben⸗Zimmer wird von
einer vier Schuh hohen Mauern, deren
hineingestossene Höͤlzerne
Sparrn ein Gitter formiren, von dem
andern unterschieden; und
ob es zwar von unten das Ansehen
hat, als wären es zwey ganz von
einander abgesonderte Zimmer, so
siehet man doch oben, daß sie beide
nur ein einig Gewölb
haben. Jn erst gedachter Mauer ist eine
Thür, durch welche der Reiß⸗Efendi
in den Rath gehet; dieser
pflegt auch Rechts⸗Händel
vorzutragen, wie er dann heut gleich
Anfangs eine Schiffs⸗Affaire
proponirt hatte. Der Groß⸗Vi⸗
zir machte
diesesmal unter andern einen Streit⸗Handel mit Zerreis⸗
sung des
andern Supplication ein Ende. Darauf kamen andere zum
Vorschein, welche über von andern
erlittenen Schaden, Unrecht, Be⸗
trug rc.
klagten, die aber alle mit gleicher Geschwindigkeit abgefertigt
wurden.
Die Partheyen werden füͤr dieses Gericht nicht so wol hinein⸗
Procedi⸗
rung in
Beylegung
der Hän⸗
del. geführet, als vielmehr mit Gewalt hinein geschleppet, und von
zweyen unter den Achseln unterstützt / oder besser zu sagen, mit den
Armen dermassen in einander verwickelt / daß sie sich von selbsten
nicht leicht mehr loß machen koͤnnen, so dann werden sie auf gleiche
Weise auch wiederum hinaus gezogen. Dieses hat mir absonderlich
wol gefallen, daß Sachen von nicht geringer Wichtigkeit, bloß
durch Abhörung der Zeugen, und Untersuchung des aufgebrachten
Beweisses, ganz schleunig debattirt worden. Jst es ein Handel,
worinnen einer dem andern augenscheinlich zu betriegen gesucht, ver⸗
liehrt er nicht nur seine Sache, sondern wird noch zu einer Geld⸗
Straffe / oder auch zu einer gewissen Anzahl Prügeln / wann die
Falsche
Zeugen
bey den
Türken
gemein.Affaire darnach beschaffen ist, condemnirt. So geschwind aber
die Gerichts⸗Händel bey den Türken abgethan, und so unverzüg⸗
lich
Des Herrn Botschafters Audienz bey dem Sultan.
193
lich die Gerechtigkeit administrirt wird, wann der Richter die Sa⸗
che recht eingenommen hat: so grosses Mißtrauen hat man in die
Zeugen zu setzen; sintemalen man alle Tage dererjenigen, so viel man
will, mit Geld erkaufen kan, welche alles bejahen, was man ihnen
zumuthet, wann sie gleich niemaln etwas davon gesehen oder gehöͤ⸗
ret / und wann man es haben will, scheuen sie sich nicht, ihre Aus⸗
sage gar mit einem Jurament zu bekraͤftigen; dann solche Leute füͤrch⸗
ten sich vor dem Meineid so wenig, als der Fuchs vor den zeitigen
Birn oder jungen Gaͤnsen. Es werden aber keine andere Zeugen
angenommen, als welche der Tüͤrkischen Religion zugethan sind; da⸗
hero es dann kommt / daß das groͤßte Recht oft zu dem gröͤsten Un⸗
Betrogene
List eines
mit fal⸗
schen Zeu⸗
gen unter⸗
stützten
Klägers.
recht gemacht wird: und hat mir der fromme Vatter Jacob Ca⸗
chot / ein wegen seines Seelen⸗Eifers und Liebe des Nächsten auch
grossen Erfahrnus in Türkischen Sachen zu Constantinopel gar
sehr bekannter Priester aus der Gesellschaft Jesu / einsmals erzehlt,
daß Herr Fournette, erster Französischer Dolmetsch / von einem Tür⸗
ken vor Gericht gezogen und auf drey tausend Piaster oder tausend
Ducaten / welche er ihm doch niemal schuldig gewesen, angeklagt
worden. Nun wuste er, daß schon Zeugen bestellt waren, die vor
Gericht mit einem Eid bekräftigen solten, daß er diese Summa von
dem andern empfangen habe, weswegen er fast keinen Rath fin⸗
den kunte, sich aus dieser verwirrten Sache zu wickeln; dann hätte
er die Schuld bekennet, so war die Bezahlung das nechste: wuͤrde er
es aber, wie billich, laͤugnen/ und dessen gleichwol von den falschen
Zeugen überwiesen, muͤste er nicht nur das Geld, sondern noch eine
gewisse Straffe darzu erlegen. Was nun zu thun? Er bekennt die
Schuld, gesteht aber auch, daß er dem andern einen Diamant von
600. einen Carfunkel von dreyhundert, und einen Schmaragd von
400. Ducaten auf Abrechnung gegeben, welches alles dann seine
mit gebrachte Zeugen bestäͤttigen musten; und also hatte er List mit
List bezahlt, und noch einen guten Profit darzu gezogen, von welchen
er seine gedingte Zeugen aufs beste befriedigen köͤnnen; woruͤber der
Türk selbst lachen und ihn für kluͤger als sich halten müssen. Es ist Falsche
Zeugen
zeugen wi⸗
der ihre ei⸗
gene Par⸗
they.
auch ein Gesetz bey den Tüͤrken, Vermoͤg dessen zweyer Brüͤder Kin⸗
der, davon die einen maͤnnliches / die andern weibliches Geschlechts
sind, mit einander in die Erbschaft tretten und nach den Koͤpfen er⸗
ben; hingegen wann beyde Brüder Sohne haben, so bleibt das vä⸗
terli⸗
Bb
- 234 -
194
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung /
terliche Erb bey eines jeden seinen Kindern / und hat der andere Theil
nichts dabey zu suchen. Nun trug sich einsmals zu, daß ein Bru⸗
der ohne mäͤnnliche Erben abgieng / der andere aber einen Sohn im
Leben hatte: beyde Brüder waren Christen, nemlich Armenier oder
Grichen, die unter Türkischer Botmäßigkeit stunden, welches ich dar⸗
um melde, weil sonst alle andere Völker ihr eigenes Recht haben,
es sey dann, daß sie mit einem Tüͤrken zuthun bekommen; damit
nun dieser mit seinem Sohn, als welcher Vermoͤg des Gesetzes nur
einen Theil haben solte, die Erbschaft ganz behaupten moͤchte, gab
er vor, wie er noch bey seines Bruders Leb⸗Zeiten dessen Hauß ge⸗
kauft und auch baar ausgezahlet hätte; bringt auch zu dem Ende
Zeugen auf, die solches bekräftigen sollen: wie die Erben dieses er⸗
fahren / stecken sie sich hinter die Zeugen, bestechen sie mit Geld, und
bringen sie dardurch auf ihre Seiten. Den streittenden Theil wird
indessen der Tag bestimmt, wann sie vor Gereicht erscheinen sollen,
die Zeugen werden producirt, und erkläͤren sich mit des erstern nicht
geringer Bestürtzung für die letztere; weil nun jener nicht ohne
seinem Nachtheil erfahren, daß diejenige, welche er mit Geld
erkauft, wider ihn selbst zeugen, hat er den Handel nicht nur
verlohren, sondern ist um seines Betrugs willen / noch darzu ins Ge⸗
fängnüs gewiesen worden, so dann auch der wolverdiente Lohn füͤr
seine Spitzbüberey gewesen, womit er andere zu hintergehen gedacht.
Kluge Be⸗
urtheilung
eines ver⸗
wirrten
Handels.Es wissen aber auch die Türken gar wol und nach der Billichkeit zu
urtheilen, wann der Betrug am Tag liegt; davon folgendes zum
Exempel dienen kan: Ein Jud hatte von ungefehr aus seinem Beu⸗
tel, welchen er, nach Lands⸗Gewohnheit, vorn auf der Brust getra⸗
gen, neun kostbare Steine verlohren, und ist wahrscheinlich, daß
er solche neben hin gesteckt; weswegen er demjenigen, so selbige fin⸗
den wurde, 200. Ducaten zum Recompens versprochen. Dieser
Fund nun ist einem guten ehrlichen Türken, so sich mit fremden
Gut nicht zu bereichern verlangte, zu Theil worden, der ihn auch
alsobald seinen ihm bekannten rechtmaͤßigen Herrn wieder zugestellet.
Der Jud, welcher, nach ihrer Schelmischen Gewohnheit, auf das Be⸗
trüͤgen sich hauptsächlich verstanden, practicirte den kostbarsten un⸗
ter diesen Steinen heimlich auf die Seite, damit er die versproche⸗
ne zwey hundert Ducaten nicht bezahlen duͤrfe, und liesse sich ver⸗
nehmen, wie er das versprochene Recompens nicht eher auszahlen
kön⸗
- 235 -
Des Herrn Botschafters Audienz bey dem Sultan.
195
koͤnnte, bis er den neunten auch wuͤrde herbeygeschafft haben, welchen,
wie ihn der gottlose Mann beschuldigte, der Tüͤrk zurüͤck behalten,
wofür er auch bey nahe uͤbel bezahlt worden waͤre. Die Sach kommt
an das Gericht vor den Groß⸗Vizir/ so nach seiner beywohnen⸗
den Klugheit alsobald den darhinter verborgenen Betrug merkte /
und deshalben den betrügerischen Geitzhals, zum Abscheu anderer
dergleichen gewissenlosen Leute, häßlich bezahlte: Erstlich gebietet
er allen und jeden / still zu seyn; hernach fragte er den Türken, ob
und wo er diese Steine gefunden? als dieser umstaͤndlich hierauf ge⸗
antwortet, fragte Er den Juden, ob dieses sein Beutel wäre? wie
nun der Jud dieses bejahet; fragte Er ferner: wieviel Steine er dar⸗
innen gehabt? als dieser mit grosser Betheurung versichert, daß deren
neue gewesen; sagte der Richter mit einem ernsthaften und sauren
Gesicht: Wolan! die Sache braucht nunmehr keines weitern Un⸗
tersuchens, du hast durch deine eigene Aussage alles klar gemacht;
dann daraus erhellet, daß dieses nicht dein rechter Beutel ist, son⸗
dern dem deinigen nur gleich siehet, weil ich in diesem nicht mehr als
acht Steine finde, in dem deinigen aber deren neune gewesen sind;
hat dannenhero solchen demjenigen zugesprochen, der ihn gefunden,
den uͤbel bezahlten Juden aber leer nach Hauß geschickt, und ihn auf
einen andern warten heisen; welcher klugen Erfindung der ganze Rath
frolockend beygepflichtet / und ist bey allen Anwesenden ein heftiges Ge⸗
lächter daruͤber entstanden.
Nun, meine ich, haben wir uns lange genug im Divan aufge⸗
halten, anjetzo ist die Zeit herbey kommen, zur Kaiserlichen Audienz
zu gehen; weswegen wir uns von dar weg und unter jenen bedeckten Austhei⸗
lung der
Caftans.
Gang begeben wollen, wo die Ehren⸗Kleider oder Caftans, wie neu⸗
lich bey dem Groß⸗Vizir, ausgetheilt worden, so auch alle von dem
Grösten bis zu dem Kleinsten bekommen haben, nur diejenige ausge⸗
nommen, so die Livrée getragen. Nachdem wir nun eine zeit⸗
lang vor dem Divan in bester Ordnung gewartet, kam der Groß⸗
Vizir Jbrahim / in Begleitung des Nischanschi Bascha / Kaiser⸗
lichen Zugzieher, und Capudan Bascha heraus, vor welchem ih⸗
rer zwey mit silbernen Stäben hergiengen, mit denen sie immer auf
die Erden gestossen, und Jhm ein Zeichen gegeben, wo die geringste
Gefahr zu besorgen, daß Er einen falschen Tritt thun mögte: dieser
wurde
Bb 2
- 236 -
196
Zweytes Buch/ Dritte Abtheilung /
Des Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafters
Audienz
bey dem
Sultan. wurde so fort vor den Sultan gelassen, und nach Verfliessung ei⸗
ner halben Stunde der Herr Groß⸗Botschafter mit 14. aus dem
ersten Adel, oder die sonst darbey zu thun hatten, gleichfalls dahin
zur Audienz geführt. Gleich nach Sr. Excellentz gieng Herr
Dierling mit dem oͤfentlich in der Hand haltenden Kaiserlichen Cre⸗
denz-Schreiben, deme unmittelbahr die beide Kaiserliche Dolmet⸗
schen, Herr Vorner und Herr Theyls folgten; drey aber, welche so
gar aus dem ersten Adel waren, musten zuruck bleiben, weil für meh⸗
rere Personen nicht Füͤhrer genug da waren: es scheinet aber viel⸗
mehr die wahrhafte Ursach zu seyn, theils, weil der Platz an sich selbst
für viel Leute allzu eng ist / theils, damit die Caftans mogten ersparet
werden, davon ein jeder Füͤhrer einen eigenen haben muß. So viel
deren mit vorgekommen sind, wurden von zweyen Capigi Baschi
gehalten, welche unserer auf einer mit rothen Tuch uberzogenen
Bank in einer Kleidung von gleicher Couleur gewartet. Der Herr
Groß⸗Botschafter selbst wurde von dem Chiaoux Baschi und
Capigilerchijajasi, Vorsteher der Kaiserlichen Kämmerlinge, ge⸗
führet, damit Er dem Sultan nicht naͤher kommen moͤgte, als ge⸗
woͤhnlicher massen erlaubt ist; wie dann auch diejenige, so Jhm am
nechsten stunden, gleichwol mehr den acht Schritt von Jhm entfer⸗
net waren: und ist diese Gewohnheit von der Zeit eingeführet,
Warum
man den
Türkischen
Kaiser
nicht zu na⸗
he kommen
darf.seit Amurathes / nachdem er Lazarum / den letzten Regen⸗
ten in Servien, den die Grichen ÆεσπόTνe nennen, üͤberwunden
und hingerichtet, von Vilvo, einem gebohrnen Servier, um seinen
Herrn zu rächen / umgebracht worden, da er sich auf seine Kuͤhnheit
und Macht am meisten verlassen; dann als gedachter Vilvo den
Huldigungs⸗Eyd ablegen solte, hielte er unter seinen Kleidern einen
Dolch verborgen: und indem er nahe genug bey dem Kaiser war, und
sich stellte, als ob er Jhm die Hand kuͤssen wolte, hat er Ihn dafüͤr
den Dolch ins Herz gestossen. Busbec will, daß derjenige, dessen
Tod auf solche Weise gerochen worden, Mirous geheisen, wie Ri⸗
caut in seinem 1. Buch, im 19. Capitel aus ihm erzehlet, wiederlegt
aber eben dieses Vorgeben im 2. Buch, und dessen 19. Capitel, wo er
von den Orden der Bectassen redet. Es gedenken aber die Türki⸗
schen Jahr⸗Bücher noch eines andern Todschlägers des Amuraths /
nemlich eines Soldaten, mit Namen Corbeles, welcher nach des
Lazari Hinrichtung, da er schon eine zeitlang unter den Todten ge⸗
legen,
- 237 -
Des Herrn Botschafters Audienz bey dem Sultan.
197
legen, sich wiederum auf die Beine gemacht, und seines Herrn Tod
gerochen hat: daher es dann kommen mag, daß keiner, auch so gar
der Groß⸗Vizir selbst nicht, noch vielweniger ein ausländischer
Gesandter, nicht einmal in den Vorhof des Kaiserlichen Pallasts mit
einigem Gewehr gelassen wird.
Vor der Thuͤr desjenigen Zimmers, in welchem der Sultan
Beschaf⸗
fenheit
des Au⸗
dienz-Zim⸗
mers.
dem Herrn Groß⸗Botschafter Audienz ertheilt, hienge an einer
guldenen Ketten ein grosser Smaragd, oder was es sonst für ein
grüͤner Stein mag gewesen seyn, mit Diamanten, Carfunckeln und
Perlen häufig besetzt; das Zimmer selbst war nicht gar groß, mehr
hoch als breit, und die Wäͤnde und Boden mit rothen von Gold ge⸗
stickten Atlaß behaͤngt und belegt: der Thron des Sultans sahe beyThron des
Sultans.
⸗
nahe einer Bett⸗Laden gleich, die auf zweyen Seiten in die Mauer ge⸗
het; der Polster worauf Er gesessen oder vielmehr gelegen, zierten
die groͤsten und kostbarsten Perlen; der Himmel von dem Thron war
zwar von Holz / aber zugleich mit Laub⸗ und Blum⸗Werk durch
rare Bildhauer⸗Arbeit schoͤn, reich und kuͤnstlich ausgemacht, welcher
auf einer Marmorsteinern mit kostbaren Edelsteinen an der Spitze,
dem Fuß, und im Durchzug besetzten Saͤulen ruhete, dessen uͤbrigen
Theile aber an der Mauer fest gemacht gewesen. Sechs guͤldene oder
vielleicht auch nur verguͤldete Kugeln von ungeheurer Groͤsse hiengen
an demselbigen, und zwischen solchen eben so viel mit guͤldenen Faden
oder Borden zusammen gebundene Buͤschelein, so wie Tug oder Roß⸗
Schweife aussahen, und, wie es mir vorgekommen / vom geschlage⸗
nen Gold verfertigt seyn. Der Sultan hatte ein rothes Kleid an,
welches oben mit drey Diamantinen-Schlingen zusammen geheftet
und sonst sehr propre ausgemacht war: auf dem Haupt prangte ein
mit Reiger⸗Buschen aufgeschmuckter und mit vielen kostbaren Steinen
gezierter Bund; zu seiner Rechten lage auf einem Polster der Saͤbel,
zu der Lincken aber stunde sein Silbernes Schreib⸗Zeug, auf welcher
Seite sich auch sein eilf jähriger Prinz[18] befand, nebst deme Er auch
noch drey andere gezeugt hatte, so aber alle noch jünger sind. Die⸗
ser Kaiser führt den Namen Ahmed der Dritte / ist ein EnNamen
und An⸗
trettung
der Regie⸗
rung.
⸗
kel Jbrahims / so der zweyte Sohn desjenigen Mehemets gewe⸗
sen, welcher im Jahr 1683. die Belägerung vor Wien zu der Tür⸗
ken gröͤsten Schaden und Aufnahm der Christenheit vorgenommen;
kam
Bb 3
- 238 -
198
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung /
kam 1703. den 22. Augusti auf den Thron, nachdem sein älterer
Mustapha
Absetzung.Bruder Mustapha zu Adrianopel durch die Aufrührer abgesetzt
worden. Es hat aber mit dieser Dethronisation folgende Bewandt⸗
nuͤß: die Unterthanen, wie in grossen Reichen, wo sie entweder zu
wol oder zu hart gehalten werden, gar oft zu geschehen pflegt, hatten
des Friedens und der Ruhe, deren sie einige wenige Jahre genossen,
bereits satt, beschwehrten sich derohalben uber den Mustapha / daß
Er zu Friedens⸗Zeit sich fast nimmer in seiner Residenz finden las⸗
se, sondern die meiste Zeit zu Adrianopel aufhalte, der Jagd all⸗
zu sehr ergeben wäre, die Regierungs⸗Geschäfte darüber an den
Nagel hienge, und einen Fremden indessen Herr seyn liesse; Fezou⸗
la Efendi / ein gebohrner Persianer, gewesener Informator des
Sultans, und damals Moufti / verkaufe die Gerechtigkeit, Di⸗
gnitæten und Aemter wäͤren ihme gleichfalls ums Geld feil, man
sehe nicht mehr auf Verdienste, und wuͤrde daruͤber das ganze Reich
verrathen. Hier nun wurfen sich gleich zwey Gebegis (Schwerdt⸗
feger), oder vielmehr ihre Füͤhrer Gebegi Baschi, oder Oda Ba⸗
schi / (Vorstehere der Zimmer in ihrer Gemeind und Hauptmann⸗
schaften, zu Anführern auf; denen sich diejenige, welche die Auf⸗
sicht über das Proviant- und Zeughauß hatten, zugesellt, worzu noch die
Topchi (Feuerwerker,) Janitscharn, als die Kaiserliche Leibwacht
zu Fuß, und Bostangi / (so die Sorge über die Gärten und Gebäu
haben,) gekommen sind; die Städte aus Natolien oder Asien
schickten ihre Hülfs Völker, die den unbillich Bedraͤngten aufhel⸗
fen solten, und auf solche Weise hat sich die Aufruhr und die An⸗
zahl der Rebellen von Tag zu Tag vermehret. Bey so gestalten Sa⸗
chen ist Abdola Bascha / aus dem Geschlecht der Kiuperli / so
Caimacan oder Stadthalter war, welche man in Abwesenheit des
Kaisers und Groß⸗Vizirs zu ernennen pflegt, für grosser und
nicht ungegruͤndeter Furcht aus der Stadt geflohen. Dazumal wur⸗
de auch verbotten / daß man das an Feyertägen gewöhnliche Gebeth
vor den Kaiser nicht sprechen solte: die Rechts⸗Gelehrten, welchen
der Fezoula wegen seiner Grausamkeit sehr verhaßt war, thaten
den Aufrührern heimlicher Weise allen Vorschub, und jederman
meinte, er muͤste bey der Aufruhr nicht der letzte seyn. Einige such⸗
ten den Ahmed Bascha, Vizir von drey Roß⸗Schweifen, in sei⸗
nem Hauß an dem Canal auf, allwo er schon lange Zeit in stiller
Ein⸗
- 239 -
Des Herrn Botschafters Audienz bey dem Sultan.
199
Einsamkeit zugebracht, aus welcher sie ihn nun herfür gezogen, und
an des entwichenen Abdola Stelle zum Stadthalter gemacht: As⸗
san Firaly / gleichfalls ein Vizir von drey Roß⸗Schweifen, wel⸗
cher auch lange Zeit in Constantinopel verborgen gelebt, und
zweymal verwiesen worden, hat nun auf einmal die Masque abgezogen,
sich wiederum in der Stadt sehen lassen, den laͤngst gefaßten Unwil⸗
len öͤfentlich gezeigt, und zur innerlichen Unruhe das Seinige tapfer
beygetragen; wie dann der Poͤbel, bey dem er ohne dem wegen seines
Muths, Verstands, und ungemeiner Fertigkeit in allen seinen Vor⸗
nehmen, im guten Credit stunde, sich auf seine Macht verließ, und
seiner Anweisung folgte, wordurch es geschehen, daß die Aufruͤh⸗
rer in kurzen bis 60000. Mann angewachsen. Weil nun diese
Menge eines geschickten Anfüͤhrers hoͤchst noͤthig hatte, Rami
Mehemed Bascha aber, als bereits ernannter Groß Vizir, dem
Kaiser zugethan war, und sich bey Jhm zu Adrianopel aufhiel⸗
te / machten sie den von ihnen neulich erwehlten Stadthalter zu
Constantinopel / Ahmed Bascha zu ihrem Groß⸗Vizir / und
setzten an dessen Stelle den vorgedachten Assan Firaly. Es hat
aber Ahmed diese Ehre bestäͤndig ausgeschlagen, jedoch weil er be⸗
fürchten muste, es moͤchte durch seine Halsstarrigkeit denen Solda⸗
ten die Gedult zerrinnen, ihre ohne dem erhitzten Gemuͤther hinge⸗
gen noch mehr angeflammt werden, welches Feuer alsdann mit nichts
als seinem eigenen Blut wuͤrde zu loͤschen seyn, hat er endlich den Ti⸗
tul eines Groß⸗Vizirs angenommen, aber nichts wenigers als des⸗
sen Amt verwaltet, sintemaln sich drey oder vier unter denen Re⸗
bellen gefunden, welche alles noch ihrem Kopf eingerichtet; weil sie
aber bey aller ihrer Gewalt nicht genug Ansehen zu haben vermein⸗
ten, wolten sie eben zu dem Ende sich einen erwehlen, unter dessen
Authoritæt sie uͤber das ganze Reich, und eines jeden Haab und Gut,
nach Belieben disponiren koͤnten, ohne daß sie ihn deswegen zu Rath
gezogen haͤtten; also daß jener sich mit dem blossen Namen behelfen
muste, da diese die Sache selbst in den Häͤnden hatten, dabey ih⸗
nen auch der Vortheil zu gewachsen, wie die schlauen Köpfe schon
voraus sahen, daß, wann ihnen nicht alles nach Wunsch ausschluͤge,
sie doch allein den Nutzen daraus ziehen, hingegen aller Haß auf ih⸗
ren neugebackenen Groß⸗Vizir fallen wuͤrde. Unter diesem nichts
bedeuteten Anfuͤhrer nun sind sie mit 60000. Mann gegen Adria⸗
nopel
- 240 -
200
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung /
nopel geruckt, den Sultan daselbst aufzusuchen, indessen sie den As⸗
san Firaly Bascha mit einer gleichen Anzahl zu Constantinopel
gelassen. Nicht genug aber ist sich zu verwundern, daß diese ganze
Zeit über bey so grosser Verwirrung der Sachen und Gemuͤther die
schwüͤhrigen Partheyen gleichwol zu keinen groͤssern Muthwillen und
Leichtfertigkeit der Soldaten in der ganzen Stadt und deren Vor⸗
städte, noch auch uͤbrigen Oerter am Canal, die doch in einer Stre⸗
cke bis ans Schwarze Meer reichen / Anlaß gegeben. Hierbey aber
legte der Kaiser die Hände keineswegs im Schooß / sondern brachte
eine zahlreiche Armee zusammen, welche aus lauter tapfern und wol
exercirten Leuten bestunde, und die besten Feldherrn zu Anfuͤhrern
hatte; also daß der Aufrüͤhrer zusammen geraftes Asiatisches Volk
mit diesen auserlesenen Europäischen Soldaten, jene so schlecht be⸗
wafnete mit diesen aufs best versehenen/ jenes unordentliche Gesind
mit diesen der Ordnung und Kriegs⸗Disciplin gewohnten Vöͤlkern
in ganz keine Vergleichung zu ziehen waren. Man liesse auch hierzu
dem Sultan überfluͤßige Zeit, sintemaln zwey ganzer Monat vom
Anfang der aller Welt bekannten Rebellion bis zu dieser meineidigen
Unterthanen Auszug aus Constantinopel wieder ihren Kaiser
verstrichen sind: so wurde auch indessen auf keiner Seiten was ver⸗
absäumet / das zu einigen Vortheil gereichen kunte, und suchte ein je⸗
der durch vielfäͤltiges Hin⸗ und wieder⸗schicken und simulirte Frie⸗
dens⸗Handlung mehr Zeit zu gewinnen, sich in bessern Defensions⸗
Stand zu setzen. Endlich ist man so wol von Adrianopel als Con⸗
stantinopel aus ins freye Feld geruckt, wiewol die von Edrene
nicht weit marchirten; dann als sie zu Hapsa (Hafsa, Hassa) sechs
Stund von Adrianopel oder Edrene, einen zu Ausstechung eines
Lagers bequemen Platz angetroffen, und solchen zur Stellung einer
Armee in Schlacht⸗Ordnung bequem gefunden, haben sie sich da⸗
selbst aufs beste verschanzet. Hier kamen nun beide Armeen zusam⸗
men, ohne aber daß sie etwas feindliches wieder einander vorgenom⸗
men, noch einigen Schuß aus kleinen oder grossen Gewehr auf ein⸗
ander gethan hatten: vielmehr wurden sie allda gute Freunde, und
gaben einander zu bedenken, wie es sich gar nicht schicken wolle, daß
Lands⸗Leute, Glaubens⸗Genossen und Brüder einander durch die
Waffen aufreiben; erkläͤrten sich demnoch einmuͤthig wieder den Mu⸗
stapha / tretten von Jhm ab, und setzen Jhn den darauf folgen⸗
den
- 241 -
Des Herrn Botschafters Audienz bey dem Sultan.
201
den Tag vom Thron / seinen Bruder Ahmed aber hinauf, als den
sie für ihren Kaiser öfentlich ausrufften. Fezoula, welcher dem
Mustapha mit seinen Rathschlägen in allen an die Hand gegangen,
hat sich auf die Flucht nach Persien begeben, wohin er noch bey gu⸗
tem Stande eine unglaubliche Geld⸗Summa uͤbermacht hatte, ist aber
ergriffen, an einem gemeinen Ort auf ein schaͤbigtes Pferd gesetzt,
durch alle Gassen der Stadt gefuͤhret und ihm endlich der Kopf abge⸗
schlagen, seine beiden Soͤhne durch den Strang hingerichtet, die Guͤ⸗
ter in die Kaiserliche Cammer geliefert, sein Leichnam den Hunden
vorgeworfen, auf eine elende und nach ihrem eigenen Gesetz höͤchst
unbilliche Art von dem muthwilligen Volk beschimpft und in tausend
Stücke zerfetzt und zerrissen worden; ja es erstreckte sich ihre Rase⸗
rey gar so weit, daß sie ihm die Hoten ausgeschnitten und solche öͤf⸗
fentlich auf einer Stange herum getragen. Daß aber solches grau⸗
same Verfahren wieder ihr eigenes Gesetz lauft, ist daraus klar, weil Kein Tür⸗
kischer
Pfaff kan
mit dem
Tod ge⸗
strafft wer⸗
den.
dasselbige will, daß keiner von ihren Pfaffen, so lang er diese Wüͤr⸗
de tragt, kan getoͤdet werden, sondern wann es hoch kommt, kan man
ihn ins Elend verschicken, worinnen sie aber oft in solche Armuth ge⸗
rathen, daß sie sich mit Pfeffer und Toback⸗Verkauffen nehren müs⸗
sen, da sie vorhero im groͤsten Ansehen gestanden, und im Geld bis
über die Ohren gesteckt. Aber wann dergleichen Relegation auf
dem Tapet ist, hat man sich in Acht zu nehmen, daß solches der
Den
Moufti
hat man zu
fürchten.
Moufti nicht innen werde, widrigenfalls zu besorgen stehet, daß
er vor seiner Degradation eine Aufruhr anstifte; sintemal der Sul⸗
tan und Groß⸗Vizir selbst diesen Mann zu fuͤrchten häͤtten, wann
er, ehe er von dem Amt gesetzt wäͤre, und sonsten noch in gutem Ruf
stünde, dem Volk weiß machen wuͤrde, als wolte man durch solches
Verfahren an Jhm das Gesetz brechen; wie dann aus denen Geschich⸗
ten nicht unbekannt ist, daß diese Leute den Groß⸗Vizir vom Amt
und dem Saltan selbst vom Thron gebracht, ja auch oft das Leben
samt dem Reich genommen haben. So ist auch von dem Gering⸗
sten bis zu dem Grösten in dem ganzen Reich keiner, ja selbst der
Kaiser nicht, seines Lebens oder Wüͤrde auf einem Augenblick ver⸗
sichert, ausser denenjenigen, die aus dem Geschlecht der Kiuperli Der Kiu⸗
perli Ge⸗
schlecht
Privile⸗
gium.
herstammen / als welche weder durch den Kaiser noch Groß-Vi⸗
zir mit einem gewaltsamen Tod koͤnnen gestrafft werden; und haben⸗
sie dieses Privilegium von ihren Vor⸗Eltern überkommen, die denen
Vene⸗
Cc
- 242 -
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung /
202
Venetianern die Jnsul Candien weggenommen, auch sonsten dem
Orientalischen Reich grosse Dienste erwiesen: sie können aber gleich⸗
wol wie andere ihrer Aemter entsetzt, oder ins Elend verschickt wer⸗
den, wann sie was verbrochen oder sich durch ihre Macht verdaͤchtig
gemacht haben / worinnen man sie dann oft heimlich mit Gift gar in
die andere Welt schicket.
Jhre an Fezoula ausgeübte Grausamkeit beschönten sie
damit, weil er sich der Gnade des Kaisers / dessen Informa⸗
tor er ehmals gewesen, allzu sehr mißbraucht, und nicht al⸗
lein die Gerechtigkeit zerstört, die Aemter um Geld verkauft,
sondern noch darzu das Ottomanische Geschlecht zu vertilgen und das
Reich auf seine Lands⸗Leute die Persianer zu bringen getrachtet; wes⸗
wegen ihm auch die Tuͤrken verflucht, und nicht füͤr ihren Glaubens⸗
Genossen erkannt, auch um dieser Ursach willen nicht zur Erden
bestatten wollen, sondern solches denen Armeniern oder Grichen auf⸗
getragen: welche ihn aber auch nicht füͤr den ihrigen erkennen wol⸗
len, doch aber einen Pfaffen geschickt, der den Weyrauch ange⸗
zündet, wobey er unter dem Raͤuchern diese Woͤrter solle gesagt ha⸗
ben: Nescis dender / nebis dender / er gehöret weder uns
Fruchtbar⸗
keit des
Fezoula. noch euch zu; alsdann haben sie ihn so uͤbel zugerichtet, auf einen
Schlitten gelegt, und damit aus der Stadt geschleppet und begra⸗
ben. Diesem Mann wurden bey seinem Lebs⸗Zeiten einsmals in einem
Jahr drey und achzig Kinder gebohren; weme er guͤnstig war, brachte
er hoch an, andere hingegen wurden aufs aͤusserste von ihm verfolgt;
dem Kaiser aber hatte er dermassen eingenommen, daß es schiene / als ob
Er von ihm wäre bezaubert gewesen; weswegen ihm auch ein sol⸗
cher Tod zu theil worden, wie er durch sein Leben verdienet hatte.
Niemand war ein so heftiger Verfolger der Christen, als eben dieser Fe⸗
zoula / und sagte der Maurus Cordatus Scarlati / erster Dol⸗
metsch / und Staats⸗Bedienter bey der Pforten, zu dem Pater Ca⸗
chot, Priester aus der Societæt Jesu, von welchem ich es nachge⸗
hends gehöͤret habe, daß er nun seinen Fall gedultig ertragen wolle,
nach dem er diesen zu erst fallen sehen, und waͤre nicht zu glauben, was
für betrübte und entsetzliche Anschläge dieser Mann wider die Chri⸗
sten gefaßt habe. Rami Mehemed Bascha hat sich inzwischen
verborgen gehalten, und kam erst nach dreyen Monaten zum Vor⸗
schein, sintemaln ihn der neu⸗erwehlte Kaiser zum Stadthalter in
Cypern / und nachgehends von Groß⸗Cair gemacht, welcher end⸗
lich
- 243 -
Des Hern Botschafters Audienz bey dem Sultan.
203
lich im Jahr 1709. in der Jnsul Rhodis gestorben ist / nachdem
ihn der Groß⸗Vizir Hali, es sey nun aus Haß, oder weil ihn sei⸗
ne gesammleten Schätze in die Augen gestochen, eine lange Zeit allen
Verdruß angethan. Ahmed Bascha wurde Anfangs in seiner Groß⸗
Vizirs⸗Würde bestättiget / nach drey Monaten aber nach Levan⸗
te in Grichen⸗Land verschickt, woselbst er eines natürlichen
Tods gestorben. Assan Firaly ist, da er schon Tefterdar und
Bascha von Thracien gewesen, im Jahr 1708. nach Constan⸗
tinopel, in Hofnung die Groß⸗Vizirs⸗Stelle zu erhalten, be⸗
ruffen, dafür aber zehen Tag nach seiner Ankunft zu Chalcedo⸗
nien mit dem Strick erwuͤrgt worden. Es hat ihm zwar sein böͤses
Gewissen / wegen seiner begangenen Untreu, dergleichen Tractament
schon vorher propheceyt, weswegen er durchaus nicht nach Con⸗
stantinopel kommen wollen, ehe und zuvor er ein Ferman oder
vielmehr Catat Cherif / einen vom Sultan selbst unterschriebenen
Brief, erhalten, welcher ihm alle Sicherheit verheissen, zu dem auch
von des Kaisers Mutter, Validia, selbst dahin invitirt worden /
welches ihm dann alle Furcht benommen, so, daß er sich endlich ein⸗
gestellt hatte. Als er allda ankommen, haben die Franken oder
Christen eine besondere Freude daruͤber bezeugt / weil sie ihn jederzeit
als einen Christen⸗Freund erfunden haben, die fremde Bothschaften
ihre Gratulation wegen glüͤcklicher Ankunft bey ihm ablegen lassen,
und die Pforte selbst hat ihm acht Tage lang alle Ehre erwiesen;
nach deren Verfliessung aber ist er vom Kaiser beruffen, und an
statt des verhoften mit Zobel gefütterten Caftans auf ein Schiff
gefuͤhret und erdrosselt worden, woruͤber er Beide wegen bey Kaiser⸗
lichen Worten versprochenen und nicht gehaltenen Sicherheit mit
schwehren Flüchen belegt.
Der neue Kaiser Ahmed ist den 24. Septembr. 1703. in die Bezeu⸗
gung des
Türkischen
Kaisers
wider die
Aufrührer.
Stadt gekommen, und im November in der am Hafen liegenden
Kirche des H. Jobs / den sie nach ihrer Sprach Ejup nennen, gecroͤnt⸗
worden. Von dieser Zeit an hat er die Aufrüͤhrer, ob er ihnen
gleich Cron und Scepter schuldig war, auf das heftigste verfolgt,
und einen guten Theil derselbigen uͤber die Klinge springen lassen, da⸗
mit aber zugleich die Wahrheit des bekannten Sprüchworts der
Welt wiederum vor die Augen gelegt, daß man zwar die Verräthe⸗
rey,
Cc 2
- 244 -
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung.
204
aber nicht die Verräther liebe; wie man dann auch noch von ihm zu
sagen pflegt, daß er allein mehr Vornehme durch einen gewaltsamen
Tod hingerichtet, als zehen, ja alle andere Kaiser vor ihm gethan ha⸗
ben, angesehen bey genauer Rechnung sich findet, daß er mehr als
fünfzig tausend Vornehmen auf solche Weise vom Brod gehol⸗
fen / und alle alte Geschlechter der Kriegs⸗Bedienten aus
dem Grund ausrotten lassen, so daß anjetzo lauter neu⸗angehende den
Regimentern und der Armee vorgesetzt sind. Hierzu hat Jhn seine
Mutter, welche die Türken Validia nennen, angereitzt, indem sie
Jhm seines abgesetzten ältern Bruders Mustapha Exempel vorge⸗
stellet, dergleichen, oder wol noch was Schlimmers, er gleichfalls
wuͤrde zu gewarten haben, wann er auf solche Weise der Gefahr nicht
Herkom⸗
men der
Kaiserl.
Mutter. vorkäme. Man sagt, sie solle eines Ungarischen Predicanten Toch⸗
ter und von ungemeiner Schoͤnheit gewesen seyn; sie sey aber im
Krieg gefangen, und nach dem sie sich zu dem Mahometischen Aber⸗
glauben bekennet, in das Kaiserliche Frauenzimmer aufgenommen,
und endlich gar gecroͤnte Kaiserin worden: Diesen Rath hätte sie den
jetzigen Keiser Ahmed darum ertheilt, damit sie sich wegen der
Treulosigkeit dieses Volks und ihrem ältern Sohn angethanene
Schmach rächen möͤgte: in ihrem Alter hat man sie füͤr die groͤste
Hexenmeisterin ihrer Zeit gehalten.
Der jezt regierende Kaiser Ahmed ist gegenwaͤrtig, da ich dieses
Beschrei⸗
bung des
Kaisers
Person. schreibe, 51. Jahr alt, von mittelmäͤssiger Groͤsse, hat ein bräͤun⸗
lichtes und für einen Mann nicht haͤßliches Angesicht, bleiche Wan⸗
gen, einen schwarzen nicht gar langen Bart, schwarze wäͤßrigte, zuͤch⸗
tige und mehrentheils zur Erden niedergeschlagene Augen, aus wel⸗
chen, wie hieraus leichtlich zu muthmassen, wenig Majestät blicket:
Des ältern
Prinzen. Der Prinz aber siehet weit lebhafter aus, und kan für ein Muster
der Schönheit passiren. Am Fuß des Throns ware ein von Ala⸗
baster gehauener Brunn, neben welchem innerhalb der Fenster noch
zwey Kaiserliche mit kostbaren Steinen reichlich besetzte Bünde auf
einem Polster lagen. Die Positur des Sultans war also gestellet,
daß Er das Gesicht dem Groß⸗Vizir, Capudan⸗ und Nischan⸗
schi Bascha zu wendete, welche gegen Jhm in einer Linie bey dem
Camin, diejenige aber, die der Herr Groß⸗Botschafter bey sich
hatte, auf der Seite stunden, so daß er sie nicht anders als uͤber zwerch
oder über die Schultern ansehen kunte. Es war so wol dieses Zim⸗
mer
- 245 -
Des Hn. Botschafters Audienz bey dem Sultan.
205
mer, als der Weeg, uͤber welchen wir dahin gehen musten, mit schoͤ⸗
nen Persianischen Teppichen belegt. Des Herrn Botschafters
Rede war in Lateinischer Sprach gestellet, als welche sich nur unsere
Kaisere bedienen, wann sie an ausländische Könige, Füͤrsten und
Völker schreiben, oder mit ihnen reden, und folgenden Innhalts:
Es hat der Allerdurchlauchtigste (Augustissimus) Groß⸗
mächtigste und Unuͤberwindlichste Römische Kaiser
Carl der Sechste / mein allergnädigster Herr / zu Eur. Ma⸗
jestät mich als seinen Botschafter hieher nach Orient abgefertiget,
daß von Seiner Römisch⸗Kaiserlichen Majestät guter
Affection und deren treuen und aufrichtigen Gemüth Dieselbige ver⸗
sichern solle; wie Sie mir dann auch zum Zeugnuͤß dessen an Eu⸗
re Majestät einige Præsente anvertrauet haben. Seine Rö⸗
misch⸗Kaiserliche und Catholische Majestät tragen den
geringsten Zweifel nicht, Eure Majestät werden dasjenige, was
so wol im Paßarowitzer Frieden / als den nachmals aufgerichteten
Commercien-Tractat enthalten, heilig und unverbruͤchlich halten,
und solches auf das schleunigste zur Execution bringen; wie dann
mein Allerdurchlauchtigster (Augustissimus) Kaiser dieses
zu dem Ende wuͤnschet, damit die aufs neue aufgerichtete Freundschaft
durch wechselsweise Ehren⸗Bezeugung moͤge unterhalten werden: ich
aber hoffe und wuͤnsche nichts mehr, als daß Eure Majestät mit
Dero Kaiserlichen Huld, mir, als der solche Commission ab⸗
zulegen die Ehre hat, bestäͤndig zugethan verbleiben wollen.
Wann der Herr Groß⸗Botschafter den Sultan ehrentGewaltsa⸗
mes Com⸗
pliment de⸗
rer von
Adel.
⸗
halber nennte, und deswegen sich vor Seiner Majestät neigte,
einige aus dem Adel aber indessen ihre Gedanken anderweit herum
spatziren liessen, und es nicht beobachtet, waren alsobald ihre Ca⸗
pigi, ein scil. uͤberaus höͤfliches Volklein, bey der Hand, welche sie
so sanft niedertruckten, daß ihnen der Kopf bey nahe auf der Erden auf⸗
Uberge⸗
bung des
Kaiserl.
Schrei⸗
bens.
⸗
prellte. Nach geendigter Rede wurde Jhro Römisch⸗Kaiser⸗
lichen Majestät Schreiben, dem Herrn Groß⸗Botschafter von
dem Hn. von Dierling, Secretaire bey der Groß⸗Botschaft, überreicht,
Der
Cc 3
- 246 -
206
Zweytes Buch, Dritte Abtheilung /
Der es dem Nischanschi Bascha, dieser dem Capudan Bascha /
der Capudan Bascha aber dem Groß⸗Vizir übergab, von welchem
es letzlich dem Sultan selbst eingehäͤndigt worden; welche Ceremo⸗
nie sonder Zeifel um ob-angefuͤhrter Ursach willen mag geschehen seyn,
weil kein Fremder dem Sultan zu nahe kommen darf. Dieser legte
den Brief, so in lateinischer Sprache verfasst, aber auch eine Türki⸗
sche Auslegung von einem Kaiserlichen Dolmetsch beygefuͤgt war, da⸗
mit kein Betrug durch einige falsche Interpretation gemacht werden
kunte / neben sich zur Rechten auf den Thron. Hierauf nun hat
der Groß⸗Vizir im Namen des Sultans ganz kurz geantwortet
wie es nemlich des Groß⸗Herrns ernstliche Meinung seye, die neu⸗
lich verfaßte Friedens⸗Articuln unverbruͤchlich zu halten, und Er nun
nichts anders verlange, als daß solche unserer Seits gleichmaͤßig be⸗
obachtet werden moͤgten. Er redete solches in Türckischer Sprach /
welches der Dolmetsch Maurus Cordatus in Jtaliänischer aus⸗
legte, weil er in der Lateinischen nicht so viel zu wegen bringen koͤnnen,
ohnerachtet er acht ganzer Tag die Abschrift davon im Sack herum
getragen. Als nun der Herr Groß⸗Botschafter diese Antwort
von dem Dolmetsch erhalten, ist Er in eben dieser Ordnung, welche
Er bey seinem Eintritt beobachtet, wiederum abgetretten, jedoch nicht
Sultans
Hochmutheher von den Capigis loß gelassen worden, bevor Er die Thüͤr des
Zimmers erreichet hatte. Anbey hat ein jeder von unsern Leuten be⸗
obachtet, daß der Sultan, so lang die Anrede gedauret, die Augen
beständig zur Erden geschlagen, und den Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ter nicht öͤfter als ein einigmal, und dieses gleichsam nur von ungefehr,
und in gröͤster Geschwindigkeit, angesehen; es mag nun seyn, daß seine
Gewohnheit nicht ist, jemand recht anzuschauen: oder weil Er ver⸗
meint, es wurde seiner Barbarischen Majestät was darunter abge⸗
hen, wann Er des grösten Kaisers Botschafter etwas auf⸗
merksamer betrachtete. Als Se. Excellentz bereits fort gewesen, hat
man die dem ganzen Vormittag, und so lang das Gericht gedauert,
in dem Vorhof ausgesetzte Geschenke hineingebracht. Nichts hat
mir so wol oder vielmehr mißfallen, als die ungemeine Geld⸗Liebe,
Kaiserliche
Geschenke
werden ver⸗
kauft.
welche diese Leute bey solcher Gelegenheit gezeigt, sintemaln wir noch
nicht einmal von Pera wieder weg waren, hat man schon ge⸗
dachte Geschenke geschätzt und öffentlich feil gebotten, wie dann der
Franzö⸗
- 247 -
Des Hn. Botschafters Audienz bey dem Sultan.
207
Französische Gesandte unterschiedliches davon an sich gehandelt; also
daß man nicht leicht ein geitzigers und auf Gold und Silber erpich⸗
ters Volk unter der Sonnen antreffen wird: es steht ihnen Leib und
Seel ums Geld feil, wann sie nur einen Käͤufer darzu antreffen.
Jm Hinausgehen aus dem Serallien liesse sich der Dolmetsch gegen Der Tüͤr⸗
ken Ver⸗
wunder⸗
ung über
des Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafters
Herzhaf⸗
tigkeit vor
dem Sul⸗
tan.
dem Herrn Groß⸗Botschafter so laut, daß es die vor der Thüͤr
stehende alle hören kunten, vernehmen, wie die anwesende vorneh⸗
men Tüͤrkischen Ministri sich zum höͤchsten verwundert, daß der Herr
Groß⸗Botschafter wider ihre Gewohnheit, die bey dergleichen
Affaire lauter knechtische Furcht zeigen, dem Sultan so keck und
unerschrocken angeredet; worauf Se. Excellentz nur dieses zur
Antwort gegeben: Wann man im Namen eines Römischen Kai⸗
sers redet / darf man wol kühn seyn.
Abzug der
Groß⸗Bot⸗
schaft.
Als wir vor der ersten Pforten unsere Degen wieder uͤber⸗
kommen, haben wir vor dem grossen Burg⸗Thor so lang zu Pferd
gewartet, bis der Groß⸗Vizir und üͤbrige vornehme Ministri vor⸗
bey und nacher Hauß geritten waren; und ist dieser Abzug so praͤch⸗
tig gewesen, als immermehr einer seyn köͤnnen. Vorher ritte ein
Officier von den Janitscharn in einem roth Sammeten mit Zobel
gefütterten Kleid, auf dessen Kopf ein Feder⸗Busch in Form eines
halben Monds stutzte; diesem folgten paar⸗weiß etliche tausend Ja⸗
nitscharn mit ihren auf die Schultern gelegten Geld⸗Säcken,
die sie ihren Haupt⸗Leuten nach Hauß brachten, ohne daß
diese ihre lastbare Träger mit dem geringsten Argwohn einiger
Unrichtigkeit häͤtten belegen sollen; wie sie dann ein viel groͤsseres Ver⸗
trauen zu ihren Leuten, als diese zu jenen haben, vielleicht, weil sie schon
öfters von ihren Füͤhrern hintergangen worden, oder doch Ursach zu
Der Janit⸗
scharen
Vorstehere
in ihren
Oda.
haben vermeinen, wol darauf zu sehen / daß sie von ihnen nicht moͤg⸗
ten hintergangen werden. Mitten unter ihnen giengen die Soulack
Baschi mit ihren Soulack / oder denenjenigen Janitscharn, die Pfeil
und Bogen füͤhren; denen die Vorstehere ihrer Oda oder gemeinen
Zimmer, und deren Diener folgeten, davon jene unter den Namen
Oda Baschi (Haupleute), Wekilhargi (Schafner) / Bairactar
Fähndriche), Astchi (Ober⸗Köche), Karakullukagi (Köche), Sa⸗
cka (Wasser⸗Träger) bekannt und lauter Bedienungen ihrer Offi⸗
ciers oder Vorstehere sind, welche alle ihren Antheil an besagtem
Geld
- 248 -
Zweytes Buch / Dritte Abtheilung /
208
Geld haben; da hingegen die Regiments⸗Officier, als Obriste und
dergleichen, ihre Besoldung anderswoher bekommen. Nechst an
ihnen giengen die Büͤchsen Meister und Stuck⸗Giesser (Gebechi
und Topchi) ebenfalls mit ihren Beuteln auf den Schultern, und
hierauf die übrige Officiers der Janitscharen zu Pferd samt noch et⸗
lichen hundert Soulacken zu Fuß, deren weisse mit Gold gestickte
Hauben mit auf vorige Weise gespitzten aber gegen das in Form ei⸗
nes Horns gekruͤmmten Federn prangten. Hierauf kam der Janit⸗
scharn Aga / oder oberster Vorsteher zwischen 10. Thorbagi oder
Haup[t]leuten, auf diesen die neu⸗angehende Soldaten mit rothen aber
keiner Leinwand umwundenen Häublein, so auch keine Beutel getra⸗
gen. Diese fiengen bisweilen schnell an zu laufen, welches auch die
vorausgegangene ältere zu thun pflegten; es kan nun seyn, daß sie da⸗
mit ihre Freude über ihre erhaltene Bezahlung an Tag legen,
oder eine alte Gewohnheit dardurch beobachten, oder auch, daß
sie fein geschwind zur Auszahlung kommen wolten, oder was es sonst
für eine mir unbekannte Ursach seyn mogte. Endlich sahe man die
Chiausen / nach ihnen ihren Vorsteher den Chiaoux Baschi, die
Capigi Baschi oder Kaiserliche Cämmerlinge mit ihrem Vorsteher
den Lerchijajasi / den Kiaha oder Obrist⸗Hofmeister, die andern
vornehme Bediente des Hofs, die zwey Richter, den Nischanschi
Bascha / Capudan Bascha / und letzlich den Groß⸗Vizir selbst,
alle auf prächtigen Pferden, und von vielen Füͤhrern und ihren in
weiß gekleideten Hauß⸗Officiern umgeben; eines jeden Pferd wur⸗
de von zweyen gehalten / damit sie im Zelt, und nicht geschwinder
als ihnen beliebte, fort giengen: die ganze Suite aber von des Groß⸗
Vizirs Leuten geschlossen, welche ihren Feld⸗Herrn auf solche Wei⸗
se nach Hauß, wir aber unsern Herrn Groß⸗Botschafter in vo⸗
riger Ordnung und eben denselbigen Weeg wiederum ins Lager be⸗
gleitet; worauf auch der Kaiser der Sich, wie schon gemeldet, dem
Sommer uͤber in seinem Garten an dem Canal aufhäͤlt, Sich gleich⸗
falls nach geendigten Divan wieder in seinen Pallast erhoben. Weil
man auch die vorige Tage bemerket, daß bey dergleichen Gelegenheiten
unsere Leute allerhand Früchte in ziemlicher Quantität aus der Stadt
mit ins Lager gebracht haben, hat der Herr Groß⸗Botschafter,
aus Beysorge, es dörfte das Pestilenzialische Gift zugleich mit da⸗
hin
- 249 -
209
Angenommene und abgestattete Visiten.
hin transferirt und das ganze Lager angesteckt werden, einen scharfen
Befehl ergehen lassen, sich von dergleichen hinfuͤhro zu enthalten.
Vierte Abtheilung.
DEn 9ten Augusti wurde ich mit dem Dolmetsch Goͤtz/ einem Nachricht
an den
Moscowi⸗
tischen Ge⸗
sandten
von des
Herrn Bot⸗
schafters
Ankunft.
Chiausen / und etlichen Bedienten zum Moscowitischen
Gesandten geschickt / des Herrn Groß⸗Botschafters
Ankunft demselbigen zu vermelden, welcher an dem Canal des schwar⸗
zen Meers so Asien von Europa scheidet / dazumal wohnete. Wir
hatten mehr als 4. Stunde dahin, und musten uns noch darzu üͤber
den Canal setzen lassen, weswegen wir uns gleich Frühe zu Pferd
nach Constantinopel begaben, die aber bis zu unserer Ruckkunft
an dem Wasser stehend blieben, dann daselbst setzten wir uns
zu Schiffe, und fuhren nacher Kurutschesmen / allwo sich der
Herr Gesandte aufgehalten hatte, meinten auch nicht anders, als wir
wuͤrden ihn allda antreffen, erfuhren aber bey unserer Ankunft, daß
er wegen der Pest die Luft verwechselt, und nach Sariar Althi oder
Mauromolan, nicht gar zwey Stund von dem Schwarzen Meer,
sich begeben; nahmen derowegen zu Kurutschesme andere Schiffe /
und verfuͤgten uns dahin, nach dem wir Jeinickoya auf der Sei⸗
te von Europa vorbey gefahren, allwo der beruffene Ragotzi
Ragotzi
wo er sich
aufhält.
sich aufhält, den der Pöbel für einen Gesandten des Köͤnigreichs
æstimirt, und ihn auch bey uns dafür ausgegeben. Jch beobach⸗
tete ihn im Vorbey⸗fahren am Fenster; und hatte sich in dessen
Hauß die Pest auch bereits eingeschlichen, weshalben er seine mei⸗
ste Familie über diese Meer⸗Enge, welche man heut zu Tag den Ca⸗
nal nennet, nacher Asien gefluͤchtet, woselbst wir auch an dem Ufer
die Zelter füͤr sie aufgeschlagen gesehen. Ungefehr um 11. Uhr Vor⸗
Mittag kamen wir zu Sariar Althi an, und als wir daselbst aus⸗
steigen wolten, gieng ein Dolmetsch mit etlichen Janitscharen auf
uns zu, die uns fragten, wer wir wären, woher wir kämen, und
wohin wir gedachten? als er es vernommen, hat er uns bey dem
Gesandten angemeldet, und gleich darauf uͤber die Stiegen zu ihm
begleitet. Hier ließ sich der Herr Groß⸗Botschafter entschuldigen,
daß Er von seiner Ankunft nicht eher Nachricht gegeben, weil Er erst
vor
Dd
- 250 -
Zweytes Buch / Vierte Abtheilung /
210
vor drey Tagen von dessen noch wehrenden Hierseyn Versicherung
erhalten; indessen wäre die gestrige Audienz darzwischen ge⸗
kommen, womit auch der ganze Tag zugebracht worden. Worauf
sich der Herr Gesandte folgender massen vernehmen liesse: Er sage
dem Herrn Botschafter Dank für die ihme hierdurch erwiesene
Höflichkeit, und erfreue sich, daß derselbige auch einmal an ihn den⸗
ken wollen, gratulire sich anbey uͤber diese mehr gewuͤnschte als ver⸗
hoffte Gelegenheit, welche ihm zu Sr. Excellenz naͤhern Bekant⸗
schaft verhelfen werde. Nach diesem fragte er mich unterschiedli⸗
ches, und unter andern auch, wie lang der Herr Botschafter bey
der Pforten bleiben, und wo er sich von dar hinbegeben wuͤrde, wo⸗
von ich ihm aber so wenig Nachricht geben kunte, als sehr er sol⸗
ches zu wissen verlangte. Als ich nun wiederum im Fortgehen war,
sagte er: ich wuͤnsche / daß der Groß⸗Botschafter unser
grosser Freund seye/ und auch lang verbleiben moͤge/ wel⸗
ches ich ihm in meinem Namen zu vermelden bitte; es
werden aber diese Worte, wie ich gaͤnzlich dafuͤr halte / keiner weit⸗
läuftigen Auslegung vonnoͤthen haben.
Jn der Rück⸗Reise habe ich an dem Ufer des Canals / so wol
auf der Seite von Europa als Asia, viele Stuͤcke gepflanzt gese⸗
hen / welche vielleicht mit denen Dardanellen einerley Absehen
Janit⸗
scharn Ker⸗
ker.haben. Um diejenige, so in Europa stunden, zeigten sich viele runde/
auch vier⸗ und acht⸗eckigte Thüͤrne, so mit einer Mauer umgeben oder
vielmehr an einander gehenkt waren, in welchen die Janitscharn ab⸗
gestrafft werden. Bis hieher hat uns der Wind favorisirt, und
haben wir keiner Ruder noͤthig gehabt / anjetzo aber musten wir ne⸗
ben dem Ufer wegfahren, weil das Meer von einem Nord⸗Wind
heftig bewegt wurde; man spuͤhrt aber daselbst, wo das Meer zwi⸗
schen dem Hellespont mit dem Canal des schwarzen Meers
zusammen trifft, auch bey stillem Wetter und heiterer Luft, gleichwol
beständig Wind: doch sind wir endlich, nicht ohne Gefahr eines
besorgenden Schiff⸗Bruchs durch Fleiß und Emsigkeit unserer
Tophana
die Vor⸗
stadt.Schiffleute zu Tophana ans Land gestiegen; welches Ort von
dem Türkischen Wort Top / so in unserer Sprach ein Stuck heis⸗
set, den Namen füͤhret, weil daselbst ein Gieß⸗Haus ist, worinnen
die Stuͤcke gegossen werden. Wir hatten diesen Tag noch wenig ge⸗
gessen,
- 251 -
211
Angenommene und abgestattete Visiten.
gessen, angesehen wir solchen fast immer auf dem Wasser zuge⸗
bracht, weswegen wir nach Galata gangen und uns daselbst bey
einem Armenier ein Mittagmal zu bereiten lassen. Allhier erkundigNachricht
von der
Pest.
⸗
ten wir uns wegen der Pest, bekamen aber zur Antwort, daß noch
täglich viele Türken daran stürben / und keiner aufkomme, der ein⸗
mal damit behaftet seye; es wäͤren den vorigen Tag in einem kleinen
Bezirk siebenzig Personen gestorben; man hätte sich aber daruͤber
so groß nicht zu verwundern, und kehrten sich die Tuͤrken wenig da⸗
ran / wann nicht in einem Tag zu einer Pforte bey tausend Leichen
hinaus getragen wuͤrden. Als wir hernach von dar nach Constan⸗
tinopel uͤbersetzten / hat man uns, indem wir durch die Stadt ge⸗
ritten, in einer Gasse eilf Todte entgegen getragen, so alle an der
Pest gestorben, und nun begraben werden solten; und nachdem wir
auch nachgehends vor der Stadt auf den Kirchhöͤfen, deren es eine
unbeschreibliche Menge gibt, viele Graͤber mit frischer Erde zuge⸗
deckt sahen, kunten wir uns leichtlich die Rechnung machen, daß
diesen Tag sehr viele darunter muͤsten versenckt worden seyn. Gleich
vor unserm Lager trafen wir den Grafen Sebastida mit dem Dol⸗
metsch Herrn Theyls und einem Sprach⸗Knaben, dem jüngern Einige Ge⸗
fangene
werden be⸗
gehrt.
Momarts / samt zweyen Dienern an, welche zu dem Groß⸗Vi⸗
zir abgeschickt waren, einige Spanische Gefangene zu begehren,
die der Herr Botschafter entdeckt hatte, und in dem Baino oder
demjenigen Ort bey dem Capudan Bascha aufbehalten wur⸗
den / wo die zu den Ruder⸗Bänken und anderer Schiffs⸗Arbeit ver⸗
urtheilte Gefangene verwahret, und mit so grossen Ketten an einan⸗
der geschlossen werden, daß sie wegen ihres Gewichts solche kaum
nachschleppen köͤnnen: sie sind aber am Abend ganz unverrichter
Sachen wieder zuruck gekommen, weil sie den Groß⸗Vizir nicht
angetroffen, als welcher zu dem Sultan in das Serrallien an den
Canal, ohne Zweifel Reichs⸗Geschäften halber, geruffen worden.
Die nechstfolgenden fuͤnf Täͤge ist nichts wichtiges vorgefallen, auser
daß die Englische und Holläͤndische Gesandten nebst dem neulich in
Morea gefangenen Venetianischen Feld⸗Herrn, den sie Provedita
nennen, den Herrn Botschafter besucht / und bey ihm zu Mittag
gespeiset haben; so sind auch einige aus dem Adel, als der Graf
von Thierheim und Bielinski zu dem Französischen Botschafter,
sich zu recreiren, andere aber Curiosité halber nach Asien über⸗
gan⸗
Dd 2
- 252 -
212
Zweytes Buch / Vierte Abtheilung /
gangen, worunter der Graf Thierheim zum andernmal und der
Graf Sebastida waren, welche beide auch die erste gewesen, so
von den Unsrigen Asien betretten; endlich sind welche, na⸗
mentlich der Graf Bathyani und Freyherr von Zweiffel mit dem
Dolmetsch Herrn Theyls Ehrenthalber zu dem Groß⸗Vizir ge⸗
schickt worden, Jhme so wol wegen bald zurück gelegter Fasten, als
erlangter Restitution von seiner Krankheit, welche in einem viertägi⸗
gen Lager an der Darm⸗Gicht bestanden, zu gratuliren: wiewol
Se Excellenz auch schon vorher etlichmal Jhren Leib⸗Arzt, Herrn
Andreas Dorschäus, mit einem von dem Herrn von Dierling
aufgesetzten Brief zu gesandt, damit er mit seinem geheimen Mit⸗
teln, welches er wider diese Krankheit zu haben vermeinte, seine
Schmerzen lindern oder ihn vollig restituiren moͤgte. Es ist ihm
auch seine Mühe wol bezahlt worden, sintemaln er gleich anfangs
eine Hand voll Ducaten davon getragen. Von demselbigen haben
wir auch vernommen, daß der Sultan selbst den Groß-Vizir
unter einer grossen Begleitung öffentlich besucht und demjenigen ei⸗
nen kostbarn mit raren Zobeln gefütterten Belz geschenkt, der ihm
zum ersten die Nachricht von seiner wieder erlangten Gesundheit ge⸗
Kostbare
Visite der
Türkischen
Kaisere bey
ihren Groß⸗Vizirn. bracht. Es haben aber die Türkische Kaisere von alten Zeiten
her im Gebrauch, daß sie ihre Groß⸗Vizir nicht nur wann sie
krank, sondern auch wann sie bey guter Gesundheit seyn, heimsu⸗
chen; invitiren sich auch selbst bey ihnen zum Mittag⸗ oder Abend⸗
Essen und bringen noch eine ganze Menge ungeladener Gäͤste an
ihren Dienern und Edel⸗Knaben mit, welche alle absonderlich muͤs⸗
sen beschenkt werden: und dieser Politique bedienen sie sich, ihre
Beutel zu fegen oder zu verringern / wann sie ihnen wegen ihres
Reichthums und Gewalt verdächtig vorkommen: sintemaln der
Kaiser für solche Ehrbezeugung entweder einen kostbarn Stein /
oder einen mit Perlen besetzten Rock, oder auch einen mit raren
Diamanten gefaßten Säbel, wie nicht weniger eine grosse Geld⸗
Summa zu begehren pflegt. Es schicket auch derselbige wol gar,
nach seinem Gefallen, um einen Schmuck füͤr die Hasaki Sulta⸗
na oder gecrönte Kaiserin, wann eine nach der Geburt eines
Prinzens so glüͤcklich ist, daß sie zu dieser kostbarn Ehre gelanget, als
welche wegen der jährlich auf sie zu verwendeten Unkosten gar
wenigen zu theil wird; oder für die Bask Hasaki oder Jnkingi
Hasa⸗
/
- 253 -
213
Angenommene und abgestattete Visiten.
Hasaki / als für die erste, zweyte und dritte Concubin des Kai⸗
sers, dergleichen Schmuck aber sich oft auf hundert⸗ und mehr tau⸗
send Ducaten belauft; dessen sich dann der Groß⸗Vizir nicht allein
nicht weigert, sondern die Summa freywillig noch hoͤher steigen laͤßt,
um damit sein Vergnuͤgen uͤber dergleichen Zumuthen zu bezeugen /
und wie er gerne alles, was in seinem Vermoͤgen stehe, zum Dienst
Der Jud
Joseph /
des Kai⸗
sers Leib⸗Arzt.
seines Kaisers anwende. Zu dieser Zeit fand sich auch der Jud
Joseph, des Sultans Leib⸗Arzt bey uns ein, dergleichen Leute sich
die Türkischen Kaisere in ihren Krankheiten gar sehr bedienen, ob
schon die meinsten unter ihnen von der Medicin nicht viel vergessen,
und kaum etwas mehr als unsere Apothecker und Wund⸗Aerzte ver⸗
stehen; doch war dieses ein annehmlicher alter Mann, bey Hof und
im ganzen Land sehr bekannt, und bey dem Sultan wegen seiner
guten Wissenschaft, womit er vielen taͤglich gar gute Dienste thut,
in nicht geringem Estim. Einsmals both der Kaiser ihm vier tau⸗
send Ducaten samt einem schoͤnen Land⸗Gut an, wann er seinen juͤdi⸗
schen Aberglauben, wie Er ihn nennte, fahren lassen, hingegen die
(noch schlimmere) Mahometanische Religion annehmen wolte. Du
weist nicht, mein Joseph / ließ sich der Sultan einsmals gegen
ihm vernehmen, was ich aus dir machen wolte, wann ich nach mei⸗
nem Belieben hierinnen verfahren duͤrfte; es kommt aber gleichwol
alles nur einig und allein auf dich an. Dieser Joseph brachte eine
Art Arabischer Bohnen mit sich, die er Hunds⸗Hoden nannte, Hunds⸗Hoden / ei⸗
ne Art Ara⸗
bischer
Bohnen.
und denen er die Kraft zu schriebe, daß, wann man nur einer Hasel⸗
Nuß groß, oder eines Glieds lang nehme, dasselbige zu Pulver stos⸗
se; mit Honig und Wasser vermische, und davon trinke, man den
ganzen Tag in der schwehrsten Arbeit ausdauern köͤnne, ohne etwas
anders dabey zu geniessen: solche aber wenden die Tuͤrken zu was ganz
anders an, und suchen sich damit Kräften zu verschaffen, damit sie
sich bey ihren Weibern oder Beyschläferinnen in einer Nacht, so oft
es ihnen beliebt, als Maͤnner erzeigen koͤnnen; wie sich auch die Sul⸗
tanninen um einer dergleichen Ursach willen solcher bedienen: man
kan sie aber nicht zu kaufen bekommen, und trifft sie selten anders⸗
wo als bey denen Vornehmen an, so sie auf eigenen Kosten aus
Arabien bringen lassen; er verehrte bey seinem Abschied dem
Herrn Hulin, Leib⸗Arzten, etliche zwanzig Stücke davon zur Curio⸗
sité. Dieser Tagen wurden Sr. Excellenz von dem Englischen Ge⸗
sand⸗
Dd 3
- 254 -
214
Zweytes Buch, Vierte Abtheilung / rc.
sandten Herrn Stanian drey Sclaven zugeschickt, darunter sich
ein Teutscher befunden, so 18. Jahr an der Ruder⸗Bank ange⸗
schlossen gewesen. Nebst diesem war auch eine Frau, von Luxem⸗
burg gebürtig, die im vorigen Krieg bey Zwornick gefangen, und un⸗
terdessen schon dreymal verkauft worden, so ein Kind von acht Mo⸗
naten bey sich hatte; diese fand einen Geistlichen unter unsern LeuTürken
Geilheit.
⸗
ten, der ihr naher Bluts⸗Freund war. Sie kunte von der Türken
Geilheit und viehischen Wesen nicht genug erzehlen / und wie sie ihre
gröͤste Lust an der unnatuͤrlichen Vermischung beides mit Menschen
und Vieh suchten, und in diesem Stuck ihrer Sclaven, Diener, ja
so gar ihrer Brüder und Soͤhne nicht muͤssig giengen. Der dritte
war ein Meyländer, und seinem Herrn heimlich davon gelaufen,
weil er ihm oͤfters die Freyheit versprochen, und doch nicht ertheilet;
es war aber sein Herr der Bostangi Bascha / Aufseher über die
Kaiserliche Gebäue, oder oberster Gäͤrtner, der auch sonsten dem
Sultan, wann er zu Land reiset, den Steig⸗Bügel häͤlt, zu Was⸗
ser aber das Steuer⸗Ruder fuͤhret, bey welchem dieser Sclav / wie
er selbst bekannt, in gar erleidlicher Dienstbarkeit gestanden, an den
er von dessen Bruder, der ein Bedienter in dem Serrallien war / zu
einem Geschenk uͤberlassen, auch hierauf nach genommener Flucht
durch Vorspruch des Herrn Groß-Botschafters in seiner Frey⸗
Türk wird
wegen des
Wein⸗
Trinken ge⸗
straft. heit bestättiget worden. Fast um eben diese Zeit hat sich einer von
unsern Füͤhrern durch seine Unmaͤssigkeit ein grosses Ungluͤck uͤber den
Hals gezogen; dann weil er auf frischer That betretten worden,
daß er wider das Gesetz Wein getrunken / und dessen mehr, als er
vertragen koͤnnen, zu sich genommen, wurden ihme erstlich 500.
Streich auf die Fuß⸗Sohlen gegeben, hierauf Hände und Füͤsse ge⸗
bunden, quer uͤber ein Pferd gelegt, und also auf beiden Seiten
herab hangend in die Stadt gefüͤhrt, woselbst er wol noch vor Ende
des Bairams sein Leben zu einem Schuld⸗Opfer wird dargeben
müssen.
Des Hn.
Botschaf⸗
ters Visite
bey dem
Französi⸗
schen Ge⸗
sandten. Den 15. Augusti ist der Herr Groß⸗Botschafter nach ein⸗
genommenen Mittagmal mit dreyen mit sechs Pferden bespannten
Wagen nach dem Französischen Gesandten gefahren, so sich damals
in dem Königlichen Pallast zu Pera aufhielte / um seine Gegen⸗Vi⸗
site bey ihm abzulegen, und hat zu seiner Begleitung sechse aus dem
ersten Adel, als den Marggrafen Besora / Grafen Nesselrode /
Scherf⸗
- 255 -
215
Beschreibung des Bairams rc.
Scherftenberg / den beiden Colvrat und Freyherrn von Hoͤrde /
drey aus dem zweyten, nemlich den Freyherrn von Locher/ Jm⸗
hof und Ostmann / dann auch 4. Hauß⸗Bediente, 6. Edel⸗Kna⸗
ben zu Pferd, 8. Heyducken und 14. Laquayen mit genommen. Sie
sind daselbst mit grosser Ehrbezeugung aufgenommen, und nach
Stands⸗Bebühr tractirt worden. Es fehlte weder an Französischen,
Welschen, und auf den Jnsuln gewachsenen, Champagner, Bur⸗
gunder, Fränkischen und dergleichen Wein, noch auch an Rebhuͤ⸗
nern, Fasanen, eingemachten Fruͤchten und allerhand andern Spei⸗
sen, als woran vielmehr ein grosser Uberfluß sich gezeiget, und sind sie
erst auf dem Abend wieder zuruck kommen, weil man eine gute Stre⸗
cke um den Canal reiten muß, wann man zu Land nacher Pera will.
Des andern Tags hat sich der Herr Hulin / des Herrn Botschaf
Hn. Hulins
Sorgfalt
wegen der
Pest.
⸗
ters Leib⸗Arzt, von freyem Stucken von der uͤbrigen Suite abge⸗
sondert, und sein Zelt etliche hundert Schritt von dem Lager ent⸗
fernet aufschlagen lassen, aber dabey gebetten, daß man ihm die Spei⸗
sen und andere Nothwendigkeiten dahin verschaffen moͤgte; und dar⸗
zu hat ihm der Dolmetsch Goͤtz veranlasset, dessen Krankheit wol
noch nicht allerdings entdeckt war, aber gleichwol sehr verdächtig
schiene.
Fünfte Abtheilung.
HEute
begaben wir uns in die Stadt, damit wir die den anRamazan
der
Türken.
⸗
dern Tag angestellte Solennität mit ansehen moͤgten. Der
Herr
Groß⸗Botschafter fuhre mit dem Marggrafen
Besora / Grafen Bathyani und Nesselrode in einer Kutsche
mit sechs Pferden; der Adel und
einige andere, so Se. Excellenz
mit
zu gehen benennet, bedienten sich der von der Pforten uͤber⸗
schickten dreysig
Pferden, die uͤbrigen aber mietheten, um ihren Vor⸗
witz ein Genügen zu leisten, solche
von den Spahis für Geld.
Es ist aber
dieses das groͤste Fest unter allen denen/ so die Tüͤrken zu
feyren pflegen / und wird von ihnen
Bairam / gleichwie die vorherge⸗
hende Monat⸗lange Fasten Ramazan /
genennet, und kommt in
vielen mit
unserer Ostern uͤberein. Es ist beweglich, und kan in
alle Zeiten des Jahrs einfallen;
dann weil das Mond⸗Jahr, wor⸗
nach
- 256 -
216
Zweytes Buch/ Füͤnfte
Abtheilung /
nach die Türken ihre Zeit⸗Rechnung
anstellen / um 10. Tag und 16.
Stunden kürzer als unser Sonnen⸗Jahr ist, so folgt, daß ihr
Bairam alle Jahr um so viel Tage fort
ruckt, also daß solches
Fest, das
dieses Jahr auf den 17. August⸗Monats
eingefallen ist /
in den folgenden
auf den 26ten besagten Monats gefeyret wird,
das
dritte darauf auf den 8ten Weinmonats/ und so fort, also daß
nach 33. Jahren, wann aus diesen 10.
Tagen und 16. Stunden ein
ganzes
Jahr heraus kommt, die vorige Ordnung wieder eintrifft. [19]
Die vorher gehende Fasten wird auf
das strengste gehalten, so wol
weil
sie von Mahomet selbst im zweyten
Jahr seiner Weissagung
eingesetzt
worden, als auch, weil sie dafür halten, daß zur selbigen
Zeit das Paradieß offen stehe, die
Höͤlle hingegen verschlossen seye.
Einige meinen auch, daß sie sich in dieser Zeit ihrer Weiber enthal⸗
ten, worinnen
ich ihnen aber nicht beyfallen kan, weil ich von un⸗
serm Führer ein anders
verstanden; wiewol sie mich eben nicht darzu
Bairam.
genommen, wann sie zu ihnen haben
gehen wollen. Zu derjenigen Zeit,
wann der Mond sein Licht ausbreitet, fangen sie den Monat an,
und rechnen dieselbige Nacht zu dem
folgenden Tag. Den neunten
Monat
eines solchen Mond⸗Jahrs, wann die Fasten einen ganzen
Monat vorher gedauert / und der Mond
am Himmel sich gezeigt
hatte / nimmt
dieses Fest seinen Anfang; bisweilen auch erst den zwey⸗
ten Tag nach der Fasten,
wann nemlich der Mond von den Wol⸗
ken bedeckt ist; wann er noch
laͤnger unsichtbar bleibt, rechnet man
nach seinem ordentlichen Lauf, als ob er neu wäre / und wird
das
Fest des Bairams durch das an
dem Canal und Ufer des Meers
vor dem Hellespont an der Spitze des
Serrallien gepflanzte gro⸗
be Geschütz kund gemacht; hierauf
werden alle an den Thürnen zu⸗
vor gebrannte Ampeln ausgelöscht,
und nicht wieder angezundet:
Bey
einer Trommel wird das Losungs⸗Lied angestimmet; die Trom⸗
peten oder vielmehr
Pfeiffen werden durch alle Gassen der Stadt
und sonderlich in der Vornehmen Häͤusern gehört, und ist man
auf
nichts als Ergötzung, Freude und
Vergnügen bedacht, welches
drey Tage
hindurch dauert, so lang nemlich dieses Fest wehret, daß
unterdessen die Tüͤrken lauter
Gastmale, Spiele und Gesaͤnge an⸗
Türkische
Weiber
lassen sich
zu dieser
Zeit sehen.stellen. Die
vornehmen Weiber, und andere, welche sich sonst
kaum ohne ihre alte Begleiterin, so
sie Kadune nennen, sehen las⸗
sen darfen, gehen nun jetzo frey zu
ihren Eltern und Freundinnen,
ohne
- 257 -
217
Beschreibung des
Bairams rc.
ohne daß sie nöthig haben, den
Männern etwas davon zu sagen:
ja so
gar die Sultaninnen, deren jede ihren besondern Hof und in
dem grossen Serrallien noch ihr
besonderes Frauen⸗Zimmer hat, aus
welchen sie sonst keinen Schritt gehen noch andere ohne speciale Er⸗
laubnis zu
sich beruffen darfen, gehen zu dieser Zeit zur Kaiserlichen
Mutter, Validia / und Groß⸗Mutter, Kiosen / wann sie noch
im Leben, oder geben einander selbst die Visite, ohne daß sie
den
Sultan darüͤber befragen: die Eltern theilen ihren
Kindern, gleich⸗
wie wir an Nicolai, Christ Fest, Neu⸗Jahr, Martini und Allerhei⸗
ligen,
Geschenke aus. Da sahe man Mütter, welche Kinder auf ih⸗
ren Armen, denenselbigen
aber an einen Stecken Cronen vom ge⸗
schlagenen Gold vortrugen, oder
ihnen, wann sie schon stark ge⸗
nug waren, solchen selbst in die
Häͤnde gaben: diese Stecken waren
mit Gold und Blumen umwunden, von dessen Spitze ein geschla⸗
genes und zu Faden
gezogenes Gold herunter hienge. An dem vor⸗
hergehenden Abend, als den 16. Augusti / hatten sie alle Kram⸗Laden
und Gassen illumiirt, doch nicht
eher, als bis die Liechter an den
Thürnen ausgelöscht worden, weil dieses der Fasten ein Ende ma⸗
chen muste;
so war auch von Ambra und wolriechenden Dingen die
ganze Stadt angefüͤllet, und die
Gassen ja auch alle Winkel dersel⸗
ben auf das schoͤnste gereiniget.
Dem Herrn Botschafter, so dieDes
Hn.
Botschaf⸗
ters Per⸗
noctirung
bey dem
Mehemet
Bascha /
und Be⸗
schenkun⸗
gen vom
Hof
aus.
⸗
se Nacht bey dem Mehemet Capigi Baschi / unserm auf
der
Reiß gewesenen Führer, ohnweit
des Kaiserlichen verschlossenen
Pallasts sich aufhielte / sind unterschiedliche Früchte und Blumen
vom Hof zugeschickt worden, so alle
aus des Sultans Garten ge⸗
nommen, und
noch fuͤnf mit Gold und Seiden gestickte Tuͤchlein
beygelegt waren: Von Caffé, Tabac,
Scherbeth, Ambra und an⸗
derer Rauchwerk stunde einem jeden so viel zu Diensten, als er
nur
verlangte. Hier fanden sich
unterschiedliche Feld⸗Herrn und ande⸗
re vornehme Männer ein / welche dem
Herrn Botschafter die
Zeit zu vertreiben suchten; darunter
war auch einer, so Teutsch ver⸗
stunde, und im vorigen Tüͤrken⸗Krieg
von den Unsrigen gefangen
worden,
wordurch er vermeinte, daß er in unserm Kriegs⸗Wesen
eine vollkommene Wissenschaft
erhalten. Dieser erzehlte uns auch,
daß wegen des langen Ausbleibens des Tributs aus Egypten bey na⸗
he eine Aufruhr unter den Soldaten
entstanden wäre, wo nicht die
kluge
Vorsichtigkeit der Officiers, welche dieses wol gemerket, noch
in
Ee
- 258 -
Zweytes Buch/ Fünfte
Abtheilung.
218
in Zeiten vorgebauet hätte. Er wolte
behaupten, daß in der ein⸗
Anzahl der
der Janit⸗
scharn.
zigen Stadt Constantinopel bey 40000. Janitscharn sich auf⸗
hielten / in
dem ganzen Reich aber bey 400000. könnten gezehlet
werden: es begäbe sich der Sultan niemaln von hier weg, auch
nicht einmal nur bis nach Adrianopel/ wann er nicht 150000.
Mann zur Begleitung bey sich häͤtte;
und koͤnnten alle diese Vöͤlker,
wann Gefahr vor handen, in einer Zeit von 24. Stunden unter ihre
Fahnen gebracht werden: ich glaube
aber / daß solche Anzahl zwar
in dem
Läger zu finden, jedoch die wenigsten darunter Dienste zu thun
Beschaf⸗
fenheit der
Türkischen
Armee.capable sind. Dannzu geschweigen, daß viele tausend von den
Kaufleu⸗
ten, Künstlern, Hauß⸗Bedienten, Pagen und Dienern dem Sultan
überall nachfolgen, und der Groß⸗Vizir nebst denen Stadthal⸗
tern der
Provinzen ihre Beiglerbey und Bey/ und zwar alle ins⸗
gesamt ohne Waffen, bey
sich haben, auch die Troß⸗Buben und
Stall⸗Knechte mit gezehlt werden: so ist kein Spahi, der nicht
zwey oder drey Personen zu seiner
und seines Pferds Bedienung bey
sich
hat, die zu nichts anders, als rauben / stehlen und fliehen kön⸗
nen. Mit
diesen und dergleichen Gespraͤchen haben sie sich die
lange Weile der Nacht vertrieben,
bis endlich der Herr Botschaf⸗
ter gegen
Mitternacht von seiner Sofaus aufgestanden, und sich
in ein anders Zimmer verfuͤgt, um
daselbst auf seinem dahin gebrach⸗
Betten
bey dem
Mehemet.ten Bette auszuruhen; der erste Adel aber im Zimmer
auf den So⸗
faus / wir andern aber über den Gang, so gleichsam ein Vor⸗Zim⸗
mer bedeuten
solte, und auf der Stiegen / die Nacht⸗Ruhe einge⸗
nommen, wobey uns die Sättel zum
Haupt⸗Kuͤssen und unsere Rö⸗
cke zum Deck⸗Bett dienen musten, auf
welchen wir auch ungewiegt
eingeschlaffen, ob wir uns gleich nach dem Ungarischen und Polni⸗
schen
Sprichwort kein Bett getrunken, weil die aberglaͤubischen
Türken sich nicht nur des Weins, den
sie Scarab nennen, selbst
enthalten,
sondern auch andern in ihren Häusern nicht zu trinken
vergoͤnnen, wo sie solche nicht
vorher schon genugsam gekannt und
probirt haben; und also ist es auch mit aller ihrer Tugend beschaf⸗
fen, als die
nur in einer Gleißnerey und betruͤglichen Schein⸗We⸗
sen bestehet, aber zu
dem Herzen niemaln gelanget. Dann da wir
nachgehends durch laͤngern Umgang mit einander bekannter
worden,
hat sich gezeugt, daß dieser
Capigi Baschi nicht nur erlaubt, so
viel Wein als wir wolten, in sein Haus zu bringen, sondern, wann
er
- 259 -
Abbildung:
Der
Groß-Vezier
- 260 -
- 261 -
Abbildung:
Vorstellung des Türkischen
Bairams oder
grossen Umgang
- 262 -
- 263 -
Beschreibung des
Bairams.
219
er allein bey uns war, selbst die
groͤsten Becher ausgeleert und sich
dick voll gesoffen. Er war anbey ein so grosser Liebhaber von
Brandwein, den sie Racky / wir aber
Rossoli nennen, daß man
ihm
desselbigen nicht genug geben kunte; vier voll gefüͤllte Fläschlein /
so doch mehr als die ordinaire Grösse
hatten waren ihm nur ein
Schluck, die
er wie Wasser in sich hinein geschuͤttet.
Des andern Morgens, noch vor der
Sonnen Aufgang, wurde Türkische
Music zur
Zeit des
Bairams.
eine Türkische Music angestimmet, um
den zu dieser Zeit in den vor⸗
nehmen Häusern eingefüͤhrten
Gebrauch zu beobachten; selbige be⸗
stunde aus drey Schalmeyen und eben
so viel Geigen, davon die drit⸗
te, welche nur eine Seite, und nicht
fuͤnfe, wie die andern, hatte,
des
Mehemets Sohn gestrichen, woraus die Tüͤrken kein
geringes
Wesen machten, als die es
bey solchem Alter füͤr eine Sache ohne
Exempel hielten. Dieser hatte auch zugleich, doch nur
bisweilen,
darein gesungen; der
andere aber, welcher seine Stimme beständig
höͤren ließ, sahe der Kleidung nach / und weil er keinen Bund,
wie die
andern, auf hatte, einen
Juden gleich. Nachdem nun diese Music
zu Ende war / wurde uns, statt des Früͤh⸗Stucks, wiederum Caffé
vorgesetzt, worauf der Herr Botschafter sich mit den Seinigen
noch vor Tags bey vorgetragener
Laterne nach demjenigen Hauß be⸗
geben, welches der Groß⸗Vizir für uns bestellet hatte, damit wir
von daraus die ungemein propre
Solennität dieses Fests mit anse⸗
hen solten. Hierzu haben Se.
Excellenz, um alles desto eigentli⸗
cher zu bemerken, zwey beruͤhmte
Mahler mit sich genommen, Herrn
Johann Semler einen
Schweitzer, und Herrn Joseph Ernst
Schmid / einen
Oesterreicher, welcher letztere sonderlich so wol in
als ausser der Kaiserlichen Residenz
sehr bekannt ist, und in grosser
Hochachtung stehet; diese solten die Gegend, Ordnung, Unterschied
der Trachten, und andere Ceremonien
erstlich mit Reiß⸗Bley oder
Rötel
auf Papier zeichnen, und es nachgehends zu Hauß auf eine
grosse Tafel mit guter Gelegenheit
entwerfen und mit gehöͤrigen Far⸗
ben auszieren. Es wird solche Tafel
noch gegenwärtig in Wien in
des Herrn Grafen von Virmonds Excellenz Wohnung zur
ewigen Gedaͤchtnis aufbehalten,
dergleichen vielleicht nie in ganz
Teutschland und denen
Abendläͤndischen Provinzen gesehen worden,
und wegen ihrer Kunst Schoͤnheit und Rarität wol werth wäre,
daß sie in eines grossen
Füͤrsten Kunst⸗Kammer aufbehalten wüͤrde.
Aus
Ee
2
- 264 -
220
Zweytes Buch / Fünfte Abtheilung /
Aus diesem vorgedachtem Hauß, wohin
uns der Groß⸗Vizir füͤh⸗
ren lassen, kunte man auf
den grossen Renn⸗Platz sehen, den die
Der Gri⸗
chen Hip⸗
podromus.
Grichen vor Zeiten Hippodromus genannt / und von deme die
Moschee des Sultan Ahmeds / welcher sie erbauen lassen, nicht
weit entfernet war, wohin auch
dieser allgemeine Umgang ange⸗
stellt, die Ruckkehr aber von dar
nach Hof genommen wurde. All⸗
hier musten wir wol noch anderthalb
Stund warten, ehe diese So⸗
lennität ihren Anfang genommen,
endlich aber kunten wir sie zwey⸗
mal, nemlich in dem Hin⸗ und Herzug
betrachten. Man muß nicht ver⸗
meinen, als wann dieser Umgang
jederzeit zu einerley Moschee an⸗
gestellt werde, sintemaln ein jeder
Kaiser sich eine nach
Belieben
erwehlet, diese aber darum den Vorzug vor den an⸗
dern erhalten, weil sie der jetzige
Kaiser selbst erbauen und nach
sei⸗
nem
Namen nennen lassen[20]; dann grosse Herrn sehen
nicht ungerne,
wann man gegen
diejenige Gebaͤu, welche sie mit eigenen Kosten auf⸗
gerichtet, eine
Hochachtung trägt, und glauben, daß auch ihr Ruhm
einiger massen dardurch vermehrt
werde. Es ist aber gleichwol kei⸗
nem Kaiser oder Kaiserin erlaubt,
eine Moschee zu erbauen, und
sie mit
seinem Namen zu belegen, wann Er nicht vorher so viel
Provinzen zu dem Reich gebracht,
oder sich an seinem Unterhalt so
viel abgebrochen / daß daraus nach seinem Tod 100000. Ducaten
Der Um⸗
gang selbst. können gezogen werden. Der Umgang
selbst war folgender massen
beschaffen: Die Janitscharn, deren Kleidung in der Kaiserl. Kam⸗
mer
aufbehalten, und bey solchem Gepraͤng nur unter die besten und
versuchtesten Leute ausgetheilet
wird stunden von der Thuͤr des ver⸗
schlossenen Pallasts oder Serrallien
an bis an die Moschee
Ahmeds zu
beiden Seiten in ihrer Ordnungs⸗Tracht, nemlich, in
einem langen vorn aufgeschuͤrzten
Talar, mit ihren uͤber den Rüͤcken
herab hangenden Hauben. So bald es nur anfieng Tag zu werden,
kam ein mir Unbekannter auf einem
praͤchtigen Pferd mit einem sehr
hohen Bund auf dem Haupt; diesem folgten die Vorstehere ihrer
Geistlichkeit / und dann ihre
Mollach und Cadis (die Richter ge⸗
wisser Provinzen und Oerter)/ die
Thorbati (der Janitscharn
Hauptleute), die Mutevelli (Kirchen⸗Regenten), die Chiausi
(Bothen), Capigi Baschi (Kaiserliche
Cämmerlinge), und an⸗
dere Officier und Hof⸗Bedienten, Chiohadar Aga des Mantels,
Ebrictar Aga des Wassers,
Tulbentar Aga des Bunds, Kem
Husar
- 265 -
Beschreibung des
Bairams rc.
221
Husar Aga der Kleider, Chesnegir
Baschi des Hofs, Dogan
Baschi der
Falken, Zagergi Baschi der Hunden / Turnackgi
Baschi der Nägel, Beber Baschi des Barts, Muhasabegi Ba⸗
schi der Speiß
und des Trancks, Teoheregi Baschi der Geheim⸗
nuͤsse Verwahrer und Vorsteher, alle
durch einander ohne Ordnung;
so daß
bald zween / drey, viere von einerley Rang und Bedienung,
bald eben so viel oder auch weniger
von einer andern bisweilen wol
gar
nur einer alleine kame; zum theil waren sie mit Caftans oder
Ehren⸗Kleidern versehen, so sie vom
Kaiser zum Geschenk erhal⸗
ten; theils aber erschienen ohne
dieselbige: viele hatten hohe Buͤnde
auf dem Haupt, aber auch viele darunter nicht. Diese waren alle
zu Pferd, und von ihren Dienern,
deren einer mehr, der andere we⸗
niger hatte, zu Fuß begleitet. Vier
oder fünf Quartier⸗Meister
ritten
zur Seiten / die bald dieses, bald jenes zu schaffen hat⸗
ten; bald liessen sie
anhalten, bald etwas geschwinder marchiren.
Hierauf præsentirten sich die beiden hoͤchsten Richter von
Asia und
Europa / gleichfalls zu
Pferd, der Janitscharn Aga, der von
den Seinigen ganz umringt war, der Nischanschi Bascha (Kai⸗
serliche Zugzieher,)
Capudan Bascha (Obrist über das See⸗
Wesen,) wie auch die damaln in der
Stadt sich aufhaltende Bei⸗
glerbey und Bey, so sich durch ihre
grosse Buͤnde distinguirten,
daran
nur dieser Unterschied war, daß die erstern hohe Vizir⸗Buͤnde,
wie ich sie oben beschrieben, die
andern aber sehr dicke und breite auf⸗
hatten, die schier wie ein Vaß
aussahen. Denen folgten zu Fuß die
Soulacks Baschi / Officiers der Janitscharn die Pfeil und Köͤcher
führen, an der Zahl fünf und
zwanzig, mit roth Sammeten Klei⸗
dern, und weissen in Gestalt des
Monds formirten Federn auf dem
Haupt. Mitten unter ihnen sahe man den Groß-Vizir auf ei⸗
nem Barbar sitzen, mit
einem weiß⸗atlassen und mit Zobel gefütter⸗
ten Kleid angethan, dessen Bund
aber, wie aller andern Vizir, be⸗
schaffen gewesen; welcher denen mit
halbgebogenen Leib sich vor ihm
neigenden Janitscharn mit auf die Brust gelegter Hand dankte, und
mit dem Kopf dabey bald auf diese
bald auf jene Seite nickte;
und
dieses hat er im Gebrauch, so oft er zwischen den Janitscharn
durchreitet, um dardurch seine
Gewogenheit gegen sie zu
bezeugen,
und sich ihre Gemüther desto verbindlicher zu machen.
Er begrüßte auch im Vorbey⸗Zug den
Herrn Botschafter, doch
zim⸗
Ee
3
- 266 -
Zweytes Buch / Fünfte
Abtheilung /
222
mich verzwickt, damit es die Seinigen
nicht merken solten, weil er
sich
durch solche Verträulichkeit gegen einem Fremden und Unglau⸗
bigen bey ihnen nicht
verdächtig machen wolte. Nechst nach Jhm
Hand⸗Pferde des
Sultans.wurden des Kaisers
Hand⸗Pferde geführt, so mit denen schon vor⸗
ausgegangenen drey und dreyssig an
der Zahl ausmachten, und die⸗
ses geschahe nicht in einer gleich
durchgehenden Ordnung, sondern es
kamen bald deren 8. bald 10. bald wiederum 8. und so fort; und rit⸗
ten zwischen
solchen unterschiedliche Tchorbagi, Capigi Baschi
und andere Officiers, und unter
denselben auch zwey, so des Kai⸗
sers mit Steinen und Perlen gezierte
Turbanen auf ihren Pferden
trugen:
endlich kamen auch eine grosse Menge dererjenigen zu Fuß,
welche Soulacks genennt werden, und
die Pfeil⸗Schüͤtzen unter
den
Janitscharen sind, so alle hohe weisse Federn auf ihren Hauben
hatten. Unter denen vorgemeldten
Hand⸗Pferden, hatten einige
auf der
Seiten einen silbernen Schild, alle aber einen Caddare,
oder Saͤbel, angeheftet; andere
waren mit den kostbarsten Leopard⸗
Tieger⸗ und Löwen⸗Häuten bedeckt, wiederum anderen hiengen an
dem Hals eine silberne uͤberguldete
Kugel und an diesen weiß⸗ roth⸗
gelb⸗ grün⸗ und blau⸗gefäͤrbte
Jndianische Küͤh⸗Schweife, auf den
Köpfen flogen / bey der geringsten Bewegung der Luft / die Reiger⸗
und Straussen⸗Federn durcheinander,
und an denen von Gold ge⸗
stickten Decken, Zaum, Steig⸗Bügel / Sattel und übrigen von
Silber geschlagenen und mit
kostbaren Steinen und Perlen besetz⸗
ten Zeug hatten sie bey nahe so
schwehr als an einem Reuter zu tra⸗
gen. Hiernechst kamen die Trabanten
oder Peicks/ so bey offent⸗
lichen Gepräng insgemein pflegen
voran geschickt zu werden, deren
Ricaut sechzig zehlet, wir aber hierbey nicht mehr als sechzehen be⸗
obachtet;
diese hatten auf dem Kopf gelbe mit Federn besteckte Hau⸗
ben, und in der Hand
trugen sie gleichfäͤrbige und in Gestalt des
Monds formirte Helleparten, welche erst angezogener Auctor für
pures Gold häͤlt, ich aber
glaube, daß es nichts anders als ein mit
Gold überzogenes Eisen seye: auf der Seite hinge ihnen an
einem
Gürtel ein Messer, dessen
Scheide mit kostbaren Steinen besetzt wa⸗
re. Nechst vorher ritte derjenige,
so des Kaisers mit rothen Tuch
Des Kai⸗
sers Auf⸗
zug.überzogenes Fuß⸗Bänklein auf dem Pferd führte. Hierauf kam der
Kaiser selbst, welcher sich
ansehen liesse, als wann Er in Federn
geschwum⸗
- 267 -
Beschreibung des
Bairams rc.
223
geschwummen wäre, so viel Su⸗Baschi
und Assas⸗Baschi
(Hauptleute der
Leib⸗ Wacht) giengen um Jhn, der Rechin⸗
btar Aga aber, oder derjenige / so
Jhm auf und von dem Pferd
hilft neben
Jhm her. Er ritte ein Aschen⸗farb⸗gesprengeltes Pferd,
welches allen andern an Schöͤnheit
und Aufbutz weit vorgieng: sein
Kleid
ware von Gold gewässerten Zeug, so von Smaragd, Car⸗
funkel und andern
kostbaren Steinen funkelte / und mitten zwischen
denen auf den Bund gehefteten
Reiger⸗Federn spielte ein dermassen
reicher Diamant, daß man solchen vor üͤbermaͤßigen Glanz kaum
anschauen kunte. Auf dessen Bund
sahe man auch drey silberne
wie
Strahlen oder Federn gestaltete und mit Steinen völlig besetzte
Platten, davon zwey in die Höhe
hinauf giengen, die dritte
aber mit
der Spitze sich gegen die Erde neigte: womit gleichsam in
einem Sinnbild, und zwar durch die
ersten zwey, das schon unter
das
Joch gebrachte Constantinopolitanische
und Babylonische,
durch das dritte
aber das noch nie uͤberwundene Occidentalische Reich
vorgestellet wurde. Sie vermeinen
jedoch dis letztere alsdann auf⸗
zurichten, wann uns GOtt wegen
unserer Suͤnde so hart heimsu⸗
chen wird, daß wir Wien verlassen
und aus Teutschland werden
weichen
muͤssen. Wir haben demnach GOTT herzlich zu bitten,
daß Er uns nicht in so verkehrten
Sinn dahin geben wolle, daß
uns
dergleichen durch unser Verschulden moͤgte zu Handen kommen:
vielmehr sollen alle
Christ⸗glaubige, besonders aber alle Christliche
Fürsten, daran seyn, daß der
allgemeine Christen⸗Feind über das
Meer, von dannen er hergekommen, verjagt und Constantinopel
nebst dem Babylonischen Reich der
Kirche wiederum einverleibt
werde.
Jedoch laßt uns dasjenige auf die Seite setzen, was wir ei⸗
nig und allein der
Goͤttlichen Vorsehung heim zustellen und anzube⸗
fehlen haben, dafür aber anjetzo den
Ausgang des Umgangs be⸗
trachten.
Gleich hinter dem Sultan ritte dessen Prinz, der an Ge
Kaiserli⸗
cher Prinz.
⸗
stalt, Kleidung, Pracht und Herrlichkeit dem Vatter vollkommen
gleich, aber an Höflichkeit und holdseeligen Geberden Jhme weit
überlegen war. Bey Betrachtung dessen war wol keiner unter uns,
so nicht inbruͤnstig um dergleichen Prinzen für Jhro Majestät
dem Römischen Kaiser zu GOtt seufzete, und daß wir sol⸗
chen,
- 268 -
224
Zweytes Buch / Fünfte Abtheilung /
chen, ehe wir noch nach Wien wieder zuruck kaͤmen, antreffen
möͤgten. Doch getrost, der alte GOtt lebet noch, der kan noch
wol verschaffen, daß unsere Wünsche nicht vergeblich seyn. Nun
folgte der Selictar Aga / der erste aus dem Kaiserlichen Kna⸗
ben, so des Kaisers ungemeinen kostbaren Säbel nachtrug, zu
Geld wird
ausgewor⸗
fen.dessen Linken der Haznadar Baschi oder Zahlmeister des Serral⸗
lien gieng, und mit Geld auswerfen unter die Arme und Umstehen⸗
de beschäftiget war. Dieses bestunde in lauter Para, deren 120.
damals auf einen Ducaten, und 30. auf einen Gulden giengen, weil
diese Münze wegen unserer Gegenwart auf drey Para erhöͤhet wor⸗
den. Es bezeigte sich der Zahl⸗Meister sehr emsig, als er den Herrn
Groß⸗Botschafter am Fenster vermerkte, so das viele Para
auf die Dächer gesprungen, welche einige von uns um ein mehrers
als sie werth waren, von den Tuͤrken eingewechselt, und noch bis diese
Stunde aus Curiosité aufheben. Auf dem Selictar Aga kame
der Kuzlir Agasi der schwarzen, und der Capa Agasi der weis⸗
Verschnittenen, samt der Edel⸗Knaben Obrist⸗Vorsteher, deren je⸗
der seine Leute, nemlich die schwarz⸗ und weiß⸗Verschnittene und
Jchoglans oder Edel⸗Knaben bey sich hatte. Den ganzen Auf⸗
zug schlossen die Wekilhargi (Ausspendere), Bostangi (Gärt⸗
ner), Baltagi (Holz⸗Hacker), Agiam Oglani (die angehende
Janitscharn), und Karakullukagi (Köche) / davon einige weisse, an⸗
dere rothe Hauben auf hatten; denen sich in der Ruck⸗kehr von der
Moschee nach Hof die Astchi (Ober⸗Köche der Janitscharn) und
Sakä (Wasser⸗Träger), deren mehr als hundert gewesen, zugesellt
haben, und zu vier und sechs in einer Linie mit in einander geflochte⸗
nen Händen gegangen sind: ihre Hauben waren eben wie der Ja⸗
nitscharen ihre beschaffen, ausser daß diese herab hangen, jene
aber oben zusammen gebunden seyn; hatten lange Kästen farbe Mäͤn⸗
tel um, an welchen zu beiden Seiten statt der Umschläge Handbrei⸗
tes Leder angeheftet und voͤllig mit guͤldener Tuͤrkischer Schrift be⸗
zeichnet war. Die Astchi wurden an ihren an der Seite hangen⸗
den schönen Messern erkannt: die andern aber an ihren ledernen zum
Wasser fassen bequemen Säcken, welche sie statt des Fürtuchs um
den Leib gebunden haben. Alle Strassen, die man bey diesem Um⸗
gang durchzogen, waren entweder mit Teppichen belegt, oder mit
frischen
- 269 -
225
Beschreibung des Bairams.
frischen Sond bestranet, damit man mit desto sicherern Schritten
über die grossen Kißel Steine, mit welchen die Gassen zu Constan⸗
tinopel gepflastert sind / fort marchiren kunte. Als nun der Sul⸗
tan herbey kam, neigten sich die zu beiden Seiten ohne Wehr und Janit⸗
scharn Ehr⸗Bezeu⸗
gung ge⸗
gen dem
Sultan.
Stecken stehende Janitscharn bis auf die Erden, worbey sie zugleich
ihre rechte Hand auf die Erden und Stirne gedruckt und alsdann
geküßt hatten. Jn dieser Ordnung haben sie sich zu der Moschee
Sultan Ahmeds begeben; wobey aus allen in der Stadt anwe⸗
senden vornehmen Personen keiner als der Moufti gemangelt hat,
als welcher wegen des Præcedenz-Streits mit dem Groß⸗Vizir/
deme er doch endlich weichen muß, sich nicht leicht bey einer oͤffentli⸗
chen Procession finden laͤßt, es seye dann, daß die allgemeine Noth
seine Gegenwarth erfordere: er pflegt aber nichts destoweniger an
eben diesem Tage und zu gleicher Zeit in eine andere Kirche mit den
Seinigen zu gehen, und seinen GOttes⸗Dienst daselbst abzuwarten.
Nach dem nun alle in besagter Moschee versammlet waren, fienge
Amt eines
Jmam.
ein Jmam, oder wie ihn andere nennen, Talisman / ein Priester des
Sultans, das Gebet an. Es bestehet aber dieser Leute Verrich⸗
rung darinnen, daß sie das Volk zu gewissen Stunden des Tages
von den Kirch⸗Thüͤrnen zum Beten beruffen, und dieses durch oͤfte⸗
re Wiederholung folgender Worte, so sie ganz klar und deutlich aus⸗
schreihen: Allah Eckber / Allah Eckber / Escheduen la Jla⸗
he/ Jlalah we eschedu enne Muhammel ewesul cuah
Fleie ala selah heie. Ala Felah / Allah Eckber / Allah
Eckber la illahe illah; Welches auf Teutsch so viel heisset:
GOtt ist groß/ GOtt ist groß/ neben GOtt erkenne
ich keine andere Gottheit/ und gestehe / daß Mahomet
ein Weissager GOttes und Prophet seye. Wann nun
das Volk in der Kirche beysammen ist / so müssen sie demselbigen
vorbeten, alle Freytag aber gewisse Sprüche aus dem Alcoran
öffentlich vorlesen. Findet sich einer, der so viel Geschicklichkeit und
Courage hat, daß er öffentlich auftretten und eine Predigt halten
kan, wird er für einen Ausbund und Quint-Essenz aller andern ge⸗
halten. Jm übrigen aber erkennen die Tüͤrken selbsten nichts Geist⸗
liches an ihnen, also daß sie auch nicht einmal durch die Tracht von
an⸗
Ff
- 270 -
226
Zweytes Buch / Fünfte Abtheilung /
andern unterschieden sind, ausser daß sie einen etwas breitern Bund,
wie ihre Rechts⸗Gelehrte und Gesetz Verstäͤndige, tragen, welcher aber
doch nicht, wie dieser ihrer umwunden ist; wann sie demnach ihr Amt ver⸗
sehen und wiederum abgelegt haben, sind sie so gut als ein anderer
ehrlicher Leyh oder Bürger. Es braucht aber auch wegen ihrer
Ordina⸗
tion ihrer
Geistli⸗
chen.Vocation und Ordination keiner grossen Umstäͤnde, sondern wann
eine Stelle leer ist, kommen die Pfarr⸗Kinder zu dem Groß⸗Vi⸗
zir, stellen Jhm denjenigen, den sie haben wollen, vor / legen ihm ein
gutes Zeugnuß seines gefüͤhrten Lebens bey; an statt des Examens
aber lieset er etliche Sprüͤche aus dem Alcoran / so er oft nur aus⸗
wendig kan; worauf ihm der Groß⸗Vizir solches Amt ohne daß
Türken
verkaufen
ihre Pfarrn
nicht.
der Candidat Jhm etwas dafüͤr bezahlen darf, durch Uberreichung
oder Anschaffung eines Decrets, so sie Tescher nennen, uͤbergibt,
wormit er in die erledigte Stelle eingesetzt ist. Von dieser Zeit an
ist er ein nach allen Quælitaten installirter Jmam/ und hat zu sol⸗
chem Amt Recht und Fug, bis er entweder selbst wieder abdankt, oder
wieder seinen Willen abgesetzet wird.
Nach einer kleinen Verweilung / da man hätte gedenken sol⸗
Kurze Ver⸗
weilung
des Sul⸗
tans in der
Kirche. len, es wäre der Sultan kaum in die Kirche eingetretten, kam
er schon wieder zuruck. Aber dieses ist der meinsten Fuͤrsten und Her⸗
ren lang behauptete Gewohnheit, daß sie mehr zum Schein, dem
Volk einen blauen Dunst vor die Augen zu machen, als aus Andacht
in die Kirche kommen. Die mehresten stellen sich aͤusserlich tugend⸗
haft, und messen ihre GOttesfurcht nach der Beobachtung ihrer
eingeführten Gebräͤuche ab. Doch sey ferne, daß ich dieses von al⸗
len wolte gesagt haben, gleich als wann niemand unter ihnen zu fin⸗
den wäre / der GOtt mit aufrichtigen Herzen verehrete. Man trift
gleichwol noch ihrer viele an, bey welchen GOTT und das wahre
Christenthum in grosser Hochachtung stehet: und daß ich anjetzo an⸗
derer noch lebenden Koͤnige und Füͤrsten nicht gedenke, so ist ja aus
denen Schrifften bekannt genug, was von dem Allerdurch⸗
Gottes⸗
furcht des
Ertz⸗Her⸗
zoglichen
Hauses
Oester⸗
reich.
lauchtigsten Erz⸗Herzoglichen Hauß Oesterreich schon
so viele Scribenten vor mir aufgezeichnet haben. So viel derselbi⸗
gen dieses Erz⸗Herzoglichen Haußes auch nur zufälliger Weise
gedenken, bejahen einhellig, daß Solches durch die Gottesfurcht,
abson⸗
- 271 -
Beschreibung des Bairams.
227
absonderlich aber durch den Eifer und Andacht gegen das allerhei⸗
ligste Sacrament des Altars, so hoch gestiegen; ich aber sage, daß
es eben durch Dieselbige annoch erhalten werde. Habt ihr Wiener
hiervon nicht taͤglich ganz oͤffentliche und ungemeine Exempel? habe
ich doch selbsten nicht nur einmal gesehen, bin auch nicht wenig da
Des Kai⸗
sers und
der Kaiserl.
Frau Mut⸗
ter Hoch⸗
achtung ge⸗
gen das H.
Sacra⸗
ment des
Altars.
⸗
durch erbauet worden / daß unser frommer Kaiser / wann Er auf
der Jagd unterwegs war, oder die Kaiserliche Jhres heilig
geführten Lebens⸗Wandel allenthalben bekannte Frau Mutter
ausser der Stadt nach einem Closter oder Kirche zur Andacht, oder
sonst frische Luft zu schoͤpfen aus⸗fahren wolte, auf dem Weeg aber
ungefehr einen Priester angetroffen, so die lezte Zehrung einen Kran⸗
ken zu bringen im Begrif gewesen, unerachtet alles Regen⸗Wetters
aus dem Wagen gestiegen, dem Priester mit Jhrer ganzen Suite
durch die unsaubersten Strassen nachgefolget, und ihn nicht eher
verlassen haben, als biß Sie den unter den Gestalten des Brods
verdeckten grossen GOtt entweder zum Kranken, der oft an einem
Eck der Stadt in einem schlechten Bauren⸗Hüͤttlein wohnte / oder
wieder zuruck nach der Kirche begleitet hatten; woraus Sie alsdann
erst Jhren vorgesetzten Weeg weiter genommen. Jedoch ich will
hier keinen Panegyricum sondern eine Historie schreiben; weswegen
ich jenes andern uͤberlasse, und wieder zu meinem Vorhaben kehre.
Nachdem nun der Sultan aus der Kirche wieder zuruck gekom⸗
men, sind die nicht nur an dem Ufer des Meers um das Serallien
gepflanzte, sondern auch die auf den Schiffen befindliche Stüͤcke zum
zweytenmal und hernach den Tag uͤber öͤfters loß gebrannt worden.
Die drey folgende Täͤge versammlen sich die Tuͤrken haufen weiß, und
machen sich bey ihren Trommeln und Pfeiffen lustig. Ich habe
auch gesehen / daß einige eine lange Stange herum getragen und da⸗
bey gesungen, ein anderer aber mit einer Trommel vorhergegangen
ist; an diese Stange nun haben die Türckische Weiber aus ihren
Fenstern allerhand gefärbte Tüchlein gebunden, deren bisweilen
mehr als zehen an einer Stange zu sehen waren, welcher so dann ei⸗
ne grosse Menge Jungen mit lautem Geschrey nachliefen, gleich als
bey uns zu geschehen pflegt, wann die drey Weisen aus Mor⸗
genland mit ihrem Papiernen Stern bey der Nacht herum wandern:
alle Kram⸗Läden stunden offen, vor den Kirch⸗Thüren wurden auch
welche
Ff 2
- 272 -
Zweytes Buch / Fünfte Abtheilung /
228
welche aufgeschlagen, und waren der Kaͤufer und Verkaufer allent⸗
Ein Sclav
wird von
den Türken
wieder
wegge⸗
nommen.halben genug vorhanden. Jn dieser Zeit, da wir uns in der Stadt auf⸗
hielten, ist ein Sclav, welcher aus einem Christen ein Türk worden,
oder wenigstens aus Furcht und durch die grosse Marter sich also
gestellt hat, als wann er ihres Glaubens wäre, von den Tuͤrken wie⸗
der aufgefangen und mit Gewalt fortgeschleppet worden, weil er sich
gar zu viel getrauet, und allzuweit von des Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ters Hauß weggemacht hat. Der Dolmetsch, Herr Goͤtz/ von
Der Dol⸗
metsch Götz
stirbt an
der Pest.welchem ich schon gemeldet, daß er mit der Pest inficirt gewesen, ist
den 17. Augusti daran gestorben, und der erste gewesen, den wir aus
unserer so grossen Anzahl in der Tüͤrkey verlohren, nachdem wir zwar
vorher schon auf der Reise einen Knaben zu Peterwardein gelas⸗
sen, deme man das Leben schon in Wien abgesprochen. Besagter
Dolmetsch ist den 18ten durch Roͤmisch⸗Catholische Priester auf der
Armenier Kirchhof zu Erden bestattet worden, welchen aber wegen
der gefährlichen Krankheit wenige von den Unsrigen dahin begleitet
Zeitungen
von den
Gränzen. haben. Dazumal ist auch ein Janitschar, so mit Briefen an die
Gränzen geschickt worden, mit der Zeitung wieder zuruck kommen,
daß selbige unserer Seits mit Soldaten besetzt seye und niemand hin⸗
über gelassen werde, der nicht vorher die vierzig⸗taͤgige Garantaine
zu Parakin gehalten habe, zu welchem Ende man viele Wohnun⸗
gen unter der Erden verfertigte / die auch zum Theil schon im Stan⸗
de wären; alle Brieffe, so von verdächtigen Orten herkamen, wuͤr⸗
den durch Eßig gezogen und geräuchert: wie dann auch deswegen
ein scharfer Befehl von dem Hof⸗Krieges⸗Rath an den Gränz⸗Com⸗
mendanten Grafen Oduyer ergangen wäre. Dieser Bothe brach⸗
te nicht mehr als einen einigen Brief an den Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter / so von einem Officier auf der Gränz geschrieben war,
und erst Besagtes confirmirte. Heute wurde das Schiessen
aus dem groben Geschütz zum letztenmal
gehöret.
) ∘ (
Sechste
Verschiedene Begebenheiten bey der Botschaft. 229
Sechste Abtheilung.
DEn
19. dito giengen Se. Excellentz in Begleitung der GraDes Herrn
Botschaf⸗
ters Visite
an den En⸗
geländisch⸗ und Hol⸗
ländischen
Gesandten.
⸗
fen Bathyani / Emanuel Kollovrath und Althan /
und der Freyherren von Zweiffel / Hörde / und Locher
nacher Belgrad / einen von Constantinopel 5. Stunden weit ent⸗
legenen Ort, bey dem Englischen Gesandten die Gegen⸗Visite abzu⸗
legen; wohin Sie noch zu Jhrer Bedienung Jhren Stallmeister
Herrn Brinckmann / zwey Edel⸗Knaben, zwey Heyducken und
vier Diener in der Livrée mit sich genommen. Den Tag darauf
verfüͤgten Sie sich im gleichen Absehen nach dem Holländischen Ge⸗
sandten / welcher sich auch daselbst aufhielte; und den dritten Tag
begaben Sie sich hier wiederum weg, und nach der Stadt zu dem
Moufti, wohin Sie von dem Herrn Abt Grafen von Schrat⸗
tenbach und dem Marggrafen Besora / so erst von Haznadar⸗
Schiftlick aus dem Lager ankommen waren, in Jhren Wagen be⸗
gleitet wurden; die uͤbrigen aber, so auf der Reise nach Belgrad
bey dem Herrn Botschafter gewesen, sind Jhm theils zu Pferd
Des Mouf⸗
ti Tochter
zeiget sich
dem Herrn
Botschaf⸗
ter.gefolget, theils aber wieder nach Hauß gekehrt. Es hat der Mouf⸗
ti / dem Herrn Groß⸗Botschafter zu sonderbahren Ehren, seine
jüngere Tochter herbey kommen lassen, und Jhme solche gezeigt, wel⸗
ches bey den Türken was ganz unerhörtes ist: sie verdiente aber
auch wol, daß man sie betrachtete, indem es ein uͤber die massen schöͤ⸗
nes Kind war, und damit man sie desto unverhinderter sehen koͤnnte,
mußte sie den gewoͤhnlichen Schleyer voͤllig ablegen, und das Gesicht
blos geben. Um selbige Zeit hat des Holländischen Gesand⸗
ten
Gemahlin mit Vergünstigung des Herrn Groß⸗Botschafters
Herr Dor⸗
schäus
wird zu des
Holländi⸗
schen Ge⸗
sandten
Gemahlin
beruffen.
dessen Leib⸗Arzt den Herrn Dorschaͤus zu sich kommen lassen, Jhr
mit seiner geheimen Arzney für das Fieber von diesem beschwehrli⸗
chen Gast loß zuhelfen. Unterdessen giengen die Grafen Nessel⸗
rode / Thürheim / Künigl / und Bielinski / in Abwesenheit der
übrigen Gesellschaft nach St. Stephan zu dem Französischen Bot⸗
schafter auf die Jagd, woselbst er ein von uns nicht weit entlege⸗
nes Lust⸗Hauß hatte.
Den 20ten auf den Nachmittag kam der Herr von Dier⸗
Herr von
Dierling
kommt von
seiner
Commis⸗
sion wieder
zuruck.
ling /
F f 3
- 274 -
230
Zweytes Buch / Sechste Abtheilung.
ling/ Secretair bey der Groß⸗Botschaft, aus der Stadt zurück,
wohin er Verrichtungen wegen mit dem Sprach⸗Knaben Petro⸗
witz geschickt worden. An diesem Tag war ein heftiges Wetter
mit Blitz und Donner auf dem Meer entstanden, welches sich ge⸗
gen unser Lager ziehen wolte, so aber ein Nord⸗Wind wieder zer⸗
theilet hatte. Den 21ten um zwey Uhr Nachmittag kamen Se.
Excellentz von dem Moufti / die Herrn Grafen aber von dem
Patriarch
zu Constan⸗
tinopel
kommt ins
Lager.
Französischen Gesandten erst auf dem Abend wieder zuruck. Den
22. dito fande sich bey dem Herrn Botschafter der Erz⸗Bischof
von Ancyra ein / mit Namen Raymundus, welcher auch zu Con⸗
stantinopel in der Lateinischen und auch in der mit uns vereinigten
Grichischen Kirche die Stelle eines Patriarchen versiehet. Es war
ehedessen ein Dominicaner⸗Mönch, dessen Ordens⸗Kleid er auch noch
beständig träget; Jhm bekleideten noch zwey andere Priester, und
zwey geistliche Knaben, die zu seiner Aufwartung bestellt waren. Er
hat etwas weniges von dem Pabst zu Rom zu heben, womit er aber
schlechte Sprünge thun würde / wann nicht die Freygebigkeit der
Herr von
Dierlings
Besichti⸗
gung der
angetrage⸗
nen Woh⸗
nung.Gesandten und Kaufleute das beste darbey thäte. Kaum war der
Herrn von Dierling wieder gekommen / als er gleich mit dem
Hof⸗Marschalk, einem Dolmetsch und Priester, mit Namen Lovi⸗
na, nochmaln abgefertiget worden, die von dem Groß-Vizir dem
Herr Botschafter offerirte Wohnung an dem Canal in Augen⸗
Nachricht
von der
Victorie in
Sicilien. schein zu nehmen. Eben an diesem Tag erhielten wir auch die höchst
erfreuliche Nachricht aus Teutschland, daß den 2ten vorigen Mo⸗
nats der Feind in Sicilien auf das Haupt geschlagen, Palermo
erobert, und grosse Hofnung sey, daß die Stadt Messina und die
ganze Jnsul mit dem Vorgebürg auch bald fallen werde, weilen der
Feind nunmehro das Feld räumen und sich in die Schloͤsser, als sei⸗
Verdop⸗
plung der
Wacht. ne letzte Retirade, verkriechen müssen. Die uns zur Wacht
zu geordnete Janitscharn wurden mehrerer Sicherheit hal⸗
ben verdoppelt, damit wir in unserm Lager vor einiger
Feyrung
des Ge⸗
burts-fests
des Herrn
Botschaf⸗
ters.Gewaltthätigkeit des Pövels desto besser versichert wären. Von
dem 23. bis 27. dito ist nichts besonders vor gefallen, ausser daß am
Bartholomäi Tag des Herrn Groß⸗Botschafters Geburts⸗Fest
mit grossen Pracht und Freuden gefeyret worden; welche Festivität
zu vermehren der Französische Gesandte in das Lager gekommen,
und zu Mittag bey Sr. Excellenz zur Tafel geblieben; wobey un⸗
ter
- 275 -
Verschiedene Begebenheiten der Botschaft.
231
ter Paucken⸗ und Trompeten⸗Schall die Gesundheiten lustig herum
getrunken worden. Auf den Nachmittag kehrte der Herr Gesandte
wieder zuruck, deme einige aus dem Adel begleitet, andere aber fan⸗
den sich den andern Tag bey Jhm ein, weil er sie auf eine Jagd und
das Fest des König Ludwigs zu begehen eingeladen hatte. Der Ve⸗
netianische Gesandte, Graf Rußini / welcher wegen widrigen Ankunft
des Vene⸗
tianischen
Gesandten
in den Ha⸗
fen.
Winds lange bey den Dardanellen halten muste, kam heute mit vol⸗
len Segeln in den Hafen gelauffen, und ließ vor des Sultans
Serrallien, nach See⸗Manier, viel Stuͤcke loͤsen, die in dem Hafen
liegende Schiffe zu begrüͤssen, worauf ihn auch seine Landsleute auf
eben diese Art gedanket, welches alles wir bey der Zuruck⸗Kunft
Herrn Dierling und Theyls vernommen, zuvor aber das Pras⸗
seln des Geschützes selbst gehöret haben. Ein zu Sophia erlöseter Ein Sclav
entwendet
eine mit ge⸗
heiligten
Hostien an⸗
gefüllte sil⸗
berne
Büͤchse.
Sclav gieng zu seinem vermuthlich groͤstem Verderben wiederum zu
den Türken über, und trug diebischer Weise eine silberne Buͤchse,
worinnen der Allerheiligste Leib unsers Heylandes und See⸗
ligmachers Christi in unterschiedlichen Hostien aufbehalten war,
mit davon, von welchem gottlosen Kirchen⸗Dieb und Erz⸗Böͤßwicht
man nachgehends nicht das geringste mehr erfahren können. Es
starb auch zu dieser Zeit ein von St. Florian gebürtiger OesterreiEin alter
70. jähri⸗
ger Mann
stirbt.
⸗
cher, Namens Johann Schel / der schon über siebenzig Jahr alt,
und aus bloser Begierde, Constantinopel zu sehen, mit hieher ge⸗
reißt, nachdem er uͤber dreysig Jahr mit seiner Frauen in vergnuͤgter
Ehe, ohne einigen Zank und Streit gelebt, auch kurz vor seinem En⸗
de dieses sein Eh⸗Weib, welches auf eben diesem Bett mit ihm krank
gelegen, um Verzeihung gebetten, wofern er sie etwan unwissend in
solcher Zeit solte beleidiget oder etwas wider die eheliche Liebe
vorgenommen haben. Nunmehro riessen auch allerhand KrankheiKrankhei⸗
ten regieren
in unserm
Laͤger.
⸗
ten und giftige Fieber in unserm Lager ein; so in diesem Land nicht selt⸗
sam aber unsern Medicis anfangs nicht recht bekannt gewesen, wie
wir dann in einer kurzen Zeit über dreysig Kranke zehlten. Hier⸗
bey aber hat sich Herr Johann Daniel Lambert Hulin / des
Herrn Botschafers Leib⸗Arzt, nicht geringe Mühe gegeben, und
solche zu præcaviren und abzuwenden recht sehr angelegen seyn lassen;
sintemaln er nicht allein Tag und Nacht in dem Lager herum gegan⸗
gen, denen Kranken mit eigenen Häͤnden die Speise selbst bereitet
und zugebracht / sondern auch ihnen die Betten und Streue gemacht,
ja
- 276 -
232
Zweytes Buch / Sechste Abtheilung /
ja so gar seine Kleider unter sie ausgetheilet, womit er sich gewiß un
die ganze Botschaft recht sehr verdient gemacht, und das groͤste Lob
und Dank erworben hat.
Briefe aus
Teutsch⸗
land wer⸗
den ausge⸗
theilt.
Den 27ten hat man die des vorigen Tags angekommene Brief⸗
fe ausgetheilet, welches, daß es nicht eher geschehen / die Ursach ge⸗
wesen, weil sie erst in der Nacht angekommen, und von dem Se⸗
raskier / Commendanten der Türkischen Gränz, an den Mehe⸗
met Capigi Baschi / der damals nicht zu gegen, addressiret waren.
Aus solchen Brieffen ersahen wir die Particularia des in Sicilien
mit den Spaniern vorgelaufenen Treffens, und erfuhren zugleich
den Tod des Grafen Gallas / Vice-Re in Neapolis. Dazu
Der Vene⸗
tianische
Gesandte
läßt seine
Ankunft
vermeldten.
⸗
mal ließ auch der Venetianische Gesandte durch den Secretaire sei⸗
ner Gesandtschaft und einigen Edelleuten dem Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter seine Ankunft zu Pera bedeuten. Den 28ten schickte der
Französische Gesandte dem Unsrigen die Jhm durch ein Schiff von
Smyrna überbrachte Zeitung aus Sicilien / deme Se Excellenz
dafür die von Wien hiervon erhaltene und weit ausfüͤhrlichere Nach⸗
Krankhei⸗
ten.richt wieder zuruck gesendet hatte. Als der Sprach⸗Knab Penkler
aus den gestern angekommenen Brieffen den Tod seines Vaters ver⸗
nommen/ hat er sich dermassen daruͤber entsetzt, daß er in eine Ohn⸗
macht zu Erden gesunken, und man ihm deswegen eine Ader öͤfnen
müssen, von welcher er kaum durch des Herrn Leibs⸗Arzts grosse
Sorgfalt befreyet worden. An eben diesen Tag hat man Herrn
Wilhelm Grafen von Thierheim aus dem ersten Adel, aus dem
zweyten aber Herrn Heinrich Ferdinand von Schopen / wegen
immer zu nehmender Krankheit mit allem heiligen Sacramenten ver⸗
sehen, und zu einem seligen Ende bereitet; es sind aber gleichwol
durch GOttes Hülfe und kluge Vorsorge und Geschicklichkeit unse⸗
rer Aerzte diese zween junge Herrn uns und dem Publico zum besten
noch erhalten worden, welche auch / wofern sie ins künftige die
grosse von ihnen geschoͤpfte Hofnung erfüͤllen werden, woran wegen
ihrer sehr guten Gemüths⸗Beschaffenheit keineswegs zu zweifeln, der
Nachwelt zu einem Muster dienen können, das billig eines grossen
Lobes und Nachfolge würdig ist, wo sie es nur auch in der Tu⸗
gend so weit als dieses ihr vorgestelltes Original, bringen
wird.
Verschiedene Begebenheiten bey der Botschaft.
233
Den 28ten hat sich auch der Wol⸗Ehrwüͤrdige Priester Robert Reise eines
Priesters
nach dem
gelobten
Land.
Leeb / aus den Orden des Heil. Bernhard zum Heiligen Creutz im
Wiener Wald, nach vorher von allen genommenen Abschied auf ein
Französisches Schiff begeben / und ist endlich den 29ten darauf mit
vollen Segeln nacher Joppe abgefahren, von dar willens, nach
Jerusalem und andere heilige Oerter zu reissen, welche zu besehen
er schon lang ein grosses Verlangen bezeiget / ob er schon mit ge⸗
ringen Leibs⸗Kräften begabt war; indessen hat er sein Ordens⸗
Kleid mit dem Habit des Heil. Francisci verändert, weil niemand
ohne dasselbige ein Zutritt dahin verstattet wird: er war auch geson⸗
nen, wann er anders wird durchkommen koͤnnen, bis nach dem Berg
Sinai zu reisen, um die Merkmale dererjenigen Wunder⸗Werke,
so sich daselbst zu getragen, und deren nicht wenige noch anzutreffen
sind, in Augenschein zu nehmen. Mit eben diesem Schiff ist auch der
Französische Consul samt einem verordneten Priester aus des Heil.
Francisci Orden abgefahren, dabey ihnen der Wind so guͤnstig ge⸗
wesen, daß, wann solcher lang angehalten / sie in besagten Hafen bald
werden eingelaufen seyn. Eben denselbigen Tag wurde auch der Herr
von Dierling mit dem Herrn Steger aus dem zweyten Adel, dem
Canzelisten Eurich / und Momarts dem Sprach⸗Knaben [21], samt
einigen Chiausen und Janitscharn in die Stadt geschickt, dem Ve⸗
netianischen Gesandten wegen seiner gluͤcklichen Ankunft in Con⸗
stantinopel zu complimentiren: so gienge auch der Herr BotBesichti⸗
gung der
angewiese⸗
nen Be⸗
wohnun⸗
gen.
⸗
schafter selbst mit denen Grafen Besora / Sebastida und Al⸗
than nacher Pera / um die Jhme zur Wohnung angewiesene Häͤu⸗
ser zu besehen, und die Einrichtung derselbigen zu beschleunigen, da⸗
mit die Krankheiten, so ohne dem täglich anwuchsen, nicht völlig
überhand nehmen moͤgten, wann wir uns noch ferner in dem Lager
auf freyem Feld aufhalten wuͤrden, angesehen die kalten Nacht⸗Rei⸗
fe denen Kranken uͤberaus nachtheilig fielen; es sind aber Se. Hoch⸗
graͤfliche Excellenz noch selbigen Abend wieder zuruͤck gekommen,
nachdem Sie bey dem Französischen Gesandten nebst denenjenigen,
so mit demselbigen schon vorher abgegangen, und zum Theil erst
nachgehends sich daselbst eingefunden, zu Mittag gespeiset. Jm ü⸗
brigen hat sich in den nechsten fuͤnf Tägen wenig Merkwüͤrdiges zu
getragen, ausser daß den ersten und zweyten October ein so entsetz⸗
licher Regen gefallen, daß es schiene, als wolte eine neue Suͤnd⸗Flut
kom⸗
Gg
- 278 -
234
Zweytes Buch, Siebende Abtheilung /
kommen; und war dieses der erste, der und wochin diesem Lager be⸗
troffen hatte, aber dabey so nachdruͤcklich, daß er die vorige Tröͤckne
Gastirung
des Mehe⸗
mets. in diesem Monat reichlich compensirte. Es hat auch der Hr. Groß⸗
Botschafter einsmals den Mehemet / unsern Führer, samt
noch einen Türken zur Tafel geladen, und dabey nicht nur Türkische
Speisen vorsetzen, sondern auch die Music nach ihrer Art einrichten
lassen; da sich dann diese Gaͤste nicht enthalten koͤnnen/ die erstern
überaus zu loben, und sonderlich uͤber das Letzte sich ungemein zu ver⸗
wundern, weil sie nicht gedacht, daß die Teutschen so geschickt seyn wuͤr⸗
den, ihre Tuͤrkische Music nach zumachen: damit aber solche recht
vollkommen seyn moͤgte, haben sie einige Tüͤrkische Knaben herbey
geruffen, welche darein singen musten, so daß diese Music anderer
Herrn Gesandten und ihrer Befreunde Beyfall mehrmaln verdient
Present an
den Herrn
Groß⸗Vi⸗
zir von
drey Jagd⸗Vögeln. hatte. Dazumal wurde auch der Herr von Franken aus dem zwey⸗
ten Adel mit dem Falken⸗Meister an den Groß⸗Vizir abgeschickt,
Jhme drey zu aller Jagd wol abgerichtete Vogel im Namen des
Herrn Botschafters zu præsentiren, wofür der Herr von Fran⸗
ken einige schöne Tüchlein / der Falken⸗Meister aber 24. Ducaten
bekommen.
Siebende Abtheilung.
Visite des
Groß⸗Vi⸗
zirs bey
dem Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafter.
DEn 4ten October ist dem Herrn Groß⸗Botschafter von
der Pforte eine ganz ausserordentliche Ehre wiederfahren:
dann da dieses sehr Ehrgeitzige Volk sich niemaln entschlies⸗
sen kunte, daß ihr Groß⸗Vizir bey einem ausläͤndischen Gesand⸗
ten die Visite abstatten durfte, hat Jbrahim gleichwol hiemit sei⸗
ne Hochachtung gegen den Römisch⸗Kaiserlichen Groß⸗Bot⸗
schafter an den Tag gelegt; damit Er aber bey seiner Nation nicht
in Verdacht kommen moͤgte, als ob er mit den Jaourn allzu grosse
Gemeinschaft pflegte, hat er die Sache folgender massen angestellt:
Er ist bis zwey Stund von der Stadt heraus gekommen, da
dann der Herr Botschafter nicht nöthig hatte, ihme über
tausend Schritt entgegen zu gehen; wordurch diejenige, so um die
Sache nichts gewust, nicht anders vermeint, als ob Se. Excellenz
zu dem Groß⸗Vizir giengen, da doch in der That dieser Jenen be⸗
sucht
- 279 -
Visite des Groß⸗Vizirs bey dem Herrn Botschafter.
235
sucht hatte. Kurz nach der Sonnen Aufgang ist Er bey des Herrn
Botschafters Hauß unter einer Begleitung von mehr als drey tau⸗
send zu Pferd und Fuß vorbey marchirt; und als Er nicht weit von
unserm Läger auf einem Hügel, woselbst der Sultan ein Lust⸗
Hauß stehend hatte, schon vorher ein präͤchtiges Zelt aufschlagen, und
die Köche und Kuchen⸗Sachen gleich frühe dahin bringen lassen, ist Er
selbst unter Begleitung vieler vornehmen Officiers und Staats⸗Mäͤn⸗
ner, welche vor Jhm her geritten / worunter sich der Chiaoux- und
Nischanschi Bascha befunden, gefolget. Unmittelbar vor Jhm
wurden zwanzig der auserlesensten und auf das prächtigst gezierten
Hand⸗Pferde von allerhand Farben, als Fuchsen / Falben, Aschen⸗
farb⸗gesprenckelten, Feuer⸗rothen / dunkelbraunen rc. gefüͤhret, wel⸗
che alle nach der Ordnung zu erzehlen zu weitläuftig fallen würde.
Hierauf nun riete in der Mitte der Groß⸗Vizir selbst auf einem Käͤ⸗
sten⸗braunen Pferd, dessen Decke kuͤnstlich und reich von Gold und
Silber gestickt war, auch dermassen gläͤnzte, daß man sie kaum ohne
Verletzung der Augen anschauen kunte: dessen langer rother mit wei⸗
ten Ermeln gemachter Rock war mit Hermelin gefuͤttert/ und sein
Haupt⸗Bund von ordentlicher Groͤsse und um der Bequemlichkeit
willen nur ganz duͤnn umwunden; bey dessen Pferd giengen 24.
Chatir oder Hauß⸗Bediente, so nach ihrer Art alle weiß gekleidet
gewesen; hinter Jhm folgte sein Leib⸗Wagen, der von sechs Aschen⸗
farben Schimmeln gezogen wurde, und nur aus lauter Holz und
Gegitter zusammen gemacht war, so daß er einem auf Rädern stehenden
Käfig gleich sahe, deme aber das inn⸗ und auswendige Gemaͤhlde und
die darinn liegende roth⸗sammete und mit guldenen Borten eingefaß⸗
te Polster ein Ansehen geben musten. Nebst solchem kamen die Musi⸗
canten gleichfalls zu Pferd, welche sich mit ihrer Music ohne Un⸗
terlaß hören, und wann der Groß⸗Vizir zuweilen still stunde, ihren
freudigen von den alten Roͤmern entlehnten Zuruff; gluͤcklich/ o⸗
der zur guten Stund erschallen liessen; worauf diesen Aufzug ei⸗
ne Hauptmannschaft Janitscharn, und hinter denselbigen eine An⸗
zahl Troß⸗Buben und Dienst Knechte beschlossen hatten.
Nachdem der Herr Groß⸗Botschafter diesen Aufzug des Der Herr
Botschaf⸗
ter schickt
dem Groß⸗
Vizir seine
Leute nach
Groß⸗Vizirs gesehen, hat er denen, so mit Pferden nicht ver⸗
sehen waren,
befohlen, daß sie zu Fuß dahin gehen solten, weil ohne
dem
Gg 2
- 280 -
Zweytes Buch / Siebende
Abtheilung /
236
dem schoͤn Wetter und bemeldter Berg
nur etliche hundert Schritte
Der Herr
Groß⸗Bot⸗
chafter
wird nach
es Groß⸗
Vizirs Zeit
abgeholet. von unserm Läger entfernet war. Se. Excellenz
selbst kamen zwi⸗
schen neun und
zehen Uhr dahin, Denen der Groß⸗Vizir
den Me⸗
hemet
/ Kaiserlichen Cämmerling, und noch einige andere Vorneh⸗
me entgegen
schickte, bey Jhnen noch im Quartier in seinem Namen
das Compliment abzulegen / und mit
sich in dieses neue Läger zu
führen. Daselbst nun waren viele
Zelten aufgeschlagen, um welche
ein auf der einen Seiten gruͤn und
auf der andern roth gefaͤrbtes Tuch
in Gestalt einer Mauern gezogen /
und an die Pflöͤcke fest gemacht
war; dasjenige aber, worein der Herr Botschafter gefuͤhrt wur⸗
de, ist
auswendig grünlicht, gleich dem Laub, inwendig aber auf
Türkische Art von vielen tausend
Stuͤcklein zusammen gesetzt gewesen,
so alle unterschiedliche acht⸗ und
viereckichte, runde und gespitzte Fi⸗
gurn,
Bildnisse, Blumen, Brunnen / Säulen, Früchten und Laub⸗
Werk
vorstellten. Der ganze Boden war mit Teppichen belegt, der
Ort aber, wo die Sofaus oder Polster
lagen, mit einem hoͤlzernen
Gitter umgeben, und mit Pfaͤhlen
unterstuͤtzt/ dessen Teppiche auch
die andere an Kostbarkeit
übertroffen; die Polster selbst von weiser
Seiten auf Persianische Art mit Gold
reichlich gesticket, die Stan⸗
gen, worauf
das Zelt ruhete, mit unterschiedlichen Farben bemahlt,
und mit vielen kupfern- und
verguͤldeten Reifen ausgeziert. Bey dem
Eingang lag auf gleichfalls schon
bemahlten Stangen ein vielfärbi⸗
ges Tuch,
womit gleichsam der Vorhof formirt und die Sonne
dardurch abgehalten wurde. Nachdem
sich nun der Herr Bot⸗
schafter mit
dem Groß⸗Vizir hierinnen eine zeitlang von Staats⸗
Sachen
unterredet, ist Er von diesem in ein anderes gefüͤhrt worden,
welches zwar kleiner anzusehen, aber
so praͤchtig und kostbar / als das
vorige nimmermehr / und innwendig
auf allen Seiten mit Atlaß ü⸗
berzogen
gewesen, ausgenommen das vordere Theil, allwo ein schöͤ⸗
ner Himmel
auf vier Stangen gelegen, worunter die daselbst sitzen⸗
de vor der
Sonne⸗Hitze sicher seyn kunten. Dieses stunde gegen
der Sonnen Aufgang, an einer
Anhoͤhe; und nachdem sich beide hohe
Personen darinnen auf die Sofaus
niedergelassen, wurden dem
Hern Groß⸗Botschafter zu Ehren
allerhand Schau⸗Spiele ge⸗
halten, und
darzu die Bizehami oder Stumme, die Deli (Hof⸗
Narrn),
Chiausen (Boten) / Muhlatzi und Besli (die Diener
der Beiglerbey oder Stadthaltern der
Provinzen) gebraucht; ehe
aber
- 281 -
Visite des Groß⸗Vizirs bey dem
Herrn Botschafter.
237
aber solche ihren Anfang nahmen,
hatte man das um die Zelten statt
einer Mauer gezogene Tuch hinweg
gethan, damit man hinaus auf
das freye Feld sehen können. Den
Anfang hierzu machten die Schau⸗
Spiel mit
Wurf⸗Pfeilen.
Muhlagi / welche Leute sind, die wol
zu Pferd sitzen; gleichwie
hingegen die Besli wol zu Fuß und von
sonderbahrer Stärke sind,
aus welchen um dieser Ursach willen
zum oͤftern einige zu Janitscharn
und Ringern genommen werden: Jene
aber sind in dem Pfeil⸗werfen
sehr geübt, davon sie einige Gilid
nennen, und nicht mit Eisen be⸗
schlagen
sind; andere aber werden von ihnen Gerit geheissen, so ei⸗
serne Spitzen
und mit den Pfeilen der Roͤmer eine grosse Gleichheit
haben. Diese Ubung ist bey den
Tuͤrken sehr gemein, wird auch an
denenjenigen belohnt, welche eine
sonderbahre Behendigkeit darinnen
zeigen; wie sie sich dann hierinnen
am meisten zu üben pflegen: und
solte es auch geschehen, wie es dann
bey so ungestümmer Wendung
und hitzigen Umlaufen nicht wol
anders seyn kan, daß einige Pferde
hierdurch gelähmet oder sonst
unbrauchbar worden/ oder auch wol
gar ihren Reutern unter dem Leib
umfallen, so werden ihnen von ih⸗
ren Herrn
andere an deren Stelle verehret. Jch habe selbst gesehen,
daß einige den Zaum so ungestümm
angezogen, oder die Steig⸗Bü⸗
gel, deren
sie sich einig und allein an statt der Sporn bedienen, ih⸗
ren Pferden
so unbarmherzig in die Rippen gestossen, daß ihnen das
Blut häufig herfür geflossen, und
sie aus Schwachheit gar dahin ge⸗
fallen. Es
haben jedoch nichts destoweniger von undenklichen Zei⸗
ten her die
Tuͤrkische Kaisere ein sonderbahres Belieben an diesen
Schau⸗Spielen gehabt, und einige
darunter, wann ihre Baschen
dergleichen angestellt, sich zum
öͤftern dabey finden lassen; und weil
diese Kämpfer gemeiniglich von
verschiedenen Nationen, gehen sie mit
der grösten Furie auf einander loß,
um die Ehre ihrer Lands⸗Leute zu
retten, thun es aber damit öͤfters
den alten Roͤmischen Fechtern an
Grausamkeit noch zuvor. Ricaut im
IIIten Buch, im 10. Capitel
seiner Historie berichtet / daß
diejenige, welche sich vor andern wol
halten / und das Feld behaupten, zur
Belohnung ihrer Tapferkeit
ein Zaim oder Timarioth / welches
gewisse Ländereyen sind, be⸗
kommen, wovon
sie eine bestimmte Anzahl Soldaten und dann auch
sich selbst unterhalten muͤssen; in
welchem Stuͤck sie alsdann einige
Aehnlichkeit mit unsern Frey⸗ oder
den Römischen Zehend⸗Herrn ha⸗
ben. Anfangs
stellten sich unsere Wurf⸗Schüͤtzen zwey und zwey Ordnung
der Wurf-
Schützen.
zu
Gg 3
- 282 -
238
Zweytes Buch / Siebende
Abtheilung /
zu Pferd, und dann endlich auch
Haufen⸗weiß gegen einander; und
so bald sie das Zeichen zur Schlacht
von den Chiausen bekommen,
haben sie ihre Pferde auf eine ganz
besondere Manier gewendet, auf
ihren Gegen⸗Part zu geworfen, und
auch denen jenseits hergefloge⸗
Künstliche
Wendung
des Leibs. nen so künstlich durch gewisse Bewegungen,
Beugung und Krüm⸗
mung des
Leibs, nach erheischenden Nothfall zu pariren, dieselbi⸗
ge mit den
Händen in der Lufft aufzufangen / mit zweyfach geschnä⸗
belten
Häcklein von der Erden aufzuheben und hinwiederum mit sol⸗
cher Kunst
und Behändigkeit gegen ihren Feind zu werfen gewust,
daß es diejenige, so dergleichen
niemal gesehen, ohnmoͤglich glauben
können. Andere hingegen, wann sie
merkten, daß sie duͤrften ge⸗
troffen
werden, kunten sich so fix und artig um ihr Pferd herum
schwingen, daß man oft nichts als
einen Fuß auf dem Sattel sahe,
der übrige Leib aber mit des Pferds
Hals und Seiten bedeckt war,
welches sie auch præstirten, wann
gleich das Pferd in vollem Lauf
gewesen, wobey sie es nichts
destoweniger dermassen regiren und in
Zaum zu halten gelernet hatten, daß
ohnerachtet solches Herunterhäͤn⸗
gens es
gleichwol nach ihrem Gefallen stehen muste, und waren an⸗
bey so
behend, im vollen Lauf wieder darauf zu springen, daß einem
bey nahe das Gesicht daruͤber hätte
vergehen sollen. Wann nun ei⸗
ner seinen
Feind an das rechte Ort mit dem Pfeil getroffen, oder
den Pfeil mit der Hand gefangen und
auf ihn glüͤcklich wieder zu⸗
ruck
geworfen, machten solches die Umstehende und Chiausen also⸗
bald durch
ihr Geschrey kund; worauf der Uberwinder so gleich von
Belohnung
der Über⸗
winder. dem Pferd sprang, von einem
Stummen oder Chiausen vor des
Groß-Vizirs Zelt geführet wurde, und daselbst auf den Knien den
Lohn seiner Geschicklichkeit
empfienge: nach Erhaltung dessen neigte
er sich mit dem Kopf fast bis zur
Erden, druckte seine rechte
Hand mit grosser Geschwindigkeit an
die Stirn, und gieng damit,
frölicher und reicher als zuvor,
wieder auf den Kampf⸗Platz zuruck,
suchte seinen Feind von neuem auf,
nachdem ihm auch der Muth
durch das empfangene Geld vermehrt
worden, welches sie hoͤher als
die Ehre des erhaltenen Siegs selbst
schätzen; so geschahe es auch
wol, daß mancher mehr als einem
Ducaten, ja wol so viel bekam,
als er nur Pfeile von seiner Hand
nach dem Feind geworfen.
Visite des Groß⸗Vizirs bey dem Herrn Botschafter.
239
Nach Endigung dieser Rittermaͤssigen Ubung haben die StumDer Stum⸗
men Kurz⸗
weil.
⸗
men ihre Kuͤnste und Kurtzweil angefangen, welche aber so abge⸗
schmack und zottenmäͤssig, ja recht leichtfertig und geil heraus kam
daß solche niemand als Barbarischen Gemüthern gefallen kunte; und
wolte ich mich meines theils, ob ich schon der Ernsthaftesten keiner
bin, obligiren, ihnen ein ganzes Jahr zuzusehen, ohne die ge⸗
ringste Neigung zum Lachen dardurch zu bekommen. Es waren im Sprach der
Stummen.
übrigen diese Leute mit einer besondern Gabe von der guͤtigen Natur
versehen, vermittelst welcher sie den Mangel der Sprach ihnen ei⸗
niger massen wiederum ersetzet; dann sie wissen nicht allein ihre Ge⸗
danken durch gewisse Zeichen, Aufreckung der Finger und andere
Bewegung des Leibs dermassen zu erklären, daß man sie gar wol
verstehen kan, und sie hinwiederum auch andere verstehen, sondern
wann nur einer den Mund zum Reden aufthun, oder mit dem Fin⸗
ger ein Zeichen geben wolte, kunten sie schon seine Meinung erra⸗
then. So ist auch sonst unter den Tuͤrken diese stumme Redens⸗
Art gar sehr eingefüͤhrt, und auch denen Vornehmsten gar wol be⸗
kannt, als welche von Jugend auf darzu angewiesen werden. Der
Nischanschi Bascha / einer der vornehmsten Officier bey den Tüͤr⸗
ken, und Tochtermann des Groß⸗Vizirs, der mit seinem Zug die Kai⸗
serl. Befehl unterzeichnet, liesse sich in eine weitlaͤuftige Rede durch der⸗
gleichen Zeichen mit ihnen ein; ja der Groß-Vizir erwiese hierin⸗
nen seine Geschicklichkeit, und redete unterschiedliches auf diese Wei⸗
se/ hatte auch die Antwort auf eben die Art von andern wieder ange⸗
nommen. Es bedienet sich aber der Kaiser dieser stummen Kund⸗
schafter, seines Groß⸗Vizirs und anderer täͤgliche Verrichtung
durch sie zu erfahren, welche Jhm bey dem Abend⸗Essen, alles was
sie hievon wissen / in dieser Sprach erzehlen. Als der Herr Groß⸗
Botschafter des Nachmittags um fuͤnf Uhr wieder aufbrechen
wolte, und zu dem Ende seine Sack Uhr heraus zoge, und noch dem
Zeiger schauete, war ihm einer aus den Stummen hierinnen vorge⸗
kommen, welcher seine zwey Finger an der linken Hand in die Hoͤhe
reckte, mit der rechten gegen die Sonne zeigte, und durch gewisse und
zu diesem Absehen nicht ungeschickte Bewegung des Leibs zu verstehen
gab, daß innerhalb zwey Stunden die Sonne von unserm Horizont
werde Abschied nehmen, welches bey jederman ein heftiges Lachen und
nicht geringes Wolgefallen erwecket.
- 284 -
Zweytes Buch / siebende Abtheilung /
240
Hierauf kam einer von den Deli aufgezogen, der es den Stum⸗
Der Deli
seltsame
Possen.
men mit abgeschmackten Possen gleich thun wolte; in diesem Abse⸗
hen lief er am Ende des Lagers hin und her, und stellte sich an, als ob
er Früchte zu verkaufen hätte, trug auch auf dem Kopf eine runde
Platte, mit Aepfeln, Birn, Nüssen / Pfersingen, Weintrauben und
andern Früchten häͤufig belegt, und rufte aus vollem Hals, daß man
ihm abkaufen solte; weswegen ihm die Beßli nachliefen, seiner
Sachen beraubten, und vor die Chiausen brachten, so vor des Groß⸗
Vizirs Zelt stunden; diese hatten mit dem guten Alten ihre Kurz⸗
weil / nahmen ihm sein Geld und andere Sachen, rissen ihm die
Kleider vom Leib, warfen ihn zur Erden, banden ihn und zogen ihm
die Hosen ab, begossen ihn mit Wasser, und hatten auf allerhand
Weise ihr Gespott mit ihm, tractirten ihn auch haͤßlich mit Schlä⸗
gen und machten damit diesen Possen ein den Schau⸗Spielen ge⸗
wöhnliches Ende, Das letzte aber war auch hier bey ihm das Be⸗
ste; dann der Groß⸗Vizir schenckte ihm einige Ducaten, welches
er sich weit besser als das vorige Tractament gefallen liesse: und weil
er auf jenes Früh⸗stuck ein gleiches Mittagmahl befürchtete, machte
er sich stillschweigend ohne Dank und Abschied davon.
Vorfüh⸗
rung eini⸗
ger kostba⸗
rer Pferde
und Pre⸗
sent an den
Herrn Bot⸗
schafter. Endlich wurden neben dem Zelt dem Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ter auf Befehl des Groß⸗Vizirs neunzehen der kostbarsten Hand⸗
Pferde vor geführt / so alle Königlich aufgebutzt, und an etlichen die
Zäume, Sattel, Steig⸗Bügel und übrige Rüstung von vergülde⸗
ten Silber und darbey so schwehr waren, daß die Pferde genug dar⸗
an zu tragen hatten; Hiervon wurden Sr. Excellentz von dem
Groß⸗Vizir ein falbes Pferd verehrt / weil Er vermeinte /
daß diese Farbe in Teutschland am seltsamsten wäre, nebst dem an
dem Sattel hangenden Caddare oder Säbel, und einer von einem
raren Meister verfertigten Flinte, welchem noch beym Abschied ein
mit Hermelin gefüttertes Kleid folgte, dergleichen, wie schon ge⸗
Bewir⸗
thungen in
dem Gezelt. meldet, der Groß⸗Vizir diesesmal selbst an hatte. Von hier
gieng ermeldter Groß⸗Vizir mit dem Herrn Groß⸗Botschafter
und dem Nischanschi Bascha, seinem Tochtermann, zur Tafel,
die uͤbrigen aber wurden nach ihrem Stand in unterschiedlichen Zel⸗
ten angewiesen; wie dann so gar auch des Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ters und des Adels Bediente auf Türkische Art tractirt wurden.
Hierbey war das Getränk immer einerley, und bestunde in unter⸗
schie⸗
- 285 -
Visite des Groß⸗Vizirs bey dem Hrn Botschafter.
241
schiedlichen suͤssen Wassern, an statt dessen uns mit Wein besser wäͤ⸗
re gedienet gewesen. Alle Gerichte hat man in Porcellanen und
Schlangen⸗steinernen Geschirren, so die Tuͤrken Farfouri nennen, auf⸗
getragen, als welcher sich die vornehmen Personen in der Tuͤrkey aus
zweyerley Ursachen bedienen, eines theils, damit sie das Silber und
Gold erspahren, dessen hierdurch bey andern Voͤlkern viel unnuͤtz⸗
lich verthan wird; andern theils aber, weil sie in der Meinung ste⸗
hen / als ob dergleichen Geschirr keinen Gift hielten. Unter wehren⸗
der Tafel / da allerhand Discours auf die Bahn gebracht wurden, Des Herrn
Botschaf⸗
ters mora⸗
lischer
Discours.
hatte sich der Herr Botschafter jederzeit bemuͤhet, etwas mora⸗
lisches mit anzubringen; und zwar hier beliebte Jhm auf des Groß⸗
Vizirs Vortrag, daß ein Gesandter sehr wol auf seiner
Hut seyn und auf alles genaue Achtung geben muͤsse/ zu
antworten, wie GOtt der HErr einem jeden Thiere was sonderli⸗
ches verliehen, als dem Loͤwen und Bären die Stäͤrke, dem Haasen
die Geschwindigkeit, dem Fuchsen die Arglistigkeit, und andern wie⸗
derum was anders, wordurch sie genugsam im Stand gesetzt wor⸗
den, ihr Leben wieder ihre Feinde zu beschüͤtzen, und bey aller Gele⸗
heit zu erhalten: und also habe Er auch seine Gaben unter die Men⸗
schen ausgetheilt, vermittelst deren ein jeder/ wann er sie recht zu ge⸗
brauchen wuͤste, und auch gehöͤriger massen anwenden wolte, sich
gluͤcklich machen koͤnnte; dann weil von einem Soldaten Muth und
Stärke, von einem Staats⸗Mann Scharfsinnigkeit und Fleiß, von
einem Befehlshaber die Klugheit, von einem Lehrer Wissenschaft
und Verstand erfordert wuͤrde, so solte sich jedermann auf dasjeni⸗
ge legen, worzu er von der Natur geschickt gemacht worden, und auf
solche Weise wuͤrden alle Menschen glücklich leben koͤnnen; aber es
bleibt bey dem alten Sprichwort, daß ein jeder seine Neigung
dahin am meisten wendet / was ihm am meisten verbotten
ist / und wir insgemein dasjenige am liebsten zu seyn wün⸗
schen / worzu wir am wenigsten tuͤchtig sind; und also koͤn⸗
ne es nicht fehlen, daß, weil wir unserm Naturell nicht folgen, wel⸗
ches doch billich seyn solte, wir uns selbst in unser eigenes Ungluͤck
stürzten. Auf gleiche Weise pflege es auch in Erwehlung Speiß
und Trank her zu gehen, dann ob schon ein jedes Land, oder doch
die meisten Provinzen, ihre Nothwendigkeit herfüͤr bringe, wovon
sich die Einwohner erhalten koͤnnten, so durchschiffte man doch alle
Meer,
Hh
- 286 -
242
Zweytes Buch, siebende Abtheilung /
Meere, um der Menschen unordentlichen Begierden und Ehrgeitz ein
Genügen zu leisten. Wie oft wüͤrden bey einem Gastmahl Spei⸗
sen aufgesetzt, so bey nahe aus allen vier Enden der Welt ange⸗
schaffet worden; zu geschweigen der unzählichen Arten Weine und
Wasser, tausenderley Tücher und Gewebe, so man mit den gröͤsten
Unkosten und Mühe aus den weit entlegensten Laͤndern herbey ge⸗
bracht hat; und doch seyen diese alle noch viel zu wenig, den unersätt⸗
lichen Appetit der Menschen zu vergnuͤgen, so daß sie selbigen nur
je mehr und mehr entzuͤnden und anflammen. Mit diesen und der⸗
gleichen Gesprächen wurde die Zeit zu gebracht, und die Speisen
damit noch schmackhafter gemacht. Nach aufgehobener Tafel lang⸗
te man riechende Wasser und Rauchwerk in der Reihe herum, und
stieg alsdann wieder zu Pferd, auf welchen sich der Groß⸗Vizir
nach der Stadt, wir aber mit dem Herrn Botschafter nach unserm
Lager verfügten; nachdem Sie beide auf den Weeg nochmaln freund⸗
lichen Abschied von einander genommen. Hierauf wurden Se. Ex⸗
cellentz von denen Stummen begleitet, wofüͤr Sie bey der Ruck⸗
Was die
Venetianer
bey diesem
Krieg un⸗
serm Kaiser
zu danken. kehr dieselbige mit silbernen Sack⸗Uhren beschenket hatten. Noch
zwey Stücke sind hier mit Stillschweigen nicht zu übergehen; erstlich,
daß nach der Tafel, als man ungefehr der Venetianer gedachte, und
die Nachmittags gewöhnliche Bet⸗Zeit der Türken herbey kam, auch
der Groß⸗Vizir um deswillen, nach genommener Erlaubnüß von
dem Herrn Groß⸗Botschafter, sich von uns absentirt, jener bey
dieser Gelegenheit öffentlich contestirt habe, wie die Venetianer von
Glück zu sagen hätten, daß bey ihren so üͤbel bestellten und schon
halb verlohrnen Sachen sich zu vörderst Seine geheiligste Rö⸗
misch⸗Kaiserliche Majestät / und dann auch Se Hochfürstl.
Durchl. der Prinz Eugenius, und Se. Excellentz der Herr Groß⸗
Botschafter ihrer angenommen, und ihr schon voͤllig sinkendes
Glück wieder hergestellet; weßwegen Sie grosse Ursach hätten, GOtt
den Allerhöchsten für dieser Dreyen Erhaltung täglich zum öftern
zu bitten, als durch welche Jhnen der Friede und ihre ganze Wol⸗
farth auf das neue verschafft worden; dann wo sich unser Un⸗
überwindlichste Kaiser / sieghafte Feld⸗Herr / und kluge
Botschafter und Friedmacher Jhrer nicht so nachdruͤcklich an⸗
genommen hätte, würden sie weder einen Stillstand noch einigen an⸗
dern
- 287 -
Visite des Groß⸗Vizirs bey dem Hrn Botschafter.
243
dern hierdurch erhaltenen Vortheil sich haben versprechen duͤrfen;
und diese Worte ungefehr hat er auch so gar zum andernmal wieder⸗
holet. Das andere ist, daß er den Bascha von Chaskoi / ersten Viel ver⸗
mögender
Vorspruch
des Herrn
Botschaf⸗
ters.
Führer des Fuß⸗Volks, der unsern Herrn Groß⸗Botschafter
aus seiner Provinz bis nacher Schemischezen/ so zwischen Phi⸗
lippopel und Adrianopel liegt, entgegen gegangen, auf Sr.
Excellentz Recommendation, zum obersten Feldherrn der Reu⸗
terey, und uͤber dis noch zum Stadthalter von Candien ernennet,
und ihm daruͤber alsobald das Decret ausfertigen lassen; wobey der
Groß⸗Vizir zu verstehen gab, daß, ob er sich schon nicht we⸗
nig verdient gemacht haͤtte, er doch zu dieser Charge sich so bald
noch keine Hoffnung machen duͤrfen, wofern er nicht dißfalls den
Herrn Botschafter zu seinem Patron gehabt, sintemaln auch an⸗
dere deswegen einkommen, denen es weder an Verdiensten noch Jah⸗
ren fehle, auch anbey ihre bereits vornehme Bedienung und grosse
Göͤnner ihren Ansuchen einen wichtigen Nachdruck geben koͤnnten;
wordurch er dann zu verstehen geben wolte, wie hoch er Sr. Excel⸗
lentz Freundschaft æstimire, wann er Dero einige Recommenda⸗
tion aller andern im ganzen Reich vorgezogen. So kam auch dem
Mehemet unserem Fuͤhrer diese Gelegenheit wol zu statten; dann
weil er bishero von seinem Amte als Kaiserlicher Kämmerling, da⸗
von er doch den Namen schon lang gefuͤhret, noch keine Besoldung
gezogen, ist er in die Zahl dererjenigen aufgenommen worden, welche
täglich hundert und fuͤnfzig Asperl, deren drey zwey Creutzer ausma⸗
chen, zu geniessen haben; und hat also die gewoͤhnliche Besoldung
völlig uberkommen.
Von dem 5ten bis 13ten October bliebe alles in unserm La⸗
Krankheit
nimmt zu.
ger im vorigen Stand: die Krankheiten nahmen von Tag zu Tag zu,
und war die Anzahl der Kranken dermassen angewachsen, daß man
nun an der Edelleute Tisch kaum sechs oder sieben zehlen kunte, wo
vorhero uber zwanzig gespeiset wurden. Von unsern 400. Perso⸗
nen, die wir bey nahe bey uns hatten / lagen auf einmal über 180.
krank darnider; worvon ein Knecht und eine Dienst⸗Magd / die sich
in dieser Welt viel schleppen muͤssen, gestorben. Indessen kamen von
den andern Gesandtschaften einige von Adel und andere Bediente zu
uns, so wol uns zu besuchen, als ihrer Herren Briefe zu bestellen,
die wir in unser Paquet einschliessen und dem nach Nißa gehenden
Janit⸗
Hh 2
- 288 -
244
Zweytes Buch / siebende Abtheilung /
Janitscharen mit geben solten. Se. Hoch⸗Gräfliche Excellentz
Besuchun⸗
gen des
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ters.
verfügten sich mit denen Grafen Bathiani und Nesselrode in ih⸗
ren Wagen, und fuhren damit zu dem Englischen und Hollän⸗
dischen Gesandten, nach dem sie vorhero zu Ejup mit dem Dol⸗
metsch von der Pforte gesprochen haben; Sie wurden von den Gra⸗
fen Besora / Sebastida und Kinigl zu Pferd begleitet, denen
die beide Grafen Kollovrad
[22] und Scherftenberg nachgehends
gleichfalls zu Pferd dahin gefolgt sind; wohin auch der Mahler
Semler, noch in Anwesenheit des Herrn Botschafters, der Can⸗
zelist Eurich aber schon bey dessen Wiederkunft geruffen worden.
Einige Tage hernach liessen Sich Se. Excellentz auch gefallen, den
Französischen Gesandten zu Pera heimzusuchen; andere aber,
als der Herr von Dierling / Freyherr von Zweiffel / Hörde / Graf
Scherftenberg, die Herren Mattoni, Preitenau und Sau⸗
termeister Edelleute, der Stallmeister, Secretair Meier / und
Eurich giengen wiederum nacher Pera / und zum Theil auch in die
Stadt, so wol unsere neue Wohnungen zu beschauen, als auch dem
Groß⸗Vizir eine kostbare teutsche Flinte im Namen des Herrn
Botschafters zu überbringen. Unser Zucker⸗Becker Johann
Baptista Cervi gienge gleichfalls nacher Pera, um daselbst seiner
Andacht zu pflegen, und die von Venedig erst angekommene Freun⸗
de zu besuchen; dafür unterdessen andere sich die Jagd belieben lies⸗
sen, welche aber fast alle des Abends wieder zuruck kommen.
Als ich ungefehr den 9ten dito in Begleitung etlicher guten
Freunde mich ebenfalls die Lust ankommen ließ, nacher Pera zu
gehen / so wol meine Curiosité zu vergnügen, als auch den Herrn
von Dierling, welcher sich noch daselbst aufhielte, zuruck zu beglei⸗
ten, höͤrte ich auf der Gassen ein grosses Lamentiren und Heulen / wes⸗
wegen ich mich alsobald von den andern weg und zu den Fen⸗
Armenia⸗
nische Lei⸗
che.stern machte, da ich dann sahe, daß die Armenier eine Leiche
von ihren Glaubens⸗Genossen vorbey trugen. Hier nun kunte ich
beobachten, wie sich die bey dergleichen Begraͤbnuß bedungene Weibs⸗
Klag⸗Wei⸗
ber.bilder durch einen erdichteten Schmerzen zu verstellen wusten, ange⸗
sehen man aus ihren äusserlichen Geberden nicht anders solte ver⸗
meinet haben, als ob ihnen ein grosses Leid wiederfahren, und sie recht
von Herzen betruͤbt waͤren, dergleichen Verstellung wir auch bey de⸗
nen alten Scribenten beschrieben finden: sie liefen hinter der Leich
her,
- 289 -
Visite des Groß Vizirs bey dem Hrn. Botschafter.
245
her, simulirten eine uͤberaus grosse Traurigkeit, schlugen sich mit
Fäusten an ihre Brust, zerkratzten ihr Gesicht mit Nägeln, rissen
sich die Haar aus dem Kopf, stampften mit dem Fuß auf die Erden,
thaten nichts anders als heulen und weinen, und stellten sich an, als
ob sie rasend und toll wären, und das alles ums Geld. Dieser so
schmerzlich betruͤbten Seelen waren zwey, deren jede von zwey andern
erbarn Weibern gehalten worden, welche, ob sie diese desperaten
Leute schon gut gefasst hatten, gleich wol mit allen ihren Kräften
kaum verwehren kunten / daß sie sich von ihnen nicht loß reissen
mögten.
Den 14ten dito hatten wir das Fest der Erhöhung des H. CreuFest der Er⸗
höhung
des Heil.
Creutzes
celebrirt.
⸗
tzes, so den Tag zuvor war angesagt worden, mit gröͤster Ehrerbie⸗
tung begangen, wobey ein Stücklein des H. Holzes, welches vor et⸗
lichen Jahren der Cardinal Mirandula dem Herrn Botschafter
verehret hatte, als dieser noch Stadthalter zu Mantua war, öffent⸗
lich bey allen H. Meß⸗Opfern zur Verehrung ausgestellt und bey der
letzten Messe jedermann zu küͤssen dargereicht worden, worzu Se.
Excellentz den Anfang gemacht, und mit seinem erbaulichen Exem⸗
pel allen andern vorgegangen. Den 16ten dieses entstunde in un⸗
Tumult
wegen ei⸗
nes
Storchs.serm Lager ein entsetzlicher Lermen: der Falken⸗Meister kam mit eini⸗
gen Jäger⸗Buben in gröster Eil nach des Herrn Botschafters
Quartier, und hinter ihnen drein die Janitscharn aus den benacht⸗
barten Oertern und andere Tüͤrken Haufen⸗weiß mit Messern und
Stecken gelaufen, biß ihnen endlich unsere Wacht zu Hüͤlfe gekom⸗
men. Die Ursach zu dieser Aufruhr war, daß besagter Falken⸗Mei⸗
ster einen Storch in der Luft hat beitzen und durch die Falken herun⸗
ter auf die Erden stossen lassen; dann die Türken halten es für ein
grosses Laster, wann man diesem Vogel mit Vorsatz etwas Leids zu⸗
füget, welcher niemand einigen Schaden verursachet, aber auf vie⸗
lerley Weise nutzlich ist, als der die Aecker, Wiesen, Obs⸗Kuchel⸗
und Wein⸗Garten von den Schlangen und andern Ungeziefer reiniAnderer
einzelner
Person Ge⸗
fahr von
den Tür⸗
ken.
⸗
get. Fast auf gleiche Weise wäre es bald den vorigen Tag des Graf
Nesselrode seinem Bedienten, Namens Becker / ergangen / der ih⸗
nen doch die geringste Ursach nicht darzu gegeben hatte: Es gieng die⸗
ser mit einem Armenier, der aus Adrianopel her war, auf das
Feld / Lerchen zu schiessen, dabey er sich dessen als eines Dolmetschen
gebrauchen wolte, wo es die Noth etwan erfordern moͤgte, wie er
ihm
Hh 3
- 290 -
Zweytes Buch / Siebende Abtheilung/
246
ihm dann hierzu gar bequem schiene, weil er einigermassen Franzö⸗
sisch verstunde, als welche Sprach er von seinem Herrn, der ein
Frank war, und deme er lange Zeit gedienet hatte, gelernet; dabey zu
erinnern, daß die Tüͤrken alle Europäische Fremdlinge Franken zu
nennen pflegen, sie moͤgen nun Teutsche / Jtaliäner, Franzosen, En⸗
gelländer, Holländer oder sonst von einer Nation seyn. Nun trug
sichs zu, daß er sich von dem Lager weiter entfernet, als er wol selbst
mochte gemeinet haben, weswegen alsobald aus dem nächsten Dorf
drey Türken zu Pferd auf ihn loß gesprengt, die ihn bis in dasige Stein⸗
Gruben getrieben, und da sie ihn daselbst in der Enge hatten, nun⸗
mehr angreifen wolten; dieser aber von kurzer Resolution faßte ei⸗
nen Muth, legte seine Flinten, die er zu allem Güͤck noch geladen
hatte, wider diese Räuber an, mit Bedrohung, daß er den nechsten,
so ihn zu nahe kommen wuͤrde, darnider schiessen wolte: Sie hinge⸗
gen bedienten sich ihres gewöͤhnlichen Sprichworts: Haida Jaour /
pack dich / du Unglaubiger: zeigten ihm zugleich mit den Fin⸗
gern das Meer und die Ruder⸗Bänke, wo sie ihn hinzubringen be⸗
Gefahr der
schönen
Manns⸗
Personen
in der Tür⸗
key.dacht gewesen. Jn eine noch weit grössere Gefahr geriethe zu Pe⸗
ra / im Anfang des Aprils des nechstfolgenden Jahrs, mein Lands⸗
mann und bester Freund, der Herr von Schopen: dieser bekam Lust,
bey dem schönen Frühlings⸗Wetter Turtel⸗ und Holz⸗Tauben zu
schiessen; wie dann nicht weit von dar an dem Fuß des andern Bergs
ein Cypressen⸗Wald war, der sich bis an das Meer und das Dorf
Besicktasch / wo der Kaiser ein Lust⸗Hauß hatte, erstreckte, in wel⸗
chem derselbigen im Uberfluß anzutreffen. Jn diesem Absehen nun
gieng er mit des Herrn von Franken seinem Jäger dahin, ohne daß
er einen Janitscharn mit genommen; beide waren mit ihren Flinten
versehen, wormit sie auch etliche mit grosser Verwunderung und
Beyfall der dabeystehenden Tüͤrken bereits erlegt, welche ihnen so gar
die Tauben mit den Fingern zeigten, wann sich etwann eine unter das
Laub oder hinter die Cypressen⸗Zweige versteckt hatte. Endlich wol⸗
te den Tuͤrken, als welche in des Juͤnglings schoͤne Gestalt ganz ver⸗
narret waren, die Gedult zerrinnen, weswegen sich bey 600. bis 1000.
starker Kerls zusammen rottirten, die ihnen bey der Ruck⸗kehr, da
sie sich nicht zusammen gehalten, den Weeg verlegten, und sie mit Ge⸗
walt ins Serrallien zu fuhren bedacht waren, um sich ihrer nach ih
⸗
rer
- 291 -
Visite des Groß⸗Vizirs bey dem Hrn. Botschafter.
247
rer schändlichen Weise daselbst zu bedienen, in welchem Fall wir nicht
wuͤrden gewust haben, wo sie geblieben. Es war aber des Herrn von
Schopen sein Glüͤck, daß er seine Flinten noch nicht loß geschossen,
weswegen derselbige solche gegen die Tuͤrken gehalten, und sie damit so
furchtsam gemacht, daß er Platz bekommen, sich mit dem Jäger zu
vereinigen / wordurch ihnen der Muth wiederum in etwas gewach⸗
sen, so daß sie, nach einem kleinen Verweiß, daß sich der Jäger so
weit absentirt, mitten durch die besetzte Strassen hingegangen, und
ihren Weeg mit geschwinden Schritten, zwar mit weniger Furcht
aber nicht ohne alle Gefahr, üͤber den Berg fortgesetzt, bis sie end⸗
lich bey Sonnen⸗Untergang wiederum gluͤcklich zu Hauß ankom⸗
men waren. Sie wissen selbst nicht zu sagen, wie ihnen bey solcher
augenscheinlichen Gefahr zu Muth gewesen, noch viel weniger koͤnnen
sie begreiffen, was doch die Tüͤrken nur immer mag abgehalten ha⸗
ben, daß sie nicht zu gegriffen und sie mit sich fort gefüͤhrt;
wiewol es der eine aus ihnen den H. Schutz Engeln zu schreiben will,
als welche er wochentlich zu verehren pflegt, und absonderlich heute
bey dem H. Meß⸗Opfer wider seine Gewohnheit seine Andacht hier⸗
innen gleichsam verdoppelt hatte. Es mag unterdessen herkommen,
wo es will, so kan doch dieses denenjenigen, so etwan einmal in die
Türkey zu reisen gedenken, und absonderlich von guter Leibes⸗Gestalt
und dahero der Türken Geilheil um so vielmehr unterworfen sind, Ohne Ja⸗
nitscharen
soll nie⸗
mand aus⸗
gehen.
zur guten Nachricht und Warnung dienen, daß sie sich nicht leicht
auf der Strassen, noch ausser den Herbergen, vornemlich in grossen
Städten und Flecken, ohne einen Janitscharen, der auf sie acht gibt,
und für sie stehen muß, sehen lassen; wie uns dann auch von dem
Herrn Botschafter jederzeit scharf verbotten, und nach dieser
Affaire noch schärfer untersagt worden, daß wir uns ohne Janit⸗
scharen nicht aus dem Lager anderswohin begeben solten; wiewol
wir nunmehr dergleichen Befehl nicht mehr noͤthig hatten, nach⸗
dem wir schon selbst aus anderer Leute Schaden klug
werden kunten.
) ° (
Achte
Zweytes Buch / Achte Abtheilung /
248
Achte Abtheilung.
Die Bot⸗
schaft wird
in Asien
überge⸗
führt.
DEn 17. dito wurde die Staats⸗Livrée unter die Bedienten
ausgetheilt, und den 18ten darauf die völlige Botschaft in
Asien übergeführt, weil sie daselbst in Natolien am Ca⸗
nal des Schwarzen Meers auf einem Kaiserlichen Lust⸗Schloß sol⸗
te tractirt und mit allerhand Schau⸗Spielen und anderen Lustbar⸗
keiten divertirt werden. Gleich bey anbrechenden Tag wurde in die
Trompeten gestossen / und zur bevorstehenden Reise denenjenigen
das Zeichen gegeben, so von der Krankheit nicht davon abgehalten /
oder von solcher schon wieder völlig restituirt waren. So bald sich
die Sonne an unserm Horizont sehen liesse, setzte man sich zu Pferd,
welche uns hierzu von der Pforte geschickt worden; der Herr Bot⸗
schafter aber begab sich mit dem Baron von Zweiffel und Herrn
von Dierling in seinen Wagen; worauf wir durch einander ohne
Ordnung nach der Vorstadt S. Job bis an das Ufer des Meers,
oder besser zu sagen, den Meer⸗Hafen von Bysanz/ oder das alte
Bosphorium geritten, welches seinen Namen daher füͤhret / weil des⸗
sen Wasser aus dem Bosphoro oder dem Schwarzen Meer herfliesset;
wiewol Stephanus und Eustachius vermeinen, daß es vielmehr
Phosphorium müsse genennt werden, und zwar daher, weil, wie in dem
Supplement des 1. Buchs des Q. Curtii zu finden, Philippus, Ale⸗
xanders des Grossen Vatter, die Stadt Byzanz lang vergeblich
Bosphorus,
wo er sei⸗
nen Namen
her hat.
belagert, und endlich seine Soldaten einen verborgenen Weeg unter
der Erden ausgegraben, wordurch sie heimlich in die Stadt zu kom⸗
men gedachten; es hat aber die Hecate Phosphoros denen Buͤrgern
die Augen aufgethan, und dieses Vorhaben entdeckt, weswegen sie
nachgehends, da sie von der Belagerung wiederum befreyet wor⸗
den, diesen Ort Phosphorus genennet. Allhier haben viel Schiffe
auf uns gewartet, deren einige von acht, andere von zehen/ und des
Herrn Groß⸗Botschafters seines von 16. Rudern, dergleichen
hier selten jemand zugelassen wird / getrieben, und immer zwey von
einem Boots⸗Knecht gezogen wurden. Dasjenige, worinnen der
Herr Botschafter sich befand, hatte auch den Capigi Baschi
unsern Geleitsmann, nebst dem Baron Zweiffel und den Dol
⸗
metsch
- 293 -
Bewirthung des Herrn Botschafters in Asien.
249
metsch Herrn Theyls auf, und fuhr in der Mitte, da die andern
entweder voraus oder hinten nach giengen. Jn dieser Ordnung nun
sind wir der Stadt Constantinopel / nach ihrer völligen Länge, wie
auch bey dem Serallien, dem mitten im Meer stehenden Thurn, den
man fälschlich für den Leanders⸗Thurn hält / die Stadt Scutari
zur Rechten, bey Tersana / dem Zeug⸗Hauß, bey vielen in dem Ha⸗
fen liegenden Kriegs⸗Schiffen und Galeeren, den Vorstädten Ga⸗
lata / Pera und Thopana / bey Funduklu / Talman Ba⸗
scha, und Besicktasch / einem andern zur Linken liegenden Kaiserl.
Lust⸗Hauß vorbey und zu dem Groß⸗Vizir gefahren, welcher
sich zur Frühling⸗ und Sommers⸗Zeit an dem Canal des Schwar⸗
zen Meers nicht weit von dem Sultan aufhäͤlt. So bald der Herr
Groß⸗Botschafter allda ankommen war, verließ Er so gleich das
Schiff und verfuͤgte sich zu ermeldtem Groß⸗Vizir in Begleitung
des Adels und einiger andern in den Garten, wohin Er von dem
Dolmetsch und einigen Capigis / die Seiner an dem Ufer warte⸗
ten, invitirt war, welche Jhn auch von dem Schiff an durch den
Vorhof über die Stiegen begleiteten. Gegen den Bergen nach
Groß⸗Vi⸗
zirs Woh⸗
nung zur
Frühling⸗
und Som⸗
mers⸗Zeit.
Europa zu war in dem Garten ein schoͤnes mit weiß⸗ und schwar⸗
zen Marmel gepflastertes Zimmer, so zur Abküͤhlung gar bequem
war; in der Mitte desselbigen stunde ein aus weissen Alabaster ge⸗
hauener Brunnen, worauf viele Thuͤrne/ Pyramiden und Saͤulen
gestellet und fast wie eine Kirche oder Stadt anzusehen war / den
Boden aber bedeckten die kostbarsten Persianische Teppiche, auf wel⸗
chen die reich gestickten Sofaus in schoͤnster Ordnung lagen. In⸗
dem nun hier der Adel mit Caffé tractirt und durch den Garten und
übrige Zimmer gefüͤhrt worden / der Herr Groß⸗Botschafter
aber sich mit dem Groß⸗Vizir in ein Gespraͤch eingelassen, wurden
die uͤbrigen aus der Suite von den kleinen Schiffen auf eine Galeere
von vier Ruder⸗Ordnung, so insgesammt in 56. Rudern bestunden,
gebracht.
Nicht lang darauf sind Se.
Excellentz von dem Groß⸗Vizir
Des Hrrn.
Botschaf⸗
ters Be⸗
willkom⸗
mung auf
dem Schiff.
wiederum entlassen und in Begleitung
der vorigen nach dem Schiff
gebracht worden. So bald Sie in
dasselbige gestiegen, wurden Sie von
dem Schiff⸗Herrn mit drey
Stuck⸗Schuͤssen empfangen, und in das
am Hinter⸗Theil des Schiffes
befindliche Zimmer angewiesen; Hier⸗
auf
Ji
- 294 -
Zweytes Buch / Achte Abtheilung
/
250
auf hat man die Anker geloͤset, die
Seegel aufgespannt, und die Ru⸗
der⸗Bursche
durch das gewöͤhnliche Pfeiffen zur Arbeit angemahnt,
welcher letztern Anzahl sich auf drey
hundert und vierzig belief, ohne
diejenige, so mit Stecken in den
Händen auf und ab giengen, und
Türkische
Sclaven
an den
Ruder⸗
Bänken.
acht hatten, damit die Ruder⸗Knechte ihre Arbeit fleissig verrichte⸗
ten. Die
mehreste aus ihnen waren entweder Moscowiter oder Po⸗
lacken; einige
Spanier und Portugiesen; wenig Franzosen und Jta⸗
liäner, und
nur fuͤnf Teutsche, lauter schwarz⸗gelbe Kerls, so noch
über dieses mit Pech allenthalben
besudelt, und von der Sonnen
wie halb gebraten geschienen, welche
uͤber dieses bey dem Boden des
Schiffs an dem linken Fuß mit
schwehren Ketten angeschlossen sind
und eben an demjenigen Ort sitzen,
schlaffen, arbeiten, essen und
trincken, an welchen sie auch im
uͤbrigen der Natur ihren Lauf las⸗
sen müssen,
und was das Schlimste für sie / sehen sie wenig Hof⸗
nung zu
einiger Erlösung uͤbrig; sintemaln die Freyheit mit Geld zu
Wie hoch
ein Sclav
æstimirt
wird. erkaufen einem jedweden aufs wenigste um 111. Ducaten,
oder 333.
Reichsthaler zu stehen kommen
wuͤrde, wie uns dann der Schiff-
Herr
versichert, daß er einen jeden derselbigen selbst für so viel Geld
bezahlt hätte; das ganze Schiff aber
mit gesammter Rüͤstung und
allen Arbeitern hielte er um acht
und sechzig tausend und 1/3. Duca⸗
Wie
hoch
eine Galee⸗
re zu stehen
kommt.ten, oder vier
hundert und zehen Beutel, so unsers Gelds zwey
hundert und fünf tausend
Reichs⸗Thaler ausmachen; dabey aber
meldete der Patron, daß er jaͤhrlich
von dem Sultan zur Ausbes⸗
serung des
Schiffs und Unterhaltung der Leute 29. Beutel oder vier⸗
zehen tausend
Reichsthaler bekomme, welches sich in Gold gerechnet
auf 14833 1/3. Ducaten belaufet,
wann man einen Ducaten zu drey
Reichsthalern rechnet / wie er auch
dazumal gegolten hatte; und um
dieses Geld müsse er hinschiffe, wo
es der Sultan befiehlt oder
die Noth erfordert: doch stehe es
ihm frey, solches wieder zu ver⸗
kaufen /
wegzuschenken, zu verwechseln, oder es seinen Kindern im
Testament zu vermachen, wann nur
dabey, so lang er des Kaisers
Sold geniesset, dessen Dienste nicht
verabsäumet werden. Dieser
Schiff⸗Herr versprach demjenigen,
welcher sich so gottloß bezeigen
und sein Unglück befördern (er
nennet es aber eine Klugheit und Be⸗
denckung
seines Glückes) und die Christliche Religion abschwöh⸗
ren, dafür
aber den Mahometischen Aberglauben annehmen wolte, oh⸗
ne Entgeld
loß zu lassen.
Bewirthung des Herrn Botschafters in Asien.
251
Es befanden sich unter diesen Sclaven Polacken / so noch imBeschrei⸗
bung der
Ruder⸗Bursche.
vorigen Jahrhundert gefangen worden, und nun in diesem ihren
höchsten Elend und bey der schwehrsten Arbeit schon uͤber dreissig
Jahr ausgedauret haben / dessen sie nunmehro auch ganz gewohnet
sind, und ist zu glauben, daß die Bestäͤndigkeit in ihrer Christlichen
Religion ihnen solche Kräften zugeleget hat. Jhrer vielen waren
die Füsse von den schwehren Ketten, ob solche schon mit Leinwand
überzogen waren / also zerrüͤffelt, daß man bis auf das blosse Bein
hinein sehen kunte. Die Kleidung ist an diesen Leuten gleichfalls höͤchst
armseelig / die Hosen sind aus groben Tuch gemacht, und kaum
überall recht zusammen genehet, und ihren Leib bedeckt ein grob
Hanfenes Hembd, welches über dis so kurz ist, daß sie kaum die
Schaam damit bedecken koͤnnen; selbigen Tag aber sind rothe Muͤtz⸗
lein und kurze rothe Wammes unter sie ausgetheilt worden, die sie
aber vor der Arbeit abgelegt, und nach unserer Ruck⸗kehr alle wieder⸗
um weggenommen und in die Kuͤsten verschlossen worden: ihre Füͤsse
sind blos, damit, wann sie die Ruder anziehen, und solche mit Ge⸗
walt wieder ins Wasser lassen, sie sich nicht unter einander verletzen.
An statt des Feder⸗Betts dienet ihnen ein hartes Bret, es muͤste
dann einer etwan durch ein unerwartetes Glüͤck eine abgenutzte De⸗
cke irgendwo erwischt oder geschenkt bekommen haben, deren er sich
alsdann statt eines Polsters gebrauchen koͤnnte: Wantzen, Läuse und
Flöhe machen sich so gemein mit ihnen, daß sie selbige mit einem
Hölzlein, wie den Staub mit dem Kleider⸗Besen / abstreifen können:
Jm Essen und Trinken werden sie gleichfalls nicht uͤberladen, und
muß ein Pfund Zwiback des Tags nebst einem Trunk Pfüͤtzen⸗ oder
wanns gut kommt / Brunnen⸗Wasser viel ausrichten; an Schlägen
und Arbeit aber fehlts im geringsten nicht, so daß ihnen, ob sie schon
ohnedem nackend sind, der Schweiß nicht Tropfen sondern Strom⸗
weiß über den Leib herabrinnet. Diejenige, so an dem ersten Ruder
zu beiden Seiten stehen, gehen den andern zu der Arbeit vor, und
nach diesen richten sich die uͤbrigen alle in Anziehung und Niederlas⸗
sen der Ruder, und auf solche Weise wird durch einen Schlag die⸗
se so grosse Machin durch Wind, Wellen und Ungewitter fortge⸗
trieben. Damit aber die Voͤrdern von den Hintern desto besser koͤn⸗
nen gesehen werden, sind sie alle in vier Ordnung eingetheilt, und
sitzen mit den Rücken gegen einander, also daß zwey Ordnungen ge⸗
gen
Ji 2 - 296 -
252
Zweytes Buch / Achte Abtheilung /
gen das Vordertheil, zwey aber gegen das Hintertheil des Schiffs
gerichtet sind. An diese vier Ruder, nach welchen sich die andern
richten muͤssen, werden diejenige gestellt, welche man für die stäͤrkste
und in der Schiff⸗fahrt am erfahrensten haͤlt, deren Zahl auch die
andern uͤbertrifft; dann da die andern nur von sechsen gezogen wer⸗
den, stellt man hier sieben bis acht darzu. Wann in einem See⸗
Gefecht nach schon völlig zertheilter Flotte vermittelst ihrer Arbeit
ein solches Schiff des Feindes Händen entgehet, wird ihnen biswei⸗
len zur Belohnung die Freyheit geschenket. Wann sie vor der
Schiff⸗Arbeit etwas Ruhe haben, dörfen diejenige, so eine Kunst
können, solche ungehindert treiben, haben sich aber schlechten Vor⸗
theil dabey zu versprechen; dann weil sie von ihren Cameraden,
die eben so übel als sie selbst daran sind / wenig Profit ziehen köͤnnen /
wird einer, dem man mehr trauen darf, ums Geld gedungen, und
in den Hafen geschickt, welcher daselbst die Waaren verkauft, aber
für das gelöste Geld andere benoͤthigte Sachen dargegen einhan⸗
delt. Diese armseelige Leute haben viele aus dem Adel und auch
andere zum herzlichen Mitleiden bewegt / weswegen sie reichliches
Allmosen / ein jeder nach seinem Vermoͤgen, unter sie ausgetheilet;
wie dann der Herr von Wetstein / ein Schweitzer, so gar seine Un⸗
ter⸗Struͤmfe ausgezogen, und solche einem aus ihnen, dessen Füͤsse
jämmerlich durchbohrt waren, und welcher auch darum gebetten, hin⸗
gegeben. Man muste aber das, was man ihnen geben wolte, so
heimlich, als es nur moͤglich war, zustecken, damit der Schiff⸗Pa⸗
tron sie nicht lang mit uns reden sahe, dann dieser war so unge⸗
Die Bot⸗
schaft fährt
auf einem
inficirten
Schiff. stümm, daß er selbsten auf diejenige, die ihm nur vorkamen, mit
eigener Hand loß schluge. Vielleicht mogte er es auch deswegen
nicht gerne sehen, weil er befüͤrchtet, es doͤrfte einer aus ihnen uns
dasjenige hinterbringen, was wir erst nach etlichen Monaten hier⸗
von erfahren; dann da erzehlte uns ein Fähndrich von dem Alcau⸗
dettischen Regiment, welcher vor Zwornick bey dem Drin⸗Fluß
gefangen, im April aber des folgenden Jahrs von dem Herrn Bot⸗
schafter wieder ausgelöͤßt, nachgehends zu Smyrna von den Tüͤr⸗
ken entdeckt und deswegen in einem Schiff etliche Monat verborgen
gehalten / endlich aber wieder zurück geschickt worden; dieser, sage
ich, erzehlte uns, daß solche eben diejenige Galeere wäre, welche
die Venetianische Botschaft von den Dardanellen herüber nach
Pera
- 297 -
Bewirthung des Herrn Botschafters in Asien.
253
Pera gefüͤhrt, und daß nur wehrender dieser Zeit 72. Personen an
der Pest darauf gestorben, worunter auch selbst drey von der Bot⸗
schaft / noch mehr aber schon angesteckt gewesen; man habe aber die
Todten / sonderlich Anfangs, den ganzen Tag unter den andern lie⸗
gen lassen, und erst zu Nachts, wann die mehresten geschlaffen, da⸗
mit es die Venetianer nicht moͤgten innen werden, uͤber Port ge⸗
worfen / und den Fischen zur Speiß übergeben: und waren noch
zwölfe zu der Zeit, da wir uns darauf befanden, inficirt,
davon aber bey Straf füͤnf hundert Streiche auf die Fuß⸗Sohlen
kein Mensch gegen uns was gedenken düͤrfen. Sie waren wenig
darum bekuͤmmert, daß sie auf solche Weise die ganze Botschaft in
Gefahr setzten, als welche im Hin⸗ und Herfahren etliche Stunden
mitten unter den inficirten Personen zu bringen muste.
Jm Hinfahren hatten wir widrigen Nord⸗Wind, weswegen Fertigkeit
der Schiff⸗
leute in ih⸗
rer Arbeit.
wir das grosse und kleine Bey Segel, alle Hinter⸗ und Vorder⸗Se⸗
gel, nebst den Flaggen und Mast⸗Baͤumen voͤllig herunter lassen mus
sten, welches auch von den Schiff⸗Leuten und Ruder⸗Knechten in
solcher Geschwindigkeit geschehen, ohnerachtet diese letztere mit Ket⸗
ten an einander gefesselt waren / daß alle Instrumenten in einem Au⸗
genblick wieder an ihren gehöͤrigen Ort verschlossen lagen, so daß man
weder auf den Ruder⸗Bänken noch der Brüͤcke im Schiff was an⸗
ders als die Ruder⸗Knechte mit ihren Rudern sahe, so die Galeere
auf dem Canal fort trieben. Im Hinweg aber hatten wir einen ge⸗
linden Ost⸗West⸗Wind / welcher das Schiff ohne einiges Rudern
fort brachte / derohalben man mit Aufrichtung der Mast⸗Bäume
und Spannung der Segel so geschwind, als vorhin mit dem Einzie⸗
hen und Niederlassen fertig war. Als wir zu den beiden in Euro⸗
pa und Asien auf dem Canal gegen einander gelegenen Schlöͤssern
gekommen sind, wurden dem Herrn Botschafter zu Ehren etliche
Stüͤcke geloͤst, und wir kurz darauf aus der Galeere in kleine Schiff⸗
lein gesetzt, und nach dem Ufer in einen Garten⸗ und Lust⸗Hauß des
Sultans unweit Eskikali auf der Seiten Asiens geführet. Jn Lust⸗Hauß
des Sul⸗
tans in
Asien.
diesem Garten waren die Garten⸗Better an statt des Buchs⸗Baums
mit kleinen viereckichten Steinlein belegt, und ist zu vermuthen, daß
zur Frühlings⸗ und Sommers⸗Zeit die schönsten Blumen daselbst an⸗
zutreffen gewesen; dann weil die Tüͤrkischen und Grichischen Wei⸗
ber
Ji 3
- 298 -
Zweytes Buch/ Achte Abtheilung /
254
Türkische
Weiber
Liebhabe⸗
rin der
Blumen. ber zu ihrem Aufbutz sich des Blumen⸗Werks vielfältig zu bedienen
pflegen, die Luft und das Erdreich auch uͤber alle massen wol beschaf⸗
fen ist, so gar, daß man zu allen Jahrs⸗Zeiten und mitten im Win⸗
ter Veyel, Narcissen, Tulpen, Hyacinthen, Hanen⸗Füsse, Näge⸗
lein, Tuberosen, gelbe und weise Lilien, Ringel⸗Blumen, Jesmin /
Granaten⸗Blüth und andere schoͤne Gattungen der Blumen in gros⸗
ser Menge haben kan: so spendiren die Männer grosse Unkosten
und allen möͤglichen Fleiß auf Anlegung der Gäͤrten und Erzielung
der Blumen: wie dann auch zu glauben, daß derjenige / welcher der
Liebe mehr als andere ergeben, ob Er schon in andern Sachen gei⸗
tzig gnug ist, gleichwol darinnen keine Kosten spahren werde, woraus
er nebst dem Ruhm auch doppeltes Vergnüͤgen ziehen, und zugleich
sich und sein Frauenzimmer damit ergoͤtzen kan; ja er muß nothwen⸗
dig für dergleichen Vergnuͤgen um so vielmehr sorgen, je mehr Er die⸗
se überreden will, daß sie in sonderbahrer Hochachtung bey Jhm ste⸗
hen, welche er auch so grosser Liebe werth achtet, daß Er um ihrent⸗
willen die Regierungs⸗Geschäͤfte einem andern uberlaͤßt, und sich we⸗
nig darum bekuͤmmert, dafüͤr aber seine Sorge dahin richtet, wie
Er seinen Concubinen allerhand Ergötzlichkeiten verschaffen moͤge.
Die Ge⸗
sandtschaft
wird auf
Teutsche
Manier be⸗
dient.Aus diesem Garten sind wir in die zwey nechste Zimmer gefüͤhrt
worden / wo die Tafeln nach unserer Art schon voͤllig bereit stunden,
und unserer gleichsam erwarteten; wie dann auch unterschiedliche
Speisen auf Teutsche Manier, jedoch die mehresten dar⸗
von auf Tüͤrkische Art mit suͤssen Brüͤhen zugerichtet waren. Die⸗
ses aber ist vornehmlich merkwüͤrdig, daß diese Kaiserliche Bot⸗
schaft mit Tisch⸗Tüchern, Servietten, gestellten Sesseln und Bäͤn⸗
ken, dergleichen die Tuͤrken sonst gar nicht gebrauchen / wie auch
mit silber⸗ und verguͤldeten Messer⸗ und Gabeln samt dergleichen Loͤf⸗
feln bedient worden, so vorhero noch keiner Botschaft geschehen /
und welches sie alles von den Dolmetschen der andern Gesandtschaff⸗
ten zu dem Ende entlehnt haben: es hatte auch der Groß-Vizir
schon etliche Tage vorher einen Aga oder Kuchel⸗Meister nach Haz⸗
nadar Schiftlik geschickt, der daselbst die Einrichtung unserer Ta⸗
fel nebst den Speisen wol beobachten solte. Allhier speiste der
Herr Groß⸗Botschafter mit dem Groß⸗Vizir und dessen Toch⸗
termann dem Nischanschi Bascha, samt noch dreyen Richtern o⸗
der Zahlmeistern des Sultans in einem besondern Zimmer, wel⸗
ches
- 299 -
Bewirthung des Herrn Botschafters in Asien.
255
ches mit Farben und Gold auf das kostbarste bemahlt, und in dessen
Mitte unter einer Gewöͤlb⸗weiß aufgefüͤhrten Vertäflung ein von
weisen Marmel verfertigter und mit Koͤrblein von allerhand Fruͤch⸗
ten rings herum besetzt⸗ und ausgezierter Brunnen zu sehen war, wor⸗
aus, so lang wir zugegen, das Wasser an verschiedenen Orten her⸗
für gesprungen: die uͤbrigen Theile dieses Zimmers formirten drey
länglichte Viereck, so fast einen Werk⸗Schuh höͤher als der üͤbrige
Boden war / damit die Sofaus desto bequemer kunten gelegt wer⸗
den. Nach eingenommenen Mittagmal wurde dem Herrn Bot⸗
schafter zu Ehren in eben diesen Zimmer auf unterschiedlichen In⸗
strumenten eine dergleichen Music gemacht, als ich schon oben um
das Ende des 1. Buchs beschrieben habe, worein einige meinen Ge⸗
dunken nach nicht unangenehme Stimmen etliche Türckische Lieder
abgesungen. Nach diesen wurde von den Chiausen ein Danz, und
der Botschaft zu Ehren einige Schau⸗Spiele angestellt; allein
wann man die nach ihrer Art wol eingerichtete Music, und die Rin⸗
ger, welche eine unglaubliche Stärke und Geschwindigkeit bezeigten,
ausnahm, so waren solche von nichts als eitel schäͤndlichen Possen,
leichtfertigen Leibs⸗Bewegungen und geilen Scherz angefüͤllt, also
daß selbige nur zu erzehlen die Schamhaftigkeit verbietet; aber für sol⸗
che Mäuler gehöͤren dergleichen Delicatessen; und wie die Agenten,
so sind auch die Zuschauer, wie dann so gar die vornehmsten Män⸗
ner und Feld⸗Herrn viel Meil Weeges nach dieser garstigen Kurzweil
hieher gereißt / und uns den Zugang dermassen verlegt hatten, daß
wir, um derer willen sie doch angestellt waren/ kaum etwas davon
sehen / ja nicht einmal so viel Platz behaupten kunten, als wir zu
unserem Aufenthalt noͤthig hatten / es muste dann seyn, daß wir uns
hätten entschliessen wollen, den heisen Sonnen⸗Strahlen uns zu ex⸗
poniren. Es haben aber gleichwol diese vortreflichen Schau⸗Spiele,
welche vielmehr für geringe Lappereyen und Kinder⸗Possen, aber
keines wegs für eine bequeme Ergöͤtzung maͤnnlicher Gemüther zu
halten war, einen solchen Beyfall bey diesen Leuten gefunden, daß
sie solche nicht genug zu loben noch zu bewundern wusten, und wol⸗
te es bey nahe scheinen / als wann sie alle um Geld wären gedun⸗
gen gewesen / ihr Vergnügen darüber durch ihr lustiges Zuruffen
und Hand⸗Klatschen an den Tag zu legen.
Es - 300 -
256
Zweytes Buch/ Achte Abtheilung/
Es wird sich der geneigte Leser noch erinnern, daß von den
Beschrei⸗
bung der
Ringer
bey den
Türken. Ringern schon einmal etwas gedacht worden, weswegen ich dieselbi⸗
gen, wie ich sie hier befunden, noch einmal kuͤrzlich beschreiben will,
und erkenne ich mich um so vielmehr darzu verpflichtet, da ich schon
an einem andern Ort durch mein Versprechen mich darzu verbind⸗
lich gemacht: Es sind demnach diese Leute von starken Gliedmassen
und Knochen, eben auf die Art, wie die Römischen Kämpfer auf
denen alten Gemaͤhlden und an denen Statuen pflegen abgebildet zu
werden, und kommen die mehresten von den Janitscharn her; an ih⸗
rem Leib sind sie ganz nackend, ausser daß sie lederne Hosen anha⸗
ben, welche samt den ganzen Leib mit Oele bestrichen: sie können
sich auf keine andere Weiß gegen einander vertheidigen, als daß sie
entweder ihre Hände und Fuͤsse um einander schlingen, oder sehen,
wie sie ihren Gegentheil bey dem Hosen⸗Band oder dem Schenkel zu
fassen bekommen, oder endlich mit aller Gewalt auf ihn loß brennen.
Derjenige hat noch lang nicht uͤberwunden, der den andern in die
Höhe hebt, oder wider den Erd⸗Boden schmeisst, sintemaln sich ei⸗
nige mit Fleiß anstellen, ols ob ihnen dergleichen durch des andern
Force begegnet wäre, da sie doch dardurch oft nur einen desto groͤs⸗
sern Vortheil über ihren Gegen⸗Part erhalten; sondern derjenige
wird für den Überwinder gehalten, welcher den andern zu erst auf
Reichliche
Beloh⸗
nung der
Obsieger. den Rücken legen kan. Unter die Obsieger wurde diesesmal von de⸗
nen sonst sehr geitzigen Türken das Gold so freygebig ausgeworfen,
daß ich zweifle / ob zwey bis drey tausend Ducaten werden zugereicht
Starke
Ringer.haben. Wer so viel Courage und Kräfte hatte, daß er nach er⸗
haltener Victorie mit einem andern noch einmal anbinden kun⸗
te, wurde so oft beschenckt / als oft er seinen Gegen⸗Part auf den
Rücken brachte; wann sich aber einer darzu resolvirte, erquickte
er vorhero die bereits ermatteten Glieder mit frischen Brunnen oder
Regen⸗Wasser, und brachte sich damit gleichsam neue Kräfte zu we⸗
gen. Kurz vor unserer Abreise habe ich in dem Hauß des Janit⸗
scharn Aga / als des höchsten Officiers unter der Leib⸗Militz, wie auch
bey dem Groß⸗Vizir selbst gesehen, als er auf Geheiß des Sul⸗
tans uns noch einmal zum Abschied am Ende des Canals bey den
süssen Wassern in einem andern Kaiserlichen Lust⸗Hauß gleiche Ehre
bezeigte, daß einige von solcher Stärke und Muth gewesen, welche
drey,
- 301 -
Bewirthung des Herrn Botschafters in Asien.
257
drey, vier, fünfe, auch wol sieben und achte nach einander auf
den Rücken genommen; so war auch einer bey erst benannten Aga
zwar ein starker, langer und ansehnlicher Mann, der aber nur eine
Hand hatte / und doch gleichwol mit seiner einigen rechten Hand
fünfe seiner Gegner zu Boden legte; worzu er sich jedoch des
Stumpfs an dem andern Arm so vortheilig zu bedienen wuste, daß,
wo sich der andere nicht wol vorsahe, er solchen alsobald in dessen
Hosen steckte, oder zwischen die Beine brachte, und sonst vortheilhaf⸗
tig an den Leib setzte, daß jener gleich in dem ersten Anlauf schon auf
den Rücken lag. Noch zwey andere, welche für die Stärksten ge⸗
halten worden, und deren jeder bey dem Janitscharn Aga sieben uͤ⸗
berwunden hatte, tratten selbst mit einander einen besondern Kampf
an, kunten sich aber im geringsten nichts an haben, ob sie gleich
schärfer und länger als alle andere mit einander gestritten; es
blieb der Sieg unter ihnen immer zweifelhaftig, und war niemal zu Ceremo⸗
nien bey
dem An⸗
fang des
Kampfs.
sehen, wem man eigentlich solte gewonnen geben. Der eine davon
war ein magerer Mann / der andere kurz und fleischicht, beide aber
schwarz von Angesicht und stark von Beinen; dieser letzte pflegte je⸗
derzeit auf den Bauch zu fallen, wann er einen von seinen Gegnern
auf den Rucken nahm. Der Anfang des Streits und die Zurü⸗
stung darzu ist recht laͤcherlich anzusehen, absonderlich wann man die
närrschen Posituren und Geberden der Kämpfer betrachtet:
Anfangs kommt nur einer allein heraus, wackelt mit dem Leib hin
und her, legt die rechte Hand auf die Schulter, und die Linke unter
den rechten Arm, welchen er mit eben dieser Hand haͤlt; er gehet
wie ein hart trabendes Pferd, wie dann auch der Tüͤrken Gang auf
öffentlicher Strassen insgemein also beschaffen ist, setzet aber die
Füsse nur immer Seit⸗waͤrts, damit er dem Groß-Vizir und an⸗
dern vornehmen Gäͤsten den Rüͤcken nicht zu wendete. Wann er
vor gemeldten Groß⸗Vizir kommt, bezeigt er Jhm seine Ehrerbie⸗
tung mit Niederlassung auf das eine Knie und Beruͤhrung der Erden
mit der rechten Hand, dessen Fläche er alsdann küͤsset, und an die
Stirne drucket; hierauf erhub er sich wieder von der Erden, beugte
den Leib vorwärts, legte den rechten Fuß an das linke Schin⸗Bein,
wo die Fersen anheben, die Händ aber hielte er bestäͤndig auf diejenige
Art, wie er bey seinem Vortritt gethan, ausser daß er anjetzo mit dem
völligen rechten Arm auf dem rechten Knie ruhete, und den linken
dar⸗
Kk
- 302 -
258
Zweytes Buch / Achte Abtheilung /
darzwischen hatte / und in dieser Positur wartete er, wann er zu erst
heraus gekommen, oder als Uberwinder auf dem Kampf⸗Platz geblie⸗
ben, auf seinen Mit⸗Kämpfer. Endlich stellt sich auch der andere
mit gleichen Schritten ein, macht gleiche Figur und Geberden,
stellt sich demjenigen zur linken Seiten, den er auf den Platz ange⸗
troffen, grüͤsset auf gleiche Weise den Groß⸗Vizir/ und beobach⸗
tet alles andere, wie der vorige gethan hat. In solcher Stellung
nun verharren sie eine zeitlang, halten beide Hände auf den Knien,
deren jedes sie mit der flachen Hand fassen; alsdann machen sie dem
Groß⸗Vizir zum andermal ihre Reverenz, tretten einige Schritt
zurücke, und stellen sich mit dem Gesicht gegen einander, begrüssen
sich selbst, zum Zeichen, daß sie diesen Kampf nicht aus Feindschaft,
sondern nur andern zu gefallen vornehmen; hierauf schlagen sie wie⸗
derum die Hände dreymal gegen einander, gehen einige Schritt vor⸗
wärts, damit sie einander fassen köͤnnen, schlagen zum drittenmal
die Hände in der Luft zusammen, fahren mit solchen und den Köͤ⸗
pfen gegen einander, klopfen eben so oft auf ihre mit Oel beschmier⸗
te Hosen, daß es in der Luft schallet, verändern ihre Stelle, so daß
derjenige, der vorher zur rechten Seiten gewesen, nun auf die Linke
zu stehen kommt, und stellen sich an, als hätten sie etwas verloh⸗
ren, welches sie wieder suchen muͤsten, oder als ob sie sich einen be⸗
quemen Ort zum Kampf aussuchten. Letzlich gehen sie lang herum,
wischen das Fett von den Fingern mit Graß oder Sand ab, betrach⸗
ten ihren Feind von Kopf bis auf die Fuͤsse, und bemerken bey sich,
wo sie ihn am bequemsten fassen und beykommen koͤnnen, und fan⸗
gen hierauf den Kampf selbst auf diejenige Weiß und in derjenigen
Ordnung, wie ich jetzt beschrieben habe, entweder erst an/ oder es
nimmt der eine aus ihnen solchen zum öftern vor. Wann nun der
Kampf zu Ende, bezeigen sie dem Groß⸗Vizir ihre Ehrerbietung
zum andernmal, und begrüͤssen sich auch wiederum selbsten, um gleich⸗
sam den Zuschauern eine neue Versicherung zu geben, daß dieser si⸗
mulirte Streit nur auf jenes Geheiß und der Anwesenden Belusti⸗
Præmium
der Uber⸗
wundenen.gung vorgenommen worden. Der Uberwundene bekommt so dann
von dem Haznadar Baschi / oder dem Schatz⸗Meister des
Der Uber⸗
winder.
Groß⸗Vizirs / einen Rheinischen Gulden oder Viertels⸗Ducaten,
damit er sich seines Unsterns in etwas trösten kan, und wandert
damit fort; der Obsieger aber, wann er sich mit keinem andern
mehr
- 303 -
Bewirthung des Herrn Botschafters in Asien.
259
mehr einlassen will, erhäͤlt nach voͤllig geendigten Kampf doppelt so
viel, und das so oft, als er einen neuen Sieg davon trägt, biswei⸗
len legt der Groß⸗Vizir dem gewoͤhnlichen Preiß noch etwas bey,
wann er entweder seine Freygebigkeit will spuͤhren lassen, oder eine son⸗
derbare wol angebrachte List und Tapferkeit an den Obsieger bemer⸗
ket / womit er seinen Feind überwunden. So bald sie aber diese
Belohnung erhalten / werden sie von den Chiausen / Stummen /
Deli / Mavi oder Zwergen / und den Efendi oder Schreibern
umringt, welche ihnen mit ihren Schmeicheln wiederum so viel ab⸗
betteln, daß ihnen kaum was davon übrig bleibt, weil sie gerne in
Beyseyn anderer, ob sie es schon sonst nicht sind, für freygebig ge⸗
gen diese knechtische Leute wollen gehalten werden, worzu sie auch
durch den Hochmuth / der ihnen aus ihren erhaltenen Sieg zu ge⸗
wachsen, um so viel eher zu bringen sind; wiewol sie es auch darum
thun moͤgen, weil sie ihrer Hüͤlfe bey Uberreichung ihrer Suppliquen
anderweit wieder benöthigt, als worzu ihnen sonderlich die Ars
Aglar / deren neune an der Zahl, behülflich seyn köͤnnen, weswe⸗
gen sie dann in Erwartung eines grössern Nutzens und gewisser be⸗
ständiger Einkünften ein so geringes nicht ansehen; wie dann der⸗
gleichen derjenige, so mit einer Hand fuͤnfe, und der andere, der mit
seinen zweyen Fäusten achte erleget hat / auf der Stelle erhalten ha⸗
ben / weil sich der Groß⸗Vizir über ihre erwiesene Stäͤrke unge⸗
mein verwundert, und deswegen auf ihr Ansuchen so gleich ein gnä⸗
diges Fiat gesprochen.
Nach diesem Kampf⸗Spiel stellten sich diejenigen ein, so zu Fuß Gauckler
und Ta⸗
schen⸗Spieler.
im Pfeil⸗Werfen geübt seyn wolten; es haben aber jene zu Pferd
mehr Geschicklichkeit dabey gewiesen. Hierauf kamen die Gauckler
und Taschen⸗Spieler zum Vorschein, aus welchen letztern einer ein
Ey mit solcher Fertigkeit aus einem Sack herfür gebracht, daß der⸗
jenige thöricht genug häͤtte seyn muͤssen, welcher den Kerl wegen sei⸗
ner Geschwindigkeit für einen Hexen Meister halten wollen. Als⸗
dann stellte er sich, als hätte er einen eisernen Ring durch seine Na⸗
sen gezogen, an welchen er eine Ketten legte, und sich daran herum
führen ließ. Ein anderer hat zwo feurige mit einem gewissen Spiri⸗
tus bestrichene Kugeln sich an dem blosen Rucken ohne Schaden und
Schmerzen herunter laufen lassen, und als er solche nachgehends in
den Mund stecken wolte, hat er, nicht ohne Gelächter der Umste⸗
hen⸗
Kk 2
- 304 -
Zweytes Buch / Achte Abtheilung /
260
henden, seinen grauen Bart daruͤber versengt, welches ihm auch wie⸗
derfahren, als er eine angezündete Baum⸗Wolle zu verschlucken sich
anstellte, und die Funken und Flammen davon aus dem Mund her⸗
aus jagte, wie auch, da er eine mit Pulver und Salpeter angefüllte
Feuer⸗Kugel in den Händen loß⸗brannte. Noch ein anderer setzte
auf eine an vier Fäden hangende Waag⸗Schale erstlich eines, dann
zwey, drey, vier Thee⸗Köͤpgen, die er etlichmal um den Kopf her⸗
um geschwungen; auf diese Köͤpgen oder Becherlein legte er einen hoͤl⸗
zernen Teller, auf den Teller wiederum drey solche Becherlein, auf
diese ein länglicht⸗rundes in Gestalt einer Walze formirtes Holz,
und endlich auf dieses Holz noch das achte Becherlein, welche er
alle auf gleiche Weise herum geschwungen. Zu letzt hat er ein ganz
rares Stuck seiner Kunst zeigen wollen, und zu dem Ende zwey drey⸗
füssigte Schuster⸗Stühle genommen, auf solche zwey Gläser von
einerley Grösse und in gleicher Weite gesetzt, hierauf nun legte er
einen Stecken, welcher wenigstens Arm⸗dick und nur an jedem En⸗
de / wo er auf den Gläsern auflage, dünn und abgehobelt war; als⸗
dann schmieß er mit einem ungeheuern Kolben mit aller Force dar⸗
auf, und schlug oder schnitte vielmehr den Stecken, wo er am dick⸗
sten zu seyn schiene, in zwey gleiche Theile, ohne daß die Gläser
dardurch im geringsten verletzt worden; ehe er sich aber darüber
wagte, gieng er lang herum, betrachtete bald die Käule, bald die
Gläser, dann wieder die Stühle, und drehete den Stecken bald auf
diese bald auf jene Seiten; es kam auch sein alter Nachbar Mene⸗
demus, der ihn von seinem Vorhaben abwendig zu machen suchte,
ja wol gar, da er den Streich bereits führen wolte, mit Gewalt
abhielte, und ihm die Gefahr vorstellte, in welche er sich hierdurch
begebe, welches ich alles aus des Manns ängstigen Geberden ab⸗
nehmen kunte, ob ich schon seine Worte nicht verstunde, noch jemand
bey der Hand hatte / der sie mir verdolmetschen können.
Wann einer aus den Unsrigen ungefehr vor einem ihrer Feld⸗
Türkische
Höflichkei⸗
ten gegen
die Unsrige
bey den
Schau⸗
Spielen.Herrn oder sonst vornehmen Mann zu stehen kam, und nicht ge⸗
schwind genug Platz machte, schriehen ihm gleich ihrer etliche auf
einmal nach ihrer gewohnten Höflichkeit an: Haida! pack dich
weg / und überlasse die Stelle einem vornehmern / als du
bist; oder wie man bey uns sagt: Heller steh auf / laß den
Pfenning nieder sitzen; gleich als ob weiß nicht was für praͤch⸗
tige
- 305 -
Bewirthung des Herrn Botschafters in Asien.
261
tige Schau⸗Spiele die Römische Bau⸗Herrn hätten anstellen lassen,
da doch, wie schon gedacht, die Schul⸗Jungens und Bauern auf
den Jahr⸗Märkten bey uns sich wol besser wuͤrden darein zu schicken
gewust, auch wir uns wol deswegen die Müͤhe nicht genommen ha⸗
ben, einen Schritt weit darnach zu gehen, wann es nicht um des
argwöhnischen Volkes willen geschehen wäre / weil es sonsten einer
Verachtung gleich geschienen, wann wir ihre vortrefliche Schau⸗
Spiele des Anschauens nicht einmal häͤtten wuͤrdigen wollen.
Auf die Gauckler und Taschen⸗Spieler folgten die Schützen, Stuck⸗Schuͤtzen
bey den
Türken.
welche noch eher verdienten, daß man ihnen zu schauete. Vorhero
wurden alle Schiffleute von den kleinern Schiffen ermahnet, daß kei⸗
ner naͤher hinzu fahren solle; so dann kunte man auf dem Wasser ei⸗
nen grossen viereckichten Block sehen, auf welchen ein mit Meer⸗
Wasser angefüͤllter Krug stunde, und das Ziel abgeben muste, nach
welchem man aus der Galeere mit zwölf Stücken geschossen, der
doch gleichwol unverletzt davon kommen, die Kugeln aber, welche
wegen starker Ladung üͤber das Ziel hinaus gefahren, machten lustige
Sprünge auf dem Wasser, und den Zuschauern nicht we⸗
nig Vergnügen. Dieses Ziel wurde auf die Letzt näher gegen das
Ufer gebracht, wornach der Groß⸗Vizir mit seiner Flinten ziehl
Groß⸗Vi⸗
zir ein gu⸗
ter Schütz.
⸗
te und fünf Krüg nach einander auf eben so viel Schuß absetzte,
da Er schon vorher nach gehaltener Tafel, als ein grosser Liebhaber
des Schiessens, etliche See⸗Voͤgel aus der Luft herunter gelanget,
deren es zu Constantinopel und auf dem gantzen Canal eine unbe⸗
schreibliche Menge gibt / und eine Art von Speyern oder Tauch⸗
Endlein ist, die das gemeine Volck Fischer nennen. Hierauf liessenGehalte⸗
nes Schies⸗
sen der Ja⸗
nitscharn.
die Janitscharn und Topchi oder Büͤchsen⸗Meister und Stuck⸗
Giesser nach der Reihe ihre Kunst im Abschiessung ihrer schwehren
Büchsen sehen, womit sie das Ziel gar oft getroffen haben, etliche aber
wurden durch die Gewalt des Geschüͤtzes auf sechs Schritt weit zu⸗
ruck geschlagen und auf den Rucken gelegt; und wann einige das
Ziel getroffen, wie deren viele gethan, erhielten sie jederzeit einige
Ducaten zum Recompens, wobey so wol die gesammten Schüͤtzen,
als auch der Groß⸗Vizir selbsten, durch ein freudiges Ausschreyen
sich vergnuͤgt bezeigten; wie es dann auch nicht genug zu verwun⸗
dern, daß viele mit so schwehren Buͤchsen, ohne sie aufzulegen, das
Ziel treffen köͤnnen / sintemaln sie solche nur an die Brust setzten /
und
Kk 3
- 306 -
Zweytes Buch/ Achte Abtheilung /
262
und aus freyer Hand von oben herunterwaͤrts zielten, und alsdann
loß druckten, worbey manche zur Bezeugung ihrer Stärke sol⸗
che noch etlichmal in der Lufft herum geschwungen. Endlich ist der
Klotz, worauf die Krüge gestanden, von dem hinein geschossenen
Bley also beschwehrt worden / daß solcher nimmer in der Höhe
schwimmen wollen, und man keine Krüge mehr darauf stellen köͤn⸗
nen, wie sehr man sich auch bemuͤhet hatte, weswegen dasjenige, was
von dem Wasser noch heraus sahe, zum Ziel dienen muste, da man
dann die bleyerne Kugeln allenthalben auf dem Wasser herum sprin⸗
gen sahe, davon einige mehr dann ein halb Pfund gewogen, wie
dann an den Büͤchsen selbst ein starker Mann genug zu heben hatte,
und doch gleichwol schossen solche die meisten ab, ohne daß sie diesel⸗
bige irgend worauf gelehnt hatten, und verursachten ein solches Pras⸗
seln, als kaum ein wol geladenes Stuck zu thun vermag.
Groß Vi⸗
zirs
Sohn
stellt sich
ein.
Hier fande sich des Groß⸗Vizirs mit seiner ersten Gemah⸗
lin erzeugter Sohn samt noch einem andern jungen Herrn ein, so wol
die Schau⸗Spiele mit anzusehen, als auch dem Herrn Groß⸗Bot⸗
Ehr-Be⸗
zeugung
dem Groß⸗
Vizir von
dem
Staats⸗
und Kriegs⸗
Bedienten. schafter ihr Reverenz zu machen. Dem erstern kuͤßten viele der
Vornehmsten aus Flatterie die Hand; wann aber einer von den
Feld⸗Herrn oder Staats⸗Bedienten sich dem Groß⸗Vizir näherte,
Jhm den Saum des Rocks zu küssen, berührte dieser zum Zeichen
der Wolgewogenheit jenem die Hand. Endlich hat sich die ganze
Festivität mit einer Abend⸗Malzeit geendiget, nach welcher der Herr
Botschafter mit einem seidenen Rock von Zobel, die andern mit
seidenen von vielen Farben gestickten Tuͤchlein beschenkt, alsdann
auf kleinen Schiflein wiederum nach der Galeere gebracht worden,
ausgenommen diejenige, welche sich schon vor der Zeit dahin, oder
wol gar nach Hauß begeben hatten, worunter sich auch der Freyherr
von Locher und der Herr von Steger befunden, als die noch
nicht vollig restituiret wiederum durch die Kälte und Ausdaͤmpfun⸗
gen des Meers ein Recitiv von einem Fieber bekommen. Ehe wir
noch völlig absegelten, wurde mit dreyen Stucken ein Zeichen gege⸗
ben, und hierauf die Ruck⸗Reise nach Constantinopel genom⸗
men, auch viel eher als die Hin⸗Reise absolvirt / wobey auch, wie
schon oben gemeldet, wegen des guten Winds / die Ruder⸗Bursche
nicht viel zu thun fanden, sondern ihre Ruder für diesesmal kunten
ruhen lassen. Als wir noch auf dem Weeg nicht weit vom Garten
und
- 307 -
Bewirthung des Herrn Botschafters in Asien.
263
und dem Serrallien waren, kame der Groß⸗Vizir auf einer Galee⸗
re mit 24. Rudern hinter uns drein, welchen der Schiff⸗Herr bey
dem Aussteigen mit drey Stuck⸗Schuͤssen begruͤßte, jener aber gerades
Weegs nach dem Hafen segelte. Die Galeere war mit lauter klei⸗
nen Schifflein umringt, welche uns, da wir in den Hafen eingefah⸗
ren, gegen dem Zeug Hauß zu ans Land setzten, und unterdessen
von dem Wind, absonderlich wo das Meer von dem Hellespont
sich mit dem Canal des schwarzen Meers vereinigt, hin und her
getrieben; dabey es sehr angenehm und lustig anzusehen war, wie
die Delphinen im Meer herum spielten. Unsere Pferde fanden wir
an dem Ufer an eben demjenigen Platz / wo wir sie des Morgens
verlassen hatten, worauf wir unter Begleitung vieler Lichter wiede⸗
rum nach dem Lager marchirten. Der Herr Botschafter war
der Letzte im Aussteigen so wol aus der Galeere, als auch aus dem
kleinem Schiff / welches Er um dieser Ursach willen also gehalten,
damit nicht etwan einer zu Nachts⸗Zeit von den Tuͤrken entfuͤhret
würde, woferne er zu weit von dem Weeg abkommen solte: und
nachdem wir endlich um 10. Uhr zu Hauß glücklich angelangt, haben
wir den Scherbeth und das Salz⸗Wasser mit guten lautern Wein
wiederum abgewaschen.
Den 19ten September, als am Tag des Heil. Materni /
Herr Bot⸗
schafter
wird auf
die Jagd
gefüͤhrt.
schickte der Groß⸗Vizir fuͤnf seiner Falkner und unter andern auch
den Dodangi Baschi / oder Obrist⸗Falkner mit ihren Sperbern,
welche, wie er des Tags zuvor versprochen, den Herrn Botschaf⸗
ter auf die Jagd führen solten, so auch nicht leer abgelaufen, sin⸗
temaln wir, ohne die Haasen, Wasser⸗Schnepfen, welche unsere
Jäger mit ihren Flinten geschossen, oder mit den Hunden eingeholt,
mit diesen Stoß⸗Voͤgeln eine gute Anzahl Wachteln bekommen. Sie Art / die Vö⸗
gel mit
Sperbern
zu fangen.
halten solche Vögel mit der vollen Faust, und haben sie nicht, wie
unsere Falkner, nur auf den Häͤnden stehend; wann nun ein anderer
Vogel aufstehet, der etwan von den Hunden aufgesucht oder durch
die Reuter aufgetrieben worden, wirft derjenige, so am nechsten da⸗
bey ist, seinen Sperber nach demselbigen, wird er nun nicht alsobald im
ersten Anwurf von ihm ergriffen, so ist es darum gethan,
und der Vogel dieses mal der Gefahr ent⸗
gangen.
264
Zweytes Buch / Neunte Abtheilung /
Neunte Abtheilung.
Ein Schiff
gehet auf
dem Canal
zu Grund.
EBen zu dieser Zeit gieng auch der Ingenieur-Hauptmann
Herr von Oebschelwitz üͤber Constantinopel nach Pe⸗
ra / die Eintheilungen der neuen Wohnungen daselbst zu
machen, und kam erst auf den andern Abend mit der betruͤbten
Nachricht wieder zuruck, daß selbigen Tag 24. Personen mit samt
einem Ruder⸗Schiff oder Tschaicken durch Ungestümm der Wellen
auf dem Canal zu Grund gangen, und sich niemand, als der Schiff⸗
Die Ge⸗
sandtschaft
wird we⸗
gen des Hn.
Botschaf⸗
ters in
Sorgen
gesetzt. mann mit Schwimmen salvirt hätte; wordurch wir alle in die grö⸗
ste Bestürzung gesetzt worden, weil wir den Herrn Botschafter
auf die Nacht zuruck erwartet, als der in der Früͤhe mit den Grafen
Bathyani und Sebastida zu dem Eidam des Groß⸗Vizirs,
dem Nischanschi Bascha, gegangen, und dahin einen noch wei⸗
tern Weeg, als wir letztens gewesen, nehmen und fast den ganzen
Canal erst umreiten muͤssen, bis Er zu dem Schiff gekommen, mit
welchem Er sich nach Asien überfüͤhren lassen, von dar Er zu Was⸗
ser wieder nach Hauß zu kehren gesonnen war; Er hat sich aber der
Ungestümme des Meers, sonderlich zu Nachts⸗Zeit, nicht über⸗
lassen wollen, sondern nur über den Canal gesetzt, von dar
den Weeg zu Pferd gar nach Pera genommen, und allda bey dem
Præsent an
den Hol⸗
ländischen
Gesandten.
Französischen Botschafter uͤbernachtet. Um eben selbige Zeit wur⸗
de auch dem Stall Meister des Herr Botschafters, Herrn Brink⸗
man / aufgetragen, dem Holländischen Gesandten einen Zug
braun⸗rother Pferde zu einem Present zuzuführen / welche Com⸗
Erschei⸗
nungen der
Gespenster.mission er auch so gleich expedirt. So wurden auch um diese
Zeit einige Bediente des Adels etliche Nächte hinter einander durch
Nacht⸗Gespenster erschreckt, und unter andern auch ein Falckner,
welcher aussagte, daß er einesmals einen grossen langen Mann,
im weisen Kleid, einen hohen Bund auf dem Kopf, und ei⸗
nen knottigten Bruͤgel in der Hand auf sich zugehen sehen, der ihn
zugleich entsetzlich getrohet hätte, weshalben er gleich den andern
Morgen das Hauß verlassen, und durch kein Zureden wieder da⸗
Was die
Türken
von dem
Gespen⸗
stern hal⸗
ten. rein zu bringen gewesen. Als wir nun unsern Füͤhrer den Mehe⸗
met Aga / Kaiserlichen Cämmerling, darum befragten, was sie
hier⸗
- 309 -
265
Anstalten zu dem Aufbruch nach Pera.
hiervon glaubten, sagte dieser aberglaubische Türk: es wäre bey
ihnen nichts neues, und wuͤrden dergleichen durch die ganze Tür⸗
key gar viele gesehen, man hätte sich aber nichts Böses von ihnen
zu vermuthen, es wären nur Hauß⸗Geister, welche auf das Hauß
Achtung gäben / und für die Wolfarth der Jnnwohner Sorge
trügen.
Vom 21. September bis den ersten October hat man von Wachtel⸗
Fang und
Haasen⸗Jagd.
frühe bis auf den spathen Abend fast nichts gethan, als mit Wach⸗
tel⸗Fangen die Zeit passirt, so daß einige der Unsrigen schier täglich
dreysig bis funfzig Wachteln nach Hauß gebracht; es hatten auch
die Haasen und Rebhüner kein besseres Glück zu geniessen, als wel⸗
chen auf dreyfache Manier, mit Hunden, Vogeln und Flinten
nachgestellt worden, wie dann so gar die Hunde, wann sie nur füͤr
sich selbst ausgegangen, Haasen mit sich zuruck nach Hause ge⸗
bracht; es waren aber dieselbige gleichwol nicht in solcher Menge,
als wie die Wachteln, vorhanden, von welchen man glauben solte,
daß sie auf keine Weise koͤnten vertilgt werden; dann wo man heu⸗
te zehen geschossen, kunte man Morgen wiederum zwanzig an deren
Stelle antreffen: davon aber die eigentliche Ursach ist, weil diese Ursach der
Menge
Wachteln
in der Tür⸗
key.
Vögel zur Herbst⸗Zeit unsere Länder verlassen, und sich waͤrmere
aussuchen, dahero sie dann hier aus allen Abend⸗ und Mitternächti⸗
gen Ländern zusammen kommen; und weil sie von dem langen Flie⸗
gen ermüdet sind, lassen sie sich, ehe sie uͤber den Hellespont und
dem Canal des schwarzen Meers nach Natolien oder klein Asien
über fliegen, an dem Europaͤischen Ufer nieder, damit sie gleich⸗
sam von ihrer weiten Reise daselbst etwas ausruhen möͤgen. Es Zweyerley
Art Lerchen
und Reb⸗
huͤner.
werden auch in diesen Ländern zweyerley Gattungen Rebhuͤner und
Lerchen gefunden, davon die eine an Kamm, Federn, Stimme, Gröͤs⸗
se, Geschmack und allem andern den Unsrigen ganz gleich kommen;
die andere aber ist noch einmal so groß, absonderlich was die Reb⸗
hüͤner anbelangt, welche auf der Brust schoͤne rothe Federn haben,
und so wol daselbst als um den Kopf mit schwarzen Flecken bezeich⸗
net sind: so haben sie auch einen unterschiedenen Geschmack / der aber
den Unsrigen an Annehmlichkeit nicht beykommt.
Dem Herrn Groß⸗Botschafter wurde unterdessen von dem
Groß⸗Vizir eine Buͤchse verehrt, so eine von derjenigen Art war,
woraus Er neulich auf dem Kaiserlichen Lust⸗Hauß geschossen hatte.
Ll
Es
- 310 -
Zweytes Buch / Neunte Abtheilung /
266
Es besuchten auch Se. Excellentz in Begleitung der Baronen von
Zweiffel und Hörde den Capudan Bascha / oder obersten Vor⸗
steher über das See⸗Wesen, welcher seine Wohnung beständig an
dem Hafen ohnweit der Zeug Häuser hatte; dann auch zu verschiede⸗
nenmalen den Französischen Gesandten, worzu Sie sich den Marg⸗
grafen Besora / Grafen Bathyani und Norbert Kollovrath,
und wiederum die Baronen Zweiffel und Hoͤrde zu Begleitern
erwehlt hatten; einige aber aus dem ersten Adel als der Marggraf
Besora / Graf Nesselrode und Kinigl besuchten Jhn auch zu ei⸗
ner andern Zeit, und zwar als Er sich dieser Tagen auf seinen Lust⸗
Hauß zu St. Stephan nicht weit von unserm Lager aufhielte: es
Französi⸗
sche Ge⸗
sandte von
dem Herrn
Botschaf⸗
ter tractirt. legte aber der Französische Gesandte mit seiner Frau Gemahlin aus
dem alten Hauß Birron und einigen Adelichen Frauenzimmer auch
etlichen vornehmen Französischen zu Pera wohnenden Kaufleuten
bey unsern Herrn Botschafter gleichfals die Visite ab, von wel⸗
chem Sie mit einem herrlichen und kostbarn Mahl, und dabey mit
19. fremden Weinen, als Tokaier, Ofner, Insulaner, Oesterrei⸗
cher / Rheinischen, Mosellaner / Burgunder, Champagner rc. tra⸗
ctirt worden; und musten solche Ergötzlichkeit die angenehmste und
hier zu Land wenig bekannte Music, und die unter freudigen Trom⸗
peten⸗Schall herumgetrunkene Gesundheiten Seiner Kaiserlich⸗
und Catholischen Majestät / wie auch Sr. Majestät des da⸗
mals noch minderjährigen Koͤnigs in Frankreich / als zweyer durch
neue Buͤndnuͤß vereinigten Prinzen, samt der guten Harmonie der an⸗
wesenden Gäͤste vermehren: nach dessen Endigung haben Se. Ex⸗
cellentz das Frauenzimmer in denenjenigen Wagen, in welchen Sie
solche abholen lassen, auf den Abend auch wiederum nach Hauß zu
bringen befohlen.
Einige wer⸗
den in die
Stadt vor⸗
aus ge⸗
schickt. Dazumal wurde der Herr von Dierling / Herr Theyls / Eu⸗
rich / und Schmid um einiger Verrichtungen wegen in die Stadt /
der Herr Hofmeister Kern aber, wie auch beide Herrn Meier /
nebst noch einigen andern mit der groͤssern Bagage, und denen So⸗
Ein Sclav
aus der
Obern⸗
Pfalz nach
Frankreich
geschickt.faus / welche Se. Excellentz / zu Auszierung zweyer Zimmer ver⸗
ehrt bekommen, nach Pera voraus geschickt. Es kam auch ein
Sclav, aus der Obern⸗Pfalz gebürtig, der seinen Herrn davon ge⸗
laufen, zu uns, um des Herrn Botschafters Protection zu ge⸗
genies⸗
- 311 -
Anstalten zu dem Aufbruch nach Pera.
267
niessen; weil man ihn aber allhier um der Auskundschafter willen
nicht vor sicher genug achtete, haben Se. Excellentz ihn mit Klei⸗
dern und Geld versehen, und dem Französischen Gesandten zuge⸗
schickt, welcher ihn auf ein Schiff gethan / dem Schiff⸗Patron aufs
beste anbefohlen, und nach Frankreich überführen lassen. Ein an⸗
derer von Stockholm gebuͤrtig, mit Namen Michael / ein zwan⸗
zig jähriger Mensch, Lutherischer Religion, ist gestorben, und den
Tag zuvor zur Römischen Kirche uͤbergetretten, nachdem er sich
schon lang an einem innerlichen giftigen Fieber uͤbel befunden, aber
nicht eher als etwan zwey Tag vor seinem Ende es denen Medicis
offenbahret; weil nun die Krankheit schon uͤberhand genommen, kun⸗
Ursach / das
viele hin⸗
gestorben
sind.
te ihm unmoͤglich mehr geholfen werden; und auf dergleichen Schlag
machten es viel andere, welche auch darum des Ubels entweder gar
nicht kunten loß werden / oder doch zum oͤftern ein Recitiv beka⸗
men; dann sie hielten sich entweder nicht an die Vorschrift der Herrn
Medicorum, oder gebrauchten Arzney, da es schon zu lang gewar⸗
tet war. Es ist zwar an dem, daß diese Herrn solche in dasigen Läͤn⸗
dern gar gewöhnliche und sehr um sich reissende Krankheit gleich
Anfangs nicht recht erkennt, jedoch durch die Erfahrung das Ubel
dermassen eingesehen, daß sie nachgehends einen gar leicht davon ab⸗
helfen kunten, wann man sie noch zur rechter Zeit um Huͤlf ange⸗
sprochen. Es sind auch einige, als der Freyherr von Hörde / Herr
Verspot⸗
tung von
dem Pöbel
und Kin⸗
dern.
Müͤller ein Geistlicher, Herr Hulin der Leib⸗Arzt / Heckmann / und
Momartz[23] nach Constantinopel gegangen, das in aller Welt so
beruffene Gefaͤngnuͤs der Sieben Thürne in der Naͤhe zu betrachten,
musten sich aber von dem Poͤbel und den ungezogenen Kindern brav
verspotten lassen, ohnerachtet sie einen Janitscharen bey sich hatten,
als welche ihnen ihr gewoͤhnliches Ana sen sictim Jaour immer
zuruften, welches auch dem Herrn von Dierling fast so oft begeg⸗
net / als er in der Stadt zu thun gehabt.
Den 29 und 30ten September wurden viele dergleichen WaEilfertiger
Aufbruch
aus dem
Laͤger.
⸗
gen angeschafft / deren sich die Türkischen Weiber zu bedienen pfle⸗
gen, wann sie ausfahren wollen, worauf unsere schon eingepackte
Sachen fein hurtig nach Pera solten gebracht werden / weil die Re⸗
de gieng, als ob der Sultan den 3ten October Sich aus der
Stadt nach Taut Bascha, einem Kaiserlichen Lust⸗Hauß, das
nicht
Ll 2
- 312 -
268
Zweytes Buch / Neunte Abtheilung /
nicht weit von unserm Lager entlegen war, begeben, und daselbst
etliche Täge aufhalten wolte, weswegen wir mit unsern Leuten wei⸗
chen musten, damit nicht, wann beederseits Bediente zusammen
kommen solten, Streit unter ihnen entstuͤnde, wie bey dergleichen
Volk gar gemein ist, und wordurch gar leicht das Völker⸗Recht,
Entdeckte
Aufruhr
der Janit⸗
scharn.der Friede und der gemeine Ruhe⸗Stand hätte leiden duͤrfen; wir
haben aber nachgehends erfahren / daß dieses Gericht darum aus⸗
gestreuet worden, weil, wie ich um die Mitte dieses Buchs schon
etwas wenigs davon beruͤhrt, zu Constantinopel unter den Janit⸗
scharn eine Aufruhr entdeckt worden, vermoͤg deren sie uns in dem
Läger alle auf eine Nacht und alsdann auch die übrige Franken
massacriren wolten. Der Anfang wurde schon dazumal gemacht,
als man im vorigen Monat unsere Wachten verdoppelt hatte, und
sind der vornehmsten Rädelsfuͤhrer nicht mehr als 40. gewesen, wel⸗
Deren Ab⸗
straffung.che aber alle gefangen und ihnen entweder der Kopf abgeschlagen /
oder der Hals zugeschnuͤrt, oder in einen Sack eingebunden und le⸗
bendig ins Meer geworfen worden. Und mit solcher Manier, da
man uns weiß gemacht, der Sultan wuͤrde sich auf seinem Lust⸗
Hauß einfinden, sind wir eher als wir gehoft, ob schon nicht so bald,
als wir gewuͤnscht, nach Pera unter das truckne Dach kommen,
worzu der Janitscharen intendirter Aufruhr uns verholfen: und
daselbst werden wir nun 6. Monat und sieben und
zwanzig Tag verbleiben.
Ende des Zweyten Buchs.
Der
Der
Historischen Nachricht
Von der
Röm. Kaiserlichen Groß⸗Botschaft
nach Constantinopel /
Drittes Buch /
Enthält in sich die Zeit / in welcher sich die Groß⸗
Botschaft zu Constantinopel aufgehalten.
Erste Abtheilung.
SO haben wir demnach das vorige Laͤger verlassen, und Beziehung
der Win⸗
ter⸗Quar⸗
tier zu Pe⸗
ra.
uns nach Pera in die Winter⸗Quartier begeben,
welches eben an unsers Grossen Kaisers Ge⸗
burts⸗Fest / nemlich den 1ten October, geschehen,
wordurch wir aber leider verhindert worden, daß wir
deswegen keine öͤffentliche Freuden⸗Bezeugungen an⸗
stellen können, sondern uns an dem innerlichen
Vergnügung über diesen höchst glüͤckseeligsten und
von uns erfreulichst⸗erlebten Tag contentiren lassen: Und weil
wir unsere Bagage voraus geschickt, sind wir zu Wasser bey den
Sie⸗
Ll 3
- 314 -
Drittes Buch / Erste Abtheilung /
270
Sieben Thuͤrnen und Klein Asien vorbey gefahren, und haben
dahin, weil uns der Wind favorisirte / einen küͤrzern Weeg ge⸗
nommen, auch zugleich Gelegenheit gehabt, die beweinens⸗wuͤrdi⸗
Bysantini⸗
sche ruinir⸗
te Alter⸗
thümer.ge Merkmale des alten Bysanz / und anderer denkwürdiger Alter⸗
thümer, welche von den Grichischen und Römischen Kaisern hin⸗
terlassen worden, hier und dar an den Mauern zu beobachten. Vie⸗
le Grichische Schrifften hat die alles verzehrende Zeit durch den Re⸗
gen, Schnee, und anderes Ungewitter dermassen zu nichte gemacht,
und das angewachsene Epheu und Meer⸗Graß also bedeckt / daß man
nichts mehr davon lesen kunte; die Triumph⸗Boͤgen waren mit Stei⸗
nen ausgefüllt und verschlossen, die aus Marmor gehauene Löwen /
Greyphen, Säulen, deren Gestelle oder Blatten, Capitel, Durch⸗
züge, samt den von Corinthischer, Jonischer und Dorischer Arbeit
verfertigte Auszierungen sind zum Theil in die Mauern eingemauert,
theils die Steine davon anderweit hin verbraucht oder wol gar ins
Meer versenket worden. Sonst ist der Prospect von dieser Stadt
Prospect
der Stadt.ganz ungemein, so wol wegen des anstossenden Meers, als auch
wegen des gegen über liegenden Klein Asiens, wohin man so wol
als auch in die umliegenden Insuln mit groͤster Plaisir sehen kan, wel⸗
ches auch durch die auf den Huͤgeln an den Haͤusern liegenden und mit
Pyramiden⸗weiß besezten Cypressen⸗ Yben⸗ und Cedern⸗Bäumen
einen noch mehrern Zusatz bekommt, dabey die von dem vor einem
Jahr daselbst entstandenen Brand überbliebene Klötze und Stäm⸗
me an vielen Orten wie durch einen Wald oder Rauch herfür schei⸗
nen. Viele von diesen Haͤusern haͤngen uͤber die Stadt⸗Mauern
an das Meer hinaus, haben aber darum gleichwol von Wind und
Wellen im geringsten nichts zu fürchten. An den Mauern hinan
Thürne
und Pfört⸗
gen an den
Mauern. stehen überall vierzig Schritt weit die Thüͤrne, von einigen Haupt⸗
Thorn aber ist auf dieser Seiten nichts zu sehen, sondern nur einige
kleine Pförtgen, gleich den Hintern⸗Thürn an den Häͤusern, durch
welche man die Kaufmanns⸗ und Eß⸗Waaren mit kleinen Schifflein
in die Stadt bringt, weil die grosse und schwer beladene Schiffe we⸗
gen des felsichten Grunds allhier nicht einlaufen koͤnnen, da hinge⸗
gen die Kähne, Nachen und andere Fahrzeuge hinter diesen Felsen ei⸗
ne desto groͤssere Sicherheit finden, welche sie auf der Hoͤhe des Meers
Stücke am
Meer.nicht geniessen würden. Auf derjenigen Seite, wo das Meer an dem
Serallien vorbey fließt, waren viel grosse Metallene Stücke geflan⸗
zet,
- 315 -
Von Beziehung der Winter⸗Quartiere/ rc.
271
zet, so auf mit Rädern versehenen Gestellen ruheten, und auf die
feindliche Schiffe Acht hatten, wo etwan einige in den Hafen ein⸗
laufen wolten. Die Mund⸗Löcher von denen Stuͤcken, nebst den
Rädern, Naben und Rad⸗Speichen waren alle mit Berg⸗Zinober
angestrichen: etliche davon hatten so viel Mund⸗Löcher, daß oft
nur ein einiges Stuck sieben, neune, zwölfe, zwanzig bis dreisig
Kugeln aus eben so viel Röhren auf einmal schossen, als wel⸗
che alle zusammen gar kuͤnstlich in einander laufen; andere hatten
vorne eine so weite Oefnung, daß man eine grosse Menge von Flin⸗
ten Kugeln / Ketten und allerley altes Eisen⸗Werk hinein laden kun⸗
te. Auf eben dieser Meer⸗Enge zwischen Pera und Constantino⸗
pel fanden wir einige gefangene Christen⸗Sclaven, die zu aller ge⸗
fährlichen Arbeit verdammt, und nun in Herfuͤrsuchung der Waa⸗
Gefährli⸗
che Scla⸗
ven Arbeit.ren und Stüͤcke eines zu Grund gegangenen Schiffs aus dem Was⸗
ser beschäͤftiget waren, welches dann ohne ihren grossen Nachtheil
nicht geschehen kunte; wie dann schon drey auf selbigen Schiff er⸗
soffen seyn, ehe sie noch zwey Stüͤcke gefunden hatten.
Den zweyten Tag nach unserer Ankunft hat der VenetianiEinzug des
Venetiani⸗
schen Bot⸗
schafters.
⸗
sche Botschafter seinen Einzug gehalten, welchen wir mit unsern
prächtigen Aufzug ein noch grössers Ansehen gemacht. Dann es
wurden aus dem ersten Adel viere erwehlt, nemlich die Grafen Se⸗
bastida und Bielinski / die Freyherrn von Zweiffel und Höͤrde /
wie auch der Herr von Dierling / Secretaire bey dieser Botschaft,
nebst dem Dolmetsch Herrn Theyls; aus dem zweyten Adel wur⸗
den gleichfalls viere ausgelesen, als die Herren von Weipeler,
Außem / Studenitz und Klimberg: und eben so viel aus den
Hauß⸗Bedienten, namentlich Herr Kern / Brinkman / Swibert
und Holzbauer
[24] / darzu auch noch ich samt zwöͤlf Laqueyen ernennet,
um diesen Einzug zieren zuhelfen. Es waren auch sonsten die Fran⸗
zosen gewohnt, den Aufzug dieser Gesandtschaft, mit einiger ihrer
Leute zu verstärken / man hat sich aber dessen für diesesmal um ei⸗
nes entstandenen Streits willen wegen einiger Sclaven, so mit
Französischen Geld erkaufft worden, beiderseits entzogen. Der
Einzug selbst ist also eingerichtet gewesen: Nachdem der Bot⸗
schafter in einem den Verwaltern des H. Marcus gewöͤhnliKleidung
des Vene⸗
tianischen
Botschaf⸗
ters.
⸗
chen Habit sich gekleidet, so in einem langen roth⸗ seidenen bis auf die
Füsse herabhangenden mit güldenen Blumen untermischten Rock
samt
- 316 -
Drittes Buch / Erste Abtheilung /
272
samt einem um die Schulter und Rücken gelegten Mäntelgen, der⸗
gleichen die Canonici in Teutschland zu tragen pflegen, und einem
roth sammeten Kugel⸗runden und ein wenig erhebten Hut bestunde
hat Er sich in einen roth⸗sammeten mit Gold gestickten Trag⸗Ses⸗
Aufzug auf
dem Was⸗
ser.sel, worauf an den dreyen Seiten seine Wappen zu sehen waren,
aus seinem Pallast nach Galata ans Wasser tragen lassen / und ist
alsdann mit den Seinigen in die zu diesem Ende bereitete Tschai⸗
cken gestiegen, welche, als sie auf der andern Seiten vor dem weis⸗
sen Serrallien in Ordnung gestellt waren, von einem in dem Ha⸗
fen liegenden Venetianischen Last⸗Schiff mit oft widerholter Loß⸗
Brennung der Stuck begruͤßt worden, da sie indessen ihre Fahr⸗
Zeuge eben wieder an das Ufer, wo sie abgefahren / und wir ihrer
erwarteten, hinlenkten; allwo Er von den Vornehmsten des Hofs,
welche um deßwillen dahin geschickt waren, zu erst, und dann auch
von unserm Adel und andern als wann er erst von der Reise ge⸗
kommen, an dem Ufer bey derjenigen Pforten empfangen worden/
durch welche Er bald hierauf, nach eingenommener Ehr⸗Bezeugung
mit dem gewoͤhnlichen Caffé bey dem Obersten des See⸗Wesens,
seinen Weeg weiter genommen. Einige Chiausen ritten mit ih⸗
Ordnung
des Ein⸗
zugs.rem gebräuchlichen Ordens⸗Zeichen, nemlichen mit den Straussen⸗
Federn auf dem Haupt voran, denen folgten ohngefehr funfzig Ja⸗
nitscharen zu Fuß, je sechs und sechs neben einander: des Bot⸗
schafters Spieß⸗Knechte oder Trabanten von dem Gebuͤrg Ne⸗
grino / so sie auf ihre Sprache Porta Lettere (Brief⸗Träger)
nennen, weil sie durch diese Bothen ihre Brieffe hin und wieder zu⸗
schicken pflegen, waren an der Zahl 70. und alle in rothe mit blau
und Gold gewürkten Borten besetzte Livrée gekleidet; diese hatten
auch blaue Binden um den Leib, und giengen je zwey und zwey zu⸗
sammen / doch ohne Gewehr, weil ausser dem Römischen Kai⸗
serlichen Botschafter, keinem andern dergleichen, so wenig, als
eine Music gestattet wird. Alsdann kamen die Bedienten des Adels
und des Botschafters selbst, nebst den Unsrigen, alle zu Fuß in rother
mit Gold⸗ und blau⸗gewürkten Borten eingefaßt⸗ und besetzter Klei⸗
dung; die Trabanten aber waren von den andern nicht allein durch
die Kleidung und Haupt⸗Zierde / sondern auch durch eine silberne
Blatten / so in Gestalt einer Feder auf dem Kopf stunde, unter⸗
schieden. Hinter diesen zogen des Herrn Botschafters Edel⸗ und
Sprach⸗
- 317 -
Von Beziehung der Winter⸗Quartier zu Pera.
273
Sprach⸗Knaben nebst den Dolmetschen der Orientalischen Spra⸗
chen, und einige vornehme Tüͤrken, so den Herrn Botschafter
zu Pferd begleiteten; und dann endlich der Herr Botschafter
selbst ganz allein auf einem grauen mit langsamen Schritten einher
gehenden Barbar, dergleichen alle Vornehme allhier zu reiten pfle⸗
gen, wenn sie nach dem Divan oder Gericht sich begeben, hinter
welchem in gleicher Ordnung die von unserm Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter Ehren⸗wegen mit geschickte vom Adel und andere folgten,
und zwar so, daß immerzu einer der unsrigen einen seinem Stand und
Bedienung gemäͤssen Venetianer an der linken Seiten hatte.
Unter dem Reiten habe ich auf einem sehr alten Thurn zu
Wappen
einiger ed⸗
len Genue⸗
ser an den
Stadt⸗
Mauern zu
Galata.
Galata und an den Stadt⸗Mauern zu unterschiedlichenmaln drey
adeliche Wappen aus Genua in Stein ausgehauen observiret, da⸗
von das Mittlere das Creutz der Republic, zur Rechten der Hoch⸗
und Wol⸗gebohrnen Grafen von Spinola rothe Wüͤrfel in einem
silbernen Feld, und das dritte eines andern mir unbekannten Raute /
welche ich nicht genugsam unterscheiden koͤnnen / zur Linken gewesen,
wordurch ein nicht geringes Denkmal der Genueser nie genug be⸗
lobten Standhaftigkeit aufgerichtet ist, als die solche Stadt noch
immer gegen die Saracenen vertheidiget, nach dem Bysanz schon
lang von den Barbarn überwunden und unter das Joch gebracht
worden; und scheinet es, als ob sie damit denen Nachkommen die⸗
ses zu Gemüth führen, und zugleich die mit uns vereinigte Repu⸗
blic, ihre Vorfahren und sich selbst einmal zu rächen, anfrischen
wolte.
Es ist aber Galata / so in derjenigen Gegend liegt / welche
Galata.
von den Alten Sycena genannt worden, eine von der Stadt durch
den Canal abgesonderte Vorstadt, die mit Mauern und vielen Grä⸗
ben umgeben und mit Thuͤrnen, nach alter Manier, sehr befestiget
ist. Durch diese nun, wie auch durch Tophana und einem grossen
Theil Pera haben wir unsern Zug in der erst beschriebenen Ordnung
zu Pferd, doch ohne Fahnen, Trompeten, Paucken und andere
musicalische Instrumenten genommen, und so dann den Herrn
Groß⸗Botschafter wiederum nach Hause begleitet, dabey sich die
Türken mehr über unsers Kaisers Treue und Beständigkeit gegen
seine Bundsgenossen verwundert, als Furcht für jener ihren Waffen
im
Mm
- 318 -
Drittes Buch / Zweyte Abtheilung /
274
im verwichenen Krieg bezeigt. Es ist aber die Ursach, daß dieser
Keiner als
der Röm.
Kaiserl.
Gesandte
darf durch
die Stadt
ziehen.
Herr Botschafter nur durch die Vorstädte, und zwar ohne flie⸗
gende Fahne und klingenden Spiel oder einiger Music, gezogen, weil
niemand als dem Roͤmisch⸗Kaiserlichen Groß⸗Botschafter
aus besonderer Freyheit erlaubt ist, durch die Haupt⸗Stadt mit
solchen Ceremonien seinen Einzug zu halten. Bey unserer Heim⸗
kunft sind wir bey vorgedachten Herrn Botschafter mit einem
Gastmahl
des Vene⸗
tianischen
Botschaf⸗
ters.Herrlichen Gast⸗Mahl und aller Ehren⸗Bezeigung tractirt worden,
dwobey nichts als der gröste Uberfluß in allen Sachen / und ein un⸗
gemeiner Pracht zu sehen war. In einerley Zimmer kunte man so
wol zu beiden Seiten von dem Boden bis oben an die Decke des
Herrn Botschafters verguldetes Silber⸗Geschirr ausgesetzt, als
auch auf denen Schuͤsseln die mit den Kaiserlichen Adlern vereinbar⸗
te gefluͤgelte Venetianische Loͤwen beobachten, welches den Gäͤsten
einen sehr angenehmen Prospect gab. Nachdem man uns end⸗
lich mit Speiß und Trank überfluͤßig bewirthet und alle Ehre er⸗
wiesen / sind wir nach Mittag ungefehr um 4. Uhr mit vieler Dank⸗
sagung wieder nach Hauß entlassen worden. Die sonderbahre Vor⸗
sorge GOttes hat uns bey dieser Gelegenheit sonderlich behuͤtet, daß
keiner aus uns von der Pest angesteckt worden, angesehen wir dieje⸗
nige Gegend vorbey gekommen, wo solche am meisten gewuͤtet, und
wo der Verstorbenen Kleider ohne Unterschied zum Verkauf ausge⸗
legt waren. Dann diesen schoͤnen Gebrauch haben die Tüͤrken schon
lang gehabt, daß sie des Verstorbenen Kleider alsobald verkauffen,
an was für einer Krankheit er auch nur immer mag verschieden seyn,
daß es derowegen nicht zu wundern, wann bisweilen ganze Städ⸗
te und Landschaften von diesem Ubel mitgenommen und ihrer Ein⸗
wohner fast ganz entbloͤßt werden.
Zweyte Abtheilung.
Streit über
einen Tod⸗
ten.
EBen an Heute entstunde zwischen unsern Geistlichen und den
hiesigen Franciscanern in Abwesenheit des Herrn Groß⸗
Botschafters ein Streit uͤber den Ort der Begraͤbnuͤß
eines alten Weibs, welche den Tag zuvor verstorben, worinnen
dann Seine Excellentz ihrer Gerechtigkeit nichts entziehen
lassen
- 319 -
Nachricht von Antiquitæten / und gegebenen Visiten.
275
lassen wolten. Die folgende Täͤge hindurch wurden die uͤbrigen Wa⸗
gen, und das noch zuruck gebliebene Reiß⸗Gezeug aus dem Lager
herbey gefüͤhrt, und das eingefallene Fest des H Francisci von vielen
mit allen Ehren begangen. Es ließ auch der Groß⸗Vizir dem Beschen⸗
kung des
Hrn. Groß⸗Botschaf⸗
ters von
dem Groß⸗Vizir.
Herrn Groß⸗Botschafter Geschenk nebst einem Brief durch ei⸗
nen Aga überreichen, vermittelst dessen Er Jhm zu seinen neuen
Logis gratulirte; weswegen Se. Excellentz dem Aga für
seine Bemühung eine silberne Sack⸗Uhr verehrten, und unter die
Träger Geld austheilen liessen. Einigen aus dem ersten Adel, so we⸗
gen nicht genugsam angewiesener Häͤuser noch bey andern ihrer gu⸗
ten Freunde logiren musten, bekamen nunmehr auch ihre besondern
und schöne Wohnungen. So kam auch der Topchi Baschi oder
Oberste über das Zeug⸗Wesen aus der Stadt Tophana / woselbst
er sich aufzuhalten pflegt / mit seinen Topchis oder Stück⸗Gies⸗
sern und Feuerwerkern, an statt der Janitscharn, umgeben, bey dem
Herrn Groß⸗Botschafter seine Aufwartung zu machen. Es schick⸗
te ingleichen zu eben dieser Zeit der Franzöͤsische Gesandte, nachdem
Er mit letzt angekommenen Brieffen den Todt seines Herrn Vät⸗
tern vernommen, einen Janitscharn mit Brieffen durch Thracien Gesammle⸗
te Alter⸗
thüͤmer
von dem
Französi⸗
schen Ge⸗
sandten.
und Servien mit einem unserm Herrn Groß⸗Botschafter unter⸗
schriebenen Paß; ob Er aber auch mit dieser Gelegenheit diejenige
Münzen, Steine, Goͤtzen und andere Denkmale der vorigen Zeiten
mit uͤberschickt, welche er durch einen/ so gute Wissenschaft in de⸗
nen Antiquitæten hat, mit den groͤsten Unkosten, Muͤhe und Arbeit
in den benachtbarten Insuln so wol des Meers zwischen dem Hel⸗
lespont / als auch auf dem Hellespont selbsten und dem Egaͤi⸗
schen Meer, auch in ganz Grichenland und deren Städten und
Clöstern vor die Königliche Kunst⸗ und Schatz⸗Kammer neun Mo⸗
nat hindurch aufsuchen lassen, habe ich nicht erfahren koͤnnen. Jn⸗
dessen ist daraus abzunehmen, daß der gelehrte Vorwitz noch nicht
alles erschoͤpft, sondern noch hin und her viele Sachen anzutreffen /
die manchen seine Couriosité vergnuͤgen koͤnten, wann nur ein rei⸗
cher Fürst oder anderer grosser Herr die benöͤthigten Unkosten darzu
herschiessen wolte.
Eben allhier zu Pera hält sich auch des FranzösiDes Fran⸗
zösischen⸗Gesandten
Leib⸗Arzt.
schen Gesandten Leib⸗Arzt auf, Namens Anna Amabilis Du⸗
masrambois, der sich gute Wissenschaft in Türkischen Gebräuchen
zu
Mm 2
- 320 -
276
Drittes Buch / Zweyte Abtheilung /
zu wege gebracht, und ein ungemeiner Liebhaber der Antiquitæten
ist, mit welchen ich auch um eben dieser Ursach willen gleich bey
unserer Ankunft zu Pera Freundschaft gemacht / weil ich vieles
von ihm zu erfahren hofte, wie auch in der That geschehen. Bey
demselbigen habe ich viele alte rare Münzen und ein aus der Stadt
Götzen⸗
Bild der
Pallas.
Memphis oder Cair in Egypten gebrachtes Götzen⸗Bild der
Pallas angetroffen / so er vor hundert Ducaten hielte / und ich gerne
für einen grossen Fürsten oder den Kaiser selbst gekauft häͤtte, wann
es mir nicht ergangen, wie einsmals dem Busbec/ Kaiserlichen
Botschafter bey der Pforten zu Zeiten Kaiser Ferdinand
des Ersten / als der in seinem 4ten Türkischen Sendschreiben
Manu⸗
script des
Dioscori⸗
des von
Busbec zu
erst gese⸗
hen.klaget, daß, als er das Manuscript des Dioscorides mit Abbildung
der Pflanzen[25] bey dem Juden Hammon gesehen, und gleichfalls
um 100. Ducaten gebotten worden, ihme solches für seinen Beu⸗
tel zu kostbar gewesen, und geglaubt, daß es der Kaiserli⸗
che besser bezahlen könnte; weswegen dergleichen Unkosten der
meinige noch viel weniger zu bestreitten geschickt war: wiewol ge⸗
dachtes Buch doch noch in die Kaiserliche Bibliothec nach Wien
gekommen, woraus man es nunmehro gegen so viel Gold, als es
schwehr ist, nicht mehr wurde bekommen koͤnnen: ich häͤtte mich
zwar dannoch von dem hohen Preiß nicht wollen abschrecken lassen,
wann nur mein Vorrath so weit gelangt, oder ich bey andern so
viel auf Borg auftreiben koͤnnen. Dieses Bild hatte einen Helm auf
dem Haupt, und war in allem nicht uͤber eine Spanne lang; in der
Beschrei⸗
bung des
Bildnüß
der Pallas. rechten Hand hielte es einen Spieß, mit der linken einen Schild /
auf dessen Mitte der Kopf der Medusa eingeprägt war; es stunde
auf einem rund⸗ausgehöͤlten Fuß, davon, meiner Meinung nach,
wol dieses die Ursach seyn mag / weil man es vielleicht vor Zeiten
auf eine Stange gestellet und herumgetragen oder zur Verehrung
ausgesetzet hat. Der Verniß, Gürtel, die Leibs⸗Gestalt, entblöste
Armee, der Habit und Falten gaben ein genugsames Kennzeichen
von ihrem Alterthum; und hat ihm diese Raritæt ein von Constan⸗
tinopel gebürtiger Türk aus Arabien nebst einer Hirnschaln und
Brust⸗Stück von einer Mumien geschickt, von welchem Mann er
mich versichert, daß er eines recht ehrlichen Gemuͤths, und mehr den
Namen als der That nach ein Türk zu nennen sey. Es sind aber
die
- 321 -
Nachricht von Antiquitäten und gegebenen Visiten.
277
die Mumien mit feiner duͤnner Leinwand umwundene und mit wolMummien
was sie
sind.
⸗
riechenden Sachen und Specereyen bestrichene menschliche Coͤrper,
welche daselbst in den Sand gelegt und von der Sonnen⸗Hitze mit
der Zeit also verhärtet und ausgetrucknet werden, daß sie gleichsam
in ein Harz verwandelt in der Arzney schoͤne Wuͤrkung thun: und
bey einer solchen Mumien ist dieses Götzen⸗Bild der Pallas gefunAufgewan⸗
te Kosten
des Königs
in Frank⸗
reich
Lud⸗
wig des
XIV. auf
rare Anti⸗
quitäten.
⸗
den worden, so daß hieraus zu schliessen, es muͤsse solches der Cöͤr⸗
per eines weyland vornehmen Mannes gewesen seyn. Ludwig⸗
der XIV. König in Frankreich Höchst⸗seel. Andenkens, der ein sehr
kluger Füͤrst gewesen, und Sich so wol die Verbesserung der Kriegs⸗
Wissenschaften, als auch der freyen Künsten sehr angelegen seyn
lassen, hat jährlich jemand in die Grichischen und Asiatischen Pro⸗
vinzen geschickt / der alle Winkel durchsuchen muste, um, was noch
von Schrifften, Müntzen, Steinen, Bildern, Götzen und derglei⸗
chen uͤbergeblieben, fleissig zu sammlen, und nach Frankreich uͤber
zu bringen, woraus dieses, was ich gemeldet, abermal bestättiget
wird, daß Griechenland aller seiner Schätze und Raritäten durch die
Fremden noch lang nicht beraubet seye.
Jch selbst habe bey meinem Aufenthalt zu Pera bey ConstanRare Mün⸗
zen.
⸗
tinopel einige rare Steine und Heidnische Muͤnzen von den Ar⸗
meniern, deren fast täͤglich welche zu mir kamen, eingehandelt, un⸗
ter andern auch eine von M. Antonius, und Cleopatra, auf welcher
nach besiegten Asien der Bacchus, als ein Beherrscher dieses Lan⸗
des unter dem Bild einer gekleideten und auf einer Kuͤsten stehenden
Jungfrau vorgestellet wird: so habe ich auch noch einige andere
Sorten mit nach Wien gebracht, von welchen daselbst noch nicht
viel gesehen worden, und die nunmehro in Sr. Excellentz des
Hoch⸗ und Wolgebohrnen Herrn Carl Joseph Grafen
von Paar/ Erb⸗General- und Obrister Post-Meister der
Oesterreichischen Landen / Schatz⸗Kammer aufs beste verwah⸗
ret werden; und ob gleich einige durch das Alterthum sehr uͤbel zu⸗
richtet sind, so moͤgen sie sich gleichwol gluͤcklich achten, daß sie nur
einmal auch in diesem schlechten Zustand aus ihrer Barbarischen
Dienstbarkeit erlöͤset worden. Die vorgemeldte Muͤnz aber des An⸗
tonius und der Cleopatra scheinet wegen seiner Rarität noch wol
einiger Auslegung wurdig: Es ist demnach die Aufschrift dersel⸗
bigen folgende:
M. AN⸗
Mm 3 - 322 - 278
Drittes Buch / Zweyte Abtheilung /
M. ANTONIVS IMP. COS. DESIG.
ITER. ET TERT.
Allhier werden die Koͤpfe des M. Antonius mit Lorbeer gecroͤnt, und
der Cleopatra neben einander gesehen.
Auf der andern Seite stehet:
[26]
III. VIR. R. P. C.
Wobey sich die Kuͤste præsentiret, auf welcher der Bacchus in
Weibs⸗Kleidern stehet, und mit der rechten Hand eine Kanne, mit
der linken aber einen Staab oder Stengel hält; zu beiden Seiten
sind gekrümmte Schlangen / welche sich in die Hoͤhe winden.
Diese Münz mit des Antonius und Cleopatra Bildnus ist
nicht nur in Egypten/ wo Cleopatra regierete, geschlagen wor⸗
den / sondern es haben auch die Asiatischen Völker, im Namen der
gesammten Provinz auf ihre Küsten⸗Träger beider Bildnisse geprä⸗
get, vornemlich aber dazumal, als sie vernommen, daß Antonius
die Octavia alsobald aus der Insul Corfu nach Jtalien zuruck und
zwar unter diesen Vorwand geschickt habe, damit sie sich der Gefahr
des bevorstehenden Parthischen Kriegs nicht theilhaftig machen moͤg⸗
te. Diese silberne Münz wiegt ein Loth / und ist in Asien auf die
Art der Kisten⸗Träger oder Kisten⸗Pfenning geschlagen, eben so, wie
sie sonsten ihre groͤste silberne Muͤnze zu prägen in Gewohnheit hat⸗
ten: wie sie nachgehends in die gemeine Schatz⸗Cammer nach gehal⸗
tenen Triumph des M. Acilii uber den Antiochum gebracht wor⸗
Triumph
des M. Aci⸗
li über
Antiochum
den / erzehlt Livius Decad. IV. Lib. VII. Jn welchem Triumph 230.
den Fahnen oder Kriegs⸗Zeichen, drey tausend Pfund ungeprägtes
Silber, von dem geschlagenen Atheniensischen löthigen Silber
hundert und dreyzehen tausend Pfund, und der Kisten⸗Pfenning
zwey hundert und funfzig tausend Pfund vorgetragen worden.
Man hat sie aber darum Kisten⸗Träger oder Kisten⸗Pfenning ge⸗
nannt, weil auf selbigen eine zwischen zwey Schlangen stehende Ki⸗
sten geprägt wurde / wie die Erforscher der Antiquitäten (Anti⸗
quarli) gar wol wissen, und aus den Quintleins Muͤnzen des Au⸗
gusti zu sehen, auf welchen man die Jnschrift lieset:
ASIA RECEPTA.
Es ziehlen aber so wol die Kiste als die Schlangen auf den Bac⸗
chus
- 323 -
Nachrichten von Antiquitäten und gegebenen Visiten.
279
chus; und weil die Einwohner in Asien vernommen / daß Anto⸗
nius im vorigem Winter sich zu Athen den andern Bacchus ge⸗
nennt, wie Dion L. XXXVIII. bezeiget, sprechend: daselbst hat
er sich wider die Gewohnheit seiner Vorfahren den an⸗
dern Bacchus genennt/ haben sie den Bacchus selbsten auf der
Kisten vorgestellt. Als er nach Ephesus gekommen, sind die Wei⸗
ber in den Habit wie des Bacchus Priesterinen, die Mäͤnner aber
wie die Wald⸗Götter gekleidet, vorangegangen, und haben in den
Händen mit Epheu umwundene Stecken getragen: da höͤrte man in
der ganzen Stadt nichts anders als den Klang der Musicalischen In⸗
strumenten, Pfeiffen, Flöten rc. nebst den freudigen Zuruf, daß er
der gütige und liebreiche Bacchus sey, wie uns Plutarchus hievon
Nachricht gibt.
Den 7ten October hatte der Venetianische Botschafter bey Audienz
des Vene⸗
tianischen
Botschaf⸗
ters.
dem Groß⸗Vizir / und den 8ten bey dem Sultan die Audienz,
ist aber von beiden gar geschwind abgefertigt worden, und hat weder
die Auszahlung der Janitscharn mit angesehen, noch einen so weiten
Weeg, wie wir, genommen: so sind auch bey weiten nicht so viel
Caftants unter die Venetianer/ als wie vormals unter die Unsrige
ausgetheilt worden, wordurch dann die Pforten zu verstehen geben
wollen, daß sie noch wol einen Unterschied zwischen einem Kaiser⸗
lichen Groß⸗Botschafter, und einem Venetianischen Gesand⸗
ten zu machen wisse. Den Tag zuvor, da wir noch uͤber Tisch sasBrieffe
aus
Teutsch⸗
land.
⸗
sen, kamen zwey Lieutenants aus dem Prinz Hohen⸗Zollerischen
Curassier⸗Regiment mit Brieffen aus Teutschland an, davon der ei⸗
ne, weil er in dem vorigen Krieg unter den Barbarn lang gefangen
gewesen, die Türkische Sprache vollkommen verstunde. Sie hat⸗
ten ein grosses Paquet Brieffe bey sich, welche uns um so viel an⸗
genehmer waren, je läͤnger wir schon keine Nachricht von Hauß be⸗
kommen, und je begieriger uns dieser Abgang machte, etwas von da⸗
her zu erfahren, als welches schon in mehr als sechs Wochen nicht
geschehen: ein jeder wolte der erste dabey seyn, um seine Curiosité
fein bald zu vergnügen / weswegen sie also umringt waren, daß sie
sich nicht nur nicht loß machen kunten, sondern auch nicht wußten,
welchem sie zu erst antworten solten, weil sie von allen zugleich ge⸗
fragt wurden. Bald hierauf langte auch ein Janitschar allhier an,
wel⸗
- 324 -
280
Drittes Buch / Zweyte Abtheilung /
welchen der Türkische Botschafter zu Wien an den Sultan abge⸗
fertiget hatte, und mit unsern angekommenen Officirn von Wien
aus bis nach Adrianopel gereißt, von dar aber eher abgegangen,
weil für alle nicht genug Pferde vorhanden waren / ist auch
gleich bey anbrechenden Tag hier in der Stadt an⸗ aber weil er bey
Hof nicht eher abgefertigt worden, später als die vorigen zu uns ge⸗
Erlaubnis
die Sophia
Kirche zu
besehen.
kommen. Den folgenden Tag hat der Marggraf Besora und Se⸗
bastida / welche gesonnen waren, nechstens mit einem Französischen
Schiff nach Frankreich über zu gehen, und selbige Länder zu bese⸗
hen, mit genauer Noth und vielen Bitten von dem Groß⸗Vizir
erhalten, daß sie den Tempel der Sophia oder der Göttlichen
Zeichnung
von einem
Französis.
Mahler.Weißheit von innen besehen durften. Es brachte auch ein Fran⸗
zösischer Mahler eine Zeichnung von der Audienz des Englischen
Gesandten bey dem Sultan / wie dieser auf dem Thron sitzet, nebst
allen ansern Umständen, so dann auch den Entwurf von einem Bad
und Danz der Türkischen Weiber, dero unterschiedliche Stellung
und Bewegung, welches alles auf etlichen Tafeln vorgestellet und
mit Farben illuminirt war; worauf der Herr Botschafter ihm
Commission gegeben, eben dieses auch für Jhn zu verfertigen. Et⸗
Erlösete
Gefange⸗
ne.liche Tage hierauf sind LXXV. Gefangene aus dem Baino oder
dem Gefängnis des Capudan Bascha loß gelassen und den Patern
Trinitariern / als welcher Orden zur Erlösung der Gefangenen auf⸗
gerichtet ist, durch einen Secretair des Sultans in Gegenwart
des Herrn von Dierlings / Theyls / Petrowitz und Kemme⸗
ter / die von dem Herrn Botschafter darzu ernennt waren, über⸗
geben worden; davon zwey nur von ferne stunden, weil sie die Pest
scheueten, mit welcher insgemein diese aller Gefahr unterworfene
Leute behaftet sind, und haben sich also dieselbigen nur, nach der Ju⸗
risten Redens⸗Art, durch die lange Hand (per traditionem longae
manus) übergeben lassen. Von diesen aber ist einer wiederum von
den Türken zuruck gezogen und jämmerlich abgeprügelt worden, weil
er sich vor einen Pfälzer ausgegeben, jene aber behaupten wolten,
daß er ein gebohrner Schwede und kein Teutscher seye, er ist aber
nachgehends doch auf Sr. Excellenz beständiges Anhalten loß gege⸗
ben worden.
Abgelegte
Visite bey
dem Vene⸗
tianischen
Botschaf⸗
ter.
Den 15ten gieng unser Herr Groß⸗Botschafter mit dem
mein⸗
- 325 -
Nachrichten von Antiquitäten und gegebenen Visiten.
281
meinsten und vornehmsten seiner Suite nach dem Venetianischen
Gesandten / angesehen dieser erst nach uns angekommen, von
welchem Er unten bey der Stiegen, als Se. Excellenz eben aus
dem Trag⸗Sessel heraus steigen wolten, an der Thüͤr desselben em⸗
pfangen und die Stiegen hinauf bis in das innere Zimmer gefuͤhrt, so
dann nach einer kurzen Verweilung und unter einem rothsammeten
mit guͤldenen Borten gezierten Himmel gehaltenen freundlichen Ge⸗
sprach von dar hinunter bis wieder an die Thuͤr des Trag⸗Sessels
begleitet worden. Es war der Botschafter eben in diesen Habit
gekleidet, welchen Er vorher bey der Audienz des Sultans ange⸗
zogen, und in welchem die Verwalter des Heil. Marci (Procu⸗
ratores S. Marci) in dem grossen Rath zu erscheinen pflegen. Von
der ersten bis zu der andern Thuͤr stunden an statt der Trabanten
des Botschafters Brief⸗Träger von Monte Negrino, durch wel⸗
che wir in einer langen Ordnung bis in den Pallast hinab giengen.
Jn dieser Zeit nun, in welcher die Herrn Botschaftere mit einander
conversirten, wurden wir von den Venetianern mit eingemach⸗
ten Früchten und allerhand Getränk bewirthet. Als ungefehr Ge⸗
legenheit gab, von der Ordnung der Venetianischen Gesandt.
schaft an andern Höͤfen zu reden/ hat mich nicht wenig gewundert,
daß einer von ihnen die Constantinopolitanische allen andern
vorgezogen, welches er auch zum öftern wiederholet, da ich doch mit
gröstem Recht dafür gehalten, daß dem Römischen Kaiser die
Republic eine groͤssere Hochachtung schuldig wäre, als von Deme sie
so oft unterstützt und erhalten worden.
Den 16. dito verfüͤgte sich der Herr Groß Botschafter uͤber Bey dem
Groß⸗Vi⸗
zir.
den Canal zu dem Groß⸗Vizir wegen einiger Geschaͤfften, wobey
Er nicht mehr als den Freyherrn von Studenitz und den Stall⸗
Meister zu seiner Begleitung mit nahm, welches sich die Tüͤrken sehr
wol gefallen lassen, und alsdann viel freymuthiger bezeugen, als
wann man einen grossen Comitat bey sich hat; wie dann der Groß⸗
Vizir den Herrn Botschafter dazumal durch seiner Gemahlin
Bad geführet, welches Er in Beyseyn mehrerer wol wuͤrde unter⸗
lassen haben. Die Handlung aber selbst bestunde hierinnen, daß er Erhaltene
den Patern Trinitariern ein Ferman oder Kaiserliches und von Erlaubnis
zu Erbau⸗
ung einer
neuen Kir⸗
che.
dem Groß⸗Vizir unterschriebenes Decret zu wegen brachte, Krafft
Nn
dessen
- 326 -
282
Drittes Buch / Dritte Abtheilung /
dessen sie befugt wären, zu Pera eine neue Wohnung und Kirche
aufzubauen, es muste Sr. Excellenz der aufgerichtete Commer⸗
cien-Tractat hierzu behulflich seyn, als dessen Aufnahm die Hand⸗
habung dieser Geistlichen nicht wenig befoͤrderte, sintemaln sie einen
grossen Handel mit Loß⸗Kauffung der Sclaven trieben. Bey der
Zuruckkunft hat sich der Herr Botschafter gefallen lassen, das
Mittagmal bey dem Französischen Gesandten einzunehmen,
worzu Er auch den Marggrafen Besora und Sebastida gezogen,
als welche noch diesen Abend nach Marsilien abfahren und von dar
weiter den Weeg durch Frankreich nehmen wolten; wie sie dann
auch noch selbigen Tag von den Graf Nesselroth und Freyherrn
von Zweiffel / als ihren vertrautesten Freunden, bis an das Ufer
des Meers begleitet worden, allwo sie nach genommenen Abschied
und abgelegten Glück⸗Wunsch zur vorhabenden Reiß nicht ohne in⸗
nerliche Gemuͤths⸗Bewegung einander verlassen, welche auch alsdann
in eine öffentliche Betruͤbnis ausgebrochen, da die Anker nach gege⸗
benen Signal gelößt / und diese zwey Cavaliers fort gesegelt waren,
von welchen sie sich nunmehr durch das Wasser musten geschieden
sehen: Es war auch wol niemand unter uns, welchen diese Abreiß
nicht schmerzlich vorkame, angesehen sie so wol von geringern sehr æ⸗
stimirt, als auch von ihres gleichen herzlich geliebt worden.
Dritte Abtheilung.
DEn 18. October gab der Venetianische Botschafter und
Gegen⸗Vi⸗
site des Ve⸗
netiani⸗
schen Bot⸗
schafters
bey unserm
Hn. Groß⸗
Botschaf⸗
ter.
Patricius bey dieser Republic Herr Ruzzini unserm Herrn
Groß⸗Botschafter die Gegen⸗Visite, dabey Jhm mit
solcher Ehr⸗Bezeugung durch die im Gewehr⸗stehende Militz und an⸗
dere begegnet wurde, als sein Character erfordert: es ist Jhm bey
seiner Ankunft der Freyherr von Seebach und noch zween andere
aus dem zweyten Adel bis an die erste Pforte der Wohnung entge⸗
gen gegangen, die Jhn von dar folgends bis an die Stiegen begleitet,
allwo Er von Sr. Excellentz und dem übrigen Adel bey Heraus⸗
steigung aus seinem Trag⸗Sessel empfangen worden; seinem Adel
und Hauß⸗Bedienten sind wir mit gleichem Tractament, als sie kurz
zuvor uns / begegnet. Es kamen auch anderer Fürsten Gesandte
gar
- 327 -
Abbildung:
FRANCISCVS EVGENIVS
Herzog von Savoyen und
Piemont. etc. etc.
P.C. Monath exc.
G.D. Heumann sc.
- 328 -
- 329 -
Von unterschiedl. Begebenheiten u. dem kleinen Bairam.
283
gar vielfältig zu unserm Herrn Groß⸗Botschafter / unter allen Wechsels⸗
weise Be⸗
suchung der
Gesandten
zu Pera.
aber der Französische am meisten, wie sich dann auch Se. Hoch⸗
graͤfliche Excellenz ebenfalls oͤfters bey Jhm einfanden, also daß
aus dem guten Verständnis dieser Ministers die Eintracht ihrer
Principaln gar deutlich abzunehmen war. Jn der Nacht zwischen
dem zwey und drey und zwanzigsten ist ein Hauß⸗Knecht gestorben,
und gleich den Tag darauf begraben worden. Es schickte auch der
Herr Groß⸗Botschafter den Grafen Bathyani zum Groß⸗
Vizir in die Stadt, und dem Herrn Weipler zum Nischanschi
Bascha / den Eidam des Groß⸗Vizirs, und ließ wegen des inste⸗
henden kleinen Bairams seine Gratulation ablegen.
Dieses zweyte Fest fället auf den zehenden Tag des letzten MoKleine
Bairam
der Tür⸗
ken.
⸗
nats im Mond⸗Jahr, welches dieses Jahr der 24. October gewe⸗
sen / und wird ungefehr 70. Tag nach dem grossen Bairam / so
nach dem Ramazan / oder der grossen Fasten folgt, gefeyret,
wovon ich im vorhergehenden Buch schon etwas gemeldet. Es ist
aber solches zur Gedächtnis der Auf⸗Opferung Jsaacs eingesetzet,
da nemlich Abraham seinen eingebohrnen Sohn, und einige Hof⸗
nung seines Geschlechts, aus Göͤttlichen Befehl auf jenen Berg auf⸗
zuopfern bereit war, wo nicht GOTT der HERR selbst nach ge⸗
nugsamer Prüͤfung seines Gehorsams und Glaubens, einen in der
Hecken hangenden Widder an dessen statt substituirt häͤtte. Ricot
gibt diesen Berg in seinem zweyten Buch / wo er von der Türken
Walfarth in Arabien redet, für den Berg Ararat an, sie selbst a⸗
ber haben mir solchen Arifa genennt, wiewol wir aus der Heiligen
Schrifft so viel Nachricht haben, daß derselbige nach dieser Ge⸗
schicht von denen Jüden genennt worden יהוה יראה der HERR
siehets. Diejenige, welche aus heiser Andacht nach Mecha zu des Walfarth
der Türken.
Muhamets Grab reisen, und so wol zu Ende des Maji in diesem
Vorhaben von Constantinopel weg gehen, und zu Damasco mit
denen Compagnie machen, welche aus Anatolien, Caramanien und
den benachbarten Orten kommen, als auch diejenige, so aus Per⸗
sien nach Babylon oder aus Egypten nach Cairo gehen / kom⸗
men alle endlich hier auf diesem Berg zusammen, und verrichten ihr
Opfer, so sie Corban nennen, und in Abschlachtung vieler SchaaOpfer der
Türken.
⸗
fe bestehet, welche sie alsdann ihren Freunden zur Verehrung zuschi⸗
cken, und auch zum Theil unter die Arme austheilen. Sie pflegen
dabey
Nn 2
- 330 -
284
Drittes Buch, Dritte Abtheilung /
dabey ihre ordentlichen Kleider abzulegen, und einen weisen Schleyer
dafür anzuziehen, gehen um den Berg herum Walfarthen, und ge⸗
ben damit zu verstehen, daß man einmal die Suͤnde verlassen und den
Anzahl der
Pilgram. Begierden absagen müsse. Die Anzahl der Pilgram ist zwar nicht
zu allen Zeiten gleich, steigt aber insgemein bis auf funfzig tausend
hinan, wie aus den Jahr⸗Buͤchern zu ersehen, in welchen alle derer⸗
jenigen Namen verzeichnet werden, die aus allen Mahometischen
Ländern daselbst zusammen kommen. Alle diejenige, so genugsame
Mittel darzu haben, sind verbunden / zum wenigsten ein einigesmal
in ihrem Leben diese Walfarth anzutretten / es sey dann, daß sie in
solchen öfentlichen Bedienungen stehen, welche sie ohne Nachtheil
des gemeinen Wesens so lange Zeit nicht verlassen koͤnnen; wie sie
dann dieselbige für ein Vorbild achten, da wir aus dem zeit⸗
Mit der
Türken An⸗
dacht ists
lauter Heu⸗
cheley. lichen in das ewige Leben uͤbergehen: wiewol, wann die Türken die
Warheit bekennen wolten, sichs finden wuͤrde, daß sie nicht aus An⸗
dacht gegen ihren Propheten, wol aber um Gewinns willen, wel⸗
chen sie aus den daselbst angestellten Jahr⸗Märkten und hingebrach⸗
ten Waaren zu ziehen hoffen, sich dahin begeben, sintemaln so wol
die Persianer/ als Jndianer und andere Völker aus Morgen⸗
land ihren Kram allda auslegen. Es kam um eben diese Zeit, da
die Türken am andächtigsten zu seyn, und ihre Gesetze aufs genaueste
zu beobachten pflegen, jener gottlose Mameluck / von dem wir oben
schon gedacht haben, der Schmid zu uns, welcher mit dem Gra⸗
fen von Oettingen von Wien hieher gereißt, und den Tuͤrki⸗
schen Aberglauben angenommen; dieser begehrte gleich bey seiner
Ankunft, daß man ihm von dem stäͤrksten Brandwein oder Rossoli
schenken solle / welcher doch im Türkschen Gesetz auf das schärfste
verbotten ist, also daß es das Ansehen hat, wie man ihre Tugend
mehr nach dem äͤusserlichen Schein, als der innerlichen Gemüths⸗
Jährliche
Geschenke
des Sul⸗
tans nach
Mecha.
Beschaffenheit abmessen muͤsse. Der Füͤhrer bey gedachter Wal⸗
farth wird von dem Sultan ernennet, und Sur-Emini genannt,
welchen Er die seinem Propheten jaͤhrlich zu gedachte Presente mit
gibt / und in fuͤnf hundert Ducaten, einen in Gold eingebundenen
Alcoran, so von einem Cameel getragen wird, und so viel schwarzes
Tuch bestehet / als genug ist, die Kirche in der Mecha mit neuen Tep⸗
pichen zu behängen / weil die alten vom vorigen Jahr zu solcher Zeit
weg gethan worden / die nachgehends die Pilgrame in kleine Stück⸗
lein
- 331 -
Von unterschiedl. Begebenheiten u. dem kleinen Bairam.
385
lein zerschneiten, und zum Zeichen ihrer gethanen Walfarth mit nach
Hauß nehmen; solches verehren sie alsdann wie grosse Heiligthuͤmer,
und bedienen sich dessen zum Zeichen, so sie Caab nennen, ver⸗
mittelst dessen sie wissen koͤnnen, wo sie sich bey ihrem Gebet mit dem
Gesicht hinwenden muͤssen: es wird auch das Cameel, welches das Vereh⸗
rung des
Cameels / so
den Alco⸗
ran getra⸗
gen.
heilige mit tausend Luͤgen angefüͤllte Buch getragen hat, nach seiner
Wiederkunft mit Blumen und anderm Schmuck geziert und herum
geführt / so dann forthin die übrige Zeit seines Lebens von aller Ar⸗
beit freygesprochen, so bald es nemlich diese H. Reise vollbracht hat.
Diejenige Türken, die zu Hauß bleiben, es sey nun in ConstantiBegehung
des Festes
zu Hauß.
⸗
nopel, oder anderswo, thun es denen nach Mecha reisenden nach,
und wird nicht leicht ein Hauß⸗Vater so arm seyn, der nicht um die⸗
se Zeit ein Schaaf oder Lamm abschlachte, und das meiste davon un⸗
ter die Armen austheile, ja es schlachten auch wol die Vermoͤgenden
und Reichen deren noch mehrere, und zwar in eben diesen Absehen,
und zu gleichem Gebrauch. Solches Fest wird abermal durch Ab⸗
feurung des Geschuͤtzes angekuͤndiget, und gleichfalls drey Tag nach
einander begangen; so wird auch der gewoͤhnliche Umgang nach der
Moschee Ahmeds gehalten, welchen ebenermassen der Kaiser
mit dem Groß⸗Vizir beywohnet / und die uͤbrige Zeit in allem Lust
und Vergnuͤgen zugebracht, wobey dann die Weiber einer groͤssern
als sonst gewöhnlichen Freyheit geniessen: die meisten thun auch diese Türken
darfen an
ihren Fest⸗Tägen ar⸗
beiten.
Zeit über nichts/ jedoch darf gleichwol arbeiten, wem es beliebt,
wie dann auch so gar des Freytags, oder an dem ehmaln der Venus
gewiedmeten Tag / dem die Türken nicht unbillig wegen ihrer üͤber⸗
menschlichen Geilheit, als wie die Juden den Samstag / und wir
Christen den Sonntag, woͤchentlich feyren, niemand verbunden ist,
von der Arbeit völlig abzustehen, sondern es mag jedweder seines
Gefallens nach verrichteten Gebet dieselbige wieder vor die Hand
nehmen. An dem andern Tag dieses Fests kam der Dolmetsch von
der Pforten mit einem verrenckten Arm, welchen ihm der Sturz
seines Pferds verursacht, zu unserm Herrn Groß⸗Botschafter,
und ersuchte denselbigen um die Hüͤlfe seiner Wund⸗Aerzte, welche
ihn auch gar bald wieder zu recht gebracht, ohne daß sie etwas füͤr
ihre Bemühung von ihm genommen haͤtten, ob er ihnen schon ein
ansehnliches Recompens offerirte. Damals gieng auch der Frey⸗
herr
Nn 3
- 332 -
286
Drittes Buch / Dritte Abtheilung /
herr von Höͤrde mit zweyen Jägern von der Botschaft und wenig
andern nach Asien über, sich daselbst mit der Jagd zu diver⸗
tiren.
Den 27ten dito, als dem dritten Tag nach dem kleinen Bai⸗
Dem Sul⸗
tan wird
eine Tochter
gebohren.
ram / machten die Türken ein ungewöhnliches Geprassel mit ihren
Stucken, worein mir uns lang nicht finden kunten, bis wir endlich
erfuhren, daß in selbiger Nacht dem Sultan eine Princessin
[27] ge⸗
bohren worden / und deswegen sich die öffentlichen Freuden⸗Bezeu⸗
gungen hören liessen. Sie hielten es für eine gute Vorbedeutung /
daß deren Geburt gleich nach dem Bairam geschehen, und mein⸗
ten, sie würde mit der Zeit eine eifrige Vertheidigerin des Maho⸗
metischen Gesetzes seyn, als die mitten unter diesen heiligen Ceremo⸗
nien mit dem Gesetz selbst gebohren, so daß es schiene / als ob
die Gerechtigkeit mit dem Glauben und der Andacht dieses
Kind gleichsam selbst zur Wiegen führen wollen. Es pflegen zwar
sonsten die Türken über die Geburt eines jungen Prinzen, noch viel⸗
weniger aber einer Princessin, schlechte Freuden⸗Bezeugungen an⸗
zustellen, allein die Gegenwart des Herrn Groß⸗Botschafters
hat zu dieser ungewöhnlichen Aufführung Anlaß gegeben, als womit
sie unsern Höͤfen imitiren wolten, weshalben auch Se. Excellentz
Befehl ertheilt, alle Anstalt zu Illuminirung der Häuser und An⸗
Verge⸗
bung eini⸗
ger Char⸗
gen bey
dem Bot⸗
schafter.zündung einiger Freuden⸗Feuer vorzukehren. Diesen Morgen gieng
der Freyherr von Seebach mit der Post nach Wien / weil er zu
seinem Regiment beruffen worden, an dessen statt der Herr Ost⸗
mann von Ley / so bisher Ober⸗Stall⸗Meister gewesen, nun⸗
mehr die Hof⸗Marschalk⸗Stelle begleiten wird, diesem aber succe⸗
dirte der Freyherr von Studenitz aus dem zweyten Adel in seiner
Charge, worzu er durch Recommendation des Französischen Ge⸗
sandtens gelanget, welcher sonsten mit vielen andern und in diesem
adelichen Exercitio sehr wol erfahrnen Herrn wuͤrde haben certiren
müssen.
Um diese Zeit kamen auch zwey Sclaven, ein Teutscher und
Unter⸗
schiedliche
Sclaven
kommen
bey uns
an.ein Moscowiter zu uns gelauffen, wovon aber der Letzte seinem
Herrn wieder gegeben worden. Nach einigen Tagen suchte auch ein
Mayländer bey der Botschaft seine Zuflucht; und als sein Herr /
so ein Bedienter des Capudan Bascha war, solchen wieder abfor⸗
derte, liessen Se. Excellentz ihm sagen, daß selbiger ein Kaiserli⸗
cher
- 333 -
Von unterschiedl. Begebenheiten u. dem kleinen Bairam
287
cher Unterthan seyn, Sie wolten aber vermoͤg des zu Passarowitz
deswegen aufgerichteten Vertrags das gewöhnliche Löß⸗Geld für ihn
erlegen; weil er aber damit nicht vergnügt war, schickte er so gleich
noch jemand ab, den Sclaven nochmaln zuruck zu begehren, mit ver⸗
melden, wie dieser Sclav seinem Herrn um kein Geld feil seye, Gold
und Silber hätte er selbsten genug, weswegen ihm mit nichts anders
als dem Knecht koͤnnte gedient werden, welchen man ihm wiederum
ausliefern solte; und weil er noch viel dergleichen Waͤscherey und
dieses noch darzu zimlich unbesonnen und grob vorbrachte / haben
Se. Excellentz, als welche ihrem hohen Character beständig vor
Augen hatten, ihn erinnern lassen, er solte Bedenken, was und mit
wem er rede / Sie wüͤrden sich deswegen bey dem Groß⸗Vizir be⸗
klagen, und wegen solcher unverschäͤmten Auffuͤhrung Satisfaction
fordern. Man muß aber wissen, daß dieser Fluͤchtling seiner Kunst
nach ein Feldscheerer gewesen, womit er dann seinen Herrn nicht ge⸗
ringen Gewinn zugebracht: und obschon die Tuͤrken uberhaupt die Ursach / wa⸗
rum die
Türken die
Sclaven
nicht gerne
loß geben.
Sclaven nicht gerne von sich lassen / als ohne welche ihre ganze
Herrschaft nicht lang bestehen koͤnnte, angesehen sie solche, nebst den
Grichen und Armeniern zum ackern, säen, Bäͤume⸗ und Weinber⸗
ge pflanzen, auch zur Hauß⸗Arbeit, die sie nicht gern verrichten, ge⸗
brauchen, so setzt es doch noch weit groͤssere Difficultät, wann sie ei⸗
nen solchen loß geben sollen, der eine Kunst gelernet hat, ob man ih⸗
nen schon einen billigen Preiß dafuͤr anbietet, und zwar dieses alles
um ihres Eigen⸗Nutzens willen.
Den 20ten dito bekam unser Hr. Groß⸗Botschafter von dem Visite der
Gesandten
bey dem
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ter.
Französischen und Venetianischen Gesandten die Visite, wo⸗
bey sich gleichfalls des erstern Gemahlin befand, welche zu Mittag
mit Jhm speiseten. Dem / 1. November besuchte Jhn der Enge⸗
ländische Gesandte / und den 4ten darauf abermal der Venetia⸗
nische in seiner Behausung, bey welcher jederzeit die Leib⸗Wacht in
Gewehr gestanden, den 5ten aber, als den Tag nach Caroli BorCelebri⸗
rung des
Kaisers
Namens⸗Fest.
⸗
romæi tractirte Er die vier ausläͤndischen Gesandten / als den Fran⸗
zösischen, Engelländischen, Venetianisch⸗ und Holläͤndischen
insgesamt mit einem propren Gastmal, nachdem Er den Tag zuvor den
Gedächtnis⸗Tag dieses Heiligen in der Franciscaner⸗Kirche in Ge⸗
genwart der ganzen Hofstatt und anderer Gesandten celebrirt, und
wurde das hohe Amt von dem Abt zu Domben gehalten, wobey
Ihro
- 334 -
288
Drittes Buch / Dritte Abtheilung /
Jhro Majestät des Kaisers und der Kaiserin Bildnis zur
Seiten des hohen Altars ausgesetzt worden. Es verfügten sich Se.
Excellentz um einiger Geschäͤften willen zu dem Reis⸗Effendi /
oder Reichs⸗Canzler; bey dem Engelländischen Gesandten aber
legten Sie die Gegen⸗Visite ab, wobey Jhnen der vornehmste Theil
des Adels und übrigen Suite theils zu Pferd, theils in den darzu be⸗
stellten Wagen folgten; bey dem Französischen Gesandten aber sind
Sie gar oft aus besonderer Freundschaft zugesprochen. So haben
auch einige den eingefallenen Huberts⸗Tag nach Jäger⸗Manier
gefeyret / zu welcher Zeit auch des Sultans
Frauenzimmer an
Spatzier⸗
gang des
Sultans
Frauen⸗
zimmer. dem Ufer des Meers bey dem Serrallien in dem Garten spatziren
gieng, bey welcher Begebenheit sich kein Schiffer nah ans Ufer be⸗
geben darf, will er anders zum Trank⸗Geld den Buckel sich nicht
brav abbleuen lassen, wobey man dann in selbiger Gegend viele
Schiffe herum streichen siehet, welche gewisse Zeichen haben / wor⸗
durch sie die Herannahenden abhalten. Bey dieser Gelegenheit hat
sichs einmal zugetragen, daß ein Dolmetsch der Französischen Na⸗
tion, welcher sich zu Pera aufhielte / mit einem Perspectiv gegen
Theur be⸗
zahlte
Curiosité
eines Dol⸗
metschen.die andere Seite des Canals schauete, wo sie nemlich herum spatzir⸗
ten; als aber der Sultan aus seinem Lust⸗Hauß gleichfalls durch
Hülf eines Fern⸗Glases solches wahrgenommen, ist ihm sein Für⸗
witz gar theuer zu stehen kommen, sintemaln er es mit dem Leben be⸗
zahlen müssen; dann es hat der Kaiser so gleich etliche Henkers⸗
Knechte hingeschickt, welche ihm ohne weitere Umstäͤnde und An⸗
zeigung einiger Ursach in seinem Hauß gebunden und vor der Thüͤr
aufgeknuͤpft; welches Ende sich auch derselbige, wie einige, die in
guter Bekanntschaft mit ihm gestanden, ausgesagt, schon gleich pro⸗
pheceyet, so bald er gemerket, daß er von dem Kaiser gesehen wor⸗
den, ob er gleich seyn Todes⸗Urtheil noch nicht angehöͤret hatte.
Den 8.
November hatten die Herren
Oebschelwitz/ Wei⸗
peler / Außem / Wetstein und Klimberg bey nahe zum zwey⸗
tenmal das
Ungluͤck gehabt, daß sie ersauffen muͤssen; dann als sie
nach der Säulen Pompei schiffen
wolten / solche in der Nähe zu
sehen wurden sie von der Besatzung
der zwey gegen einander liegen⸗
den
Schlöͤsser in Europa und Asien gezwungen, ohnerachtet des
unge⸗
- 335 -
Abbildung:
CAROLUS VI
ROMANORUM
IMPERATOR
P.C. Monath excud.
A. Nunzer sc. Norimb.
- 336 -
- 337 -
Abbildung:
ELISABETHA
CHRISTINA ROM. IMPERATRIX
P.C. Monath
excud.
A. Nunzer sc.
Norimberg
- 338 -
- 339 -
Von unterschiedl. Begebenheiten
u. dem kleinen Bairam.
289
ungestümmen Meers an das Land zu
fahren, weil sie ihnen weiter
zu gehen nicht gestatten wolten;
nachdem sie aber endlich von dem
daselbst liegenden Commendanten
Erlaubnüß erhielten, ihre Reise fer⸗
ner
fortzusetzen, wurden sie von einem noch weit heftigern Wind
angefallen, so daß sie weder zur
Saͤule nahe anfahren, noch auch sich
von den ungestuͤmmen Meeres⸗Wellen
befreyen kunten, sondern von
denselbigen vielmehr hin und wieder
geworfen worden, und mit ge⸗
nauer Noth
erst auf dem Abend unverrichteter Sachen wiederum
zuruck gekommen, ohnerachtet sie
gleich bey anbrechendem Tag von
Säule
Pompei.
hier abgefahren. Es ist aber diese
Säule an dem Europäischen
Ufer bey dem Anfang des Canals
ungefehr 30. Schritt von dem
Meer gelegen: dahero diejenigen
Geographi haͤßlich fehlen, welche
solche mitten ins Meer stellen, wie
ich selbst zum öftern auf den
Land⸗Charten oder andern Kupfern
observirt habe. Ehedessen
stunde sie auf einem Huͤgel, und war
von harten Steinen in vier⸗
eckigter
Figur aufgefüͤhrt, und schiene der Zeit selbst Trotz zu bieten:
anjetzo aber ist sie vor Alterthum
also zusammen gefallen, daß aus
einem so grossen Werk, welches
Pompejus nach uͤberwundenen
Asien denen Nachkommen zum
Angedenken seiner erfochtenen Sie⸗
ge
hinterlassen, kaum noch 7. oder 8. Schuhe uͤbrig geblieben.
Den 14. dito haben Se. Hoch⸗Graͤfliche Ercellentz zwey
Gefangene auf eigene Kosten erlöset. Sie wurden auch damals mit
dem ersten Adel von dem Venetianischen Botschafter eingela⸗
den, und legten nicht weniger bey andern Gesandten die Visite ab.
Zur selbigen Zeit kamen viele Schiffe von Alexandria aus dem
Egäischen Meer, worauf gleich nach ihrer Ankunft der Preiß der
Caffé-Bohnen sehr gefallen. Eben damals wurden auch Brieffe Neue Zei⸗
tungen von
unserm
Hof.
nach unserm Kaiserlichen Hof geschickt, von dannen wir auch
welche erhielten, woraus wir viel Neues erfahren hatten, so wol
von dem Absterben unterschiedlicher vornehmen Ministers, welches
einige nicht wenig bestuͤrzt machte, als auch von einer gluͤcklich ent⸗
deckten Verrätherey, die aber, wie es schiene, nur in der Einbil⸗
dung bestunde, und ein Jtaliänischer Geistlicher, den die Franzosen
Abbé nennen/ zu Wien soll angesponnen haben; und dann auch,
daß zwey Edelleute aus unserm Gefolg nach Frankreich gereiset wä⸗
ren. Den 15ten besagten Monats, am Leopoldi Tag / wurde
Raub⸗Schiff auf⸗
gebracht.
ein Malthesisches Raub⸗Schiff in dem Hafen eingebracht, dessen
Patron
Oo
- 340 -
290
Drittes Buch / Dritte Abtheilung /
Listiger
See⸗Räu⸗
ber.Patron ein Franzos von Asciot aus Provanz war, und den Namen
Tourtain führte, von den Tüͤrken aber Stutz⸗Nasse genennet wurde,
weilen er eine gar kleine und platte Nase hatte. Er befande sich ehe⸗
dessen lang unter den Tüͤrken in der Sclaverey, nachdem er aber
durch Hülfe des damaligen Französischen Gesandten Ailleurs
[28], so
ihn für 500. Thaler erkauft hatte / wieder loß gekommen, handelte
er für sein eigen Geld ein mittelmäͤssiges Malthesisches Raub⸗Schiff
an sich / welches nur 22. Stuck führte, mit diesem hat er auf dem
Hellespont lange Zeit Rauberey getrieben, und um des von den
Türken ehemals erlittenen Verdrusses willen ihren von Alexandria
und Egypten kommenden Fahr⸗Zeugen grossen Schaden zugefüͤgt,
auch so gar ihre gröste Kriegs⸗Schiffe hinweggenommen, welche er
öfters mitten in dem Hafen und im Gesicht der Dardanellen
glücklich bestritten und uͤberwunden: ja es hat sich auch seine Ver⸗
wegenheit gar bis dahin erstreckt / daß er zu Nachts bey besagten
Dardanellen in der Enge des Hellesponts heimlich vorbey ge⸗
schifft / und der Stadt Constantinopel selbst mit Feuer und
Schwerdt gedrohet, ohnerachtet in den Hafen alles voll Schiffe
gelegen. Als einesmals eine Sultane oder grosses Kriegs⸗Schiff,
so der Kaiserin Namen führte, und 120. Stuck aufhatte, ihn ver⸗
folgte, stellte er sich an, als wolte er nach der Enge fliehen, hat sich
aber hinter einen Huͤgel gelegt, und von dar das Kriegs⸗Schiff selbst
noch in den Hafen angegriffen und in Grund geschossen; worüͤber
der Bascha oder Commendant bemeldter Schlöͤsser häͤtte rasend
werden moͤgen, und zu dem Ende aus einem dieser Schloͤsser Stuͤ⸗
cke mit Ochsen auf den Gipfel des nechst gelegenen Bergs füͤhren
lassen, um ihn von seinem Hinterhalt zu delogiren, er hat aber
den Braten gerochen, und seinen Weeg, ehe er noch angegriffen
worden, weiter genommen. Er jagte denen Tüͤrken oft Schiffe von
hundert und mehr Stüͤcken mit seinem geringen Fahr⸗Zeug ab; so
war ihnen auch nur der blosse Name dieses Räubers so erschröcklich,
daß sie dafüͤr erzittert / wann sie ihn nur nennen hoͤrten, und alsobald
das Meer geräumt, woferne sie ihn in der Nähe vermerckt haben.
Endlich sind drey, oder nach anderer Bericht, 13. Sultanen mit
dieser Ordre abgeschickt worden, nicht eher zuruck zu kommen, bis
sie ihn entweder todt oder lebendig in ihre Gewalt bekommen, wobey
man dem Uberwinder eine ansehnliche Belohnung aus dem gemeinen
Säckel
- 341 -
Von unterschiedl. Begebenheiten u. dem kleinen Bairam.
291
Säckel versprochen hat. Diese haben ihn erstlich, eben da er auf
den Ankern lag, angetroffen, weswegen er sich durch Anzündung
des Pulvers in die Luft schicken wolte, welches er jederzeit willens
gewesen, wofern er auf keine anderer Weise der Türken Nachstel⸗
lungen wuͤrde entgehen koͤnnen; es haben ihn aber die Seinige dar⸗
an verhindert, und ihn bemuͤssiget, daß er sich mit noch wenig an⸗
dern auf ein kleines Schifflein begeben, womit er sich salviren und
in der nechstgelegenen Jnsul verbergen solte; weil er aber auch da⸗
selbst nicht lang koͤnnen verborgen bleiben, sondern allenthalben auf⸗
gesucht worden, hat er mit Schwimmen, welches er unter den Wel⸗
len meisterlich verstunde, davon zu kommen gesucht: worauf die uͤbri⸗
gen, so in dem Schiff geblieben, und dreissig an der Zahl ausmach⸗
ten, nach Constantinopel in die Dienstbarkeit gefüͤhrt worden; da
dann die Tüͤrken das Schiff mit zu fuͤhren nicht vergessen haben. Den
andern Tag darauf ist eben dieses Schiff von einigen Galeeren und
dem Admiral⸗Schiff durch den Hafen zum Triumph herum gefüͤhrt
worden; und als sie damit zu jenem bedeckten Gang oder Lust Häͤuß⸗
lein gekommen, welches zu End des Serrallien oder Königlichen
Pallasts am Meer auf zwölf Marmelsteinen Säͤulen stehet, aus
welchem der Sultan die aus dem Meer ankommende Schiffe, und
was sonst auf dem Canal passirt, zu beobachten pflegt, hoͤrte man
einige Stuck⸗Schüͤsse / welches auch hernach, da man es bey den
übrigen Schiffen vorbey nach dem Zeug⸗Hauß geführt / zum öftern
wiederholt worden. Um diese Zeit gieng auch ein Ungarischer Kauf⸗
mann mit Namen Demetrius Parascowitz auf der Post mit
Briefen nach Wien / welchem die zwey kürzlich angekommene Li⸗
eutenants von dem Prinz⸗Hohenzollerischen Regiment mit
14. auserlesenen und hier aufgekauften Pferden einige Täge darauf
folgeten; von dannen ein anderer Holländischer Kaufmann zuruck
gekommen.
Vierte Abtheilung.
DEn 17. dito sind einige aus dem Adel nach ConstantinoGrichischi⸗
sche Patri⸗
archal⸗Kir⸗
che zu Con⸗
stantino⸗
pel.
⸗
pel gegangen, die vornehmste
oder Patriarchal-Kirche der
Grichen, so dem H. Georg geweihet ist zu besehen. Die⸗
sen
Oo
2
- 342 -
292
Drittes Buch /
Vierte Abtheilung /
sen Heiligen verehren die Grichen vor
andern, und haben ihn fast
in allen
ihren Kirchen auf eine ganz besondere aber auch recht laͤcher⸗
liche Art abgemahlt, also
daß die Türken selbst ihr Gespött damit
treiben; dann es sitzt hinter dem Herrn auf dem Pferd ein
Knab,
Lächerli⸗
ches Ge⸗
mähl des
H. Georg. so jenem aus des Pferds
s. h. Hintern Wein zapfet, und ihm sol⸗
chen darreichet. Die Kirche ist nicht
gar groß, dunkel, und mit vie⸗
len Kerzen und Lampen illuminirt.
Sie fällt an vielen Orten ein,
darf
aber doch nicht ausgebessert werden; und ob schon der Pa⸗
triarch dem Groß⸗Vizir Jbrahim für solche Vergünstigung
funfzehen Beuteln angebotten, so
7500. Reichsthaler austrägt, wann
man nemlich drey Thaler auf einen Ducaten rechnet, hat Er es doch
abgeschlagen. Es wurden auch schon
zu einer andern Zeit dem Ah⸗
li Bascha in
diesem Absehen sechs tausend Ducaten oder 18. tau⸗
send Reichs⸗Thaler, welches 36.
Beutel ausmacht, baar ausgezahlt;
er
hat aber das Geld genommen und in das Ansuchen gleichwol nicht
verwilliget. Auf solche Weise ist es
auch den Geistlichen zu Jeru⸗
salem ergangen,
welche an der Ausbesserung ihrer Wohnung und
Kirche lange gehindert worden / und den Ruin der H. Oerter mit
Schmerzen ansehen müssen, bis
endlich der Französische Gesandte
Marquis de Bonac, solche
Erlaubnüß ihnen von Hof zu wegen ge⸗
bracht. Jn dieser Patriarchal⸗Kirche
werden drey H. Coͤrper
auf behalten
und gewiesen, davon der eine der H. Euphemia seyn
solle: so wird auch ein Stuck von
derjenigen Säulen gezeigt, an wel⸗
cher der HErr Christus gegeisselt
worden; und ob gleich die Hei⸗
ligthuͤmer bey den Griechen in
schlechten Werth gehalten werden, ha⸗
Grichischer
Patriarch
von dem
Groß Vi⸗
zir ernennt. ben sie doch diese mit
einem eisernen Gitter verwahret. Der Pa⸗
triarch hat seinen Sitz und Wohnung gleichfalls in dieser Stadt
und wird derselbige von dem Groß⸗Vizir ernennet, welcher diese
höchste geistliche Würde um einen
gewissen Preiß anschlägt, gleich
wie
auch dieser alle geistliche Beneficien und Aemter ums Geld ver⸗
kauft, und trägt sich
gar oft zu, daß diejenige / so den angeschlage⸗
nen Taxt bereits bezahlt / solchen
nichts destoweniger, wann ein neuer
Groß⸗Vizir ankommt, der dessen beduͤrftig ist,
oder sich ein an⸗
derer findet / der mehr dafuͤr bezahlen will, wie es bey
Mißguͤnstigen
Muß ins
Gefang⸗
nüß wan⸗
dern.oft
zugehet, solchen noch einmal erlegen muß. Derjenige, so bey
unserer Gegenwart diese oberste
Stelle begleitet, hat eben dazumal
im Monat Januarij keine geringe Gefahr
ausgestanden, angesehen er
- 343 -
Von der Griechischen
Kirch Patriarchen, u.a.m.
293
er nicht nur in seinem Amt gehindert,
sondern noch darzu auf des
Groß⸗Vizirs Befehl in den Kerker
gesteckt worden, davon man
zweyerley
Ursachen wissen wollen: einige gaben vor, er hätte zu viel
Gemeinschaft und Vertraulichkeit mit
einer denen Tüͤrken verdaͤch⸗
tigen Potenz, die ich anjetzo nicht
nennen mag, gepflogen; andere
aber
hielten mit groͤsserer Wahrscheinlichkeit dafuͤr, daß man durch
solches Verfahren nur Geld aus ihm
erpressen wolle. Jnsgemein
aber sagte
man / daß ein Spanier / seiner Profession nach ein
Me⸗
dicus,
und eines gewissen unter des Tuͤrken Tribut stehenden Prin⸗
zen Rath / dessen Namen ich aber, ob ich solchen schon gar wol
weiß / wegen des Geschlechtes
und seiner Vor⸗Eltern Verdienste ver⸗
schweige, sich zu Constantinopel aufhielte / der dieses
Amt für
sich oder einem seiner
Freunde zu erlangen suchte; und weil endlich
durch das Geld alles wieder gut gemacht worden, wird man
niemand
einiger Ubereilung
beschuldigen koͤnnen, wann man das letztere füͤr
sehr wahrscheinlich hält. Es ist
auch aus der Erfahrung bekannt,
daß
einer / so von dem Groß⸗Vizir ernennt, und auch
wieder abge⸗
setzt worden, nichts destoweniger von eben demselbigen, oder einem
andern an des Eingeschobenen Stelle
oft wiederum gelanget, wann
er so
viel Geld zusammen gebracht, als ihm darzu noͤthig gewesen.
Daher es dann kommt, daß diejenige,
welche nach dieser Wuͤrde strePatriar⸗
chat zu
Constan⸗
tinopel
muß durch
Geld er⸗
langet
werden.
ben, überaus grosse Schulden bey den
ihrigen machen, so alsdann
aus dem
Einkommen der Kirchen von dem neuen Patriarchen wie
derum zusammen gescharrt und
bezahlt werden. Hingegen moͤgen
die
Schuldner zusehen, woferne dieser ihr Schuld⸗Mann vor der
Bezahlung stirbt, oder, es seye nun
aus seinem oder anderer Ver⸗
schulden / abgesetzt wird, wie sie
zu ihrem Geld kommen, sintemalen
der
neue allemal aus denen Moͤnchen, die sie Caloyers nennen, und
sonst keine Einküͤnfte haben,
genommen wird. Wann aber der AbWird von
andern
vorgeschos⸗
sen.
⸗
gesetzte nach des andern Tod
wiederum darzu gelanget, finden sich
aus Hoffnung des Gewinnstes Leute genug, die ihm mit der benoͤthig⸗
ten Summa an
die Hand gehen; dann da werden diese Unkosten
aus den geistlichen Pfruͤnden gezogen, und diejenige, die doch
der
grosse GOtt so wol im alten als
neuem Bund frey zu seyn erkläret,
mit allerhand Auflagen beschwehrt, also daß sie durch verschiedene
schlimme Streiche dasjenige erlangen
und behaupten, was der Hoͤch⸗
ste mit einem unschuldigen Gewissen
und umsonst will erhalten und
mit
Oo
3
- 344 -
294
Drittes Buch /
Vierte Abtheilung /
mitgetheilet haben. Geschiehet dieses
nun in den geringen geistlichen
Bedienungen / was Wunder, wann man zu dem höchsten Gipfel
der Kirchen⸗Dignitæt gleichfalls
durch verbottene Kuͤnsten und der
so
oft vermaledeyten Simonie gelanget; dahin man zwar um Erledi⸗
gung des Verdrusses bey
solcher schwehren Türkischen Dienstbarkeit
noch wol durch Erlegung eines Stuͤck Gelds kommen koͤnnte,
wann
nur nicht der verfluchte Neid es
dahin gebracht, daß bey Verge⸗
bung solcher Stelle ein
öͤffentlicher Wucher damit getrieben wuͤrde.
Gebeine
der
Heili⸗
gen werden
verkauft.
Doch bleibt es nicht allein dabey / daß man die geistlichen Benefi⸗
cien mit Geld
an sich kauft, sondern es muͤssen auch so gar der Hei⸗
ligen Gebeine zur
Ersättigung ihres Geitzes dienen, als welche diese
Patriarchen gleichfalls um Geld
loß⸗schlagen. Der öfters gemeld⸗
te Monsieur Dumasrambois hat mir selbst erzehlt, wie er eine gan⸗
ze noch mit
der Haut bedeckte Hirnschale von weiß nicht was für ei⸗
nem Heiligen von dem Patriarchen um etliche Ducaten an
sich ge⸗
kauft,
worbey er zwar vorgegeben, daß er für solches Geld etwas
in die Kirche schaffen wolle, so
aber wol niemal geschehen wird. Jm
Kirchen Re⸗
giment der
Grichen.
übrigen ist das ganze Kirchen⸗Regiment der Grichen durch etliche
we⸗
nige
Patriarchen bestellt, davon der zu Constantinopel das Haupt
ist, und so viel als bey uns der Römische Pabst gilt. Der Pa⸗
triarch zu Jerusalem hat
die Aufsicht uber die Kirchen in dem
gelobten Land; der zu Antiochien wohnet zu Damasco / und re⸗
giert die Kirchen in
Syrien / Mesopotamien / Caramanien,
in denen Asiatischen Provinzen: der Alexandrinische häͤlt sich zu
Cairo in Egypten auf, und ist üͤber
die Gemeinen in Africa
und Arabien
gesetzt, die übrigen Haupt⸗ und andere Kirchen aber
sind dem Patriarchen zu Constantinopel unterworffen. Auf
die Patriarchen folgen die
Erz⸗Bischöͤffe / Bischöffe / Weyh⸗
Bischöffe / Πάππαι oder weltliche
Priester / so an kein Gelübd
gebunden sind, und dann die Caloyers, Ordens⸗Geistliche oder
Basilianer / ausser welchen Orden
sonst keiner in ganz Grichen⸗
Land anzutreffen ist, als die sich
nicht, wie die andern, verheyrathen duͤr⸗
fen, weswegen alle Patriarchen /
Erz⸗Bischoffe / Bischöffe
Die
Erz⸗Bischöffe /
Bischöffe /
rc. in der
Grichischen
Kirche dör⸗
fen nicht
verheyra⸗
thet
seyn.und Vorstehere aus ihnen genommen werden; sintemaln in ihrer
Kirche keine, als die ein von
der Gemeinschaft der Weiber abge⸗
sondertes Leben führen, zu solchen
Ehren⸗Stellen gelangen können:
denen
andern Geistlichen aber ist in dem Ehe⸗Stand zu tretten er⸗
laubt,
- 345 -
Von der Grichischen
Kirch Patriarchen / u.a.m.
295
laubt, wie dann auch die meinsten
unter ihnen Weiber haben / aber
eben
deswegen von hoͤhern Bedienungen in der Kirche ausgeschlos⸗
sen werden; hat sich aber
jemand von Jugend auf der Weiber ent⸗
halten, so kan er zu höͤhern Aemtern
gelangen / wann er gleich nur
ein
weltlicher Geistlicher ist. Es ist aber bey der Ehe dieser Priester
Weltliche
Priester
dörfen sich
nur einmal
verheyra⸗
then.
wol zu merken, daß sie erstlich noch
vor empfangener Weyh hey⸗
rathen muͤssen; und dann auch, daß sie nach Absterben ihres
ersten
Weibes keine andere mehr
freyen doͤrfen, wenn sie noch Priester
zu werden verlangen; dahero sie sich eine junge und schöne
aussu⸗
chen, und das Sprich⸗Wort verursacht haben, daß man zu sagen
pflegt: sie ist so schoͤn / als wie
eines Priesters Frau: Eben⸗
falls darf auch diejenige, welche
sich mit einem Priester verWie auch
ihre Wei⸗
ber.
⸗
maͤhlt, nach
dessen Absterben nicht zur andern Ehe schreiten, sondern
muß auch oft wider ihren Willen,
Witwe bleiben, ob sie schon au⸗
ser diesem sich so wol, als andere,
noch zweymal verheyrathen
dörfen.
Abnahm
der Grichi⸗
schen Kirche
unter den
Türken.Die Grichische Kirche hat von der Zeit an, da dieses Reich
der Tüͤrkischen Macht unterliegen muͤssen, sehr viel von ihrer ehma⸗
ligen Beschaffenheit verlohren, worzu auch die so schlecht eingerich⸗
tete Unterweisung der Grichischen Möͤnche und ihre greuliche Tumm⸗
heit sehr viel beygetragen / welche so groß ist, daß ihre obersten Vor⸗
stehere oft kaum recht lesen und schreiben koͤnnen. Aber was ist auch
wol von derjenigen Kirche zu hoffen, deren Haupt nicht von Goͤtt⸗
licher Schickung, sondern dem geschwohrnen Christen⸗Feind, er⸗
wählt und bestättiget wird, als welches folgender gestalt zugehet:
Wann das hierzu erforderte Geld erlegt ist, gibt ihm der GroßEinsetzung
des Patri⸗
archen.
⸗
Vizir das Patriarchen⸗Hütlein, und zwey Ehren⸗Kleider oder
Caftans, so von gar schlechten Zeug gemacht sind, denen andern
aber aus seinem Gefolg lässet er nur eines reichen; diese ziehen sie
alsdann an, verfüͤgen sich damit zur Kirchen, wohin sie ein Capi⸗
gi Baschi oder Kaiserlicher Caͤmmerling, welcher voran gehet, nebst
einigen Chiausen begleiten. Daselbst verrichtet der Erz⸗Bischoff
von Heraclea die Kirchen⸗Ceremonien, und installirt zugleich die⸗
sen neuen Patriarchen / welches Recht jener von dem Kaiser
Constantinus her hat, so Er denen zu Herclea Kraft eines
Privilegii ertheilt, weil Er diese höͤchste Wüͤrde in der Grichischen
Kirche
- 346 -
296
Drittes Buch / Vierte Abtheilung /
Kirche von ihnen hieher nach Constantinopel verlegt hat; dahero
wir auch nicht läugnen, daß in der Grichischen Kirche noch heuti⸗
ges Tags wahre Vorstehere und Priester zu finden, so aber wegen
der Absonderung von der Röͤmischen Kirche weder rechtmäͤßig ge⸗
weyhet noch gesalbet sind.
Bis hieher hat die Pest diese Gegend noch nicht gaͤnzlich ver⸗
lassen, ob gleich die gemeine Rede gieng, daß sich solche schon laͤngstens
gelegt habe; angesehen ein Priester aus dem Orden des H. Fran⸗
Verstorbe⸗
ne Perso⸗
nen.ciscus / der in Verrichtung der Liebes⸗Werke bey einem Kranken
ihm unwissend damit angesteckt worden, es drey Tag darauf / als der
17. November, mit dem Leben bezahlen müͤssen, deme ein Leyen⸗
Bruder bald darauf, nemlich den 4ten December gefolget ist / wor⸗
durch die übrige gezwungen worden, ihre Wohnung 40. Tag lang
zu verlassen, und ihre Kirche diese Zeit hindurch zu verschliessen; wie
dann auch ein Canzelist aus dem Hof⸗Kriegs⸗Rath mit Namen
Franz Xavier Kemmeter / wie wol an einer andern Krankheit,
dieses Zeitliche gleichfalls gesegnet; dann nachdem er lange Zeit mit
dem dreytägigen Fieber behaftet gewesen, und keine Arzney bey ihm
anschlagen wollen, auch über dieses mit einer Gemüths⸗Krankheit
überfallen worden, und sich eine gewisse Zaghaftigkeit an ihm geäus⸗
sert, ist ein hitziges Fieber darzu gekommen, welches ihn einige
Tag hernach von dieser Welt weggenommen, nach dem man ihn
zuvor mit allen heiligen Sacramenten versehen: er hat aber seinen
Willen in die allweise Schickung GOttes gänzlich ergeben, auch
diesen erfolgten Todes⸗Fall mit Benennung des Tags und der Stun⸗
de seinen um ihn herzlich betrübten und damals herumstehenden gu⸗
ten Freunden gar eigentlich vorgesagt: ist auch nicht weniger bey
diesem seinen Todes⸗Kampf von zweyen beständig bey ihm ausdau⸗
renden Geistlichen aus der Gesellschaft Jesu gestärket, und mit
Vorbetung der drey Theologischen und übrigen Tugend⸗Acten ver⸗
tretten worden, bis er unter so schöner Zubereitung den Geist in
die Hände seines Schöpfers geliefert; worauf man den Leib den
Tag darauf um 9. Uhr auf dem Catholischen Kirchhof ausserhalb
Pera mit gewöhnlichen Ceremonien zur Erden bestattet, den die
mehriste Domestiquen / viele aus dem Adel, und alle Priester,
die letzte Ehre angethan und bis zu seiner Ruhe⸗Stätt begleitet ha⸗
ben,
- 347 -
Von der Grichischen Kirchen / Patriarchen, u. a. m.
297
ben, wie dann so gar Jhro Hochwuͤrden der Herr Abt zu Dom⸗
ben sich dabey eingefunden und dißfalls seinen Eifer und Liebe
nicht unbezeigt gelassen.
Nachdem der Graf von Althan etliche Tage auf guten Wind Abreise des
Grafen
von Althan
und Herrn
Breitenau
nach Frank⸗
reich.
gewartet, ist er mit dem Herrn von Breitenau aus dem zweyten
Adel denen Grafen Besora und Sebastida diesen Nachmittag
nacher Marsilien gefolget, als er vorher bey dem Französischen
Gesandten zu Mittag gespeiset hatte. Um diese Zeit kam auch der
Herr Botschafter mit dem Grafen Bathyani / Nesselrode
und Scherftenberg / samt dem Freyherrn von Zweiffel von der
Jagd wieder zuruck, und so bald Er das Mittagmal eingenommen,
begab Er sich zu vorbesagten Französischen Gesandten, um daselbst
mit annehmlichen Gesprach den Abend zu passiren. Eben an diesem
Tag holte ein Vätter von dem Holländischen Gesandten den Gra⸗
fen von Thierheim nebst noch einigen andern nach der Stadt ab, Hochzeit
der Tochter
des Hollän⸗
dischen
Dollmet⸗
schen.
wohin sie sich üͤber den Canal fuͤhren liessen, um daselbst die Trau⸗
ungs⸗Ceremonie bey der Hochzeit der Tochter des Holländischen
Dolmetsch mit anzusehen, nachdem sie schon vorher den 14. No⸗
vember der Verloͤbnis beygewohnt. Daselbst nun wurden sie in ein Morgen⸗Gab der
Grichen.
Zimmer geführet, welches mit unterschiedlicher feiner Leinwand,
Kleidern, Teppichen, Polstern und anderer Ausstaffirung versehen
war; an der Vertäflung aber hiengen unterschiedliche auf Tüͤrckische
Art schön⸗ und mit Gold reich gestickte Tuͤchlein, und hat man alle diese
Sachen zusammen auf 20. Beuteln oder 10000. Thaler, so im
Gold 13335. Ducaten ausmacht / æstimirt, ohne den Schmuck und
das Gold, so in 6. Beuten aufbehalten wurde; dabey auch eine
Sclavin stunde, so man gleichfalls mit gegeben, und hier auf alle diese
Kostbarkeiten die Aufsicht haben muste. Bey den Fenstern sahe Grichisches
Frauen⸗
Zimmer.
man eine Menge Grichisches Frauenzimmer so sich wie irrdische Goͤt⸗
tinnen in netten Aufbutz præsentirten, als deren Haupt, Hals,
Brust, Armen, Füsse und ganzer Leib auf das artigste und kostbar⸗
ste mit den schönsten Blumen, Gold / kostbarn Steinen, Perlen
und Bändern gezieret waren; sie sassen zusammen auf den kostbarJhre ge⸗
wöhnliche
Art zu si⸗
zen.
⸗
sten Polstern mit unter sich über einander Creutz⸗weiß geschlagenen
Füssen, und war also, daß die völligen Füͤsse mit den Schien⸗Beinen
ihnen statt eines Stuhls, worauf der ganze Leib ruhete, die Knie
aber zur Lehne dienen musten / auf welche sie die Hände ganz sitsam
leg⸗
Pp
- 348 -
298
Drittes Buch/ Vierte Abtheilung/
legten; und dieses ist des Frauenzimmers hier zu Land gewöhnliche
Kleidung. Art zu sitzen / ihre Kleider aber folgende: auf dem Haupt haben sie
eine Hauben, die gegen das Ende zu gespitzt, wie ein Kegel / und et⸗
was über die eine Schultern herab hanget, womit sie insgemein das
linke Ohr bedeckt, das rechte aber blos haben, so daß dieses kaum ein
wenig von der Hauben beruͤhrt wird; ist aber dieses bedeckt / so ruht
die Hauben etwas weniges auf dem linken, und stehet gleichsam nur auf
demselbigen auf. Es sind solche Hauben gemeiniglich von Sammet
oder einem andern silbernen oder guldenen gewuͤrkten Zeug, um wel⸗
che sie ein schöͤn gesticktes zwey oder drey Finger breites Tüchlein
gar artig zu winden pflegen, danebst werden sie nicht weniger mit al⸗
lerhand Blumen geziert, so / daß allenthalben die Diamanten
und Perlen auf das anmuthigste durchschimmern. Unter solcher
Hauben reichen die in Locken geflochtene Haare weit über den Rü⸗
cken hinab, und legen ihnen eine neue Annehmlichkeit bey. Um ih⸗
ren Hals liegt entweder ein gefaͤrbtes Tuͤchlein, oder eine mit Stei⸗
nen besetzte guldene Ketten, haben auch wol solchen zum öͤftern nur
ganz blos, welcher solcher massen mit seiner angebohrnen weisen Farb
mehr als mit allen andern Zierrath pranget. An ihrem Leib tragen
sie ein subtil⸗ und fast wie eine Spinnen⸗Web gesponnenes leinwan⸗
den Hembd, worunter sich die Schnee⸗weisen Bruͤste vor den Au⸗
gen ihrer Anbeter zu bedecken suchen. Ein seidenes mit guͤldenen Blu⸗
men vermengtes langes Weiber⸗Kleid, welches mit vielen kleinen
Knöpflein zu gemacht ist, liegt ihnen so genau an, daß man alle Be⸗
wegungen der Glieder dardurch beobachten kan / um welches sie ei⸗
nen drey Finger breiten und mit Steinen besetzten Guͤrtel tragen,
im übrigen aber keines Schurz⸗Tuchs nöthig haben. Sie pflegen
auch über diese Kleidung noch eine andere anzulegen, welche mit Zo⸗
bel oder Hermelin gefüͤttert, an dem Hals entweder zusammen ge⸗
bunden oder mit einer Steck-Nadel fest gemacht ist: beide gehen bis
über die Füsse, davon aber das erste aufgeschüͤrtzt, daß man die Ho⸗
Hosen des
Grichis.
Frauen⸗
zimmers.
sen an statt des Rocks, sehen kan / worinn sie es also den Manns⸗
Personen nachmachen. Erst⸗besagte Hosen sind sehr weit, aber doch
darbey leicht, und nur von feiner Seiden oder duͤnner Leinwand ge⸗
macht, an deren Ende schone, insgemein von zarten gelben Leder
verfertigte Pantoffeln fest gemacht werden / über welche sie aber,
wann sie über die Gassen gehen, noch andere Schuhe anziehen, so
sie
- 349 -
Von der Grichischen Kirchen Patriarchen / u a.m.
299
sie jedoch, wann sie in ein Zimmer kommen, wieder ab⸗ und andere, Schuhe
des Grichi⸗
schen Frau⸗
enzimmers.
die sie Paposchen nennen, und sich jederzeit durch eine Magd mit
tragen lassen, dargegen anlegen, die entweder etwas voraus gehet,
oder hinten nach tritt. Wann sie ausser ihrem Zimmer in dem Hauß
herum gehen, bedienen sie sich noch einer andern Art, so etwas ho⸗
her, als die vorigen, damit sie ihre schoͤne Kleider nicht verunreinigen,
wann sie solche auf der Erden nachschleifften; selbige aber bestehen
aus zweyen Bretlein / worüber zwey lederne Riemen gezogen und
mit einem Nagel fest gemacht sind, zwischen welche sie so dann die
Füsse hinein stecken; und kommen fast heraus, als wie diejenige, so
in unserm Lande die Franciscaner⸗Möͤnche zu tragen pflegen. Doch,
wir haben einmal genug von der Kleidung geredet, laßt uns nun wie⸗
der zu dem Frauenzimmer selbst kehren / um zu sehen, wie die Hoch⸗
zeit ihren Anfang genommen hat.
Unser Adel wurde gleich bey dem Eintritt neben diese Matro⸗
nen auf die Polster logirt, da dann alsobald etliche lustige Verse von
den Türckischen Fatz⸗Narrn abgesungen und unterschiedliche Tänze
von ihren Täͤnzern gehalten worden, worauf auch das Frauenzimmer
mit einander nach ihrer Art lustig herum gesprungen. Hierbey wur⸗
den allerhand suͤsse Fruͤchte, mit Zucker oder Honig eingemachte Nuͤsse,
Zucker⸗Brod, Pomeranzen, Citronen⸗Schalen, Mantel⸗Gebackens,
unterschiedliche gewüͤrzte Getränke, Rosen⸗Wasser zum Händ wa⸗
schen, Rauchwerk von Ambra und Bisam herum gelangt, die Spie⸗
le und Tänze alsdann wiederholet, und damit diese erste Fröͤlichkeit
bey Ausstellung der Morgen⸗Gab geschlossen. Zwey Tage darauf
folgte die andere, und versammleten sich anfangs die nechsten An⸗
verwandten beiderley Geschlechts, wie auch die uͤbrigen eingeladene
Gäste / in schönster Kleidung: der Bräͤutigam, wie auch der ConHochzeit⸗Mal.
⸗
stantinopolitanische Patriarch, der von sechzehen Kirchen⸗Vätern,
so sie Metropoliten nennen, und andern begleitet war, ist mit ei⸗
ner Türkischen Music empfangen und zugleich in den Speiß⸗Saal
hinein gefüͤhrt worden, allwo sie sich auf die in schoͤnster Ordnung
gelegte Sofaus nieder gelassen haben. Den Mittlern als den vor⸗
nehmsten Ort hat der Braͤutigam eingenommen, zu dessen Rechten
der Patriarch mit seinem Gefolg / zur Linken aber der Braut⸗Füh⸗
rer, so diesesmal Maurus Cordatus / der oberste Dolmetsch bey
der Pforten gewesen, sich niedergelassen; neben diesen haben sich so
dann
Pp 2
- 350 -
300
Drittes Buch / Vierte Abtheilung /
dann die Bekannten und Freunde, wie auch die Unsrigen samt den Hol⸗
länder, und zwar wie sie darzu gekommen, nieder gelassen. Alsdann
wurden wiederum allerhand Getränke und Säfte nebst verschiedenen
eingemachten Schleckereyen herfür gelangt, und auch des Rauch⸗
werks nicht vergessen; dabey sich die Tänzer, welche in Weibs⸗Klei⸗
dern aufgezogen kamen, mit ihren Spielen und Possen mitten in dem
Speiß⸗Saal abermal præsentirten. Hierauf hat man den Bräu⸗
tigam in der Braut⸗Kammer geführt, die, wie man dazumal vor
gewiß sagte, zuvor einander noch niemal gesehen hatten. Diese saß
daselbst oben an unter einem Blumen⸗Cranz / und war auf das kost⸗
barste und zierlichste geschmückt, um sie herum aber saß das Grichi⸗
sche Frauenzimmer, so sich ebenfalls in den schöͤnsten Aufbutz dabey
sehen liesse. Hier noͤthigte die Braut den Bräutigam zu ihrer Rechten,
welche er auch, nachdem er zu ihr hinauf gestiegen, eingenommen.
Jch kan indessen nicht eigentlich sagen, ob allhier die rechte oder lin⸗
ke Hand den Vorzug habe, sintemaln ich von niemand deswegen
rechten Bescheid erhalten koͤnnen, angesehen sie durch einander sitzen,
und in ihren Kirchen der HERR Christus seiner Mutter öfters
Hochzeit⸗Geschenke. zur linken Hand stehet. Jndem sie nun so bey einander gesessen,
wurden die Geschenke, so die Gäste für die neue Eh⸗Leute mit ge⸗
bracht, zu ihren Füͤssen gelegt, und da niemand mehr was bringen
wolte, machte sich der Braͤutigam wieder von hier hinweg, und nahm
Kirchen⸗Ceremo⸗
nien.in dem Speiß⸗Saal seinen vorigen Ort ein. Bald hierauf begab
sich der Patriarch mit seinen Geistlichen in die Mitte des Zim⸗
mers, und wurde die Braut in Begleitung ihres Frauenzimmers her⸗
bey gebracht; und ob schon kaum 15. Schritt bis dahin waren,
so hat sie sich doch gleichwol auf dieser Reise über eine Viertelstun⸗
de aufgehalten, ehe sie hieher gekommen, weil sie sich nach Lands⸗
Gebrauch so langsam im Gehen bewegte, daß man es kaum mer⸗
ken kunte. Hierauf haben die Kirchen⸗Ceremonien ihren Anfang
genommen, wobey der Patriarch die gewoͤhnliche Gebete und an⸗
dere Solennitäten verrichtet, denen Verlobten die Ringe an die
Finger gesteckt / aus einem Glaß zu trinken geben, hernach dassel⸗
bige an einem Stein in Stuͤcke zerschmissen / damit aber das Ge⸗
gentheil zu verstehen geben wollen, nemlich, gleichwie dieses Glaß
nun nicht mehr zu ergänzen stünde; also könnte auch ihr ehliches
Band vor ihrem Tod nicht wieder aufgeloͤßt werden. Nach diesem
haben
- 351 -
Von der Grichischen Kirchen Patriarchen / u. a.m.
301
haben die Braut, die vorher von Männern heraus gefuͤhrt worden,
zwey Weiber wieder zurück nach ihrer Cammer an ihren vorigen Ort
gebracht; dabey sie sich dann gleicher Geschwindigkeit im Gehen /
als zuvor, beflissen, der Bräͤutigam aber verfuͤgte sich mit dem PaGastmal
zu Hochzei⸗
ten.
⸗
triarchen und üͤbrigen Suite nach dem Zimmer an die für sie ge⸗
deckte Tafel / woran sie sich insgesamt nieder gelassen. Hier sind nun
auch so gar diejenigen von uns eingeladen und ein eigener Tisch füͤr
sie gedeckt worden / welche nur aus Curiosité, die Ceremonien mit
anzusehen sich allhier eingefunden: es wolten ihnen aber die auf Tuͤr⸗
kische Art zugerichtete Speisen lang keine solche Begierde zum Es⸗
sen erwecken, als grosses Verlangen sie bezeigten, das Grichische
Frauenzimmer in ihren besondern Zimmern speisen zu sehen, so ih⸗
nen auch aus einer ausserordentlichen Gefälligkeit erlaubt worden.
Jndem man nun hier zu Tische saß, ließ sich die Türkische Music
mit Schalmeyen, Cymbeln und darein gemischten Gesang bestäͤn⸗
dig hören: die Tänzer, Fatz⸗Narrn und Gauckler contribuirten das
Jhrige gleichfalls zur Vermehrung der Kurzweil, und also hatte man
die ganze Nacht in lauter Lust und Frölichkeit zu gebracht, da indessen
der Dolmetsch von der Pforten von Constantinopel nacher Pera
geschickt worden, um mit dem Herrn Groß⸗Botschafter von
wichtigen Sachen sich zu unterreden: wie dann auch in dieser Zeit
bey Sr. Excellentz der Französische Gesandte auf eine freundliche
Unterredung zugesprochen.
Fünfte Abtheilung.
DEn 21. November / am Tage der Aufopferung Maria,
haben sich Se. Hoch⸗Gräͤfliche Excellentz mit Jhro
Hochwürden dem Ertz⸗Bischoff zu Ancyra, Vi⸗
ce-Patriachen zu Constantinopel / Herrn Pater Raymun⸗
dus, Dominicaner-Ordens, samt vielen aus dem Adel und einigen
andern nach Chalcedonien in Asien übersetzen lassen, welche
Stadt gegen Constantinopel über an dem Ufer liegt/ und von Bericht
von dem
Chalcedo⸗
nischen
Concilio.
dem daselbst A. 454. gehaltenen Concilio berühmt ist, das zur
Herstellung der vorigen Authorität des Ephesinischen Concilii,
und Verwerfung der Eutichianischen Lehre von einer Natur in
Chri⸗
Pp 3
- 352 -
302
Drittes Buch / Fünfte Abtheilung /
Christo angestelltworden, in Hofnung, etwan noch einige Denkwür⸗
digkeiten daselbst anzutreffen. Allda siehet man nebst der von den
Türken auferbauten Moschee noch eine kleine Capell, worzu ein Gri⸗
chischer Geistlicher mit geringen Einkuͤnften bestellt ist, von welcher
bemeldter Pfarrer behaupten wollen, daß sich darinnen die Väter
zu dem in aller Welt so beruͤhmten erst gedachten Concilio versam⸗
let hatten; als man ihm aber vorstellete, wie solches unmoͤglich we⸗
gen des engen Raums seyn koͤnnte, sintemaln diese Versammlung
aus 360. Vättern bestanden, und dahero sich nothwendig an einem
so kleinen Ort einer auf dem andern hinauf gesetzt haben müͤste: wu⸗
ste er sich aus dieser Verwirrung auf das listigste heraus zuwickeln,
wann er sagte, daß darinnen nur der Anfang darzu gemacht worden,
da die Anzahl noch nicht so groß gewesen, nachgehends aber, als
solche immer hoͤher angewachsen / hätten sie sich nach dem eine Stund
weit von hier liegenden Kaiserlichen Pallast begeben, und das ange⸗
fangene Concilium in dem von dem Kaiser Marcianus, der Pulche⸗
riæ Gemahl / darzu her gegebenen Audienz-Saal zu Ende gebracht.
Diese Nachricht des Geistlichen war auch nicht so gar ungegruͤndet,
Anerwogen aus denen Kirchen⸗Scribenten bekannt ist / daß die Vät⸗
ter nicht alle zu einer Zeit angekommen, sondern sich erst nach und
nach eingestellt haben / auch einige aus ihnen allda gestorben seyn.
Der H. Ey⸗
phemia
Grab. Er berichtete ferner, daß vier Stadien weit von hier der Heil. Ey⸗
phemia Grab auzutreffen seye, deren Gebeine, wie ich oben schon
erzehlt, in der Patriarchal⸗Kirchen zu Constantinopel aufbe⸗
halten werden, weswegen er sie auch dahin gefüͤhrt hatte. An dem
Ort, wo man vorgibt, daß sie gelegen seye, siehet man einen Gang,
Heilsames
Wasser. oder vielmehr eine Cisterne / worinnen Wasser stehet, welches sie
vor heilig ausgeben, und ihren Bericht nach für unterschiedliche
Krankheiten gut seyn solle, wie die Erfahrung schon öͤfters bezeugt
hätte.
Vom 23. November bis auf den 14. December ist wenig
Merkwürdiges vorgefallen, und also nichts zu berichten, als das vie⸗
le Türkische und andere Schiffe aus allen Enden der Welt ange⸗
kommen, von dem Herrn Botschafter und dem Adel auch an⸗
dern Bedienten verschiedene Jagden in Europa und Asien ange⸗
stellt, und fremde Gesandtschaften, namentlich der Franzoͤsische /
Engelländische / Venetianische und Holländische / zur Be⸗
zeugung
- 353 -
Reise nach Chalcedonien/ und andern Zufäͤllen.
303
zeugung guter Freundschaft besucht, auch Se. Excellenz von den
drey letztern zu Mittag, von dem ersten aber zum öftern zu Abends
nebst den andern Herrn Gesandten und dem Adel tractirt worden;
so hat auch nicht weniger der Adel bey guten Freunden gespeißt, auch
der Französische Gesandte so wol sie als auch den Herrn Botschaf⸗
ter selbst auf seinen an dem Canal gelegenen Land⸗Gut Darapia
zur Tafel gehabt. Es wurde auch von unserm Herrn Groß⸗
Botschafter der Holläͤndische Gesandte nebst den zweyen Ab⸗
geordneten von Ragusa eingeladen, darunter diese einen ganz
besondern Aufzug gemacht, indem sie mit einem nach Lands⸗Ge⸗
brauch langen Rock gekleidet und dabey mit einem schwarzen langen
Bart und weisen Parucken versehen waren: so bekamen auch Se.
Excellenz noch von andern Gesandten unterschiedliche Visiten.
Damals liesse auch der Roͤmisch⸗Kaiserliche Dolmetsch Dem Röm.
Kaiserl.
Dolmetsch
wird ein
Kind ge⸗
tauft.
Herr Theyls eine Tochter tauffen, welche Sr. Excellenz der
Herr Groß⸗Botschafter und des Englischen Dolmetschen Eh⸗
Liebste bey dieser Heil. Handlung mit Red und Antwort vertretten;
der Herr Prælat aber bey der Botschaft, Graf von Schratten⸗
bach / hat. in Gegenwart des Ertz⸗Bischoffs von Ancyra und des
neugebohrnen Kinds Groß⸗Mutter, auch Vaters⸗ und Mutters⸗
Schwester mit andern vornehmen Matronen die Tauf verrichtet, so
alle von vieren aus dem zweyten Adel, als denen Herren von
Schmieddegg / Wetstein / Camber und Mattoni von Hauß
abgeholet, und zu Mittag nebst des Französischen Gesandten
Frau
Gemahlin und andern Französischen Frauenzimmer, welche sich all⸗
hier eingefunden, von dem Herrn Botschafter zu Mittag tractirt
worden.
Um eben diese Zeit haben Sr. Excellenz der Janitscharn Presente
an den Hn.
Botschaf⸗
ter.
Aga ein Present von Blumen gemacht; der Groß.Vizir aber
schickte Jhnen 10. Beutel zu, so an Geld nach unserer Rechnung
5000. Thaler oder 1666⅔. Ducaten ausmachen, und erhielten zu⸗
gleich in Faveur der Gefangenen zwey Ferman oder Kaiserliche Di⸗
plomata. So ist auch dazumal der Capudan Bascha oder ObBestätti⸗
gung des
Capudan
Bascha in
seinem
Amt.
⸗
rister über das See⸗Wesen auf eine gewisse Zeit in seinem Amte
wiederum confirmirt worden, weswegen er viele Freuden⸗Bezeu⸗
gungen angestellt, das grobe Geschuͤtz um das Zeug⸗Hauß loßbren⸗
nen / und seinen Hauß⸗Bedienten neue Freyheiten angedeyen lassen.
Es
- 354 -
304
Drittes Buch / Fünfte Abtheilung /
Es soll ihm diese Bestättgung 43. Beutel oder 21500 Thaler, so
im Gold 7166⅔. Ducaten austrägt, gekostet haben / worzu aber
seines Sohns Tapferkeit das meinste contribuiret, als der den ob⸗
gedachten Französischen See⸗Rauber mit verfolgen helfen, selbigen
Ankomme⸗
ne Brieffe
von Wien
auch am ersten ausgespüͤhrt und angegriffen. Unterdessen kamen ei⸗
nige Sack⸗Uhren von Wien an, womit der Bostangi Bascha
und Reichs⸗Efendi beschenkt worden; wir erhielten auch zugleich
Brieffe von Wien so wol durch diejenige, welche neulicher Zeit die
Löwen dahin geführet, als auch diese / so ohnlängst den Baron
Seebach / unsern gewesenen Hof⸗Marschalk, und den Ungarischen
Kaufmann bis an die Gränzen begleitet haben: dargegen wir von
hieraus wiederum andere Schreiben dorthin abgehen lassen. Aus
solchen übermachten Brieffen haben wir mit besondern Vergnüͤgen
ersehen / daß sich das übrige Theil Siciliens samt der Stadt
Messina den 11. October an die Teutschen ergeben / und die Be⸗
satzung zwar mit gewöhnlichen Ehren Zeichen doch ohne grobes
Garantie
von den
Gränzen.Geschütz ausgezogen seye. Wir haben auch zugleich vernommen,
daß niemand mehr aus der Türkey oder Grichenland den Kaiserli⸗
chen Boden betretten darf, bevor auf der Gränze die gewöhnliche
Garantie von drey und vierzig Tagen gehalten worden, woraus
wir leicht urtheilen kunten, daß der Baron Seebach / Obrist⸗
Wacht⸗Meister von dem Virmondischen Regiment/ nebst ei⸗
nigen andern, so erst nach ihm abgereißt, sich noch auf der Gränze
befinden würden. Derjenige / so uns die letzten Brieffe über⸗
bracht, hat uns berichtet, wie er die neulich von hier verreißten
Lieutenants erst zu Philippopel angetroffen. Weil auch je⸗
mand von der Pforten zu dem Tuͤrckischen Botschafter nach
Wien abgehen solte, wurden Se. Excellentz von ihm ersucht, es
doch zu vermitteln, daß er sich nirgend aufhalten duͤrfte/ sondern
seinen Weeg ungehindert nach Wien fortsetzen könnte: es re⸗
monstirte aber der Herr Botschafter dargegen, wie es weder in
Seiner noch des Gränz⸗Commendanten Macht stehe / an diesem
zum gemeinen Besten zielenden Befehl ohne Vorwissen des Hof⸗
Kriegs⸗ und Gesundheits⸗Raths das geringste zu ändern: Er wolle
aber jedoch dieser Sache halber nach Wien schreiben, damit etwan,
so viel sich thun liesse, von der angesetzten Zeit nachgelassen würde,
wel⸗
- 355 -
Von der Stadt Chalcedonien / und andern Zufällen.
305
welches Se. Excellentz doch mehr darum versprochen / damit Sie
seines ungestuͤmmen Anlaufs entuͤbrigt seyn moͤgten, als daß Sie hät⸗
ten hoffen koͤnnen, wie Jhre Vorschrifft, welche Sie ihm gewiß um
des gethanen Versprechens willen haben angedeyhen lassen / dißfalls
was helfen und den Termin verküͤrzen solte.
Eines hätte ich bey nahe zu melden vergessen, so sich, wo ich
Siebenjäh⸗
riger Knab
lauft zu der
Botschaft.
nicht irre, den 26. November zugetragen, und mit Stillschwei⸗
gen nicht muß übergangen werden: Ein Türkischer Knab von unge⸗
fehr sieben Jahren ist von seinen Eltern gelaufen, und zu dem Baron
Romberg aus dem ersten Adel gekommen, den er sehr gebetten,
er moͤgte ihn doch verbergen, und mit sich nach Teutschland fuͤhren,
er wäre gesonnen, seine Religion zu verlassen, und die Christliche
dafüͤr anzunehmen / in welcher er auch unterrichtet zu werden verlan⸗
ge, woraus dann dieser Baron, als der einer andern als der Catho⸗
lischen Religion zu gethan, und auf die Wunder⸗Werke sonst nicht
viel haͤlt, hier gleichwol / weiß nicht was grosses machte / daß der
Knab eben zu ihm gekommen, und vermuthete, es sey darum gesche⸗
hen, damit diesem zarten Gemuͤth das Gift der Catholischen Lehre,
wie er es nennte, nicht moͤgte eingefloͤßt werden, welches nach mei⸗
ner Meinung so viel heissen solte: daß er nicht in den gesunden und
zum ewigen Leben fuͤhrenden Grund⸗Säͤtzen angewiesen wuͤrde; ich
achte aber, es duͤrfte ein anderer als er es mit gutem Recht für einen
ungefehren Zufall gehalten haben.
Den 14. dito, als Se. Excellentz der Herr Botschafter
Ungelegen⸗
heit des
Hn Bot⸗
schafters
mit einem
Weib.
nach Tophana zum Topchi Baschi oder Zeug⸗Obersten unter⸗
wegs war, einige neu⸗gegossene Stuͤcke und Galeeren, so auf dem
Canal über den Gieß⸗Hauß lagen / zu besehen / ist Jhnen ein un⸗
sinniges Weib nachgelaufen, welche nicht nur mit heller Stimm oh⸗
ne Unterlaß geruffen: Jaour / Jaour / sondern hat so gar mit
Koth und Steinen nach Jhnen geworfen, deren einer wuͤrklich den
Hut nechst bey dem Schlaff berührt hatte: es wolten sie zwar die
Janitscharn verfolgen / als welche die grosse Verwegenheit dieser
Vettel selbst verdrossen, aber der Herr Botschafter/ der sie
seines Zorns unwüͤrdig achtete, hat es nicht zugelassen, worüͤber sie
dann Zeit erhalten / sich unter das Volk zu mengen, und ist also füͤr
diesesmal ihrer wol verdienten Straff gluͤcklich entgangen.
Den
Qq - 356 -
306
Drittes Buch/ Fünfte Abtheilung /
Den 16. December wurde der füͤnfte Kaiserliche Prinz
Geburt
eines Kai⸗
serlichen
Prinzen.
gebohren / und deswegen die Stücke an dem Ufer des Serralliens,
zu Tophana / und auf den Jungfrauen⸗ oder den so genannten
Leanders⸗Thurn abgefeuert, und damit diese Freude allenthalben
ausgebreitet; weswegen der Herr Botschafter verordnet / ob er
gleich von der Pforte, als die von dergleichen Höflichkeit nichts
weiß, nicht erinnert worden, daß man Wein unter das Volk lau⸗
fen, Gastmahle anstellen / die Häuser illuminiren und Freuden⸗
Feuer anzünden solte; es ist aber solches verblieben, nach⸗
dem der neu gebohrne Prinz den Tag darauf wieder verstorben, wie⸗
wol auch einige zweifeln wolten, ob die enge Gassen und hoͤlzerne
Wohnungen dergleichen Illuminationen und Freuden⸗Feuer zulas⸗
sen wüͤrden. Hierauf giengen Se. Hochgräͤfliche Excellentz den
17ten dito üͤber den Canal / die Kirche der Ewigen Weißheit,
so die Türken Sophia nennen, zu besehen, es durfte aber keiner
von dem Adel seine Bediente mit nehmen, damit die Anzahl nicht
zu stark würde, weil es die Türken nur für etliche wenige erlaubet
hatten, weswegen Dieselbigen nebst dem Adel nur drey bis vier
von den Hauß⸗Officiers mit genommen, die andern aber bekamen
gleichwol solche zu einer andern Zeit zu sehen: es haben uns auch,
den ersten Adel ausgenommen, die geitzigen Türken, weiß nicht aus
wessen Angebung, nicht einmal die Schiffe bezahlt, sondern ein
jedweder muste aus seinem Beutel das Geld darzu herschiessen. In⸗
dem wir nun bey dem Capigi Baschi, Kaiserlichen Caͤmmerling,
als unsern Führer, uns aufhielten, und daselbst auf eine Antwort
warteten, um welche Zeit wir in die Moschee koͤnnten gelassen wer⸗
den / kommt der Dolmetsch Herr Theyls von Hof, und bringt die
Dessen Ab⸗
sterben. Zeitung / daß der gestrig⸗gebohrne Prinz heute früh wieder gestor⸗
ben, und weil selbiger in wenig Stunden solte beygesetzt werden, muͤ⸗
ste diese Besichtigung der Moschee bis zu einer andern Zeit aus⸗
Gegebene
Nachricht
hiervon an
den Herrn
Botschafter
von dem
Groß⸗Vi⸗
zir und
deswegen
abgestatte⸗
te Condo⸗
lenz. gestellt bleiben. Jndessen fertigte der Groß⸗Vizir einen Aga ab,
der den Herrn Botschafter von der Geburt und den Tod des
Kaiserlichen Prinzens in seinem Namen Nachricht ge⸗
ben solte / um welche Höflichkeit die Türken sich sonst keine Mühe
gegeben; worauf Se. Excellentz wieder antworten lassen, wie
Jhnen diese unerwartete Zeitungen von dem so früͤhen Absterben be⸗
sagten Prinzens um so viel mehr schmerze / je grössere Freude Sie
ge⸗
- 357 -
Von der Stadt Chalcedonien / und andern Zufällen.
307
gestern über dessen gluͤckliche Geburt bey Sich empfunden; wie Sie
dann Jhr daruͤber gefaßtes Vergnuͤgen so wol für Jhre Person, als
vornehmlich im Namen Jhro Römischen Kaiserlichen Ma⸗
jestät / seines Allergnädigsten Herrens / an Dero Ge⸗
nehmhaltung bey so guter Verständnuß zwischen beyden Hohen
Häuptern Sie keineswegs hätten zweifeln dörfen / zu öffentli⸗
chen Freuden⸗Bezeugungen bereits alle Anstalten vorkehren lassen,
man muͤsse aber nunmehro sich nach der Zeit richten und dem Goͤtt⸗
lichen Willen, der aus uns unbekannten heiligen Ursachen ein an⸗
ders mit dem Prinzen vorzunehmen beliebt, auch hierinnen erge⸗
ben; Sie wuͤnschten Jhrer Seits, daß durch einen anderweit ent⸗
stehenden glüͤcklichen Zufall dieser Verlust wiederum reichlich ersetzt
werden moͤge. Es meinten aber gleichwol einige zu Constantino⸗
pel, als ob von denen Tuͤrken selbst solcher Tod beschleunigt wor⸗
den / weil diese wilde Leute gar gerne in Gewohnheit hatten, wann
sie merkten, wie von dem Kaiser eine Concubin mehr als gewoͤhn⸗
lich geliebt wuͤrde, sie aber deren Fruchtbarkeit aus politischen Ur⸗
sachen scheueten, die Frucht abzutreiben / wann sie erst empfangen,
oder in der Geburt mit Fleiß zu verwahrlosen, oder auch wol gar,
wann das Kind bereits gebohren, selbiges durch einen gewaltsamen
Tod aus dem Weg zu räumen.
Sechste Abtheilung.
WEil wir nun um angefüͤhrter Ursach willen füͤr diesesmal die Sieben⸗
Thürne
werden
von dem
Herrn Bot⸗
schafter be⸗
sehen.
Moschee nicht kunten zu sehen bekommen, und doch gleich⸗
wol in Constantinopel waren, entschlosse sich der Herr
Botschafter, nach eingenommenen Mittag⸗Mahl bey dem Capi⸗
gi Baschi die in aller Welt so bekannte Sieben⸗Thuͤrne zu be⸗
sehen, damit Er bey Seiner Heimkunft auch etwas gewisses bey
Gelegenheit davon erzehlen koͤnnte. Zu diesem Ende wurden die benoͤ⸗
thigten Schiffe angeschafft, und jemand nach dem Groß⸗Vizir ge⸗
schickt, welcher die Erlaubnuͤß darzu begehren sollte, die Er auch
alsobald ertheilt hatte. Unterdessen wurde, so gut es die Eilfertigkeit
zulassen wolte, zum Mittag⸗Mahl angeschickt / welches, wie gewöhn⸗
lich,
Qq2
- 358 -
308
Drittes Buch / Sechste Abtheilung /
lich, auf Türkische Art zu gerichtet war; und weil wir einige Fla⸗
schen Rhein⸗Wein mit genommen, haben wir uns ganz wol da⸗
bey befunden, und die Türken sich solchen selbst besser als ihren
Scherbeth schmecken lassen. Nach eingenommener Mahlzeit bega⸗
ben wir uns nach derjenigen Seite der Stadt, welche gegen Mittag
an das Meer zwischen den Hellespont stosset, von dar wir zu
Schiffe nach den Sieben Thürnen abgefahren. Es liegen aber
dieselbige am Ende der Stadt, und zwar die vier grössern gegen A⸗
bend in einer Linie neben einander, davon die zwey mittlern vier⸗
die zur Seiten stehende aber sechs⸗eckicht sind. Gegen denselbigen
über gegen Aufgang liegen wiederum neben einander drey solche
Thürne, von welchen der mittelste viel höher und grösser ist, als die
beystehenden, und zwölf Eck hat, die zwey übrigen aber eine
runde Figur præsentiren. Zu diesen ist noch der achte gekommen,
und, wie es scheinet, von den Türken aufgeführt worden / kommt
aber den uͤbrigen an Gröͤsse bey weitem nicht bey, siehet auch ganz
anderst als die vor erzehlten aus, zu welchen man bey der Mauren
aus der Stadt hineingehet. Die sieben ersten haben die Römer
oder wie man sie auch nach der Landschaft nennen könnte, die Gri⸗
chen aufgebauet, und dahero den Namen der Sieben⸗Thürne be⸗
halten, ob deren gleich heut zu Tage achte gezehlet werden. Sie sind
alle mit Bley bedeckt, und mit einer besondern Mauer umfangen,
auf welcher wiederum viele kleine Thüͤrne stehen, also daß solche fast
eine kleine Stadt vorstellen; wie dann auch so viele Häuser da⸗
selbst angebauet sind / daß man sie auch nur deswegen für dergleichen
ansehen solte; und ob sie gleich an die grosse Stadt anstoßen, so ist
diese doch durch die herum gefüͤhrte Mauer von selbiger abgesondert,
auch mit ihren absonderlichen Moscheen versehen. Jn der Mitte
dieser viereckigten Thürne, so auf das Feld hinaus gehen, waren eh⸗
dessen drey grosse Pforten, davon man noch das Merkzeichen sie⸗
het, die aber jetzo zu gemauert sind, und an deren statt nur ein klei⸗
nes Pförtgen gemacht ist, wordurch man auf dem Wall hinaus ge⸗
Triumph⸗
Bögen.hen kan. Bemeldte Pforten aber sind vor Zeiten grosse Triumph⸗
Bögen gewesen, durch welche die Elephanten, so die mit Mannschaft
besetzte Thürne auf den Rücken hatten, nebst andern ungeheuren
Kriegs⸗Rüstungen geführt worden, wie es auch die ungemeine
Grösse und Weite dieser Thore, und deren übrige Auszierung
Gipfel,
- 359 -
Von den Sieben⸗Thürnen.
309
Gipfel, eingehauene Löwen, Tiger und allerhand andere Thiere zu
erkennen geben. Die Thuͤrne an sich selbst sind aus Quater-Stuͤ⸗
cken aufgefüͤhrt, welche an Schoͤnheit und Häͤrte dem Marmor
nicht viel nachgeben, ob sie solchen gleich nicht allerdings beykom⸗
men. Man kan auch noch einen andern nicht gar hohen Thurn
ausser der Stadt⸗Mauren auf dem Wall zur Linken des Wegs von
Adrianopel, beobachten, in welchem ein Creutz ausgehauen und
von den Tüͤrken oben darauf mit einem halben Mond mehr be⸗
schimpft als geziert ist: die so wol an diesem als allen uͤbrigen gestan⸗
dene Grichische Schrifft ist durch das Alterthum ganz unleßlich
gemacht worden; und weil man daselbst unterschiedliche Helme und
Worzu die
Sieben
Thüͤrne
sonsten ge⸗
braucht
worden.
Schilde gefunden, haben die Tuͤrken daraus geurtheilet, wie ich nach⸗
gehends selbsten von ihnen vernommen, daß die Roͤmisch⸗ und Gri⸗
chischen Kaisere ihr Zeug⸗Hauß allda müssen gehabt,
auch sich deren mit der Zeit wol gar zur Schatz⸗Kammer bedient ha⸗
ben. Es sind auch solche von den Tüͤrken selbst zu diesem Gebrauch
eine Zeitlang angewendet worden, wie dann dieses eben der Ort soll
gewesen seyn, wohin der Groß⸗Vizir Rustan seine gesammleten
Schätze gelegt und auf behalten hat / denen folgende Schrifft bey⸗
gefügt war: Pecuniae Rustani diligentiâ conquisitæ; Die durch
des Rustans gute Haushaltung zusammen gebrachte Schaͤ⸗
tze; wiewol Busbec schreibt, es seye dasselbige Zimmer in dem Kai⸗
serlichen Pallast gewesen; jedoch weil dahin der Groß⸗Vizir eben so
wenig als ein anderer kommen darf, ist es wahrscheinlicher, daß ge⸗
dachtes Geld in diesen Thuͤrnen aufbehalten worden, als wohin er
einen freyen Zutritt hat, auch, ausser jenem sonst in der ganzen Stadt
für Jhm nichts verschlossen ist, welche man aber nachgehends zu de⸗
nen allenthalben so bekannten Gefaͤngnuͤß gemacht, die auch bis die⸗
se Stund zu nichts anders gebraucht werden: Doch finden sich
gleichwol einige, so in den Gedanken stehen, daß die Kirchen⸗Schä⸗
tze noch bis jetzo darinnen aufbehalten würden, davon man aber
ausser in dem höchsten Nothfall nichts verwenden düͤrfte. Hierbey Vorgeben
der Türken /
von Abster⸗
ben eines
Röm. Kai⸗
serl. Ge⸗
sandten/
und Ver⸗
kauffung
seiner Be⸗
dienten.
erzehlten uns die Tüͤrken, daß unter der Regierung entweder Kaiser
Ferdinand des Ersten / oder Rudolph des Zweyten
ein gewisser Gesandter allda gestorben seye / dessen Hauß⸗Bediente
allzusammen auf die Galeeren verdammt worden: mich duͤnkt aber,
es
Qq 3
- 360 -
310
Drittes Buch / Sechste Abtheilung /
es haben diese gute Leute einen groben Historischen Fehler begangen,
und von der zweyjährigen Gefangenschaft des Johannes Maria
Gefangen⸗
schaft des
Joh Ma⸗
ria Mal⸗
vezzi.Malvezzi reden wollen, welchen der Groß⸗Vizir Rustan auf
des Kaisers Solymanns Befehl incarceriren, und alle seine
Leute, samt Haab und Gut ausruffen und verkauffen lassen. Nun
ist zwar nicht zu läugnen, daß zu Zeiten Kaisers Ferdinandi /
Glorwürdigsten Andenkens / als die Ungarn auf einen Vergleich
mit Johannes des Woywoden
Wittib und Sohn, der sich des
Königlichen Namens in Ungarn lange Zeit angemaßt, gar sehr ge⸗
trungen, Solymann es übel empfunden, daß dieser gegen Aus⸗
tauschung anderer Länder Siebenbürgen zu seinem Antheil bekom⸗
men, es ist aber doch Malvezzius dazumal nicht im Gefängnuͤß
gestorben, sondern bey Ankunft des Bischofs von Erlau
Anton
Wranz / und des Schif⸗Hauptmanns Franz Zay wiederum auf
freyen Fuß gestellt und mit des Solymanns Brieffen nach Hauß
entlassen worden. Als er aber hierauf nach geschlossenen Frieden,
als ordentlicher Botschafter nach Constantinopel zurück zu kehren
aufs neue Ordre gehabt, fand er sich gezwungen, zu Comorren
liegen zubleiben, weiln er mit der Harn⸗Strenge / welche ihm sein
Gefängnuͤß zugezogen, überaus geplagt war / und nachdem dieses
Ubel immer mehr und mehr zunahm, muste er es einige Monat
darauf mit dem Leben bezahlen, also daß er niemaln mehr nach Con⸗
stantinopel gekommen: und auf diesen ist so dann Augerius
Gislenius Busbec gefolget, welcher gleichfalls unter der Regierung
Kaiser Ferdinands zurück gekommen, ob er schon daselbst nicht
Erhaltene
Erlaubnüß
auf einen
dieser Thür⸗
ne zu gehen. ohne allen Verdruß geblieben ist. Wir haben die Erlaubnüß er⸗
halten, mit dem Herrn Groß⸗Botschafter auf einen dieser Thür⸗
ne zu gehen, und der armen Gefangenen Quartier zu besehen, wel⸗
ches wir gewiß von diesem argwöhnischen Volk als eine sonderbah⸗
re Gnade anzunehmen hatten, und zwar um so viel mehr, da ein
Maltheser Ritter vermittelst eines Französischen Gesandten Bey⸗
hülfe, welcher lange Zeit dessen Befreyung vergeblich gesucht, echap⸗
pirt; dann weil er frey in dem Gefaͤngnuͤß herum gienge, ersahe er
einsmals die Gelegenheit, mit einem kleinen Nachen nach einem
Französischen Kauffarthey Schiff zu fahren, und mit solchen nach
Frankreich zu segeln. Die Stiegen darinnen sind in die mehr dann
zehen
- 361 -
Von den Sieben⸗Thürnen.
311
zehen Werk⸗Schuh dicke Mauern eingehauen, auf welchen man sich
ohne Fackeln oder Latern ohnmoͤglich zu finden weiß, weil es darauf
so dunkel und finster, daß auch die geringste Ritze nicht zu sehen,
durch welche nur einiger Sonnen⸗Strahl hinein fallen koͤnnte. Die
Gefängnüsse selbst sind entweder in die Erde gewoͤlbt eingegraben,
oder in die Mauer eingehauen, und scheinen mehr Höͤlen der wil⸗
den Thiere als Wohnungen der Menschen zu seyn, die noch uͤber
dieses mit vielen Schloͤssern und Riegeln verwahrt sind, also daß
an keine Entfliehung zu gedenken, wo nicht der Kerker⸗Meister
oder Thürhüter einem selbst damit an die Hand gehet. An dem
obern Theil ist rings herum ein weiter Gang, in dessen Mitte aber
ein grosses Zimmer, aus welchem man einen grossen Theil von der
Stadt übersehen kan, und ist wahrscheinlich, daß vor diesem der
Sultan oder die Groß⸗Vizir bisweilen zu ihrer Recreation sich
allhier eingefunden, und die armen Gefangenen vor sich bringen
und peinigen lassen. Anjetzo, da der Wind das Bley allenthalben
herunter gerissen, dringt der Regen uͤberall durch, und sind auch
die Wände so schadhaft, und zum Theil eingefallen / daß mit nech⸗
sten das Wasser zu allen Seiten hinein schlagen, und auch das
Gebäu selbst nicht gar viele Jahre mehr dauren wird, wofer⸗
ne die Türken, wie sie es doch nicht gewohnt/ nicht bald auf eine
Ausbesserung bedacht sind. An diesem Ort werden nur
allein des Sultans Gefangene aufbehalten / so entweder vornehme
Generaln, oder andere Adeliche und in öͤffentlicher Bedienung ste⸗
hende Personen sind, die mit keinem Geld koͤnnen erlöͤßt werden/
wo sie nicht etwann durch eine Friedens⸗Handlung ihre Freyheit
wiederum erlangen.
Man gibt vor, es seye der
Wallachische Fürst, Constantin
Einiger
Wallachi⸗
schen Für⸗
sten Hin⸗
richtung.
Brancova / so diese
Landschaft sechszehen Jahrlang beherrschet,
aber erst kuͤrzlich wegen der mit den Moscowitern gepflogenen
Ver⸗
ständnuͤß mit drey Soͤhnen und einer Tochter,[29] so man insgesammt
vor seinen Augen hingerichtet / ein grausames Ende genommen,
an
eben den Tag aus diesen Thüͤrnen
auf den Richt⸗Platz geführt wor⸗
den, an welchem des Königs in Schweden
Carl des XII.
Gesandter bey dem Sultan
Audienz gehabt, damit nemlich die⸗
ses Exempel der Barbarischen
Grausamkeit den damals unter ihnen
leben⸗
- 362 -
312
Drittes Buch /
Sechste Abtheilung /
lebenden König in der Person seines Gesandten seiner Schul⸗
digkeit erinnern mögte. Ohne Zweifel
aber sind die Kinder
sammt dem Vatter
darum hingerichtet worden, damit niemand mehr
übrig wäre, der diesen ungluͤckseeligen Füͤrsten raͤchen
koͤnnte. Der⸗
gleichen sagt man auch von Stephanus / einem gleichfalls Walla⸗
chischen Fürsten, der aus dem uhr⸗
alten und edelsten Cantacuze⸗
nischen Geschlechte herstammte, daß
demselbigen gleiches Unglück
betroffen; dann weil man ihn im Verdacht hatte, daß er es mit dem
Römischen Kaiser hielte, ohnerachtet
der Krieg in Morea
noch nicht angegangen, ist er samt
seinem Vatter Constantin, wel⸗
cher des
Füͤrstenthums Truchses und ein Herr von etlich achtzig Jah⸗
ren war / auf gleiche
Weise hingerichtet worden, nachdem man vor⸗
her seine zwey Kinder vor seinen
Augen üͤber die Klinge springen las⸗
sen, seine Gemahlin aber mit den
üͤbrigen Kindern durch Hülfe
der
Engelländer sich nach Venedig retirirt,
woselbst sie sich noch
beständig
aufhalten solle.[30] Es hat mir aber der Wohl⸗Ehrwürdige
P.
Cachot, aus der Gesellschaft Jesu, erzehlt, daß sie nicht in den
Sieben⸗Thürnen, sondern in ihrem
Hauß zu Constantinopel /
Brancova aber bey dem Bostanchi Bascha oder
obersten Auf⸗
seher über die Kaiserlichen Gärten und Gebäue, verwahret worden,
welchem auch um so vielmehr zu
glauben, weil dieser Pater sich
da⸗
mals zu
Pera aufgehalten, und mit dem Constantin so wol, als
mit dem Stephanus in Glaubens⸗Sachen viel zu thun gehabt,
mit
welchen er sich schrifftlich und
muͤndlich in Religions⸗Stritigkeiten
Gefangen⸗
schaft des
Baron
Pe⸗
trasch und
Herrn von
Stein in
den
Sieben
Thürnen. eingelassen. Der im verwichenen Krieg
gefangene Obrist⸗Lieutenant
Baron Petrasch, und Baron Stein, Hauptman, beide von dem
Schönbornischen Regiment, welche
nachmals, nach geschlossenen
Frieden
zu Paßarowitz gegen den Waywoden Nicolaus Scar⸗
latti und seine Söhne und
Bediente ausgewechselt worden, haben
in diesen Thüͤrnen ein erleidentliches Tractament gehabt, sintemaln
sie bey Tag ganz frey herumgiengen,
ausser daß sie nicht ausgehen
durften, und nur bey der Nacht geschlossen und zusammen in ein
solch unterirrdisches Gewöͤlb
gesteckt worden: es sind zur Linken, wo
man hinein gehet, drey bis vier auf der Erden aus Holz gebaute
Zimmer, worinnen sie sich den
Tag über aufgehalten, zu Nachts
aber
wiederum in ihre Hölen geschloffen. Vor gemeldten Zimmer
ist
- 363 -
Von
den Sieben⸗Thürnen.
313
ist ein kleiner mit Steinen belegter
Vorhof / worauf sie mit einan⸗
der spatzieren / reden, essen,
trinken, lesen, schreiben, auch Kauf⸗
leute vor sich lassen kunten, wann
sie zum Einkaufen übriges Geld
hatten; wiewol es ihnen auch daran nicht gefehlt, indem ihnen ein
aufrichtiger, ehrlicher Armenier, auf Bürgschaft des Pater Jacobs,
so viel als sie nur selbst wolten/ vorgeschossen. Nachdem sie end⸗
lich wiederum
ihre Freyheit erhalten, haben sie alles, was man für
sie ausgelegt, mit aller
Erkänntlichkeit bezahlt, weswegen sie auch
von den Tuͤrken so sehr geliebt worden/ weil sie immer Geld
bey ih⸗
nen
gemerkt: dann ums Geld kan man bey diesen Leuten alles zu we⸗
ge bringen. Aber still
von diesen Barbarischen Laster; wir wollen
vielmehr in unserer Erzehlung fortfahren und berichten, daß in
erst
gedachten Vorhof man etliche
Stucke eingemauerten Marmel beob⸗
achten kan, auf welchen viele Namen
verzeichnet sind, unter andern
auch
eines Grafen Esterhasi / Namens Anton
/ so im vorigen
Graf Ester⸗
hasi Gefan⸗
genschaft.
Jahrhundert in der Schlacht bey Temeswar gefangen worden;
und in dem Zimmer, wo der Freyherr von Petrasch einquartirt
war, kunte man in der Thür folgende
mit einem Messerlein ins
Holz
eingeschnittene Worte lesen: Anton
Freyherr von Pe⸗
trasch / Obrist⸗Lieutenant bey dem Graf Schönborni⸗
schen
Regiment ist im Jahr 1717. den 17. April bey
Sa⸗
lankement auf der Donau
gefangen worden / nachdem
er zuvor
Feuer in das Pulver gebracht, und das Schiff
versenkt hatte: von dem Herrn von Stein aber habe ich, so⸗
viel ich mich zu erinnern weiß,
nichts aufgezeichnet gefunden. Als
wir nun in diesen Sieben⸗Thürnen alles wol betrachtet, und unter⸗
sucht hatten
/ was wir für Sehens wuͤrdig geachtet, sind wir wie⸗
derum zu Schiffe gangen,
und haben uns nach Pera zu unsern
Wohnungen uͤberbringen lassen, so
aber doch nicht ohne alle
Furcht und
Gefahr wegen des ungestümmen Meers
abgegangen.
Sie⸗
Rr
Drittes Buch / Siebende Abtheilung /
Siebende Abtheilung.
DEn folgenden Tag, als den 21ten dito sind die beiden Brü⸗
Erzeigte
Condo⸗
lenz wegen
des verstor⸗
benen Kai⸗
serlichen
Prinzen. der Graf Norbert und Emanuel von Kollovrath
von dem Herrn Groß⸗Botschafter in des Capigi Ba⸗
schi unsers Führers Hauß ernennt worden, zu dem Groß⸗Vizir
zu gehen, und wegen frühen Absterbens des Kaiserlichen Prin⸗
zens in seinem Namen die Condolentz abzustatten, nachdem jener
versichert, daß sie mit solcher Commission bey dem Groß⸗Vizir
gar lieb und angenehm seyn wuͤrden. Von dar sind sie alsdann mit
dem Graf Bathyani / nach gesuchter und erhaltener Erlaubnüß
zu dem Tempel der ewigen Weißheit / nun aber leider! des aller⸗
närrischten Aberwitzes, zu besehen, gegangen / wobey sie viele Du⸗
caten unter die Füͤhrer, Thuͤrhuter und Pfoͤrtner ausgetheilt haben.
Den Tag darauf schickte der Groß⸗Vizir dem Herrn Bot⸗
schafter seine Falkner, so sie Dogan Baschi nennen, mit denen
Er in Begleitung des Herrn Vaublanc, einen Befreundten des
Französischen Botschafters / und der Grafen Nesselrode / Scherf⸗
tenberg / Thierheim, Kinigl und Freyherrn von Zweiffel auf
Adlers⸗
Fang.das Feld spatzirte / sich mit dem Adlers⸗Fang zu recreiren: sie haben
nicht mehr als einen einigen und diesen noch mit grosser Müͤhe be⸗
kommen; dann wo der Falk nicht gleich auf das erstemal den Raub
erhascht, wird er ihn nachgehends nimmermehr einholen; doch wur⸗
de dieser einige Vogel / den sie lebendig bekommen, zu Pferd nach
Hause gebracht. Es verhält sich aber mit diesem Fang also: der
Falk, so fern er den Adler erreichen kan, fliegt ihn gleich auf den
Rücken, auf welchen er so lang sitzen bleibt, bis er ihn durch sein Ge⸗
wicht dermassen ermüdet, daß er mit ihm herunter zur Erden stüͤrzt.
Der Freyherr von Hörde hingegen war mit denen, so mit ihm vor et⸗
lichen Tagen nach Belgrad auf die Jagd gegangen, noch glücklicher,
sintemaln sie unterschiedliche Fasanen, Schnepfen, Rebhüner, Hasen,
Marter und dergleichen mit sich nach Hauß gebracht.
Den 22ten October verfuͤgten sich Seine Excellentz zum
Beschrei⸗
bung der
Sophia⸗
Kirche.zweytenmal mit seinem ganzen Adel und zweyen Befreunden von
dem Französischen Gesandten nach der Sophia⸗Kirche / in welche
wir auch aus einer ganz specialen Gnade für diesesmal gelassen wor⸗
den.
- 365 -
Beschreibung der Sophia⸗Kirch zu Constantinopel.
315
den. Dann die Tüͤrken meinen, als ob ihre Kirche dardurch entweyhet
würde / wann ein Christ dahinein zu gehen sich unterstehen solte, als
welche nur denen Muselmaͤnnern den Zugang verstattete. Dieses Musel⸗
mann / was
es bedeu⸗
tet.
Wort kommt von dem Arabischen Muselin her und bedeutet so
viel als einen recht⸗Glaubigen. Bey unserer Zuruckkunft haben
wir abermal bey dem Capigi Baschi das Mittag⸗Mahl eingenom⸗
Capigi Ba⸗
schi setzt
Wein vor.men, wobey es dann auch an Wein nicht gefehlt; sintemaln wir
ihn durch vielfältigen Umgang so vertraut gemacht, daß er uns nicht
nur in seinem Hauß den Wein nicht mehr versagt/ da doch bey an⸗
dern einfältigen Muselmännern, es für ein grosses Laster gehalten
würde, wann man einem Jaour Wein vorsetzen wolte; sondern
dieser alte Fuchs trank selbst getrost mit herum, wann er irgend ei⸗
nen guten Trunk zu bekommen wuste. Jch zweifle nicht daran, daß
er nicht solte mit mir / dem Herrn von Camber/ und dem Mahler
Schmid auch selbst in der Sophia Kirche eine gute Flasche Wein,
welche wir zu uns gesteckt, ohne Furcht einer uns gegebenen Aer⸗
gernuͤß, in seinen noch nuͤchtern Magen geschuͤttet haben, wann er
es nur vor seinen anwesenden Glaubens⸗Genossen haͤtte thun koͤn⸗
nes; es muͤste sich dann dieser Alte daran geaͤrgert haben, daß der
Herr von Camber sie mit ungewaschenen Häͤnden angerüͤhrt, da er
kurz vorher ein Stuck Schwein⸗Fleisch damit herunter geschnitten /
welches er, als er unter dem Fruͤh⸗Stuͤcken eiligst mit uns zu gehen
beordert worden, in ein Papier gewickelt, mit der Intention, sol⸗
ches allhier nach dem Exempel des Grelots, unvermerckt zu ver⸗
zehren. Es hätte ihn aber auch geschehen können / daß er dieses
verbottene Essen mit der Haut bezahlen muͤssen/ wann er von den
Ausspaͤhern daruͤber ertappt worden waͤre, als die ihn gewiß mit
sich vor den Moufti geschleppt, mit Gewalt beschnitten, und ihren
Propheten wuͤrden aufgeopffert haben. Er verwahrt auch deswe⸗
gen dieses Papier noch bis diese Stund gar heilig, und haͤlt es höͤher
als die Tüͤrken dasjenige, so sie von der Erden aufheben / von wel⸗
Aberglaub
der Türken
mit dem
Papier.
chem sie glauben, daß es ihnen einmal am Juͤngsten Tage nuͤtzen wer⸗
de, wann sie auf einen gluͤenden Rost nach dem Himmel spatziren
sollen, dann alsdann koͤnnten sie alle die Stuͤcklein, die sie auf solche
Weise von dem Untergang errettet / und worauf man den Namen
des grossen GOttes schreiben koͤnnen, unter die Fuß⸗Sohlen legen,
damit sie sich keine Blasen brennen. Doch laßt uns nun einmal den
in
Rr 2
- 366 -
316
Drittes Buch / Siebende Abtheilung /
in aller Welt so beruͤhmten Tempel besehen und etwas genauer be⸗
trachten, weil nach diesem Modell fast alle andere Türkischen Mo⸗
scheen eingerichtet sind.
Die Scribenten koͤnnen sich nicht mit einander vergleichen, wer
Von dem
Erbauer
der So⸗
phia Kir⸗
che.
solchen zu erst erbauet habe. Einige halten dafür, daß Con⸗
stantin / Constantini des Grossen Sohn, der Erbauer
desselbigen sey, nicht zwar, als ob sie schon dazumal bey ihren er⸗
sten Ursprung sich so prächtig von Stein und Marmel gezeiget, an⸗
gesehen sie gar gerne zugeben, daß sie Anfangs nur von Holz auf⸗
geführet worden; sie melden aber dabey, daß selbigen zu Zeiten des
zweyten Synodi unter dem Kaiser Theodosius die Arianer ab⸗
gebrannt, es hätte aber auch eben dieser Kaiser solchen wieder reno⸗
viren und mit länglicht⸗ runden Angebaͤuen vergroͤssern lassen.
Alsdann sey auch dieser, nach dem Bericht Procopius, unter der
Regierung des Kaisers Justinianus eingeäschert worden: es ge⸗
denken aber besagte Scribenten nicht, wo diese Kirche vor Justiniani
Zeiten gestanden, und scheinet, als wann die alten Beschreibungen
dieser Stadt sie an ein ganz anders Ort logirte; welches auch da⸗
mit bestättiget wird, daß ein unbenannter Auctor deren Namen
meldet, von welchen Justinianus die Häͤuser gekauft, um auf sol⸗
Sozomeni
Zeugnüß
hievon. chen Platz die Kirche zu bauen. Sozomenus, ein alter und redlicher
Scribent, gibt für, daß unter Kaiser Theodosius dem Jün⸗
gern, als wieder den Chrysostomus, aus Anstiften der Kaiserin
Eudoxia, deren Hochmuth und uͤbrige Laster dieser beredte Kirchen⸗
Vatter freymüthig und herzhaft gestraft / in der grossen Kirche
eine Aufruhr entstanden, der Tempel allenthalben schleunig
im Rauch aufgangen, davon die Feinde Chrysostomi Anstif⸗
ter gewesen, als welche die Goͤnner dieses grossen Lehrers, die sich
dazumal in der Kirche befunden, zugleich mit derselbigen haben ver⸗
brennen wollen. Woraus ich nicht unbillich schliesse, daß Ricaut
Ricaut Hi⸗
storischer
Fehler. einen häßlichen Fehler in seiner Historie begangen, welcher bey Ge⸗
legenheit der Türkischen Moscheen in seinem 2. Buch 7. Cap. zu⸗
gleich von dieser Sophia⸗Kirche redet, und meldet/ daß solche
zu erst von Justinianus erbauet, aber von Theodosius wieder re⸗
parirt worden seye. Dann er mag gleich den ältern oder den jün⸗
gern
- 367 -
Beschreibung der Sophia⸗Kirch zu Constantinopel.
317
gern Theodosius verstanden haben, so kan doch von keinem ge⸗
sagt werden, daß er des Justiniani Gebäu ausbessern lassen, weil
sie beide noch vor ihm gelebt; Theodosius der Dritte aber kan es
auch nicht gewesen seyn, als welcher erst kurz vor des Grichischen
Reichs Untergang auf den Thron gesessen. Am allermeisten aber
betrüͤgt sich das gemeine Volk, als welches glaubt, daß diese Kir⸗
che von der H. Sophia / des Justini Gemahl, der ein Enenkel
des Kaisers Justiniani gewesen, ihren Namen führen solle.[31] So viel
ist unterdessen gewiß, daß dieses ehmalige GOttes⸗Hauß von JuWie Justi⸗
nianus de⸗
ren Er⸗
bauer seye.
⸗
stinianus grösser gebaut und erneuert worden: kan demnach von
ihm auf gleiche Weise gesagt werden, daß er diese Kirche erbauet /
als von dem Kaiser Octavianus geruͤhmt wird, daß er die Stadt
Rom auferbauet habe; dann als dieser nach dem Julius Cæsar
das Reich übernommen, und eine von Ziegeln erbaute Stadt ge⸗
funden, rüͤhmte Er sich nachmals, daß er nunmehr eine Marmel⸗
steinerne hinterlasse: also hat auch Justinianus eine schon etlichmal
abgebrannte, und durch das Erdbeben ganz ruinirte Kirche ange⸗
troffen, selbige aber hingegen erweitern und weit schoͤner und herrli⸗
cher, als sie zuvor gewesen / ausziehren / die Mauern und Gewölber
von Ziegeln verfertigen, inwendig mit unterschiedlichen kostbarn Mar⸗
mel bekleiden, das ganze Gebaͤu an verschiedenen Orten mit Eisen
fassen, die Balken wegschaffen und im uͤbrigen alles dergestalt an⸗
ordnen lassen / daß man sich forthin von keiner Feuers⸗Brunst et⸗
was zu besorgen haben moͤgte. Dieser andere Salomon hat hier⸗
auf solcher Kirche den Namen Sophia beygelegt / und mit grossen
Einkünften versehen, welche von den nachfolgenden Kaisern und
deren Gemahlinen unglaublich vermehret worden, wovon auch
die Türken nach der Zeit nicht nur nichts genommen, sondern viel⸗
mehr in solchen Stand gebracht, daß sie heutiges Tags zehen tauEinkünften
der So⸗
phia Kir⸗
che.
⸗
send Gulden oder dritthalb tausend Ducaten taͤgliches Ein⸗
kommens hat, und dahero mit den reichsten Stiftungen in der gan⸗
zen Christenheit sich vergleichen lassen kan. Hieher werden Geschen⸗
ke von den Kaisern / vornehmen und gemeinen Leuten, auch allen
denjenigen Provinzen gebracht, welche unter dieselbige gehöͤren: der
Kaiser selbst ist verbunden, noch täͤglich 1001. Asperl wegen eines
Stück Grunds zu bezahlen, den Er zu dem Garten des Pallasts
ver⸗
Rr 3
- 368 -
318
Drittes Buch / Siebende Abtheilung /
verwendet hat. Der Uberschuß von einem Asperl aber über die ge⸗
wöhnlichen tausend ist darum hinzu gethan worden, um zu verste⸗
hen zu geben / daß diese Summa nicht zu reiche, eine aus den Geist⸗
lichen Gütern hergenommene Sache zu ersetzen, und damit die nach⸗
folgende Kaiser zu noch mehrerer Freygebigkeit und Eifer bey des⸗
sen Erinnerung moͤgten angereitzet werden. So kan auch, wie be⸗
reits im Zweyten Buch erzehlet, da von dem Bairam und den
dabey vorgehenden Ceremonien gedacht worden, kein Kaiser noch
Kaiserin eine Moschee aufbauen und nach ihren Namen nennen
lassen, so Sie nicht zugleich hundert tausend Ducaten jährliches
Einkommens zu deren Unterhaltung und Ausbesserung darzu ver⸗
machen.
Es sind auch neben vorgemeldter Sophien⸗Kirche noch sie⸗
ben andere Moscheen in Constantinopel / als Sultan Baja⸗
zet / Selim / Solyman, Ahmed / und noch drey andere / die
von so viel Kaiserinnen erbauet worden. So befindet sich auch
eine zu Prussa / wo ehmaln der Tuͤrckischen Kaisere Residenz ge⸗
wesen, ehe sie noch Constantinopel und das ganze Grichenland
bezwungen hatten, und eine zu Adrianopel / wie auch noch mehre⸗
re durch das ganze Türkische Reich, die alle mit grossen Einkünften
versehen sind. Von diesem Geld werden die Jmam / ihre Priester,
bezahlt, samt den Richtern, Schrifft⸗ und Rechts⸗Gelehrten, den
Türkische
Jugend
wird um⸗
sonst unter⸗
richtet. Talismann und Hodgia / auch übrigen Lehrmeisteren der Jugend,
die sie im Lesen und Schreiben und ihrem Glauben umsonst unter⸗
weisen. Es haben auch die Pförtner, Handlanger, und etliche
hundert andere Bediente / so die Kirchen zu thun, aufmachen / aus⸗
säubern, auf das Gebäu acht geben, viel tausend Ampeln Tag und
Arme wer⸗
den bey den
Türken von
den Kir⸗
chen Ein⸗
künften ge⸗
halten.Nacht putzen und ihrer pflegen, wie nicht weniger die Armen ihren
Theil daran, als deren eine grosse Anzahl von den Kirchen Einkünf⸗
ten erhalten wird, und welche bestäͤndig füͤr diejenige bitten, die ver⸗
meinen, daß ihnen solches Gebet nach ihren Tod noͤthig seyn duͤrfte.
Ungewiß⸗
heit des Zu⸗
stands der
Seelen
nach dem
Tod der
Türken.Doch ist dieses ein noch von ihnen unausgemachter Glaubens⸗Arti⸗
cul; sintemaln es durch den Alcoran nicht deutlich angezeigt ist, wo
die Seelen nach dem Tod bis zu dem Jüngsten Gericht aufbehalten
werden, so daß auch die Türken, welche sich hierinnen allein von der
Vernunft leiten lassen, einen dritten Ort, wo die Suͤnden noch voͤllig
ausgesöhnt werden sollen, nicht allerdings läugnen, ob es gleich so viel
Chri⸗
- 369 -
Beschreibung der Sophia⸗Kirch zu Constantinopel.
319
Christen gibt, die solchen beständig verwerfen: wie sie dann auch
des Jahrs viermal zu gewiesen Zeiten / so sie Mevelut gegeschi,
Bet⸗Nächte nennen, ihre Thuͤrnen an den Moscheen mit brennen⸗
den Lampen behängen, und ihre Gebete für die Verstorbene ver⸗
richten; dann sie halten dafuͤr, daß die Wein⸗Trinker 40. Täͤge nach Der Wein⸗Trinker
Quaal
nach dem
Tod.
ihrem Tod werden gequäͤlt werden, so ferne sie in solcher Zeit ster⸗
ben, die andern aber wüͤrden nach Beschaffenheit ihrer Laster ge⸗
strafft. Ein Französischer Medicus hat mir erzehlt, daß, als er ei
Historie
von einer
Jungfrau
hievon.
⸗
nesmals zu einer kranken Jungfer geholt worden, und er ihr Wein
zu trinken verordnet, damit sie wieder zu Kraͤfften kommen moͤchte,
hat sie sich lang nicht darzu verstehen wollen, aus Furcht/ sie durf⸗
te so lang dafür gequaͤlt werden, ist auch nicht eher darzu zu bringen
gewesen, bis man ihr Hofnung gemacht, daß sie nicht nur allein die
40. Täge überleben, sondern auch die Krankheit, so aus Erkältung
und grosser Schwachheit des Magens herkommen, gänzlich dardurch
würde gehoben werden.
Nun laßt uns wieder in die Kirche / wo das Gebet fuͤr die ar⸗
me Seelen verrichtet wird, zuruck kehren: daruͤber, wie auch uͤber
alle andere von den Kaisern und Kaiserinnen gestiftete Moscheen, Aufseher
über die
Kirchen.
hat der Kuslir Aga, das Haupt der Schwarzen Verschnittenen,
die zur Aufwartung des Tüͤrkischen Frauenzimmers bestellt sind, die
Ober⸗Aufsicht, wordurch ihm nicht geringer Nutzen und Authori⸗
tät bey den Seinigen zuwächst. Die Sophia⸗Kirche war vor
Zeiten die Haupt⸗Kirche des alten Bizantz und der Grichischen
Patriarchen / unter welche alle andere, die von ihr herstammten,
stehen musten. Sie befindet sich indessen noch groͤßten Theils in
einem guten Zustand, ob gleich nicht in einem solchem, als da sie
noch in der Christen Hände war, wird aber doch von den Tüͤrken
zu nichts anders als zu ihrem GOttes⸗Dienst angewendet; stehet
anbey im grossem Ansehen bey ihnen, und wird alle Freytag von
dem Kaiser besucht, nicht nur etwan darum, weil sie nahe bey
dem Kaiserlichen Pallast stehet, sondern weil sie auch die Schöͤnste
so wol in Constantinopel / als vielleicht auch im ganzen Türki⸗
schen Reich ist; hingegen ist es ein anders an dem Bairam und an⸗
dern grossen Fest⸗Tagen, da die Kaisere und Stifter der Kirchen
sich in denenjenigen einfinden, welche ihren Namen fuͤhren. Oft be⸗
sagte Kirche ist ganz von Marmel, Gold, gemahlten Steinlein
Musiv
- 370 -
320
Drittes Buch / Siebende Abtheilung/
Musiv oder eingelegter Arbeit verfertiget, und stellet unterschiedliche
Türken lei⸗
den keine
Gemählde.Geschichte so wol aus dem neuen als alten Testament vor, wovon
aber die Tüͤrken, so weit sie mit Schiff⸗Stangen, Picken und Stei⸗
nen langen koͤnnen/ alle Gesichter verdorben und ausgekratzt haben,
weil sie, wie oben schon gemeldet, weder Gemaͤhlde noch Bilder in
ihren Kirchen dulten, auch nicht einmal an andern Orten gemahlte
Thiere vertragen, damit, wie sie sagen, die Menschen so
hierinnen den grossen GOTT nachahmen wollen, aber doch solches
gleichwol nicht vermöͤgen / weil sie ihnen keine Seele und Leben mit⸗
theilen können, ob sie schon den Leib formirt haben, nicht einmal
wegen dieser Verwegenheit gestrafft werden, und diejenige, welche
solche zu lassen, mit samt denen, die dergleichen zu erst erfunden, es
Ungrund
hievon. entgelten müssen. Hierbey aber ist sich gewiß über dieser Leute be⸗
sondere Thorheit und Ungrund nicht wenig zu verwundern, als wel⸗
che von keinen Bildern und gemahlten Thieren wissen wollen, und
nichts destoweniger Blumen, Kräuter, und Bäume, mit der Na⸗
del und Farben nachmachen, und damit die Natur, oder vielmehr
den Schoͤpfer derselbigen imitiren, da sie doch solchen eben so wenig
einiges Leben zu geben vermöͤgend sind. Sie haben aber nichts
destoweniger einige unbeschädigt stehen lassen, vielleicht weil sie solche
im Finstern nicht beobachtet, als die von Johannes empfangene
Taufe Christi in dem Jordan; oder weil sie bis dahin nicht reichen
können, da z. E. unser Heyland mit seinen Juͤngern in dem obern
Theil des Gewölbs noch unversehrt zu sehen; oder auch, weil sie
durch einen besondern Zufall davon abgeschreckt worden, wann sie nem⸗
Miracul
von der al⸗
lerseelig⸗
sten Jung⸗
Frau.lich der allerseeligsten Jungfrauen vor der Thüͤr stehendes Bildnis /
und zwar deren Haupt, wie sie mir selbst erzehlt, ausgekratzt oder
weg genommen, aber nichts destoweniger des andern Tags an vori⸗
gen Ort und nicht geringerer Schönheit wieder aufgesetzt und er⸗
neuert gefunden haben. Andere wollen behaupten, daß diese So⸗
phia⸗Kirche weit grösser als gegenwärtig gewesen seye, viele An⸗
gebäu / so sie ehmals gehabt, davon weggenommen, und nur die
Sacristey nebst dem Schiff, oder dem mittlern Theil, allein uͤbrig
gelassen worden. Dem sey nun aber wie ihm wolle, so muß man
doch bekennen / daß es noch für ein recht Königliches Gebäu passi⸗
ren kan, welches einer genauen Betrachtung wol werth ist. Das
Schiff der
Kirche.Schiff oder der mittlere Theil dieser Kirche bestehet aus einem run⸗
den
- 371 -
Beschreibung der Sophia⸗Kirche zu Constantinopel.
321
den Gewölb oder Bogen⸗Cron / in welches von oben her das Licht
hinein fällt, und von innen durch 8. Säulen zu beiden Seiten un⸗
terstützt wird, deme noch ausser denen unterschiedlichen andern mit
Bley bedeckten kleinen Gewölbern, zwey andere angebauet sind,
welche aber dem Haupt⸗Gebäu an Grösse nicht gleich kommen: das
eine davon ist, wo die Sacristey stehet: das andere bey dem Eingang;
und wird jenes von fuͤnf, dieses aber von sieben Saͤulen unterstuͤtzt,
also daß das untere Theil der Kirchen auf 40. das obere aber auf 67.
oder, wie andere wollen, auf noch mehrern Saͤulen ruhet; dann
ich muß nur bekennen, daß ich solche nicht gezehlt, weil der Sa⸗
chen, die hier zu sehen, gar zu viel waren, und man solche nicht in
einem Tag, geschweige in einer Stund, so gar genau beobachten
kan. Das ganze Gebäu wird von vier grossen Pfeilern gehalten,
auf welchen eben so viel Boͤgen stehen, die an den Seiten nach Art
der Thürne angebauet sind; wie dann auch wuͤrklich ehedessen die
Glocken darinnen gehangen haben, ausser der grossen / die an dem
hintern Theil der Kirchen irgendwo in einem Thurn aufgehenkt gewe⸗
sen. Es haben aber die Türken solche insgesamt auf die Seiten geGlocken
warum die
Türken
nicht lei⸗
den.
⸗
schaft, weil sie in der Meinung stehen, als ob die guten Geister / so
die Aufsicht über die Kirchen haben / durch ihr Getoͤß nur aufge⸗
weckt und verunruhiget werden; wie wol sie deren Klang auch füͤr ei⸗
ne Art der Music halten, welche ihnen in ihrem Alcoran bey dem
GOttes⸗Dienst schlechter Dings verbotten ist. Wir wollen aber
davon mehrere Nachricht geben, wann es von den Tuͤrkischen Moͤn⸗
chen, die sie Dervis nennen, zu reden Gelegenheit geben wird.
Nach dem obern Theil der Kirchen kan man auf zwey Stiegen hinGrosse
Stiegen.
⸗
auf gehen, davon die eine von vielfärbigen Marmel zur linken, die
andere aber nur von Ziegeln verfertiget ist, und zur rechten Hand
stehet, auf welcher der Kaiser Justinianus und andere Grichische
Kaisere zu Pferd hinauf zu reiten pflegten, wann Sie in ihren Bet⸗
Stul, ohn weit des Tabernaculs, sich begeben wolten, dessen sich
auch noch heut zu Tage die Tüͤrckischen Kaisere bedienen. Es Capell / die
andere
Welt ge⸗
nannt.
ist auch noch eine andere Capell daselbst, so sie die andere Welt nen⸗
nen, und glaube ich / es seye diejenige, von welcher die Tüͤrken vor⸗
geben, daß man täglich zu Nachts darinnen singen hoͤre: Sie wol⸗
len anbey; daß ein Stuck Holz von der Arche Noa darinnen auf⸗
behal⸗
Ss
- 372 -
322
Drittes Buch / Siebende Abtheilung /
behalten werde; warum nicht auch eine Feder aus dem Flügel des
Engel Michaels, die Er in dem Streit mit dem Teufel verlohren;
oder ein Stroh⸗Halm von des Jobs Mist⸗Haufen, samt der
Schlange im Paradeiß, die unsere erste Mutter die Eva verfüͤh⸗
ret? Die von Marmel⸗Stein gemachte Thuͤre besagter Capell ist mit
einen Creutz gezeichnet, dergleichen Merkmale des Christlichen Glau⸗
bens man noch hin und wieder in den ganzen Tempel siehet, es ist aber
dieselbige vermauert, daß man nun nicht mehr hindurch gehen kan.
Vorhof.Der Vorhof ist gleichfalls von Marmel, von dar man durch fünf
messinge Pforten in einen verdeckten Gang kommt, der abermal mit
dem schoͤnsten Marmel belegt ist, und dann wiederum durch neun
andere von Corinthischen Ertz geschlagene Thüren in die Kirche hin⸗
ein gehet. Allhier stehen bey dem Eingang zu beiden Seiten aus
Alabaster gehauene Brunnen / woraus beständig Wasser fliesset,
dessen sich die Türken, ehe sie beten, zum Waschen bedienen. Man
gibt vor, daß diese Kirche einen Uberfluß an Wasser habe, welches
sich durch den Regen sammlet, und unter der Erden gleichsam einen
grossen See ausmachet. So wol der Boden als die Wände, Gaͤn⸗
ge, Füsse, Gestell, das Capitel der Säulen und alles andere ist von
puren Marmel, auch die Säulen selbst sind aus Porphyr, Stern⸗
Stein und andern schöͤnen kostbarn Marmel gehauen; so war auch
der Marmor dermassen kuͤnstlich geschnitten, und wiederum an ein⸗
ander gefügt, daß es schiene, als wann der Absatz vieler Stücke
gleichsam nur eine einige subtile Ader ware, worinnen auch die groͤ⸗
Durchsich⸗
tiger Mar⸗
mel.ste Kunst und Schoͤnheit bestehet. Dann habe ich noch einen an⸗
dern Marmel gesehen, welcher so durchsichtig als ein Glaß gewesen,
durch welchen an einigen Orten das Licht, gleich wie durch Fenster⸗
Auszieh⸗
rung.Scheiben gefallen ist. So findet man allhier keine andere Auszieh⸗
rung, als etwan einige grosse messinge mit weissen Wachs⸗Kerzen
versehene Leuchter, viele tausend immer brennende Ampeln, nebst des
Ebbubecker / Omar / Osman und Hali Namen, so auf einer
grossen weisen seidenen Fahnen mit Elen langen Buchstaben verzeich⸗
net, und in der Mitte an vier Orten der Kirchen an lange Stan⸗
Grösse.gen geheftet und ausgestecket sind. Was die Groͤsse dieser Kirche be⸗
langt, hat mich ein Türk, welchem dieselbige so wol als die Stadt
aufs beste bekannt ist, versichert, daß sie ganz bequem auf einmal hun⸗
dert tausend Personen fassen könne; wie ich dann auch von glaub⸗
wür⸗
- 373 -
Beschreibung der Sophia Kirche zu Constantinopel.
323
wüͤrdigen Personen vernommen / daß zu Zeiten der Grichischen Kai⸗
sere in eben dieser Kirche neun hundert Priester taͤglich den GOttes⸗
Dienst verrichtet haben. Hier habe ich zwar keine Teppiche / wie an⸗
derwärts, angetroffen, aber wol aus Bimsen geflochtene Decken
und Lämmer⸗Felle, auf welchen sie bey Verrichtung ihres Gebets
hocken, als ob sie Eyer ausbrüten wolten; der Boden aber ist allentReinlich⸗
keit.
⸗
halben so rein und glänzend / daß auch der gröste Zärtling ohne eini⸗
gen Eckel darauf wuͤrde essen koͤnnen, weswegen auch alle / die hin⸗
ein gelassen worden, auch so gar der Herr Botschafter selbst / die
Schuhe entweder ausgezogen / oder / wie es die meisten, wo nicht al⸗
le, gethan, Paposchen daruͤber angelegt.
Aus der Kirchen haben wir uns nach den Gräbern der TürkiGräber der
Türkis. Kai⸗
ser und
Kaiserin⸗
nen.
⸗
schen Kaisere und Kaiserinnen und deren Prinzen und Prinzessinnen
begeben, selbige gleichfalls in Augenschein zu nehmen. Es sind aber
etliche Capellen um die Kirche herum, mit ober der Erden stehenden
und mit weisen Tuch bedeckten Todten Bahren angefuͤllet; darunter
der Kaisere und deren Prinzen Gräͤber mit oben bey dem Kopf
stehenden Tüͤrckischen Buͤnden angezeigt werden: wo aber ausser dem
Tuch sonst nichts zu sehen, ist es ein Anzeichen, daß die Kaiserin⸗
nen und ihre Prinzessinnen darunter liegen. Wir trafen auch da⸗
selbst die Capell an, in welcher der Kaiser Selim / den die Tür⸗
ken den Zunamen Sarbose oder den Versoffenen beygelegt, mit
seinen hundert Kindern aufbehalten wird. So wol in dieser als al⸗
len andern brennen viel Lampen; und da die Tuͤrken deswegen dan⸗
noch ihren Kaisern nichts Goͤttliches zu eignen/ so sehe ich nicht,
Entschuldi⸗
gung
der Vereh⸗
rung des
Confucii. wie diejenige zu beschuldigen, welche vorgeben / daß die bey den Si⸗
nesern eingefüͤhrte Gebraͤuche, nach welchen sie den Confucium
und ihre Eltern und Vorfahren verehren / keine Abgötterey, sondern
eine pur lautere politische Ehrerbietung seye, welche sie ihnen, als
Leute, die sich um ihren Staat wol verdient gemacht, bezeigten.
Wer indessen eine weitläͤufftigere Beschreibung von dieser Kirche ha⸗
ben will, kan aus denen alten Scribenten den Procopium, Georgium CeScribenten/
so von die⸗
ser Kirche
geschrieben
⸗
drinum, Acathium, Paulum Florum, Evagrium, Nicephorum,
aus den jüngern aber den Gyllium und Grelot lesen, unter welchen
absonderlich der Letztere, nach seiner eigenen Bekaͤnntnis, in Abzeich⸗
nung dieser Kirche viele Tage zugebracht, auch nicht geringe Unko⸗
sten dabey gehabt, und sich danebst mancherley Gefahr unterwor⸗
fen,
Ss 2 - 374 -
324
Drittes Buch/ Achte Abtheilung /
fen, sintemaln er die Thür⸗Hüter mit Geld erkauffen müssen, damit
sie ihn hinein gelassen, er hat sich anbey wol in acht zu nehmen ge⸗
habt, daß ihn niemand sehen moͤgte, welcher ihn deswegen bey dem
Moufti oder Kuslir Aga und andern Richtern angebe, weil er
darüber in die gröste Gefahr seines Lebens und an den lichten Gal⸗
gen kommen können; wenigstens hätte er sich müssen beschneiden
lassen, wofern er nicht durch vieles Geld sich davon loß zu kauffen
würde bemühet gewesen seyn, und weiln die Türken selbiger Zeit
noch viel weniger als heut zu Tage einen Jaourn in ihrer Kirche
leiden können / würden sie ihn ohne Zweifel, wo sie ihn gar was
zeichnen sehen, auf frischer That todt geschlagen haben. Dieses
zu behaupten kan nur dasjenige dienen, was mir Herr Heckmann /
Hof⸗Meister bey dem mit uns hieher gereißten Grafen von Nessel⸗
rode und Reichenstein / mein sehr guter Freund und Landsmann,
erzehlt / daß, als er im October mit dem Marggrafen Besora /
Grafen Sebastida / Herrn von Dierling und Momarts
[32] solche
gleichfalls besehen / und etwas in seine Schreib⸗Tafel einzeichnen
wollen, sich alsobald eine Menge Tüͤrken um ihn herum gestellt, und
den Kopf darüͤber geschüttelt, ihm aber zugleich damit zu verstehen
gegeben, daß dieses eine verbottene Sache seye / wie sie ihm dann an⸗
bey auch viele Türkische Schmach⸗Reden angehenkt haben.
Achte Abtheilung.
Von den
Türkischen
Mönchen.
INdem ich nun hier von den Tüͤrkischen Kirchen zu
reden Ge⸗
legenheit gehabt, wird es sich verhoffentlich nicht uͤbel schi⸗
cken, wann
ich zugleich allhier von den vornehmsten Stuͤ⸗
tzen ihrer Religion, nemlich denen
Moͤnchen, etwas gedenke, als de⸗
ren Moscheen, Clöster und
Vorgesetzte ich mit denen Herrn von Hu⸗
lin
und Dumasrambois, unsrem und des Französischen Gesand⸗
ten
Leib⸗Arzten, im Monat October und November so wol in
Galata / als Tophana öfters
besucht, wobey mir auch des Letz⸗
tern Dolmetschung sehr wol zu statt
kommen / dafüͤr ich mich Jhm
dann
auch nicht wenig verbunden erkenne. Wie nun bey nahe kei⸗
ne Religion ist, aus
welcher nicht wiederum andere Secten entste⸗
hen: also ist es auch mit der
Tüͤrkischen Religion beschaffen; dann da
diese
- 375 -
Von den
Türkischen Mönchen.
325
diese ohne dem eine unordentliche
Vermengung des Juͤdischen,
Heydnischen und Christlichen Glaubens ist, so sind daraus vielerley
neue und schäͤndliche Secten
herkommen; da widersprechen die Secten der
Tür[k]ischen
Religion.
Moatazaliten / den Sepathiten; die
Kadriten den Giabari⸗
ten / die Morgiten / den Waiditen, und die Schuͤten den Cha⸗
warigiten, und
selbst aus diesen entstehen wiederum neue Spal⸗
tungen, davon die Namen und ihre
Lehren anzufüͤhren nur allein
ein
ganzes Buch koͤnte verfertigt werden; weil aber dieses der En⸗
gelländer Ricaut sehr wol ausgeführt, kan ich
solche ohnedem nicht
gar nothwendige
Arbeit erspahren, den begierigen Leser aber in seine
Historische Beschreibung von dem
Ottomannischen Reich und
dessen
zweytes Buch verweisen / woselbst er von den Ketzereyen und
Secten der Tüͤrken / Araber /
Persianer und andern Glau⸗
bens⸗Sachen dieser Völker
weitläuftig redet: ich werde indessen
meiner Pflicht genug gethan haben, wann ich mit Vorbeygehung al⸗
les übrigen
nur dasjenige melde, was die danzende Dervis
und heulende Kadriten angehet, und von ihren Leben und Sit⸗
ten
aufrichtig erzehle, was ich selbst mit Augen gesehen oder von ih⸗
ren eigenen
Vorgesetzten vernommen habe; dabey es sich dann fin⸗
den wird, daß ich dem
Ricaut nicht in allen Stüͤcken beyfallen
werde. Der Orden der Dervis hat seinen aͤltesten und
vornehmsten Orden der
Dervis.
Sitz zu Jconien in Lycaonien / einer
Asiatischen Provinz, als
woselbst /
wann denen Scribenten dißfalls Glauben zuzustellen, sich
über 400. Mönche befinden. Seinen
Ursprung führt er her von
den Zeiten
der Regierung Ottmanns / des ersten
Türkischen Kai⸗
sers, welcher solchen grosse Freyheiten mit getheilt / deren sie sich
noch diese Stunde zu erfreuen haben.
Als ich einmal nach ihrer ver⸗
richteten recht laͤcherlichen
Andacht, davon ich schon zu seiner Zeit
gedenken will, in Gegenwart meines Dolmetsch, Herrn Dumasram⸗
bois, der daselbst gar wol
bekannt und gelitten war / den Vorsteher
dieser Moͤnche anredete, und
unterschiedliches von ihrem Stifter,
Ursprung und Satzungen ihres Ordens durch besagten Herrn zu
wissen verlangte, berichtete mich
derselbige mit Bezeugung eines be⸗
sondern Hochmuths / in was grosser
Hochachtung besagter Prinz die⸗
sen Orden gehalten, wie er ihren
Vorsteher, den sie Scheig nennen,
und der sein Hof⸗Meister gewesen, ihm auch bey der Croͤnung den Sä⸗
bel
umgegürtet hatte, einesmals auf den Thron gesetzet, und eben
dar⸗
Ss
3
- 376 -
326
Drittes Buch /
Achte Abtheilung /
dazumal ihm und seinen Nachfolgern
über den ganzen Orden voll⸗
kommene Gewalt ertheilt, welches auch
Ricaut in seinem vor angezoge⸗
Stifter
des
Ordens. nen Buch, cap. 9. bestättiget. Jhr Stifter habe
Mevelava geheissen /
von dem sie auch öfters Mevelavi /
als wie unsere Orden von ihren
Stiftern, genennet wuͤrden; insgemein aber nenne man sie Dervis,
welches so viel bedeute, als Arme /
die der Welt ganz und gar ab⸗
gesagt hätten. Wann aber Ricaut sagt, daß sie sich, wie unsere
Ob sie drey
Gelübde
thun.Ordens⸗Personen,
mit dem Geluͤbd der Keuschheit / Armuth,
und des Gehorsams verbindlich gemacht, von selbigen aber gar
leicht
wieder loßgesprochen werden,
und ihre Entlassung von dem Orden er⸗
halten könnten, wie wol noch alle,
die solche gesucht, unglüͤcklich
gewesen / wie es die Erfahrung bezeigte, kan ich zwar, was das letz⸗
tere
betrifft, nichts darwider einwenden, weil davon keine genaue
Nachricht eingeholt: aber im Ansehen
der drey Gelübde ihm
nicht
beyfallen, sintemaln ich selbsten den rechtmäͤssigen Sohn des
Vorstehers dieser Mönche gesehen und mit ihm geredet/ der noch ein
Knab von acht Jahren, und dabey
von schöͤnem Gesicht und Ge⸗
stalt war; daß es aber nicht etwan
nur ein angehender Mönch ge⸗
wesen, wie man etwan meinen moͤgte,
widerlegt des Vaters eigene
Aussage,
als welcher ihn für sein leibliches Kind erkannt, und mich
auch dessen durch Herrn Dumasrambois versichern lassen. Er lies⸗
se solchen
aus seinem andern Zimmer her ruffen, damit wir ihn sehen
moͤgten, den ich dann auch etliche
Para geschenkt, die er mit gros⸗
ser Freude angenommen. Der Alte lag
auf einem anderthalb Spann
von der
Erden erhöͤhten Polster, und war ganz mit Persischen und
Getruckte
Bücher
haben die
Türken
nicht.Arabischen
geschriebenen Büchern umgeben; dann von gedruckten
Büchern wissen die Tüͤrken nichts,
und ist diese Kunst noch nicht bis
in ihre Länder gekommen, wie sie dann auch schwerlich daselbst wüͤr⸗
de gedultet
werden, weil sich eine so unbeschreibliche Menge Schrei⸗
Warum? ber
unter ihnen befinden, welche sich von Büͤcher⸗Schreiben ernäͤhren,
und alsdann nothwendig alle
verderben muͤßten. Neben dem Vor⸗
steher saß noch ein anderer
alter Mann, so einen breiten grün⸗um⸗
wundenen Bund
auf den Haupt hatte, und deswegen von einem sei⸗
ner Freunde von mir gehalten worden,
weil die Dervis eine ganz
andere Art
von Hüten auf hatten, die hoch und oben an der Spi⸗
tze länglicht rund und mit keinem
Rand versehen, dabey auch aus
Cameel⸗Haaren von grauer Farb gemacht sind; doch ist der Vor⸗
steher
- 377 -
Von den Tüͤrkischen Mönchen.
327
steher unter ihnen darinnen
unterschieden, daß er einen Bund wie
alle andere Tuͤrken zu tragen pflegt: Die jungen Anfaͤnger stunden
um ihre Lehrer herum, füͤllten ihnen
die Tobacks⸗Pfeiffen / brennten
sie
an, und bedienten sie mit Caffé und andern benoͤthigten Sachen.
Ob die
Dervis in
Gemein⸗
schaft der
Güter ste⸗
hen.
Jch kan auch dem Ricaut darinnen nicht recht geben, wann er vor⸗
gibt / daß
diese Moͤnche in einer Gemeinschaft der Guter und uͤbri⸗
gen Lebens⸗Art stehen;
dann ob ich es schon von den neu⸗angehen⸗
den noch zugeben wolte, oder auch
wol von den Vorstehern dieses
Ordens, welche andere beherbergen, so kan ich es doch nimmermehr
von allen insgemein einraumen,
angesehen ich deren viele zu Con⸗
stantinopel / Pera / Tophana / Galata und übrigen Vor⸗
städten in den Kram⸗Läden gesehen
habe, die mit Tobacks⸗Pfeiffen,
Aepfeln, Nüssen, Feigen, Wachholder⸗Körner, Milch / Salz,
Käß, Kaltaunen und Toback handelten,
auch wol, jedoch die wenig⸗
sten, andere Arbeit verrichteten;
die meinsten aber legen sich auf die
faule Seiten / wozu sie von Natur geneigt sind. Im übrigen ha⸗
ben sie
gleichwol durch das ganze Reich viele Cloͤster, welche denen
Reisenden dieses Ordens zur Herberge
dienen, weil niemand den
Reisen so
sehr ergeben, als eben diese Leute, unter dem Vorwand,
den Glauben in dem Ottomannischen
Gebiet fort zupflanzen. In
diesem
Absehen nun ziehen sie durch ganz Persien/ China/ des
Sind
Kundschaf⸗
ter.
Groß⸗Mogols und andere Reiche ohne
einige Hindernis und Un⸗
kosten, zehren auf die Einkuͤnfte der Cloͤster und anderer
Barmher⸗
zigkeit loß, und passiren dabey für die vornehmste Kundschafter des
ganzen Morgenlands, wie sie sich
dann auf diese Kunst von Jugend
auf
fleissig legen, und auch andere darinnen unterweisen. Wann
die erst in dem Orden getrettene
Lust haben, lesen, schreiben, auch
Türkisch, Persisch und Arabisch übersetzen oder dolmetschen zu ler⸗
nen, koͤnnen
sie hierzu gar leichtlich kommen. Die meisten, damit Jhre Ver⸗
richtung.
sie nicht muͤssig scheinen, und das
Volk desto besser hintergehen
moͤgen, legen sich auf das Gauckeln, Taschenspielen und andere be⸗
trüͤgliche
Kunste: einige haben Spiritus familiares bey sich, und ge⸗
ben Zauberer und
Hexen⸗Meister ab. Man hat sich nicht wenig
Busbecs
Bericht
hievon.
zu verwundern, wann man lieset, was
Busbec in seinem 4ten
Türkischen Send⸗Schreiben von diesen
Betrügern erzehlt, wel⸗
ches ich wegen seiner Curiosité vollig hier beybringen will:
Nun“Bey aller dieser Derselbi⸗
muß ich dir auch, schreibt er, noch etwas sonderbares von einem“
„an⸗
- 378 - 328
Drittes Buch, Achte Abtheilung /
„andern Türkischen Mönchen und Walfarther erzehlen: dieser
„hatte eine weise Kutten und einen langen bis auf die Füsse hinab rei⸗
„chenden Mantel an, ein langes Haar, fast auf die Art, wie un⸗
„sere Mahler die Apostel vorstellen; es steckte aber unter einem er⸗
„barn Angesicht ein abgefaimter Schalk verborgen, ob ihm schon
„die Türken, als einen grossen Wunderthäter, in sonderbaren Eh⸗
„ren hielten. Meine Dolmetschen liessen sich von ihnen uͤberreden,
„daß sie ihn zu mir gebracht haben, welcher so dann das Mittag⸗
„mal ganz bescheiden und maͤssig mit mir eingenommen; nach dessen
„Vollendung gieng er hinunter in Hof, kam aber von dar bald
„wieder zuruck, brachte einen grossen schwehren Stein mit, und
„stoßte sich mit solchen etlichemal so nachdrücklich auf die blose
„Brust, daß man einen Ochsen auf solche Weiß hätte zu Boden
„schlagen sollen. Hierauf ergrief er ein zu diesem End glühend ge⸗
„machtes Eisen, steckte es in den Mund, und fuhr damit allent⸗
„halben darinn herum, so daß auch der Speichel davon zischte. Das
„Eisen war länglicht, aber an dem Ort, wo er es in dem Mund
„steckte, etwas dick und viereckicht, und dermassen glüͤhend, daß
„man es pur für eine glühende Kohlen hätte ansehen sollen: nach
„diesem legte er das Eisen wieder in das Feuer, und nahm nach em⸗
„pfangener Verehrung wiederum seinen Abschied. Hierüber ver⸗
„wunderten sich alle anwesende Bediente, ausser einem, welcher sich
„klüger als andere zu seyn bedünkte, und zu ihnen sagte: was
„macht ihr einfältige Leute doch für ein Wesen aus dieser Sache;
„meint ihr dann, daß alles sich in der That also verhalte, wie es
„sich ansehen läßt? es ist nur lauter Blendwerk: und hierauf
„langte er nach dem Eisen, und ergrief es an dem Ort, wo es
„über das Feuer heraus gieng, um zu probiren/ ob er es ohne
„Verletzung würde anrühren können; liesse aber solches, kaum da
„ers gefaßt / auch wieder fallen, und versehrte sich die Hand und
„Finger so sehr damit, daß er etliche Tage damit zu thun hatte,
„bis er sie wieder zu recht bringen kunte; worüber er dann, wie
„leicht zu vermuthen, von seinen Cameraden heftig ausgelacht wor⸗
„den; als welche ihn fragten, ob er noch nicht glauben wolte, daß
„es heiß wäre? und ob er es noch einmal zu probiren Lust hätte?
„Es erzehlte mir aber dieser Mönch über der Malzeit, wie sein
„Vorsteher / der seiner Heiligkeit und Wunder⸗Werke wegen gar
berühmt - 379 -
Von den Tuͤrkischen Moͤnchen. 329
berühmt wäre, gewohnt sey, einen Mantel auf den nechst an dem“
Closter liegenden See zu breiten, sich auf denselbigen zu setzen, und “
mit aller Bequemlichkeit auf solchen herum zufahren. Es soll auch“
eben derselbige sich bisweilen an einem ausgeweideten Hamel haben“
binden lassen, so daß die Arme an die voͤrdern und die Füͤsse an je⸗
“
nes hintere Füsse zu stehen gekommen, alsdann hatte man ihn in“
einen geheitzten Back⸗Ofen mit samt den Hamel geschoben / auch“
wiederum erst, nachdem dieser voͤllig gebraten war, ohne den ge⸗
“
ringsten Schaden heraus gezogen. Du wirst zwar sprechen: das“
kan ich unmoͤglich glauben; und eben dieses sage ich auch und er⸗
“
zehle es nur von hören sagen, allein das mit dem gluͤhenden Ei⸗
“
sen habe ich selbsten mit angesehen, und kommt mir so verwun⸗
“
derlich eben nicht vor; dann vermuthlich hat er, wie er in dem“
Hofe gegangen, unter dem Schein einen Stein zu suchen / etwas“
in den Mund practicirt, so ihn wider die Hitze des Feuers præser⸗
“
viren kunte: und erinnere ich mich, daß ich zu Venedig auf dem“
Markt einen Mark⸗Schreyer gesehen, der in geschmolzenen Bley“
ohne einige Verletzung seine Hände gewaschen.“
gen Schein⸗
heiligkeit.
Boßheit und Betrügerey wissen sie sich nichts destoweniger vor den
Leuten ungemein heilig anzustellen, und ob sie gleich dem Saufen /
Fressen, der Geilheit und Hofarth ergeben, und nur jederman be⸗
schwehrlich fallen, wollen sie nichts destoweniger vor mäͤssig / keusch,
demüthig, eingezogen, dienstwillig, gutthaͤtig und gedultig angesehen
seyn. Jhr Habit ist rauh und spissigt, ihr Hembd ist aus groben
Hanf gesponnen, das Ober⸗Kleid siehet einer Decke oder weisen
Mantel ähnlich / und ist aus groben Tuch gemacht, dergleichen man
zu Jconien und Lystern verarbeitet. Ausser der ordentlichen Fasten.
Fasten in Ramazan haben sie auch eine freywillige, vermoͤg deren
sie alle Donnerstag vor der Sonnen Untergang nichts zu sich neh⸗
men darfen, es seye dann, daß einer krank wäre, oder sonst eine
erhebliche Ursach vorzubringen wüste. Jn Gegenwart ihrer Obern
und Fremden halten sie sich ganz still, schlagen die Augen unter sich,
hängen den Kopf, und beugen den Leib fast bis zur Erden; und
durch solche Auffüͤhrung schleichen sie sich in der Vornehmen Häͤuser
und an ihren Tisch, welche sie nicht davon wegschaffen darfen, wann
ihnen gleich ihre Gegenwart noch so verdrießlich wäre, woferne sie
nicht für hoffärtig angesehen seyn wollen. Mit Wein und Brand⸗
wein
Tt - 380 - 330
Drittes Buch / Achte Abtheilung /
wein füͤllen sie sich bis oben an, wann sie allein bey sammen sind, daß
Sind
Magsaa⸗
men Fres⸗
ser.
sie oft von ihren eigenen Sinnen nichts wissen; und den Mag⸗Saa⸗
men fressen sie in solcher Menge, daß zwey hundert und vierzig Per⸗
sonen nach der Mediciner Dosi genug daran hätten, und machen sich
kein Bedenken, vier Loth auf einmal hinein zuschlucken; dieses aber
Warum?thun sie darum, damit sie die Traurigkeit vertreiben, und zu dem
Venus-Werk desto geschickter sind; und dann auch, damit sie ver⸗
mittelst dessen bey ihren possirlichen Herumdrehen, als ihrer vor⸗
nehmsten Verrichtung desto mehr Entzückungen empfinden, und
also darinnen ihren Stifter ähnlich werden, welcher sich oft gestellt,
als wann er in einer Verzüͤckung gelegen, und alsdann die Einfältigen
zu überreden suchte, als ob er in solcher Zeit Offenbahrungen ge⸗
Jhr GOt⸗
tes⸗Dienst habt hätte. Der Anfang hierzu wird also gemacht: Sie haben zu
Pera / wo man nacher Galata über den Berg und Kirchhof gehet,
eine Moschee oder Kirche von mittelmäͤssiger Groͤsse, samt einem
Hauß, wo ihr Vorsteher mit denen neu⸗angehenden Moͤnchen woh⸗
net, daselbst nun kommen sie woͤchentlich zweymal, nemlich des
Dienstags und des Freytags / welche Tag bey ihnen so viel, als
bey uns die Sonn⸗ und Feyertaͤg gelten, alle zusammen, es seye
dann, daß sie Krankheit halber verhindert wären, in welcher Ver⸗
sammlung dann dieser Obere præsentirt. Nachmittags zwischen
ein und zwey Uhr kommt derselbige mit denen, so bestäͤndig allda
wohnen, oder wenigstens schon von andern Orten herkommen sind,
durch seine hintere Thür in die Kirche, steigt so gleich auf den Pre⸗
digt⸗Stuhl, der auf der linken Seiten stehet / und hält von dar ent⸗
weder eine Rede zu dem Volk / oder lieset ihnen etwas aus dem
Alcoran / oder aus den Schrifften ihres Stifters und andern Mu⸗
hametanischen Lehrern und ihren Lüͤgen⸗Buͤchern vor, und macht
alsdann seine Auslegung daruͤber; welches mit solcher Langsamkeit
geschiehet / daß man fast alle Sylben zehlen kan. Dahin aber kom⸗
men nicht nur die Dervis oder Moͤnchen, sondern auch andere Leute
aus überflüssiger Andacht gelaufen; da dann jene gleich bey ihrer
Ankunfft den obern Theil in der Kirche, welcher von den untern durch
ein höͤlzernes Gitter unterschieden ist, einnehmen, sich mit ihren blo⸗
sen Füssen an den Boden herum legen, in ihre Mäntel einwickeln,
und mit zugeschlossenen Augen die Predigt anhöͤren, und in solcher Po⸗
situr bleiben sie wie Kloͤtze oder hoͤlzerne Statuen sitzend: die uͤbrigen sind
in - 381 -
Von den Türkischen Mönchen. 331
in dem untern Theil der Kirche und denen Gäͤngen, woselbst
auch die Weiber hinter einem Gitter von den Männern abge⸗
sondert stehen und dem Prediger zu höͤren. Kommen einige Moͤn⸗
che erst unter der Predigt aus der Stadt her, ziehen sie die
Schuhe aus, gehen in das Gegitter hinein, beugen das Haupt
vor dem Alcoran / der auf einem Stuhl gegen der Mecha
ausgelegt ist / und setzen sich, wo sie Platz finden, neben ihre Came⸗
raden hin; als einer von diesen Dervisch / indem er in die Kirche hinSchlechtes
Decorum
eines Der⸗
visch. ⸗
ein gieng, ungefehr den Französischen Medicum sahe, setzte er alle
Andacht beyseit, liefe auf ihn zu, und begehrte einen guten Rath
für seine geheime Krankheit. Er erzehlte, wie er schon lange Zeit
her grossen Schmerzen an seinem Patrimonio leide, und ein grosses
Unheil daraus besorgte. Uber diese Erzehlung lächelte Monsieur
Dumasrambois, gabe ihm zu verstehen, wie dieses der Ort nicht
darnach wäre, von dergleichen Sachen zu reden, und verlangte,
daß er nach geendigter Predigt zu ihm ins Hauß kommen solte. Nach
gehaltener Predigt singen die in der Höͤhe auf dem Gang stehende
Musicanten an, mit ihren Pfeiffen aufzuspielen; in solche Music
hat einer gesungen, und die Stimme auf so unterschiedliche Art ge⸗
führt, daß er bisweilen geschriehen, daß man es nicht nur in der
Kirchen, sondern auch in der ganzen Nachbarschaft höͤren koͤn⸗
nen. Bisweilen aber wurde er so still, daß ihm sein nechst anste⸗
hender Nachbar nicht wird verstanden haben. Die Dervisch blei⸗
ben indessen mit gebogenen Leib, und fast bis auf die Erde geschla⸗
genen Kopf bey einer Viertel Stund lang unbeweglich stehen / und
haben ihre Gedanken nach der andern Welt gerichtet, dabey dann
ein jeder die Arme hält, wie es ihm selbst gefäͤllt, indem er sie ent⸗
weder uͤber einander schlaͤgt, oder unter dem Kleid im Busen ver⸗
borgen haͤlt, oder auf den Knien ruhen laͤßt. Nachgehends werden
drey kleine Trummeln unterweilen mit einem Leder geruͤhrt, derglei⸗
chen die Arabier / deren Verrichtung ins gemein in Aufschlagung Music und
Tantz der
Dervisch.
der Zelten für die Soldaten bestehet, auf den Camelen nachfuͤhren,
worbey aber auf den Pfeiffen unaufhörlich geblasen wird. Alsdann
stehen sie von der Erden auf, legen ihre Mäͤntel und Uber⸗Röͤcke
samt dem engen Wammes ab, ziehen dagegen lange und breite Un⸗
ter⸗Röcke an, so denen mit Fisch⸗Bein ausgespannten Reif⸗Röcken
des Frauenzimmers nicht ungleich seyn, beugen sich erstlich gegen
ihren
Tt 2 - 382 - 332
Drittes Buch / Achte Abtheilung /
ihren Obern, gehen etlichmal bey dem Alcoran vorbey, und las⸗
sen jenen immer voran gehen, machen einen kleinen oder grossen
Creiß in der Mitte / nachdem ihrer nemlich viel oder wenig sind,
fangen an, sich auf einen Fuß in die Runde herum zu drehen, und
damit sie darinnen desto geschwinder seyn moͤgen, helfen sie sich mit
dem andern Fuß, indem sie mit solchen nur bisweilen ein wenig die
Worinnen
die Kunst
bestehet. Erde berühren. Die am wenigsten von ihrer Stelle weichen, und
beständig in einem Fußstapfen bleiben, dabey aber sich doch sehr
geschwind herumdrehen, werden für die Besten gehalten; es sind
aber nicht nur die Alten, sondern auch einige Anfänger so fix hier⸗
innen, daß sie auch kein Haar breit von ihrer ersten Stelle weichen,
und solches præstiren sie mit solcher Geschwindigkeit, daß man
kaum das Gesicht im Herumwenden erkennen kan. Jhr Vorsteher
sitzet indessen bey dem Alcoran / und zwar um eine Staffel nie⸗
driger, als die andern, mit einem grossen Stecken in der Hand,
welcher auf diese curiösen Gauckler acht gibt; in der Mitte stehet
ein anderer, so sie füͤhret, und ihnen Muth machet. Mich bedunck⸗
te, als ob ihr Führer aus dem Geschlecht Muhamets muͤsse ge⸗
wesen seyn, weil er einen grün umwundenen Bund auf hatte; er
bewegte sich ganz langsam, blieb auch bisweilen gar stehend, und
schauete den andern zu. Dieses Herumdrehen dauert oft eine ganze
Wie lang
es dauret.Stund und noch laͤnger/ ohne daß sie in dieser Zeit im geringsten
still hielten und ausruheten / wie es dann einige gibt, die noch meh⸗
rere Stunden ausdauren koͤnnen, wobey sie dann die Arme entwe⸗
der ausspannen, oder Creutz⸗weiß auf die Brust legen, auch bis⸗
weilen den Rock damit aufheben. Bey dieser Kurzweil, welche sie
für die gröste Andacht und das verdienstlichste Werk ihres Glau⸗
bens halten, hoͤren die erst angehenden entweder eher auf, oder fan⸗
gen auch wol später als die andern an, damit sie es nur nach und
nach gewöhnen, und mit jenen endlich auch ausdaurn koͤnnen. So
bald aber die Pfeiffen still sind, bleiben alle zugleich in einem Au⸗
genblick so unbeweglich stehen / daß derjenige / so es nicht gesehen,
es kaum glauben solte; also daß man den geringsten Schwindel an
ihnen nicht vermerkt/ gleich als ob sie sich niemal bewegt haͤtten.
Sie legen sich aber schon von Kindheit an auf dieses Exercitium.
wordurch sie es dermassen gewehnt werden, daß sie in wenig Jah⸗
ren nicht mehrer Beschwehrlichkeit, als wir etwan vom Gehen,
Ste⸗
- 383 -
Von den Tüͤrkischen Mönchen. 333
Stehen, oder anderen uns gewohnten Sachen davon empfinden. Sie Warum sie
dergleichen
vornehmen.
geben vor, daß solches von ihnen aus guter Meinung zur Nachah⸗
mung ihres ersten Stifters Meveleva geschehe, welcher sich 15.
Tage ohne Essen und Trinken also herumgedrehet, und so lang aus⸗
gedauert, als sein Freund Hazar auf der Pfeiffe gespiehlet, biß er
endlich ganz ausser sich selbst in eine Verzuckung kommen, in wel⸗
cher er vieler Göttlichen Offenbahrungen theilhaftig worden, und
zugleich auch seine Ordens⸗Reguln überkommen. Nebst einigen
Eß⸗Waaren werden auch Rauch⸗Kerzen vor ihrer Kirche verkauft,
um selbige anzuzünden, und den uͤbeln Geruch, den diese Muͤnche
durch ihren vermittelst so starker Bewegung herausgepreßten Schweiß
verursachen / damit zu vertreiben. Sie sind auch gaͤnzlich persuaDer Ge⸗
brauch der
Pfeiffen
heilig und
alt. ⸗
dirt / daß der Gebrauch der Pfeiffen heilig und gar alt seye, deren
sich auch Jacob und andere Erz⸗Vätter im alten Testament zum
Lobe GOttes bedienet hätten / glauben auch, daß ohne solches Pfeif⸗
fen sie sich kaum dreymal wuͤrden herum wenden koͤnnen, als wor⸗
durch sie zu diesem ungewöͤhnlichen Lob Gottes erst recht erhitzt und
aufgemuntert würden. Es hat solche Music etwas Trauriges und
Klägliches an sich / ist aber gleichwol durch den langen Gebrauch
und beständige Ubung zu so grosser Vollkommenheit gelangt, als
man von dergleichen Instrument erwarten kan. Jhre besten Pfeif⸗
fen werden von Jconien gebracht, und eine für sechs bis acht Duca⸗
ten bezahlt. Hingegen verwerffen die andern Türken allen Gottes⸗Verwerf⸗
fung der
Music bey
dem Got⸗
tes Dienst
der Türken.
Dienst, wobey eine Music gehöret wird, und wollen behaupten,
daß Meveleva sich derselbigen niemaln bedient, noch auch seinen
Jüngern und Nachfolgern solche vorgeschrieben habe; sintemaln
ein gewisses Gesetz in dem Alcoran, (ausser der Vocal-Music, die
durch Menschliche Stimme geschiehet /) alle andere bey öffentlichen
GOttes⸗Dienst verbotten habe. Es berichtet Ricaut, daß zu der Wird de⸗
nen Der⸗
visch
verbotten.
Zeit, da er sich zu Constantinopel aufgehalten / durch einen Kai⸗
serlichen Befehl denen Dervisch alle Music verbotten gewesen: sie
hingegen schützen sich damit, daß solche heilig und alt seye, und fuͤh⸗
ren das Exempel Davids zu ihrem Beweiß an, welcher auch vor
der Arche hergetanzt hätte; wie sie dann auch durch sonderbahre
Vorbitte dererjenigen, so ihren Orden geneigt sind, diese Ubung ih⸗
res ersten Stifters noch behauptet haben/ ohnerachtet ein gewisser
Vannius, Groß⸗Scheig / oder Prediger, welcher bey dem Sul⸗
tan
Tt 3 - 384 - 334
Drittes Buch / Achte Abtheilung /
tan und ganzem Hof in gar hohen Estime stunde, alle Kräften
angewendet, damit dieser Mißbrauch völlig aufgehebt werden
möͤgte.
Und weil die Türken keine Music in
den Kirchen dulten kön⸗
Warum
die Türken
keine Glo⸗
cken in den
Kirchen lei⸗
den.
nen, wollen sie eben um dieser
Ursache willen auch keine Glocken da⸗
selbst leiden, und lassen deswegen
das Volk durch menschliche Stim⸗
me von den Thürnen der Moscheen zum
Gebeth beruffen, wel⸗
Wie sie
zum Got⸗
tes⸗Dienst
ruffen.ches
dann insgemein des Tags fuͤnfmal geschiehet, so viel Buchsta⸗
ben nemlich das Wort
Muhamet in ihrer Sprach hat, erstlich
des Morgens vor der Sonnen Aufgang, auf den Mittag zum
zweytenmal / zwischen Mittag und der
Sonnen Untergang ge⸗
schiehet es zum drittenmal / zum vierten nach der Sonnen Un⸗
tergang, und
in der zweyten Stund in der Nacht zum fünften⸗
mal; und am Freytag setzen sie die
sechste Beth⸗Stund zwo
Stund vor
Mittag darzu / als welchen Tag sie zum Gedächtnuͤß
ihres Propheten feyren, der an
solchem seine Lehren (Lügen solte
ich vielmehr sagen) das erstemal vorgetragen, und das Volk zu be⸗
trüͤgen
angefangen. Die Ursach aber / warum er diesen Tag vor denen
übrigen erwehlt, mag unter andern
auch vielleicht diese seyn, damit,
wann er den Samstag darzu nehme, er solchen nicht mit den Ju⸗
den, oder wofern den
Sonntag, nicht mit den Christen feyren
mögte, welches beides er zu vermeiden suchte; doch trifft
dieser Tag,
Türken
sind den
Christen
Anfangs
nicht feind
gewesen.als welcher bey denen Heyden seinen Namen von der
unzüchtigen Ve⸗
nus her hat, mit ihren Naturell auch ungemein wol überein. Wie⸗
wol die
Türken denen Christen Anfangs nicht so feind gewesen / als
nach der Zeit erst geschehen,
welches aus jener Bündnüß, die Mu⸗
hamet zwischen den Christen und
seinen Glaubens Genossen auf⸗
gerichtet, nicht undeutlich
abzunehmen, die so lang dauren solte, als
einer dem andern in seinem Stand lassen wuͤrde; und hievon
soll die
wahre Handschrifft in dem
Closter des Bergs Carmel bey dem
Berg Libanon / so nur eine Stund von Mecha entfernet ist/
gefunden worden seyn, an dem Ort /
wo die Pilgram nach der
Mecha ihre
Opfer, die sie Corban nennen/ noch ehe sie in die
Stadt gehen, zu verrichten pflegen.
Ricaut berichtet, daß dieses
Manuscript in die Königliche Bibliothec nach Frankreich seye ge⸗
bracht
worden, ob es nun wahr / dafür lasse ich den Urheber dieses
Vorgebens sorgen / weil ich weder
das Orginal noch einige Copie
da⸗
- 385 -
Von
den Tuͤrkischen Moͤnchen.
335
davon jemaln zu Gesicht bekommen /
ausser diejenige / welche besag⸗
ter Auctor anfuͤhret, wie ich sie
dann von Wort zu Wort um seiner
Raritæt willen hersetzen will:
Die
Mahomet / ein Both Gottes, gesandt, die Menschen zu„ Copie des
Bündnüß
des Muha⸗
mets mit
den Chri⸗
sten.
unterweisen und die wahrhaftig Göttlichen Geboth zu erklären, hat„
folgende Articuln aufgesetzt, nemlich: daß die Christliche Religion,„
die von GOtt selbst bestattiget worden, so wol gegen Auf⸗als Nie⸗
„
dergang, von denen Einwohnern und Benachbarten, von denen„
Ausländern und Einheimischen, frey und ungehindert koͤnne getrieben„
werden. Allen und jeden erstbemeldten Voͤlkern hinterlasse ich ge⸗
„
genwärtige Schrifft, als eine unverbruͤchliche Buͤndnuͤß und voll⸗
„
kommene Entscheidung alles ins kuͤnftig zu besorgenden Streits und„
Uneinigkeit, und als ein Gesetz, wordurch die Gerechtigkeit offen⸗
„
bahret, und dessen Beobachtung mit dieser auf das genauste verei⸗
„
niget ist. Dannenhero alle diejenige, welche sich zu dem Glauben„
der Muselmänner bekennen, und doch diesem nicht nachkommen„
sondern nach Art der Unglaubigen dieses Bündnuͤß brechen, und„
dasjenige / was ich hiemit gebiethe, uͤbertretten werden, sollen wissen,„
daß sie die Freundschaft mit GOtt aufheben, seinen Willen wieder⸗
„
streben und sein Gesetz verachten, er mag nun gleich ein König,„
Fürst, oder anderer Glaubiger seyn. Durch dieses Bündnuͤß,„
durch welches ich mich selbsten auf der Christen Ansuchen verbind⸗
„
lich gemacht, so wol in meinem eigenen Namen, als auch meiner„
Jünger und Nachfolger, bin ich mit ihnen in die Freundschaft Got⸗
„
tes, in den Frieden der Propheten und der ausserwehlten Aposteln,„
wie auch aller heiligen Glaubigen und Seeligen, so wol der ge⸗
„
genwärtigen als zukünftigen, getretten. Ich verbinde mich dem⸗
„
nach, mein hiemit gemachtes Buͤndnuͤß so heilig zu halten, als einem„
von GOtt gesandten Propheten, und vor dem Angesicht GOttes„
stehenden Engel, der sich in dem Gehorsam der Goͤttlichen Gese⸗
„
tze und Befehl aufs genauste finden läßt, zustehet. Jch verspreche„
ihre Obrigkeit in meinen Ländern mit allen meinen Leuten zu Pferd„
und zu Fuß, meinen Bunds⸗Genossen und gläͤubigen Nachfolgern„
zu schützen. Jch mache mich auch verbindlich, sie wider alle ihre„
Feinde, sie möͤgen nah oder fern seyn, zu verthaͤidigen, und ihnen in„
Kriegs⸗ und Friedens⸗Zeiten Sicherheit zu verschaffen; ihre Kirchen,„
Capellen, Clöster, und H. Oerter, wo sie hin wallfarthen gehen„
sie - 386 - 336
Drittes Buch / Achte Abtheilung /
sie moͤgen nun liegen wo sie wollen, es sey nun auf den Bergen„
oder in den Thälern, in Hölen, oder bey andern Wohnungen,„
auf den Feld oder in der Wüͤsten, oder in was für einem Gebäͤu„
es auch seyn mag, zu erhalten; ich will auch nicht weniger auf die„
Erhaltung ihrer Religion und Güter, wo sie auch immer zu fin⸗
„
den, zu Wasser oder zu Land, gegen Auf⸗oder Niedergang, bedacht„
seyn, als wann es mich selbst oder meine Regierung, meine Glau⸗
„
bigen und mein eigenes Volk anbeträfe. Uber dieses verspreche ich„
auch, sie in meinen specialen Schutz an und aufzunehmen und wi⸗
„
der alle Gewaltthätigkeit und Verdruß, der ihnen nur immer be⸗
„
gegnen könnte, zu schützen: ihre Feinde zurück zu treiben / welche ih⸗
„
nen Schaden zu fügen wollen; es anzunehmen, als ob es mir selbst„
geschehen wäre, und dahero ihren Widerwäͤrtigen mit aller Macht„
zu widerstehen, es seye nun in eigener Person oder durch meine„
Bediente, und diejenige die mein Volk und Geschlecht sind. Dann„
weil ich die Herrschaft über sie führe, will es mir auch gebühren /„
sie zu verthädigen, und wider alles Unrecht zu schuͤtzen / und zu ver⸗
„
hindern, daß denen Meinigen kein Leid wiederfahre, als die zu ei⸗
„
nerley Zweck mit mir arbeiten. Weiter verspreche ich, daß ich sie von„
allen Anlagen / denen sich meine andere Bunds⸗Genossen durch Her⸗
„
leihung ihres Gelds oder andere Beschwehrden unterwerffen müssen,„
sollen befreyet seyn, also daß sie nichts weiters bezahlen sollen, als„
was ihnen selbst gefällig, und daß sie darum auf keine Weise ver⸗
„
unruhiget oder gestrafft werden koͤnnen. Kein B[i]schoff soll von seiner„
Kirche getrieben noch einiger Christ gezwungen werden / seine Reli⸗
„
gion zu verlassen, noch auch die Mönche, sich aus ihren Orden„
zu begeben; man soll auch keinen Pilgram auf seiner Wallfarth,„
noch die Ordens⸗Leute in ihren Clöͤster betrüben: ihre Kirchen sollen„
nicht verstört und etwan in Moscheen verwandelt werden; sinte⸗
„
maln derjenige, so sich dessen unterstehen wird, gegenwärtigen Bund„
mit GOtt bricht, seinen Gesandten sich widersetzt, und das Gesetz„
GOttes abschafft. Keinen Mönchen noch Bischoff soll man ei⸗
„
nigen Tribut auflegen, noch auch einigen andern Christen, so de⸗
„
nen Schatzungen nicht unterworffen, es sey dann, daß es mit ih⸗
„
rem guten Willen geschehe. Den Anschlag, den man auf die rei⸗
„
chen Kauf⸗Leute, Perlen⸗Fischer, Edelstein⸗Gold oder Silber⸗
„
Graber oder andere reiche Christen legt, soll jährlich nicht mehr„
als - 387 -
Von den Türkischen Mönchen. 337
als aufs höchste einen Reichs⸗Thaler austragen / und nur von de⸗
„
nen eingefordert werden, die ein eigenes Hauß haben, nicht aber„
von den Reisenden, oder denenjenigen / welche mit dergleichen nicht„
versehen sind. Dann wer nach dem gemeinen Rechten und Ver⸗
„
ordnung dem Kaiser etwas geben muß, soll so viel, als ein an⸗
„
derer, und keinen Heller daruͤber bezahlen, wird auch von keinem„
mehr gefordert, als was er nach seinem Vermögen ertragen kan.„
Jngleichen auch sollen diejenige, deren Landschaften, Häuser, und„
übrige Einkuͤnfte dem Tribut unterworffen, nicht unmaͤßlich ange⸗
„
griffen, oder mehr als andere beschwehrt werden, so gleichermas⸗
„
sen die Zoͤlle zu erlegen schuldig sind. Die Bunds⸗Genossen sollen„
nicht verbunden seyn, mit den Muselmaͤnnern in Krieg wider„
ihre Feinde zu ziehen, noch mit ihnen zu streitten, noch Kundschaft„
wegen der Feinde einzuholen, angesehen man die Bunds⸗Genossen„
nicht zu Kriegs⸗Diensten brauchen soll, und gegenwärtige Buͤnd⸗
„
nuͤß zu keinem andern Ende mit ihnen aufgerichtet worden, als zu ih⸗
„
rem Vortheil, und Verhinderung, daß sie nicht untergedruckt wer⸗
„
den: vielmehr sollen die Muselmaͤnner für sie die Wachten ver⸗
„
sehen, und sie vertheidigen. Derowegen soll man sie ja nicht zwin⸗
„
gen, mit in die Schlachten zu ziehen / sich den Feinden zu widerse⸗
„
tzen, Pferd und Waffen darzu anzuschaffen, wo sie es nicht frey⸗
„
willig thun: denenjenigen aber, die sich darzu verstehen, solle darum„
gelohnt werden. Kein Muselmann soll einen Christen veriren,„
noch mit ihm dispuriren, es ware dann aus guter Freundschaft:„
Hingegen sollen sie solche hoͤflich tractiren, und sich von aller Ge⸗
„
waltthätigkeit, wie sie auch Namen haben moͤge, enthalten. Wann„
es sich zutragen wuͤrde, daß ein Christ ein grobes Laster oder sonst„
einen Fehler begehet, soll der Muselmann ihm beystehen, ihme„
Gnade auswürken helfen / Bürge für ihn stehen, und seine Sa⸗
„
che wiederum auf guten Weeg bringen; er mag auch so gar sein„
Leben mit Geld loͤsen, dafuͤr er dann auch nicht verlassen noch ohne„
Hülfe bleiben wird, wegen des mit ihnen aufgerichteten Göͤttli⸗
„
chen Bunds: sie sollen mit den Muselmaͤnnern Gutes und Bö⸗
„
ses geniessen, gleichwie auch diese ihres Glücks und Unglücks„
sich theilhaftig machen: ihr seyd also vermoͤg dieses auf rechtmaͤßi⸗
„
ges Ansuchen der Christen aufgerichteten Tractats, und der schul⸗
„
digen Sorgfalt gemäß, solchen in seiner Kraft zu erhalten, verbun⸗
„
den,
Uu - 388 - 338
Drittes Buch / Achte Abtheilung /
„den, sie wieder Verdrüßlichkeiten zu schüͤtzen, ihnen alle möͤgliche
„Dienste zu erweisen, und euch also aufzufüͤhren, daß ihr als Mu⸗
„selmänner euch ihres guten und widrigen Glüͤcks theilhaftig ma⸗
„chet. Jhr solt üͤber dieses darauf bedacht seyn, daß ihnen im An⸗
„sehen der Ehe keine Gewaltthätigkeit geschiehet, und weder die El⸗
„tern gezwungen werden, ihre Tochter denen Muselmaͤnnern zur
„Ehe zu geben / noch darum Verdruß leiden muͤssen, weil sie einem
„seinen Sohn oder Tochter abgeschlagen / angesehen dieses eine Sache,
„die lediglich auf den freyen Willen ankommt, und mit gutem und
„freudigen Gemüth soll vorgenommen werden. Geschiehet es aber,
„daß eine Christin einen Muselmann zur Ehe nimmt, soll ihr ihre
„völlige Gewissens⸗Freyheit gelassen und vergoͤnnet werden, ihrem
„geistlichen Vatter Gehorsam zu leisten, und die Unterweisung ih⸗
„res Glaubens von ihm anzunehmen, ohne daß sie jemand daran
„verhindern könnte. Man lasse sie demnach deswegen in Ruhe und
„ungekränkt / drohe ihr auch nicht mit der Ehe⸗Scheidung / noch su⸗
„che sie von ihrem Glauben abwendig zu machen; wer sich des Ge⸗
„gentheils gelusten läßt, verachtet den Bund mit GOtt / wider⸗
„strebt dem von seinem Gesandten aufgerichteten Tractat, und ste⸗
„het in der Zahl der Lügner. Wann die Christen ihre Kirchen, Clö⸗
„ster oder andere Oerter, wo sie ihren GOttes⸗Dienst halten, ver⸗
„neuern wollen, und dazu der Hüͤlfe und Beystand der Muselmaͤn⸗
„ner bedürftig sind, ist ein jedweder gehalten / nach seinem Ver⸗
„mögen dasjenige beyzutragen, und ihnen zu geben, was sie verlan⸗
„gen, ohne Absehen auf einige Wiedererstattung, noch vielweniger
„um Gewinsts willen, sondern umsonst zum Anzeichen der Ge⸗
„wogenheit gegen ihre Religion, und des Gehorsams gegen dem
„durch den Gesandten Gottes aufgerichtetem Tractat, indem sie sich
„diejenige Verbindlichkeit vorsetzen / welche sie haben, demselbigen
„auf das genauste nachzuleben. Sie sollen demnach keinen, so un⸗
„ter den Muselmäͤnnern lebt, unterdrucken, nicht hassen, noch
„zwingen Briefträger oder Wegweiser abzugeben, noch einige Ge⸗
„waltthätigkeit erzeigen; dann welcher dergleichen Tyranney an ihnen
„ausüben würde, ist billich für einen Tyrannen und Feind des Ge⸗
„sandten GOttes und der seinen Geboten widerstrebt, zu halten.
„Dieses ist zwischen dem Mahomet, den Boten Gottes, und de⸗
„nen Christen aufgerichtet worden. Die Bedingungen / mit welchen
ich - 389 -
Von den Türkischen Mönchen. 339
ich sie in ihrem Gewissen darzu anhalte / sind folgende: daß kein„
Christ einen Soldaten, zum Nachtheil der Muselmaͤnner, unter⸗
„
halte, auch dergleichen weder öfentlich noch heimlich in seinen„
Hauß aufnehme; daß sie keinen Feind der Muselmänner eine„
Zuflucht verstatten, noch in ihren Häusern / Kirchen oder Clöstern„
verwahren; daß sie die feindliche Armeen nicht heimlich mit Mann⸗
„
schaft, Waffen und Pferden versehen, auch keine Gemeinschaft„
weder mit Brieffen noch einige andere Weise mit ihnen halten,„
sondern sich an einem sichern Ort verbergen, und auf ihre und ihrer„
Religion Erhaltung bedacht seyn; daß sie drey Tag hinter einan⸗
„
der allen Muselmaͤnnern für sich und ihr Viehe Unterhalt ver⸗
„
schaffen, und dieses nach Nothdurft mit allerhand Fleisch; sollen„
auch alle Kräften anwenden, sie, wann sie angefochten werden,„
zu defendiren, und vor allem Verdruß zu bewahren. Wann üͤber„
dieses ein Muselmann sich in ihr Hauß verbergen will, sollen sie„
ihme dieses ungehindert zu lassen, und der ihm angedrohten Gefahr„
entziehen, ohne daß sie ihn dem Feind anzeigen. Wo aber die Chri⸗
„
sten eines Theils Glauben halten wuͤrden, so sollen doch alle die⸗
„
jenigen, welche auch nur einen aus diesen Puncten, was es auch für„
einer sey brechen, und das Gegentheil thun werden/ dererjenigen„
Vortheile, die in diesem mit GOtt und seinem Gesandten gemach⸗
„
ten Bund enthalten, verlustigt seyn, und für unwuͤrdig angesehen„
werden, daß sie des denen Bischöͤffen und Christlichen Moͤnchen„
veraccordirten Nutzens geniessen: die Gläͤubigen aber derer, so in„
dem Alcoran enthalten sind. Jch beschwehre demnach mein Volk„
im Namen GOttes und seines Propheten, daß sie diesen Vertrag⸗
„
treulich halten und erfuͤllen, wo sie sich auch immer aufhalten moͤ⸗
„
gen, wofür sie auch der Gesandte GOttes belohnen wird, dafern„
sie nur trachten werden, daß sie solchen bis auf den Tag des Ge⸗
„
richts und Ende der Welt unverbruͤchlich nachkommen.„
Zeugen dieser Bedingungen, welche Mahomet, der Bote GOt⸗
tes, hierbey gebraucht, sind: Abubacre Assadiqu. OMar Be⸗
nalcharab. Jthman Ben Afan. Atiben Abi Taleb / sammt
noch mehr andern. Der Secreatair aber, so dieselbige unterschrie⸗
ben, ist: Moavia Ben Abi Sofian / ein Soldat des Boten
GOttes. Am letzten Tag des vierten Monats / im vierten
Jahr der Hegira / zu Medina.
Es
Uu 2 - 390 -
340
Drittes Buch/ Achte Abtheilung /
Es bedeutet aber Egira oder Hegira, welches die Araber
Hegira
was es be⸗
deutet.
Hegirathi nennen, eben so viel, als eine berühmte Flucht / und ist
eine Zeit⸗Rechnung, nach welcher die Muhametaner ihre Zeit
austheilen, gleich wie die Christen von der Geburt Christi, und
die Juden im Alten Testament von der Suͤndfluth, oder der Ge⸗
burt Abrahams, oder auch von dem Ausgang aus Egypten/
der Auferbauung des Tempels zu Jerusalem und andern
herrechnen. Es ist aber dieser falsche Prophet in Arabien geboh⸗
ren worden, und weil er sich furchte, er duͤrfte um der von ihm er⸗
regten Aufruhr willen gestrafft werden, ist er vermittelst der Flucht
seinen Nachstellern entgangen, und hat sich von Mecha nach Ja⸗
Zeitrech⸗
nung der
Türken. tribum begeben. Aus dieser Flucht nun haben seine Nachfolger
Gelegenheit genommen, ihre Jahre zu rechnen, welche, wie ich bey
Erwehnung des Bairams gedacht, aus zwölf Monaten, den
Monds⸗Lauf nach gerechnet, bestehen. Diese Jahr⸗Rechnung hebt
sich den 16. Julii im Jahr Christi 622. unter der Regierung Kai⸗
sers Heraclii, und Clotarii II. Königs in Frankreich, da Pabst
Honorius den Päbstlichen Stul besessen, an einem Freytag an: wie⸗
wol einige den Anfang der Hegiræ, auf den 15ten Julij an einem
Donnerstag machen; ist aber wahrscheinlicher, daß man mit dem
folgenden Tag, den die Tüͤrken zu feyren gewohnt sind, den An⸗
fang machet. Es trifft auch eben diese Jahr⸗Rechnung ein mit dem
1370ten des Nebonassers / und dem 1335ten der Julianischen.
wie auch mit dem 4382ten der Juden: Und so viel von der Hegy⸗
ra. Unterdessen schließt der Muhamet seinen aufgerichteten Bund
folgender Gestalt: GOtt sey derjenigen Lohn/ welche Zeu⸗
gen bey dieser Verfassung gewesen. Ehre sey GOtt/ der
da ist der HErr und Schöpfer aller Dinge. Man trifft in⸗
Türken
sind nicht
mehr so
grausam
als vor
diesem.dessen bey denen Türken keine solche Grausamkeit mehr an, als sie in
den mittlern Zeiten bezeigt haben, in welcher sie dafür gehalten, es
seye ein besonders Liebes⸗Werk und höchst löblich, wann sie einen
Christen nicht nur im Krieg, als dessen sie noch heut zu Tag per⸗
suadirt sind, sondern auch um der geringsten und wol gar keiner Ur⸗
sach willen umbrächten, wordurch sie ihre Cron mit so viel Rosen
und Edelsteinen vermehrten, als sie Christen todt geschlagen hätten.
Nunmehr haben sie durch den Umgang mit andern Leuten sich eine
gütigere Aufführung angewehnt, und ist noch Hoffnung / daß ein
so
- 391 -
Von den Türkischen Mönchen.
341
so bluͤhendes Reich ihren Jrrthum ablegen, und der Kirche, wie auch
ihren rechtmäßigen Herren / dem Römischen Kaiser / völlig
wiederum werde zugebracht werden/ wann nur auch die Christli⸗
che Fürsten ihren gegen einander tragenden Haß und Neid fahren
lassen, und solches hochwichtige Werk selbst mit Ernst zu befoͤrdern
trachten, um welches, daß es bald geschehe, alle rechtschaffene Chri⸗
sten den Höchsten unermüdet anflehen sollen.
Damit ich aber in meiner oben angefangenen Erzehlung fort⸗
fahre, wende ich mich wiederum zu denen Moͤnchen, welche nach
einem Stund⸗langen Herumdrehen auf die Knie gefallen und den
Kopf fast bis zur Erden gebeugt haben; und in solcher Positur ha⸗
ben sie eine Zeitlang mit Verrichtung ihres Gebets zugebracht, nach⸗
dem sie zwar ihre vorher abgelegten Ober⸗Röcke wieder angezogen,
damit nicht der durch die Bewegung erregte Schweiß wegen so schleuni⸗
ger Veränderung durch die noch nicht zu geschlossene Schweiß⸗Loͤcher
zurück in den Leib schlagen mögte. Alsdann fiengen sie wiederum
einen neuen Dantz in folgender Ordnung an: Es gingen alle bey dem Wieder⸗
holter
Dantz der
Dervisch.
Alcoran in gleicher Linie, und zwar nach dem Alter vorbey, also
daß die Aeltern vorangingen, die Juͤngern aber nachfolgten, welches
abermal um dieser Ursach willen also angegeben ist / damit die An⸗
fänger, die solcher Strapazzen noch nicht gewohnt, nicht so abge⸗
mattet werden, wann sie zu letzt anfangen, angesehen unter ihnem
junge von acht, zehen bis zwölf Jahren sich befinden, welche es ih⸗
ren Vätern und Erwachsenen perfect nach zu thun wissen. Wann
sie nun zu dem Alcoran kommen, bleiben sie alle daselbst stehen,
und gehet endlich einer nach dem andern vorbey, also daß der erste,
so vorbey gegangen / und sich vor dem Buch gebeuget, alsobald an⸗
fängt sich wiederum in Creiß herum zu drehen, wobey er dann im⸗
mer weiter fortrucket, damit der ander folgen kan. Wann nun
der erste, zweyte, dritte und so weiter gefolgt, kommen sie nach
und nach in der Mitte zusammen, und formiren zugleich damit ei⸗
nen Reihen, da alsdann keiner mehr von der Stelle weicht, son⸗
dern auf einerley Ort bleiben und sich herumdrehen, doch dauret
diese Kurzweil füͤr diesesmal bey weitem nicht so lang, als Anfangs.
Wann nun dieses vorbey, nehmen sie ihre Mantel wieder, bitten Ceremo⸗
nien nach
dem Dantz
GOtt um die Bekehrung der Jaouren oder Unglaͤubigen zum
Tür⸗
Uu 3
- 392 -
342
Drittes Buch / Achte Abtheilung /
Türkischen Glauben, gehen den Alcoran nochmal dreymal vor⸗
bey, und kuͤssen so dann erstlich ihrem Vorsteher / so dann auch ih⸗
nen unter einander zum Zeichen der Demuth und Brüͤderlichen Lie⸗
be die Hände; wobey sie wieder die Ordnung halten, daß der, so zu
erst stehet / nur allein dem Obersten, der Zweyte dem Obersten,
und dem, der zu erst stund, und so ferner ein jeder denen, die ihm
vorgegangen, die Hände kuͤßet: so finden sich auch andere, so nicht
aus dem Orden sind, haͤufig ein, bey diesem Vorsteher zum Hand⸗
Kuß gelassen zu werden. Zu letzt tritt einer, so schon darzu bestellt
ist, aus der Ordnung herfuͤr, nimmt das sc. heilige Buch, verehrt
es mit einem Kuß, steckt es unter den Arm, gehet damit vor den
Obern her, dem so dann alle folgen, und auf solche Weise fuͤhret er
sie aus der Kirche wiederum ins Closter. Diese Dervisch haben
noch ein anders Closter, und beruͤhmte Moschee in Egypten, zu
Cheberles
ein Heili⸗
ger bey den
Dervisch.
Teke Thioi / wie sie dieses Ort auf ihre Sprach nennen, woselbst
sie weiß nicht was für einen Chederles verehren, den sie unserm
H. Georg gleich machen, und eben dasjenige von jenem, was wir
von diesem, erzehlen, wie dieser starke Held durch Erlegung eines
ungeheuren Drachens eine ihm vorgeworfene Jungfrau erlediget /
Nattern, Schlangen und andere dergleichen vergiftete Thiere bey
seinen Lebs⸗Zeiten umgebracht, nach seinem Tod aber von GOtt zu
einem Erhalter dererjenigen vorgestellt worden, die in ihren Noͤthen
ihre Zuflucht zu ihm nehmen. Er wird insonderheit für einen Patron
der Schiffbruch⸗Leidenden gehalten, als denen er mächtig zu statten
komme, weswegen sie ihm auch das Vermöͤgen zu schreiben, daß er
in einem Augenblick von einem Ende der Welt zum andern kommen
könne, damit er allen, die seine Hülfe bedüͤrftig wären, desto eil⸗
fertiger beyspringen könnte. Sie erzehlen auch von ihm, wie er ein
Gefehrt und Freund Alexanders des Grossen gewesen, weil er
gleichfalls an Kriegen und Schlachten einen Gefallen gehabt: so brin⸗
Dessen Un⸗
sterblich⸗
keit.gen sie auch viel Fabelhaftes von einem gewissen Fluß vor / zu wel⸗
chem er einen sehr weiten Weeg gereißt wäre und die Unsterblichkeit
daraus getrunken hätte; desgleichen von einem Pferd / auf welchem
er nach erhaltener Unsterblichkeit allenthalben herum reite, und wie
dasselbige / nachdem es gleichfalls aus besagten Fluß getrunken, un⸗
sterblich worden. Sie eignen aber seinem Pferd darum so herr
⸗
lich
- 393 -
Von den Türkischen Mönchen.
343
liche Eigenschaften zu, damit sie ihre Fabel desto wahrscheinlicher
machen möͤgen, angesehen sie ihm eine so grosse Geschwindigkeit zu⸗
schreiben, die selbst der Menschen Gedanken uͤbertrifft / und nach
welcher er in einem Augenblick allenthalben seyn kan. Ferner erzeh⸗
len sie / daß von dem Harn dieses Pferds, den es absonderlich in
dieser vornehmsten Moschee in ganz Egypten von sich gelassen,
ein Brunnen des allerreinsten Wassers entsprungen sey, der auch
noch heut zu Tag daselbst angetroffen wird; mich wundert nur, daß
sie solchen nicht auch eine besondere Kraft fürs Fieber, Flecken,
Flüsse, Blödigkeit der Augen, Schwindel und andern Kopf⸗ und
Augen⸗Schmerzen zugeschrieben, wie sie doch von jener Erde und
Steinlein, auf welchen Chederles gestanden, als er auf den Dra⸗
chen gewartet, zugeeignet, oder auch den Graͤbern, in welche sei⸗
ne Cameraden, der Stallmeister, und seiner Schwester Sohn ge⸗
legt worden, von denen sie vorgeben / daß täͤglich viele neue Wun⸗
der sich daselbst zutruͤgen, und diejenige mit vielen himmlischen Wol⸗
thaten überschuͤttet wuͤrden / so in gutem Vertrauen und Zuversicht
ihre Zuflucht dahin nehmeten. Jedoch sie haben diesem Pferd gleich⸗
wol etwas anders und viel Würdigers zugesprochen: sie haben es
nemlich füͤr seelig gepriesen, und unter diejenige drey Thiere ins PaDessen
Pferd wird
in den Him⸗
mel logirt.
⸗
radeis gesetzt, welche die Tüͤrken in gar hohen Werth halten, nem⸗
lich zu der Eselin / auf welcher unser Heyland geritten; zu dem
Camel, daß dem Mahomet getragen, und zu dem Hund, der bey
den sieben Schlaͤfern gewacht. Mit eben solcher Richtigkeit be⸗
haupten sie auch, daß diese Moͤnche die Schlangen und Nattern
zam machen köͤnnen, welche Kunst ihnen Chederles soll gelehrt ha⸗
ben; weswegen sie denn so sicher mit ihnen, als wir mit unser Hun⸗
den oder andern zamen Hauß⸗Thieren oder Voͤgeln, umgehen. Al⸗
lein ich habe von glaubwuͤrdigen Leuten gehöͤrt, denen auch Ricaut
beyfällt, daß nicht allein die Dervisch in Egypten diese Kunst koͤnEgyptier
gehen mit
den Schlan⸗
gen ohne
Schaden
um.
⸗
nen, sondern auch andere Leute daselbst sich vor den giftigen Schlan⸗
gen⸗ und Drachen⸗Bissen nicht füͤrchten, sondern die Nattern, wie
wir die Korn⸗ und Regen Wüͤrmer mit den Häͤnden fassen / und aus
ihren Säcken heraus ziehen, woruͤber sich eben nicht zu verwundern,
dann weil diese Landschaft allenthalben mit giftigen Thieren ange⸗
füllt
- 394 -
344
Drittes Buch / Achte Abtheilung /
füllt, so daß bey grosser Sonnen⸗Hitze wegen Menge dieses gifti⸗
gen Gezeugs ein Unbekannter sich nicht dazu nahen darf, weil sie,
so zu reden, mit diesem Ungeziefer nicht genugsam bekannt: so sind
sie doch derer, die sie täͤglich sehen, welche bestäͤndig mit ihnen um⸗
gehen, und ihnen ihre Nahrung reichen, so gewohnt, daß sie ih⸗
nen niemaln einiges Leid zufügen. Um eben dieser Ursach willen
kommt uns dieses auch so seltsam nicht für / wann Leute Bären,
Wölfe, Löwen, Tiger und andere wilde Thiere in den Ländern her⸗
um führen, als die ihre Führer nicht allein nicht beschädigen,
sondern ihnen auch schmeicheln, und auf ihr Geheiß jederzeit pari⸗
ren. Es gibt auch einige, welche die Schlangen auch nur mit einem
einigen Wort bannen, und wann sie von dem Nil⸗Fluß wegkrie⸗
chen, alsobald still stehend machen koͤnnen, deren einige behaupten,
daß ihnen dieses von ihrer Famille erblich zukomme, so daß diese
Kraft von dem Vater auf den Sohn erbe: andere aber meinen,
sie hätten solche Macht durch ihre besondere Heiligkeit er⸗
langet.
Jedoch wir haben nunmehr von den danzenden Moͤnchen ge⸗
nug gehört / nun wollen wir uns von Pera nacher To⸗
Heulende
Mönche
oder Kadri⸗
ten.phana zu denen Heulenden begeben. Daselbst haben sie
zwey Clöster / in welchen sie ihre Andacht verrichten, ich bin aber
nicht mehr als in einem einigen und zwar demjenigen gewesen, so
in dem obern Theil der Stadt liegt. Von diesen glaube ich,
daß es nicht so wol ein Orden, als vielmehr eine Versammlung ge⸗
wieser Leute seye, die ihren GOttes⸗Dienst auf eine gewisse Art ver⸗
richten, dergleichen Brüderschaften in unserer Römischen Kirchen
viele anzutreffen, welche zur Verehrung der Heiligen, um unter⸗
schiedliche Sachen von ihnen zu erbitten, gewidmet, und deren so
viel, als Geistliche Orden seyn. Wenigstens habe ich viel bekannte
Janitscharn / Spahi und andere verehlichte Türcken unter die⸗
Jn diesem
Orden
werden al⸗
lerhand
Manns⸗
Personen
genommen. sen Leuten / die man Moͤnchen nennet, gesehen, so ihre Raserey
mit gemacht, also daß ich nicht unbillig dafür halte, wie ausser den
Weibern, welche darzu nicht kommen darfen, allerhand Personen
von verschiedenen Alter / Stand und Herkommen, so es begehren,
und die Strengigkeit und Pflichten dieses Ordens uͤber sich nehmen
wollen / darzu aufgenommen werden. Einige, wie wol gar wenige,
sind
- 395 -
Von den Türkischen Mönchen.
345
sind in ihrer Tracht den Dervisch nicht viel ungleich gewesen, die
nemlich den Reihen gefuͤhrt, und andern mit ihrem Exempel vorge⸗
gangen, und von diesen, glaube ich / habe Ricaut, in seiner Ottomanni⸗
schen Historie, im Ilten Buch / 16ten Capitel gehandelt, wo er
schreibt / daß diejenige, welche in diesen Orden tretten wollen, zu
anfangs gewisse Proben von Fasten und Enthaltung nach und nach
Mässen ih⸗
re Speise
nach einem
Stüͤck Holz.
machen müsten. Zu diesen Ende, sagt er, wuͤrde denenjenigen, so
aufgenommen worden, ein 400. Drachma oder 50. Unzen schweh⸗
res Weiden⸗Holz gegeben, so noch ganz grün ist, welches sie bestäͤn⸗
dig an ihrem Guͤrtel tragen, und ihre Speise nach dessen Schweh⸗
re abwägen, also daß ihre Portion Brod von Tag zu Tag abnimmt,
weil auch das Holz, wie leicht zu erachten, täglich truckner und
leichter wird. Er gibt auch vor, daß ein jeder des Jahrs einmal Deren
Geistliche
Ubung.
schuldig sey, vierzig Täge auf die geistliche Ubung zu wenden, oder,
welches eben so viel, seine Sinne und Gedanken von allen weltli⸗
chen Dingen abzuziehen, und einig und allein auf GOTT zu rich⸗
ten. Zu dem Ende werden sie ganz allein in eine Zelle geschlossen,
darinnen sie weder die Sonne noch einiges anderes Licht sehen köͤn⸗
nen. Den Tag verwenden sie alsdann auf Betrachtungen der him⸗
lischen und ewigen Dinge, und was ihnen zu Nachts träumt, beob⸗
achten sie gar eigentlich, davon sie ihren Obern mit allen Umstaͤn⸗
den genaue Rechenschaft geben, welche es ihnen so dann erklären,
damit sie es verstehen moͤgen, woraus sie hernach die kuͤnftigen
Dinge beurtheilen und vorsagen. Es nennt sie obgedachter Autor
Wein⸗Säufer und arglistige Betrüͤger, die ihre Geheimnisse nie⸗
mand, als die ihres Ordens sind, offenbahren, uͤbrigens aber alle
andere hinter das Licht fuͤhren. Um den Rock tragen sie einen GüͤrHabit.
⸗
tel, haben lange unbeschohrne Haare, wormit sie von den Dervisch
unterschieden werden, als die ganz geschoren sind; von den üͤbrigen
Türken distinguiren sie sich damit gleichfalls / weil diese Zöpfe auf Warum
sich die Tür⸗
ken Zöpfe
am Kopf
stehen las⸗
sen.
den Köͤpfen tragen, damit der Scharf⸗Richter diejenige / so eines ge⸗
waltsamen Todes sterben sollen, bey dem Bart zu ergreifen nicht noͤ⸗
thig habe, wann er nichts anders fäͤnde, woran er die Hand legen
könnte; sintemaln die Türken den Bart für heilig halten, und wo
einer von denen streitenden Partheyen bey seinem Bart schwehret,
und zugleich solchen mit denen Handen ergreift/ mag der andere sei⸗
ne Sache nur für verlohren schätzen. Andere bringen dieser Zöͤpfe
wegen
Xx
- 396 -
346
Drittes Buch / Neunte Abtheilung /
wegen eine andere Ursach vor, wann sie sagen, daß sie darum mit
versehen wären, auf daß / wann sie mit dem boͤsen Feind streiten,
welcher Streit, nach einiger Meinung, bis auf den jüngsten Tag
dauert, ihr guter Engel sie bey demselbigen halten köͤnne, damit sie
nicht zur Erden fallen; und dieses bilden sich einige so fest ein, daß sie
ihre Pfaffen und die armen Leute, welche darzu gemuͤthet, daß sie
für die Eltern und Anverwandten bey dem Grabe beten sollen, viel
reichlicher belohnen, wann sie erdichteter Weise behaupten, wie sie
gehört, daß die Verstorbene in der Erde ein scharfes Treffen mit
dem bösen Feind gehalten, und doch allezeit den Sieg davon getra⸗
gen hätten.
Jhr Ur⸗
sprung.Es kamen aber diese Kadriten von dem Chalvetis her, de⸗
ren sechs verschiedene Gattungen gezehlt werden, nemlich die Ni⸗
methulaner / Halender / Edhemiten / Hezreviten / Bectassi⸗
ten und diese Kadriten / wie sie Ricaut her erzehlt; und wer von
deren Reguln und Sitten mehr zu wissen verlangt, kan bey eben
Stifter.diesem Autor nachschlagen. Jhr Stifter war ein gewisser Abdul
Kadri Ghilani / welcher wegen seiner Klugheit und Mässigkeit
in Speiß und Trank in gar grosser Hochachtung bey ihnen stunde;
dessen Grab ausserhalb Babylon anzutreffen und von gar vielen
besucht wird. Von diesem erzehlen sie, daß er das Wort Ai / wel⸗
ches so viel als lebendig heißt, und eine Goͤttliche Eigenschaft be⸗
deutet, so oft und mit solcher Gewalt und Eifer ausgesprochen / daß
davon die Adern auf seiner Brust auf⸗ und das Blut an die Wand
gesprungen, welches das Wort Ai zum öftern abgebildet hätte.
Seine Schüler wissen es ihn vortrefflich nach zu machen, indem sie
nicht nur dieses Wort Ai / sondern auch Allahu / Medad Allah /
Rachel Allah / Evick / und andere mehr, die ich eben nicht recht
verstehen köͤnnen / weil ich ohne Dolmetschen dazumal zugegen /
und nur von einigen aus unsern Adel begleitet gewesen, so stark sie
nur immer köͤnnen, ausruffen. Die Moschee zu Tophana ist
etwas grösser, als jene zu Pera / wo die Dervisch zu danzen pfle⸗
gen / und können etliche hundert Personen darinnen Platz finden,
ist aber nicht gewölbt, hingegen statt des Gemäͤhls mit Elen langen
Buchstaben rings herum beschrieben. Wann nun die / so in diese
Gesellschafft aufgenommen sind, sich versammlet, worinnen sie mit
GOttes⸗
Dienst.den Dervisch fast einerley Zeit halten, legt ihr Vorsteher eine Pre⸗
digt
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Von den Tüͤrkischen Mönchen.
347
digt ab; nach solcher steigt er von der Canzel, und begibt sich in die
Mitte der Versammlung / alsdann fangen einige / die noch immer
auf ihren eingenommenen Stellen still sitzen, an zu singen, doch oh⸗
ne Musicalische Instrumente, und nicht, wie Ricaut vorgibt, bey
dem Gethön der Pfeiffe; unter diesen Singen wanken sie, wie die
Gänse, von einer Seiten zur andern / dabey sie dann die Stimme
bisweilen erheben, und einen Anfang ihres Heulens machen. Als⸗
dann tretten einige in die Mitte, woselbst es alles mit Lämmer⸗Fel⸗
len bedeckt ist, die sie aber mit Händ und Füssen hinweg stossen.
Hernach schliessen sie einen Kreiß um ihren Vorsteher, der auf der
Erden sitzet, fassen einander bey den Häͤnden, lauffen in der Run⸗
de herum, und stimmen ihre Geschrey und Heulen recht an. Hier⸗
zu kommen noch viel andere, von einem gleichen Eifer ange⸗
trieben / so daß endlich drey, vier und noch mehr grosse Krei⸗
se formirt werden, da zuvor nur ein einiger mittelmaͤssiger gewesen.
So lang sie noch nicht erhitzt sind, halten sie bey dieser ihrer grossen
Narrheit gleichwol gar gute Ordnung, aber nachgehends gehet alles
darunter und daruͤber: sie gehen aus ihrer Ordnung, springen in die Unsinnige
Bewegung
Höhe, legen ihre Arme auf andere/ lauffen wie die unsinnige Bac⸗
chus-Priesterinnen herum/ als wann sie naͤrrsch und thöricht waͤ⸗
ren, sie drehen den Kopf wie ein Rad um, legen die Kleider ab,
werfen vor Hitze Hüte und Hauben von sich, stossen die Erde mit
Füssen / schlagen die Hände in der Lufft zusammen, und bemuͤhen
sich dermassen, daß der Schweiß durch alle Glieder dringt, und sie
aussehen, wie der Hund, der nach dem Pruͤgel gelauffen; ja es ist
diese ihre Bewegung so gar heftig, daß ihnen das Blut zu Mund
und Nasen heraus schiesset, machen auch mit ihrem Geschrey, wo⸗
von sie zwar vorher etlichmal still gehalten, nicht eher ein Ende, als
bis die meisten aus Schwachheit, wie tod darnieder fallen: welche
aber noch stäͤrker, und durch diese Strapazzen nicht so gar mit ge⸗
nommen sind, ruffen noch zu guter letzt die zwey Worte: Alla hu / Ob sie ein
Clösterli⸗
ches Leben
führen.
er ist GOTT/ hundert und siebenzigmal aus, und machen damit
ihrer närrschen Andacht ein Ende. Viele halten dafür, daß dieje⸗
nige, so aus diesen Haufen, der, wie es der Augenschein mit sich
bringt, aus allerhand Art Leuten bestehet, ein Clösterliches Leben
führen, auch des Nachts zum Beten aufstehen / und davon einen gu⸗
ten Theil mit Herumspringen nach der Pfeiffen, und unaussetzlichen
Aus⸗
Xx 2
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348
Drittes Buch / Neunte Abtheilung /
Ausruffung des Worts Ai / zu bringen, ob es nun wahr, kan eben
so gewiß nicht behaupten, als dasjenige, was ich selbst mit meinen
Augen gesehen / und mit meinen Ohren angehört habe. Dann bey
ihren nächtlichen GOttes⸗Dienst bin ich niemal gewesen, und ob
mich schon meine Curiosité darzu verleitet hätte, so hat es doch das
argwöhnische Gemüth dieses Volks, die Unsicherheit der Strassen,
die Finsternis der Nacht und andere Gefahr nicht zu lassen
wollen.
Neunte Abtheilung.
Merkwür⸗
dige Anti⸗
quitäten
in Constan⸗
tinopel.
NAch eingenommener Besichtigung der Moscheen und erhal⸗
tenen Bericht von der Türckischen Mönche GOttes⸗
Dienst will ich nun den geneigten Leser auf den Renn⸗
Platz und andere merkwüͤrdige Oerter der Stadt fuͤhren, um zu⸗
gleich einige Stücke des Alterthums, die aus so vielen Stein⸗Hau⸗
fen des alten Bysanz übergeblieben / gleichfalls vor Augen zu
legen. Dabey aber muß man von mir nicht erwarten, daß ich
alle Hügel / Gegenden / Götzen⸗ und Wahrsagers⸗Tempel /
des Bacchus / Neptunus / der Concordia / des Amphiaraus /
der Diana / Venus / des Castor und Pollux / des Hormisda
und Justiniani Hauß, den Pallast der Placida / das Rath⸗Hauß
des Constantinus / des Samson und Eubulus Spitäler, die
Speiß⸗Kammer der Magnatura und Blacherna / die Säulen
und Statuen der Fenus aus Cuidus / Juno von Samos / Minerva
aus Lydien / der Eudoxia und des Mauritius, nebst tausend andern
Sachen auf dem Nagel her erzehlen werde, sondern es mag für die⸗
sesmal genug seyn, wann ich die zugespitzte, und noch eine andere
ungeheuer grosse zusammen gesetzte Säule / samt einer lang striemich⸗
ten aus Ertz gegossenen mit meiner Feder entwerfe, als welche alle
drey noch heutiges Tags auf dem Renn⸗Platz zu sehen sind; welchen
ich noch des Arcadius-Saulen, so auf dem Xerolphus oder sieben⸗
den Berg stehet, und noch einige Stücke, die nach der Zeit einer
Säule auf
dem Hip⸗
podromus.Veränderung unterworfen gewesen, beyfügen will. Gleich An⸗
fangs fällt uns die zu gespitzte Saule in die Augen / welche bis
jetzo noch mitten auf dem grossen Renn⸗Platz, den die Grichen
Hip⸗
- 399 -
Von den Merkwürdigk. in der Stadt Constantinopel.
349
Hippodromus nennen, zum Ziel da stehet; ob aber der Kaiser
Severus / nachdem er sich mit denen Bysantinern wiederum
verglichen, diese Renn⸗Bahn aufgerichtet, welches mit Zonaras al⸗
le jüngere Scribenten behaupten; oder ob Kaiser Constantinus der
Grosse sie folgends ausgebauet und geziert habe / wie Zosimus, ein
alter Geschicht⸗Schreiber vorgibt, davon kan ich nichts gewisses
decidiren. So kommen auch die Scribenten wegen der Zeit und des
Urhebers so wenig als mit dem zu erst eingenommenen Platz aller⸗
dings überein. Die alten Beschreibungen dieses Lands setzen die ge⸗
spitzte Thebaische viereckichte Saͤule in die fuͤnfte Gegend der
Stadt, weswegen viele auf die Gedanken gekommen, es sey selbige
nach gehends von Kaiser Theodosius aus jener in die Dritte ver⸗
setzt worden, wiewol ihn nicht wenige für derer Erbauer selbst hal⸗
ten. Doch gesetzt auch, es habe dergleichen Saͤule in der füͤnften
Gegend gestanden / so hat gleichwol diese von erst gemeldtem Kaiser
in der dritten können aufgerichtet und noch eine andere von
Herrn Anton Prioli nacher Venedig gebracht werden. Es ist Deren Ma⸗
terie.
aber diese Säule aus Thebaischen Stein gemacht, und siehet
aus / als ob es von unterschiedlichen Stuͤcken Marmel zusammen
gesetzt wäre, die weiß nicht durch was für eine Kunst an einander
befestiget worden, es muͤste dann seyn / daß es vermittelst des See⸗
Wassers geschehen, als durch welches ich allerhand Muscheln, Au⸗
stern Schwammen und andere dergleichen Sachen in Stein ver⸗
wandelt gesehen. Jhre Figur, wie schon gemeldet, ist viereckicht, und
völlig mit Hieroglyphischer Schrifft, (deren Bilder eine verbor⸗
gene Bedeutung haben,) umschrieben. Eine jede Seite ist unten Grösse.
ungefehr sechs Werk⸗Schuh breit; die Säulen selbst aber stehet
auf vier von Ertz gegossenen Würfeln / die auf dem Fuß oder Blat⸗
ten der Saͤulen an den vier Ecken liegen / und anderthalb Schuh
breit und hoch sind, auf denen so dann diese ganze Lust ruhet. An
den Seiten der Fuß⸗Blatten siehet man auch unterschiedliche Bilder
die theils Röcke / theils Schilder tragen, nicht weniger mit zwey und
vier Pferden bespannte Wäͤgen, Mäͤnner, und danzende auf Cym⸗
beln spielende Weiber; auf derjenigen aber, die gegen Aufgang sie⸗
het, lieset man folgendes Lateinisches Epigramma, wovon zwar
die Buchstaben schon etwas ausgeloͤscht, jedoch noch also beschaffen
sind,
Xx 3
- 400 -
350
Drittes Buch / Neunte Abtheilung /
sind, daß man sie zusammen setzen und lesen kan / der Jnhalt davon
lautet also:
Difficilis Quondam Dominis Parere Serenis,
Jussus Et Extinctis Palmam Portare Tyrannis,
Omnia Theodosio Cedunt: Subolique Perenni;
Ter Denis sic Victus Ego Duobusque Diebus,
Judice Sub Proclo Sublime Elatus Ad Auras.
Es hat zwar Peter Gyll das Wörtlein Ego in dem vierten Vers
ausgelassen, welches ich aber mit noch viel andern gar deutlich lesen
können; es müste dann sey, daß man es nur für einen Druck⸗Feh⸗
ler halten wolte. Ein anderer aus den neuern hat sich unterstanden,
den Vers noch besser zu machen, und deswegen an statt duobusque,
domitusque gesetzt, dieses aber wider die Meinung des Verfassers
vorgenommen, wie aus der Grichischen Aufschrift zu lesen / welche
auf der Seite gegen Niedergang in nachfolgenden Worten enthal⸗
ten ist.
ΚΙΟΝΑ ΤΕΥΡΑΠΛΕΥΡΟΝ ΑΕΙΧΘΟΝΙ ΚΕΙΜΕΝΟΝ ΑΧΘΟΣ
ΜΟΥΝΑΣ ΑΝΑΣΤΗΣΑΣMOTNAX ANAZTHΣAΣ ΘΕΥΔΟΣΙΟΣ ΒΑΣΙΛΕΥΣ
ΤΟΛΜΗΣΑΣ ΠΡΟΚΛΟΣ ΕΠΕΚΛΕΤΟ ΚΑΙ ΤΟΣΟΣ ΕΣΤΗ
ΚΙΩΝ ΗΛΙΟΙΣ ΕΝ ΤΡΙΑΚΟΝΤΑ ΔΥΩ.
Wer noch mehrere Nachricht von dieser Saͤule Höͤhe, Anzahl der
Treppen bis an die Blatte, Herfürrachung, von dem Fuß, Strie⸗
men, Ecksteinen / Gesimß und andern Zierrath zu wissen verlangt,
nicht weniger auch, was es füͤr eine Beschaffenheit mit der Vitru⸗
vianischen Kunst habe, dem kan besagter Gyll vollkommene Satis⸗
faction geben.
Der Colos⸗
sus.Etwas zur Rechten gegen den Sieben⸗Thüͤrnen zu stehet der
Colossus/ oder die aus Quater⸗Stüͤcken zusammen gesetzte Säule,
welche an der Höhe die vorige weit uͤbertrifft. Von dieser wollen
die Scribenten behaupten / daß sie vor Zeiten mit kupfernen Blatten
überlegt gewesen, und nehmen den Beweiß hierzu aus den an dem Fuß
ausgehauenen Grichischen Versen, die man vor noch nicht gar zwey
hundert Jahren daran lesen kunte; man siehet aber nun nichts mehr,
als das innere steinere Wesen, das auf einem viereckichten Mar⸗
mel⸗steinern Fuß ruhet, der sieben Schuh und drey Queer⸗Finger
in der Höhe / und 104. Schuh in der Breiten hat: sie ist an vielen
Orten durchbohrt, weil vor Zeiten eiserne Stangen dardurch ge⸗
zogen
- 401 -
Von den Merkwuͤrdigk. in der Stadt Constantinopel.
351
zogen und mit Bley vergossen waren, womit das ganze Werk zu⸗
sammen gehalten war; von ihrem uͤbrigen Schmuck aber ist sie
durch die Zeit und der Barbarn Hände voͤllig entbloͤßt worden, und
hat dieser Colossus mit jenem Welt⸗Beruͤhmten zu Rhodis glei⸗
ches Glück gehabt, als der zu Zeiten der Regierung Constans, des
Heraclius Enkel, der von den Agarensern / nachdem er 1300.
Schwehre
des Colos⸗
sus zu Rho⸗
dis.
Jahr gestanden, verkauft worden; da dann ein gewisser Eme⸗
senischer Jud / der solchen an sich gehandelt / das Ertz davon auf
900. Cameln wegtragen lassen.
Nicht weit von hier, fast in gleicher Ordnung, siehet man noch
eine andere Saͤule / die aus Ertz gegossen, und dreyeckicht, wie drey
Schlangen um einander gewunden ist. Das oben darauf gestandeEine ande⸗
re dreyfa⸗
che gewun⸗
dene Säu⸗
le.
⸗
ne dreyfache Haupt, welches weit uͤber die Saͤulen hinaus gegangen,
ist vor Jahren bey ganz heitern und stillen Wetter, ohne einige Gewalt
oder wenig entstandenes Erdbeben, von freyen Stucken herunter ge⸗
fallen, weswegen es in den Kaiserlichen Pallast gebracht wor⸗
den, wo es auch noch immer verwahret wird, es muste dann seyn,
daß man es nach der Zeit in den Schmelz⸗Ofen geworfen, und
Stücke daraus giessen lassen, wie dann ebenfalls des Kaisers Ju⸗
stiniani überaus grosses Bildnis zu Pferd, das an Schönheit
kaum seines gleichen hatte, ist metamorphisirt und in den Krieg
geschickt worden; was Wunder nun, wann erst neulich das Gieß⸗
Hauß durch ein entsetzliches Feuer im Rauch aufgangen? es muste
ja allerdings die leichtsinnige Verheerung so kostbarer Alterthümer
auf solche Weise gerochen werden: Wie wol man auch sagen kan,
daß das Bildnis Justiniani eben so wol zur Rache über einen Hau⸗
fen geschmissen, und das vom bemeldten Kaiser dem Theodosius
angethanenes Unrecht von diesen Barbarn gerochen worden, als
welcher gleichfalls dessen von seinem Sohn Arcadius zu Ehren auf⸗
gerichtete Statue / die, ohne das Bley von unschätzbaren Ge⸗
wicht, sieben tausend und vier hundert Pfund an Silber gewo⸗
gen / abwerfen und plündern lassen. Man hat um dieses so un⸗
versehenen Falls alle Wahrsager zu Rath gezogen, es hat sich aber
noch keiner gefunden, der die Bedeutung davon haͤtte geben koͤnnen.
So ist auch nicht weniger zweifelhaftig, von wem, oder um was für
einer Ursach willen solche aufgerichtet worden; wiewol sich einige
finden / welche behaupten wollen, daß man solche den Beherr⸗
schern
- 402 -
352
Drittes Buch, Neunte Abtheilung /
Von wem
und wa⸗
rum sie
aufgerich⸗
tet wor⸗
den.schern des alten Byzans zu Ehren aufgestellt / und daß mit denen
dreyen Köpfen ihre Herrschaft über Europa / Asia und Africa
angezeigt wäre, als wohin dieselbe ihre Augen gerichtet haͤtten: nebst
diesen geben die Einwohner zu Constantinopel noch viel Fabel⸗
haftes von diesen Säulen vor / weil sie in den Geschichten ihrer Vor⸗
Ob ein
Drey Fuß
darinnen
aufbehal⸗
ten wor⸗
den.Eltern gar schlecht erfahren sind. Einige, unter welchen Zosimus
sich befindet, glauben, daß darinnen der Drey⸗Fuß mit des Apollo
Bildnis gewesen sey: Sozomenus von Salamin gehet hierinnen
noch weiter, und will, daß es selbst der guldene Drey⸗Fuß zu Del⸗
phos gewesen, welchen Pausanias der Spartaner / und andere
Grichische Städte, nach gluͤcklich beygelegten Medischen Krieg, dem
Apollo zu Delphos geopfert hatten. Eusebius gibt solchen für
den Pythinischen aus, als um welchen man eine Schlange im
Kreiß herum zu winden pflegen, und also wahrscheinlich heraus kom⸗
me, daß solcher Drey⸗Fuß in dieser drey⸗koͤpfigten Saͤulen aufbe⸗
halten worden, gleichwie es auch zu Delphos geschehen / wie He⸗
rodotus berichtet, daß sie von dem Zehenden der Persianischen
Beut einen guldenen Drey⸗Fuß verfertigen lassen, und in Delphos
über eine drey⸗koͤpfigte Schlange gestellt hatten; so erzehlt er auch,
daß, als die Persier in Böotien bey der Stadt Platea geschlagen
worden, man daselbst einen guldenen Drey⸗Fuß gefunden und dem
Götzen zu Delphos übergeben, welcher bey einem Altar auf einer
dreyfachen ahrnen Schlange aufgestellet war. Es vermeinen auch
einige, daß eben diese Saͤule ehedessen uͤberguldt gewesen, aber dieses
Zierraths von den Tuͤrken beraubt worden; hingegen bezeugt Pau⸗
sanias gar deutlich / daß man schon viele Jahre vor der Türken
Herrschaft dieselbige dieses Schmucks beraubt habe. Er sagt, es
hätten die Grichen nach der Schlacht bey Platea ein allgemeines
Opfer mit einem guldenen Drey⸗Fuß, der von einem ehrnen Dra⸗
chen unterstuͤtzt gewesen abgestattet; daran das Ertz noch zu den Zei⸗
ten des Pausanias unversehrt geblieben, das Gold aber häͤtten die
Phocensischen Feld⸗Herrn auf die Seite geschafft.
Des Kai⸗
ser Arca⸗
dius Säu⸗
len.Die vierte Saͤule ist diejenige, so dem Kaiser Arcadius zu
Ehren auf dem siebenden Hügel, an der Strasse, wo man von
Adrianopel nach dem Hippodromus gehet, aufgerichtet worden
und von welcher ich bey Anfang des Zweyten Buchs gemeldet / daß
sie
- 403 -
Von den Stadt⸗Märkten und Bezestenen in Constant.
353
sie mit vielen eisernen Ringen umgeben wäre / weil sie die öftern Erd⸗
Beben gar sehr erschüttert hätten: es haben mir zwar die Türken
solche auch die Justinianische genennt, allein daß es dieselbige nicht
seyn kan / ist aus dem Peter Gyll, einen accuraten und auf die
Antiquitäten gar sehr erpichten Scribenten, erweißlich, als welcher
behauptet / daß sie schon zu seiner Zeit, und also vor anderthalb
hundert Jahren, weggenommen worden; dann da sie dreyssig ganzer
Jahr vorher bis auf die Fuß⸗Platten abgetragen, und alles Ertzes,
samt dem Pferd und Bildnis des Justinianus beraubt worden, ha⸗
ben sie endlich die Tüͤrken völlig zu Grund gerichtet, also daß man
nun an statt der Platten einen Brunnen⸗Kasten daselbst stehen siehet,
womit das aus dem Brunnen springende Wasser aufbehalten wird.
Aber es ist so wie ich schon öfters gemeldet, daß die Türken in der
Historie und Zeit⸗Rechnung die gröͤsten Ignoranten sind, und sich
es nicht ungereimt duͤnken lassen, wann sie vorgeben, daß Samson
mit Philippus den Grossen/ König in Macedonien gestritten, und
der König Salomo den Egyptischen Joseph zum Hof⸗Mei⸗
ster gehabt, und was dergleichen ungereimtes Zeich noch mehr seyn
mag.
Zehende Abtheilung.
DEn 24. und 31. December, als den Tag vor WeyhGratula⸗
tions⸗Compli⸗
menten
wegen ein⸗
getrettener
Ferien.
⸗
nachten und Neuen Jahr, kam der Patriarch der Grichi⸗
schen Kirche, der Ertz⸗Bischoff von Ancyra / wie auch
die ganze Französische, Engelländische, Venetianische und Holländi⸗
sche Nation, mit den Canzlern und Secretairs ihrer Gesandtschafften⸗
zu dem Herrn Groß⸗Botschafter / um so wol ihre Gratula⸗
tion zu den instehenden Christ⸗Ferien, als auch dem Eintritt des
neuen Jahrs abzulegen; weswegen Se. Excellentz hinwiederum
den Herrn von Dierling mit zween aus dem Adel nemlich dem
Herrn von Jmhof und Klimberg / samt den Canzelisten von dem
Hof⸗Kriegs⸗Rath, Eurich und Kastner / dem Cassirer Hn. Cramer /
dem Dolmetschen, Sprach⸗Knaben, und einigen andern aus unserer
Suite abfertigten, bey denen Gesandtschafften ein gleiches zu verrich⸗
ten. Jhro Hochwüͤrden Hr. Abt von Domben hat so wol in der
Christ⸗
Yy
- 404 -
354
Drittes Buch / Zehende Abtheilung /
Christ⸗Nacht als am neuen Jahrs⸗Tag bey den Jesuitern das hohe
Amt gehalten; und der meiste Adel nach gepflogener Andacht in der
Hof⸗Capell des Französischen Gesandten bey besagten Cavalier das
Früh⸗Stuck eingenommen: es wurde auch eben am Heil. Christ⸗
Fest die Franciscaner⸗Kirche, nachdem sie vierzig Tag verschlossen
Bewegli⸗
che geistli⸗
che Reden
des Herrn
Botschaf⸗
ters an den
Groß⸗Vi⸗
zir.gewesen, zum erstenmal wieder eröfnet. Am eben selbigen Tag
verfüͤgte sich der Hr. Botschafter in Kaiserlichen Affairen mit dem
Hn. von Jmhof und Dolmetsch Hn. Theyls bey Regen und Schnee⸗
Wetter über den Canal zum Groß⸗Vizir; als es nun daselbst
ungefehr Gelegenheit gab, von der Heiligkeit dieses Tags zu reden,
an welchem unsere durch den leidigen Suͤnden⸗Fall unserer ersten
Eltern sehr verfallene Sachen, zu deren Herstellung vor menschli⸗
chen Augen keine Hofnung mehr übrig war, wiederum in guten
Stand gebracht und der Anfang unseres Heyls gemacht worden,
hat solches diesen Barbarn dermassen bewegt, daß er sich in sein
Apartement begeben, und daselbst sein Gebet deswegen zu dem
barmherzigen GOTT abgeschicket. Nach des Herrn Bot⸗
schafters Zuruckkunft haben diejenige / so mit Jhm zu Constan⸗
tinopel gewesen / in seinem Zimmer das Mittagmal eingenommen.
Dessen Ei⸗
fer für sei⸗
ne Reli⸗
gion.Am Fest des Heil. Ertz⸗Märtyers Stephanus bezeig⸗
ten Se. Excellenz einen besondern Gerechtigkeits⸗Eifer für die
Römisch⸗Catholische Religion; dann als einer aus dem Adel, so
unserer Religion nicht zugethan war / bey dem Französischen Ge⸗
sandten nächtlicher Weil den GOttes⸗Dienst beygewohnt, und doch
die gebuͤhrende Ehrerbietung nicht dabey bezeigt / sondern aller er⸗
gangenen Vermahnung ungeachtet unsere Ceremonien schimpflich⸗
und ärgerlicher Weise durchgezogen, liessen Sie ihm gleich des andern
Tags den Hof so lang verbieten / bis er zu bessern Gedanken kom⸗
men, sein Unrecht erkennen, und zur Besserung gute Hofnung von
sich geben mögte. Um diese Zeit so wol des noch wehrenden Al⸗
tens / als eingetrettenen Neuen Jahrs sind viele Tüͤrkische und
Französische Schiffe, die bishero widrigen Wind gehabt, endlich
im Hafen glücklich eingelauffen: Unser Adel hat sich öͤfters zu Ga⸗
lata eingefunden, der Herr Botschafter aber zum öͤftern die
andern Gesandten nebst ihren Gemahlinnen so wol zu Mittag als
Abends tractirt, wobey die angestellten Ball bis in die spate Nacht
gedauert: so haben auch Se. Excellenz bey dem Moufti und
Ni⸗
- 405 -
Von den Stadt⸗Märkten oder Bezestenen in Const.
355
Nischanschi Bascha ihre Visite abgelegt / welcher letztere ihme ei⸗
ne Türkische Flinte von damascenirten Schmeltz⸗Werk und sehr ra⸗
rer Arbeit verehret. Es liessen sich auch dieselbige gefallen / die
Stadt⸗Märkte in Constantinopel / so die Türken Bezestene Bezesten
oder
Markt⸗Plätze in
Constan⸗
tinopel.
nennen, zu besehen. Solche aber sind gewisse von andern Ge⸗
bäuen abgesonderte und gewoͤlbte Plätze, die zugleich mit einer hohen
Mauer wider das Feuer versehen, allwo der Kauf⸗Handel von den
Türken / Juden / Grichen und Armeniern getrieben wird / und
einer jedweden Nation und Sache ihre gewisse Stelle angewiesen ist:
wovon in grossen Städten unterschiedliche / in kleinen aber nur ein
einiges derselben anzutreffen. Zu Constantinopel findet sich nebst
des Groß⸗Vizirs und der Kaiserin Wald⸗Bezesten / und noch
einigen, die ich nicht zu nennen weiß, eine von solcher Grösse, daß
sie einer mittelmäͤssigen Stadt nicht ungleich siehet. Hierinnen kom⸗
men nun täglich sehr viele Käuffer und Verkäuffer zusammen, um
ihre Sachen loß zu schlagen, oder andere benoͤthigte einzuhandeln.
Diese Kauf⸗Häuser sind mit eisernen Thoren versehen, welche zu ge⸗
wissen Zeiten des Tags auf und zu geschlossen werden: hingegen
hält sich bey Nachts niemand darinnen auf / sondern bleiben alle
Kram⸗Läden verschlossen. Die Wächter muͤssen hierauf fleissig acht
geben / damit, wo Feuers⸗Gefahr entstehen solte / sie noch zu rech⸗
ter Zeit davor seyn, dabey aber auch zugleich die Diebe abhalten,
wo einige sich so verwegen bezeigen und die Wäͤnde und Läden zu
durchbrechen unterstehen solten. Wann diese Läden nicht geöfnet Werden
zur Zeit der
Aufruhr
nicht eröf⸗
net.
werden, ist es ein unfehlbares Kennzeichen, daß eine Aufruhr unter
dem Volk vorhanden, und haben diejenige alsdann hohe Zeit sich
mit der Flucht zu salviren, die sich nichts guts bewust sind, oder
wegen allzu grosser Gunst des Kaisers sich bey jenen verhaßt ge⸗
macht, oder sonsten viele Feinde haben. Der jetzt regierende KaiEin Exem⸗
pel davon
zu dieses
Sultans
Zeiten.
⸗
ser hat vor ungefehr 14. Jahren solches gleichfalls innen worden,
als er seines Bruders Mustapha
jüngern Sohn, der nebst seinen
zwey andern Brüdern unter der Janitscharn Vormundschaft stehet /
hinzurichten gedachte: dann diesen lassen sich die Janitscharn wegen
seiner Freygebigkeit und sanftmuͤthigen Wesen besonders recom⸗
mendirt seyn / und duͤrfte er nach des gegenwäͤrtigen Kaisers Tod
oder erfolgter Dethronisirung noch wol auf den Thron kommen.
Dann
Yy 2
- 406 -
356
Drittes Buch / Eilfte Abtheilung /
Dann obschon die Regierung bey dem Ottomannischen Geschlecht
beständig verbleibt / so kommt doch gemeiniglich derjenige darzu /
dem die Janitscharn wol wollen, also daß öͤfters ein Solcher Kai⸗
ser wird, dessen Vater den Kaiserlichen Thron niemal bestiegen,
wann er nur einer von des Ottomanns Nachkommen ist, da als⸗
dann die wuͤrklich Kaiserliche Prinzen alle das Nachsehen haben muͤs⸗
sen, welche aber gleichwol um den Namen zu erhalten, in dem Ser⸗
rallien vermoͤg ihres Gesetzes die Verpflegung finden. Zwar in den
zehen ersten Jahren verbleiben sie bey ihrer Kaiserlichen Frau
Mutter/ nach deren Verfliessung sie denen Hodgias oder Lehrern
Verfahren
des Sul⸗
tans mit
ihres Bru⸗
ders Kin⸗
dern.zur Auferziehung anvertrauet werden. Es pflegen aber die regierenden
Türkischen Kaisere ihres Bruders Kinder insgemein / wann es ihnen
nur möglich, mit Gift heimlich aus dem Weeg zu räumen, oder
auch bey der geringsten Schein⸗Ursach öfentlich hinrichten zu lassen;
wann sie aber erwachsen, legen sie ihnen ein paar alte Weiber zu,
welche ihnen zur Lust, aber nicht mehr zum Kinder zeugen dienen
können, damit sie nemlich sich, füͤr sich und ihre Kinder / des Throns
desto gewisser versichern möͤgen. Es ist aber die erstgedachte Aufruhr
durch des Groß⸗Vizirs und Janitscharn Aga ungemeine Sorg⸗
falt bald wieder gestillt worden; sintemaln diese beide die Stadt
durch geritten, und alle zusamm rottirte Soldaten⸗Haufen wieder
aus einander gejagt, so daß in zwey Stunden alles ruhig gewesen,
und die Bezesten wiederum offen gestanden. Dieser Groß⸗Vizir
hat gar oft in Gewohnheit, mit seinen Leuten die Stadt durch zu
reiten, und wo er einige verdächtige Janitscharn beysammen stehen
und mit einander reden siehet / gibt Er alsobald ein Zeichen, und
läßt ohne weitern Process ihnen die Koͤpfe vor die Fuͤsse legen.
Eilfte Abtheilung.
DJeses 1720te Jahr hat mit einem unfreundlichen Schnee⸗ und
Regen⸗Wetter den Anfang genommen; und den 4ten Ja⸗
nuarj haben einige aus unserer Gesandtschaft sich in die
Stadt begeben, an dem bey den Grichen damals eingefallenen
Weyhnacht⸗Fest, welches sie eilf Tag später als wir zu feyren pfle⸗
gen, die Kirchen-Ceremonien mit anzusehen. Welche zu Jerusa⸗
lem
- 407 -
Von der Carnivals Lust, u. Abbrennung des Gießhauses.
357
lem gewesen, wissen zu erzehlen / daß die Grichischen Priester von Fabel von
einem H.
Feuer zu
Jerusalem.
einem heiligen Feuer etwas erdichten, und das Volk damit hinter⸗
gehen: Sie sagen, daß dasselbige in der Mitternacht⸗Stund von
Himmel angebrandt werde, mit welcher Fabel aber die etwas kluͤ⸗
gern Leute sich nicht mehr wollen betruͤgen lassen/ als die gar wol
wissen / daß ihre Priester sich hinter den Vorhang verbergen, das
Feuer unter ihre Roͤcke stecken, womit sie alsdann die ausgeloͤschten
Kerzen und Lampen wieder anzünden; doch wird gleichwol der ge⸗
meine Pöbel noch immer damit hinter das Licht gefuͤhrt. Heute ist
abermal in der Stadt Constantinopel eine Feuers⸗Brunst entFeuers⸗
Brunst.
⸗
standen / aber doch ohne sonderbaren Schaden / ausser daß eines
Tefterdars Serrallien mit noch wenig andern Haͤusern abgebron
Der Kai⸗
ser / Groß⸗Vizir und
andere
Vornehme
finden sich
bey den
Feuers⸗
Brünsten
ein.
⸗
nen, wieder gelöͤscht worden. Bey dergleichen Gelegenheit, wann
in der Stadt oder über dem Canal im Zeug⸗Hauß ein Feuer aus⸗
kommt, pflegt der Kaiser / der Groß⸗Vizir / der Janitscharn
Aga / Bostanchi Bascha / die Baltagi und Topchi Baschi
mit ihren Leuten allezeit darbey zu seyn, um damit ihre Sorgfalt
für die gemeine Wolfarth zu bezeigen / und nicht nur die Leute zur
Arbeit aufzumuntern, sondern auch das Volk von aller Unordnung
abzuhalten: Welche sie alsdann in Niederreissung der Häͤuser / als
der Türken einiges Mittel, die Brunst zu hemmen, vor andern
geschäftig sehen / denen geben sie einige Verehrung, und pflegen
auch, wann sie wieder nach Hauß kehren, Geld unter das Volk aus⸗
zuwerfen. Hierauf muß aber der Groß⸗Vizir allezeit eher als der
Groß⸗Vi⸗
zir muß
eher als
der Sultan
zu gegen
seyn.
Sultan auf dem Platz seyn, um das Volk in Ruhe zu setzen;
wuͤrde es anders eintreffen, und dieser sich eher einfinden, stuͤnde der
Groß⸗Vizir in Gefahr / daß er den Kopf darüͤber verliehren duͤrf⸗
te. Um dieser Ursach willen haͤlt er immerzu ein Pferd in Bereit⸗
schaft, damit er sich dessen bey ereigneten Nothfall alsobald bedienen
kan, wie dann auch eine Belohnung darauf gesetzt ist, welcher derglei⸗
chen Zufall dem Groß⸗Vizir zu erst anzeigt. Kurz vor unserer
Ankunft in dem Lager hat sich zugetragen, daß er bey einer entstan⸗
denen Feuers⸗Brunst in der Stadt etliche Augenblick späͤter als der
Kaiser gekommen, woruͤber er bey nahe das Leben lassen muͤssen, und
würde ihn kaum etwas anders als eine vorgewendte höͤchst⸗wichtige
Verrichtung, woran des Reichs Wolfarth eben so wol gelegen war /
dißfalls entschuldigt haben.
Den
Yy 3 - 408 -
358
Drittes Buch / Eilfte Abtheilung /
Den 6ten Jener / am H. drey König Tag / ist nach einer lang
Ein Licen⸗
tiatus Juri
stirbt bey
der Gesand⸗
schaft.
⸗
wierigen Krankheit und vielen erlittenen Schmerzen ein bey dem Hrn.
Demerath in Condition gestandener gebohrner Luxemburger ge⸗
storben, ein braver Mensch und eines bessern Glüͤcks wol wuͤrdig,
wo er nur länger gelebt hätte, war auch bereits schon Licentiat;
wie ihn dann auch jedermann / der ihn nach seinen besondern Leibs⸗
und Gemüths⸗Gaben, und guter Wissenschaft in Sprachen ge⸗
kannt, herzlich bedauret: er verstunde sich anbey auf das Danzen
und Fechten dermassen, daß er auch andern darinnen Lectiones
gab, und bezeugte nicht weniger in denen uͤbrigen Adelichen Exer⸗
citiis eine grosse Erfahrenheit. Den 7ten Jenner und die schon
vorhergehende Täge ist ein so grosser Schnee gefallen, als hier zu
Land bey Manns⸗Gedenken nicht geschehen. Eben an diesem Tag
Angehen⸗
de Carne⸗
val-Lust. haben die Franzosen in dem Königlichen Pallast zu Pera in Gegen⸗
wart aller andern ausländischen Gesandten und des sämtlichen
Teutschen / Engelländischen, Venetianischen und Hollän⸗
dischen Adels / nebst unterschiedlichen auserlesenen Grichischen
Frauenzimmer eine Französische Comœdie agirt / welche sie die
gezwungene Heyrath betitult, und nachgehends noch öfters
samt mehr andern so wol Französischen als Jtaliänischen die Fa⸗
schings⸗Zeit durch / denen Fremden zu Ehren aufgeführt, woran
auch die Zuschauer ein sonderbahres Vergnügen bezeigt, und die
Nation nebst denen Comœdianten sich damit uͤberaus recomman⸗
dirt haben. Nach der Comœdie wurde ein Ball und nach die⸗
sem eine prächtige Abendmahlzeit gegeben und alsdann diese
Solennitæt mit einem Danz abermal geschlossen, so aber gemei⸗
niglich tief in die Nacht und wol erst bis gegen Tag angehalten.
Bey dieser Gelegenheit haben viele die Grichische Art zu danzen
begriffen, welches an den Teutschen nicht uͤbel gelassen, und werden
sie wol diese Mode mit in ihr Vatterland bringen, als eine Sache,
welche dem sonst an guten Kuͤnsten und Wissenschaften sehr frucht⸗
barn Grichenland noch allein übrig geblieben. Als den 11ten dito
einige von den unsrigen auf der Jagd gewesen, kam der so lang ge⸗
Angekom⸗
mener
Courier. wünschte Kaiserliche Courier Theodor Constanza / zu Pera
gebürtig, von Wien an / nachdem er wegen des schlimmen We⸗
ges und tiefen Schnees vier Wochen auf der Reiß zugebracht, die
er sonst in 14. Tägen zuruck legen können. Selbiger hatte viele
Brief⸗
- 409 -
Von der Carnivals⸗Lust / u. Abbrennung des Gießhauses.
359
Brieffe von guten Freunden und Anverwandten bey sich, die wir
gestern schon vermuthet hatten, als der Chiaus, der die neulich
von hier zu Pferd abgegangene Lieutenants von dem Hohen⸗Zol⸗
lerischen Regiment bis an die Gränze begleitet / bey uns wieder an⸗
gelangt; wir erhielten zugleich die höchst erwüͤnschte Nachricht, daß
wir bald wieder in unser liebstes Vatterland zuruck kehren wuͤrden,
wie wir dann für der Türkischen Aufführung und allen andern Sa⸗
chen in der Türkey schon längst einen Eckel bekommen; wir sind
aber in dieser Hoffnung durch die des folgenden Tags von dem Tuͤr⸗
kischen Botschafter zu Wien an hiesigen Hof abgeschickte Schrei⸗
ben noch mehr gesterkt worden.
Den 14. dito hat Herr Schmid / des Herrn GroßJemand
aus der
Gesand⸗
schaft be⸗
kommt die
Prinzessin
des Tartar
Haans
und eines
Bascha
Weib zu
sehen.
⸗
Botschafters Mahler / bey Gelegenheit einiger durch den Fran⸗
zösischen Gesandten auf Köͤniglichen Befehl der Prinzessin
des Tartar Hans gemachten Presenten, die Ehre gehabt / so wol
vor Sie als auch noch eines andern Bascha
Weib zu kommen; dann
weil der Herr Gesandte solche durch seinen Leib⸗Arzt den Herrn
Dumasrambois überschicket, hat sich jener durch eine untadeliche
Verstellung gleichfalls fur einen Arzt ausgegeben, und sich da⸗
mit rühmen können, daß er der einige aus unserer ganzen Suite
gewesen, so in der Türkey ein vornehmes Türkisches Frauenzimmer
gesehen. Man muß aber wissen, daß nur allein die Aerzte die ErAerzte be⸗
kommen
das Frauen⸗
zimmer in
der Türkey
am ersten
zu sehen.
⸗
laubnuͤß haben, sich dem Türkischen Frauenzimmer zu nahen, wann
ihnen eine Krankheit zu gestossen; wiewol / wann die Männer
argwöhnisch sind, sie solche auch zu der Zeit nicht einmal zu sehen
bekommen, sondern nur den Puls greiffen dörfen, da ihnen im
übrigen das Gesicht mit einem Schleyer bedeckt ist. Als sie bey der
ersten angelanget, welche an dem Canal des Schwarzen Meers
wohnte / hat ihr Hof⸗Meister alsobald einen Zettel an sie geschrie⸗
ben, worauf eine von ihren Mägden in ihren Namen geantwor⸗
tet / und damit verlangt, daß die Geschencke so gleich vor sie ge⸗
bracht werden solten, dafür sie dann jedem ein schoͤn gesticktes
Tüchlein verehrt hatte. Sie hat sich aber auch auf ihr bezeigtes
Verlangen auf einem nach Landes Gewohnheit kostbaren Sofaus,
unter vielen um sie herumstehenden Sclavinnen, gezeigt, welche alle
ihr Angesicht verhüͤllt, sie aber dasselbige nur allein unbedeckt gelas⸗
sen; sie durften sie aber nur im Vorbeygehen betrachten, indem
sie
- 410 -
360
Drittes Buch / Eilfte Abtheilung /
sie zu einer Thür hinein⸗ und durch die andere wieder hinaus gefüͤhret
worden, wobey die Prinzeßin, zum Zeichen ihrer Gewogenheit, die lin⸗
Warum
die Fran⸗
zosen dieser
Prinzeßin
ein Present
gemacht.
ke Hand auf die Brust geleget. Die Ursach aber, warum die Fran⸗
zosen auf diese Scythier so grossen Regard machen, ist keine an⸗
dere, als weil sie Handelschaft mit einander treiben, und daraus
ihren Profit ziehen; im übrigen aber achten sie dieses wilde und
Barbarische Volk nicht viel, bezeigen auch weder Furcht noch Liebe
gegen dieselbige. Es erzehlte uns Herr Schmied / daß des Bascha
Weib von einer solchen extraordinairen Schöͤnheit gewesen, daß
ein anderer Paris kein Bedenken haben würde, um ihrent willen
nochmaln ein Troja in die Schanz zu schlagen. Dieser letztern
ihre Sclavinnen giengen nicht verhuͤllet/ sondern alle mit entbloͤß⸗
ten Angesichten, und damit er sich derselbigen naͤhern duͤrfen, hat
er sich ordentlich als ein Medicus angestellt, und ihr den Puls
begriffen, als ob er in der Kunst aufs beste erfahren wäre, wie es
dann auch diese Patientin wuͤrklich geglaubt / und dem Herrn Du⸗
masrambois zu verstehen geben, wie sie diesen Herrn für einen gar
guten Practicum hielte.
Jn der Nacht zwischen den 14 und 15ten hat sich wieder ein
Feuers⸗
Brunst
zu Topha⸗
na.schädliches und gleichsam Trojanisches Feuer præsentirt, sintemaln
in der Vorstadt Tophana, ohnweit unserer Bewohnung, und nur
etwas über den Berg herab, das Gieß⸗Haus in Brand gerathen;
und weil für 180. oder, nach einiger Vorgeben, gar für 500.
Stuck zerschmolzenes Erz, nebst einer Menge Holz und Kohlen
beysammen war, hat es eine solche Flamme verursachet, daß ich
in meinem Zimmer in selbiger Nacht so gut als bey hellem Tag al⸗
les deutlich lesen köͤnnen, ob schon unser Logis noch mehr als eine
viertel Stund von dar entlegen war. Es ließ dermassen entsetz⸗
lich, daß es schiene, als wann man mitten in den Feuer speyenden
Berg Ætna hinein sehete, und selbiger nichts als Pech, Schwefel
und bis in die Luft steigende Flammen auswerfete, und dieses fuͤrch⸗
terliche Spectacul zeigte sich so oft / als ein halb⸗verbrandtes Stuck
von dem Gebäu durch die darauf liegende Last nieder gerissen wor⸗
den, oder das geschmolzene Metall die Oefen zersprengt, so zugleich
einen abscheulichen Rauch darmit verursachet. Gleich nach Mit⸗
tag sahe man in der Luft eine dicke schwarze Wolken, die sich aus
dem zerflossenen Eisen, Erz, Bley und vielerley Pech zusammen
gezo⸗
- 411 -
Von der Carnivals⸗Lust, u. Abbrennung des Gießhauses.
361
gezogen, und gerad ober dem Gieß⸗Haus lange Zeit præsentirt,
woraus viele ein böses Zeichen und schlimme Vorbedeutung haben
schliessen wollen. Die Botschaft selbst war hierbey nicht ausser
aller Gefahr, doch hat der noch auf den Dächern liegende Schnee
und das Wind⸗stille Wetter ferneres Unheil abgehalten, welches
sonsten nicht allein durch die Brunst, sondern auch der Janitscharn
Muthwillen und Rauberey, die bey dergleichen Gelegenheit über⸗
aus groß zu seyn pfleget, hätte entstehen und gar leicht geschehen
können, daß diese ganze Vorstadt, wie vor wenig Jahren Gala⸗
ta mit allen benachbarten Oertern innerhalb 11. Stunden / im
Rauch aufgegangen wäre, wofern sich einiger Wind spuͤhren lassen.
Der Herr Groß⸗Botschafter, so bey aller Gelegenheit von gu⸗
ter Resolution war, liese auch hier die geringste Unruhe in seinem
Gemüth nicht merken, sondern suchte seine Schrifften, woran am
meinsten gelegen war, zusammen, verschloß sie in eine Kiste, und sa⸗
he dem Brand lange Zeit aus dem Fenster zu / um den Ausgang zu
erwarten / und bey noch grösserer Gefahr solche an ein sicheres Ort
zu schaffen. Nach dem sich aber das Feuer wieder in etwas gelegt,
und nichts sonderliches mehr zu besorgen war, hat Er sich, doch nicht
anders als in den Kleidern, zu Bette begeben, damit Er auf allen Fall
gleich fertig seyn moͤgte. Die Franzoͤsische Gesandtschaft war noch
in gröͤsserer Noth, weil sie derselbigen Gegend um etwas naͤher gele⸗
Groß⸗Vi⸗
zir hat nicht
nöthig / um
einer Feu⸗
ers Brunst
willen über
den Canal
zu gehen.gen, als welche Wohnung oben auf dem Berg stunde. Der Groß⸗
Vizir fand sich hier alsobald ein/ nicht so wol um vor angefüͤhrter
Ursachen willen, weil Er nicht obligirt ist, wo Er es nicht freywillig
thun will / über den Canal zu setzen, sondern seine Pflicht erfor⸗
dert nur / bey denen in der Stadt entstehenden Feuers⸗Brunsten
gegenwärtig zu seyn, was aber die Vor⸗Städte anbelangt / über
läßt er diese Sorgfalt denen Vorstehern solcher Oerter und Quar⸗
tier⸗Meistern; diesesmal aber hat Er es gethan, um durch
seine Gegenwart die Kaiserliche Botschaft in Sicherheit zu
setzen. Der Topchi Baschi / welcher bey dem ohnlängst in der
Stadt entstandenen Brand einen Schaden am Fuß bekommen, hat
sich aus seinem Hauß / so nicht weit von dem Gieß⸗Hauß weg stun⸗
de, in ein anderes tragen lassen / wo er vor der Wuth des Feuers
sicherer seyn kunte, deme auch der Groß⸗Vizir wegen seiner bey
anderen Occasionen erkannten Treue und Sorgfalt für des gemei⸗
nen
Zz
- 412 -
362
Drittes Buch Zwölfte Abtheilung /
Tröstet den
Topchi Ba⸗
schi.
nen Wesens und des Reichs Wolfarth getröstet und versprochen /
daß nechstens ein anderes und besseres an dessen Stelle solte ge⸗
bauet werden; wormit dann die faͤlschlich unter die Leute gebrach⸗
ten Reden wiederlegt werden, da man vorgeben wollen/ als ob er
mit Gewalt nach Constantinopel in das Gefaͤngnuͤß gefuͤhrt und
in Eisen und Banden geschlagen worden: wiewol dieses das groͤßte
Glück für ihm war / daß er einen beschädigten Fuß gehabt, den er
in Diensten für das gemeine Wesen bekommen; und dann auch, daß er
an dem Groß⸗Vizir einen solchen Mann gefunden / der ihm
nicht feind und jederzeit ein Liebhaber der Gerechtigkeit gewesen. Son⸗
Schärfe
der Türken
bey eini⸗
gem Verse⸗
hen.
sten aber pflegen die Türken auch denen um das gemeine Wesen best
verdienten Leuten nicht leicht durch die Finger zu sehen / wann sie
solche absonderlich wegen einer mit untergelaufenen Untreu und
Nachlässigkeit in Verdacht haben, und erwegen nicht, ob das
Vorgegangene mit Vorsatz und böͤsem Gemüth geschehen, oder, wie
es sich gemeiniglich zuträgt, durch einen unvermutheten Zufall entstan⸗
Exempel
hievon. den. Jenem Capudan Bascha / mit Namen Mustapha / ei⸗
nen gebohrnen Franzosen, der das Zeug⸗Hauß und den Hafen zu
Constantinopel / in den Stand, worinnen sie sich gegenwäͤrtig be⸗
finden, erbauet, und sonsten des Reichs Wolfahrt tapfer verthei⸗
diget, und viel Loͤbliches angerichtet / also daß er sich bey jedermann
grossen Ruhm und Beyfall, auch bey dem Kaiser selbst ganz son⸗
derbahre Liebe und Gewogenheit zu wege gebracht, hat doch dieses
alles nicht helfen moͤgen, da seine Feinde aus Mißgunst Feuer in das
Zeug⸗Hauß gebracht, daß er nicht hätte seinen Kopf daruͤber ver⸗
liehren sollen, was er auch immer zu Vertheidigung seiner Unschuld
vorgebracht. Wiewol es der Kaiser nachgehends betauret, als
Jhm der Groß⸗Vizir den Betrug entdeckt, und zu verstehen ge⸗
geben, daß Er an diesem Mann einem der nutzlichsten im ganzen
Reich habe hinrichten lassen; allein der Kopf war einmal darunten,
und kunte ihm nicht wieder aufgesetzt werden; doch halte ich gaͤnz⸗
lich dafür, daß es Jhm nicht darum geschmerzt, weil Er ihn un⸗
schuldig hinrichten lassen, sondern weil Er dardurch einen Ihm
und dem gemeinen Wesen so nuͤtzlichen Mann verlohren. Aber am
Türkischen Hof kan man dergleichen Verfahren an dem Groß⸗
Vizir und andern Vornehmen des Reichs täglich beobachten,
als
- 413 -
Von Grichischen Comœdianten / u. dem Sclaven⸗Markt.
363
als welche, so oft verändert und abgesetzt werden, so oft
es dem Kaiser gefällt, oder das unruhige Volk solches haben will.
Den darauf folgenden Morgen zwischen 6. und 7. Uhr hat sich die
Flamme wieder gelegt / aber der Rauch davon ist noch etliche Tage
in die Höhe gestiegen, weil unter der Asche noch viel Glut verbor⸗
gen gewesen / in welcher Zeit die Janitscharn Tag und Nacht die Schade
dieser
Brunst.
Wacht gehalten. Der Schade dieser Brunst wurde auf zehenmal
hundert tausend Thaler geschätzet, wobey auch viele Menschen
ums Leben gekommen, die zum Theil erdruckt, zum Theil aber von
der Flamme aufgezehret worden. Den folgenden Tag schickte der
Herr Groß⸗Botschafter zu dem Topchi Baschi / und ließ
ihm wegen dieses unversehenen Ungluͤcks condoliren.
Zwölfte Abtheilung.
DEn 17ten Januar. verfügten sich Se. Excellentz zum er⸗
stenmal wiederum, nach angelangten Courier von Wien,
in Begleitung der Herren von Jmhof und Wetstein
zum Groß⸗Vizir, und ließen die wegen seiner angestellte Gastung
bey dem Venetianischen Gesandten wieder aufküͤndigen. Nach⸗
dem Sie sich nun mit jenem von höͤchstwichtigen Sachen eine lange Zeit
unterredet, haben Sie sich von dar wieder wegbegeben, bey dem Ab⸗
schied aber von dem Groß⸗Vizir einen schoͤnen Schimmel zum
Zeichen seiner beständigen Freundschaft verehrt bekommen; worauf
Se. Excellentz diejenige, so mit Jhm gewesen, bey der Tafel be⸗
halten. Sie wurden auch von dem Engelläͤndischen Ge⸗
sandten invitirt; wie Sie dann selbst nachmals den Holläͤn⸗
dischen mit seiner Gemahlin und einigen Grichischen so wol ledigen
als verehlichten Frauenzimmer eingeladen, angesehen dieses Gesand⸗
ten
Gemahlin selbst eine Grichin ist, die zu Pera eine grosse Freund⸗
schaft hat. Diesen zu Ehren liesse der Herr Botschafter eine Grichische
Comœdie.
Grichische Comœdie von Grichischen / Türkischen, Jüdischen und
Armenischen Knaben auffuͤhren; worbey die Musicanten lauter Tuͤr⸗
ken waren, die ihre Music mit zwo kleinen aus vielen Pfeiffen von
Rohren gemachten Orgeln und unterschiedlichen Cymbeln anstimm⸗
ten / welche letztere wie die Pauken aus Pergament / doch viel klei⸗
ner
Zz 2
- 414 -
364
Drittes Buch / Zwölfte Abtheilung /
ner formirt, und zwischen dem Holz an füͤnf Orten mit so viel run⸗
den kupfernen Platten versehen gewesen, die den Klang geben muͤs⸗
sen. An dieser raren Music ergöͤtzte sich das anwesende Frauenzim⸗
mer etliche Stunden lang, worvon doch unsere Ohren also gemar⸗
tert worden, daß wir daruͤber weit lieber hätten einschlaffen moͤgen.
Die Action selbst bestunde mehr im Musiciren und Danzen, als daß
man dabey viel solte geredet haben. Die Kleidung der Comœdian⸗
ten sahe sehr schmutzig und bettelhaft aus, und die Gebärden
samt der übrigen Bewegung des Leibs liesse nach Lands⸗Gewohn⸗
heit uͤberaus geil und aͤrgerlich, jedoch köͤnnen sie sich damit bey ih⸗
ren Zuschauern am meisten gefäͤllig machen. Einige von den Daͤn⸗
zern wusten die Cadence sehr kuͤnstlich nach ihrer Art mit den Haͤn⸗
den auf zwo kupfernen Schalen unter dem Danzen auszudrucken;
andere aber bedienten sich darzu vier runder theils schwarzer, theils
gelber kleiner Stecken: wieder andere bewegten auf eine geschickte
Weise die auf Weiden⸗Ruthen gesteckte und angezündete Wachs⸗
Seltsame
Cadence. Kerzen; unter diesen allen aber kunten wir uns uͤber denjenigen nicht
genug verwundern, der durch gewisse Kruͤmmung des Leibs, Auf⸗
blaͤhung und Einziehung des Bauchs, alle Cadence gar artig nach⸗
machen kunte, so jedoch ohne Gewalt und Schmerzen nicht ab⸗
gienge. Unter andern Possen, welche sie zum Vorschein brachten,
Sinnreiche
Vorstellun⸗
gen der
Grichischen
Comœdi⸗
anten. war auch dieser / daß sie einen Hirsch mit einem hohen und viel⸗
eckigten Geweyh auf das Theatrum geführt / zwischen welchen ein
kleiner Knab gesessen / der mit seinen Händen und Füssen solche Fi⸗
guren gemacht, als ob er hätte danzen wollen. Dieser Hirsch solte
ein Sinnbild eines von seinem Weib hinter das Licht geführten
Mannes seyn, welches gewiß so sinnreich heraus kam / als alle übri⸗
ge bey einem theatralischen Schau⸗Spiel zu observirende Reguln
angebracht waren. Hernach præsentirten sich auf dem Theatro,
(wordurch ich aber nichts anders als den Boden des Zimmers ver⸗
stehe, allwo für diese vortrefliche Agenten ein kleiner Platz ledig ge⸗
lassen wurde,) drey Personen, welche sich mit einander zanckten und
allerhand Sachen vorruckten; davon dem einen vor besagter Hirsch
überall nachgeloffen, und ihm bald die Hauben vom Kopf gezo⸗
gen / bald bey dem Rock, Kopf, Ohren und Arm gezupft, und die⸗
ses so lang, bis jenem die Gedult zerrunnen, und er den Hirschen mit
einer Keule dermassen eines vor das Ingenium gegeben, daß dieser dar⸗
über
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Von Grichis. Comœdianten/ u. dem Sclaven⸗Markt / rc.
365
über zu Boden gesuncken, und eben jetzt den Geist aufgeben wolte,
wann nicht noch der dritte zu rechter Zeit beygesprungen/ und mit
seiner Zauberey dem in Ohnmacht liegenden Thiere seine Lebens⸗
Geister wieder zuruck geruffen, oder vielmehr dem bereits verschie⸗
denen eines andern Hahnrey Seele wieder eingeblasen hätte: und auf
solche Weise wurde die uͤbel eingerichtete/ noch schlimmer vorgestell⸗
te, und mit garstigen Zotten angefuͤllte Comœdie geendiget.
Die nechst folgenden Täge kommt nichts Berichtenswüͤrdiges
vor, ausser daß ein Courier in Verrichtungen nach Wien abgefer⸗
tigt worden, und einige aus dem zweyten Adel, als die Freyherren
von Locher / Klimberg / Jmhof und Wetstein sich auf den
schwarzen Canal begeben, um einige ohnweit Darapia liegende
Erz⸗Gruben zu besehen, indessen da der Herr Groß⸗Botschafter
mit denen Grafen von Nesselrode / Kinigl und Bielinski nebst
dem Freyherrn von Zweiffel bey dem Venetianischen Botschafter
gespeißt. Den 24. dito loͤßten Se. Hochwuͤrden der Graf von
Sclav
wird von
dem Hrn.
Prælaten
ausgelößt.
Schrattenbach / Abt zu Domben / einen Gefangenen von einem
Armenier um zwoͤlf Ducaten an sich, welcher aus der Jnsul Mal⸗
tha gebürtig, und der dritte ist / der durch Seine Freygebigkeit
loß gekommen. Es war dieses ein braver starker Mann / und wuͤr⸗
den ihn die Tüͤrken gerne 60. Ducaten dafuͤr ausgezahlt haben, wann
er ihn auf die Galeen hätte verkaufen wollen; es hat aber dieser
Christliche Mensch, ob er schon selbst von schlechten Mitteln war,
doch lieber aus Barmherzigkeit was weniges zu nehmen, und seinen
Sclaven an einen Christlichen Herrn, und noch darzu an einen Prie⸗
ster in erträglichere Dienstbarkeit zu verkaufen sich resolvirt. Die⸗
ser Sclav ist ihm von einem armen Juden, der ihn Armuts⸗halber
nicht behaupten kunte, zugebracht worden / wofür er eine kleine
Erkäntlichkeit von dem Käufer und Verkäufer zu erhalten hoffte. Es
hat sich aber dieses Hochgebohrnen und Christmildesten Abts Liebe
nicht allein mit Erlöͤsung der Gefangenen vergnüͤgen lassen, sondern
ist noch weiter gegangen / und hat mit den äͤusserlichen Liebes⸗Wer⸗
ken die innerlichen verknuͤpft; und welcher Leiber er von den schweh⸗
ren Ketten erlöͤßt / deren Gemüth hat er gleichfalls in Freyheit zu
setzen gesucht, wann es von Jrrthum und falscher Lehre gefesselt ge⸗
wesen. Er hat unter andern einen siebenjäͤhrigen uͤberaus wolge⸗
stalten Knaben gekauft, und ihn nicht allein im Glauben unterrich⸗
tet,
Zz 3
- 416 -
366
Drittes Buch / Zwölfte Abtheilung /
tet, das Creutz machen und Beten lernen, sondern nebst diesen ihm
gleich Anfangs einen solchen unversöhnlichen Haß wider alle Un⸗
H Einfalt
eines
von dem
Hrn. Præ⸗
laten un⸗
terrichteten
Knabens. catholische Lehre eingeflößt, daß / wann der Knab des Luthers /
Calvin und Mahomets Namen nur nennen höͤrte / er ganz un⸗
gehalten den Kopf darüber schüttelte, aussporzte, und in seiner lie⸗
ben Unschuld sehr ungebärdig den Fuß wider die Erden stoßte, wor⸗
über wir oft selbst lachen müssen. Eben dazumal als er den Mal⸗
thesischen Sclaven in seinem Zimmer kaufte, wurde ihm auch ein
Grichischer Mönch zugefüͤhrt / der von dem Berg Sinai her⸗
gereißt war, von deme er ihre Ordens⸗Satzungen, Lebens⸗Art und
Clöster auf
dem Berg
Sinai.
mehr andere Sachen ausforschte. Es erzehlte derselbige, daß auf
bemeldtem Berg nur allein zwey und zwanzig Clöster seines Ordens
gefunden würden, deren jedes fünfzig bis sechzig Personen
ernehrte, doch wäre darinnen keine einige Weibs⸗Person anzutref⸗
fen, die man etwan zur Hauß⸗ und Stall⸗Arbeit gebrauchte, son⸗
dern die Muͤnche verseheten das ganze Hauß⸗Wesen, melkten das
Vieh, machten Butter, Käse, Schmalz, und verrichteten das
übrige, so sonsten nur von Weibsbildern pflegt bestellt zu werden.
Dazumal hatte ich ungefehr eine Grichische Muͤnz mit mir gebracht,
die ich eben in der Hand hielte, und worauf das Wort ΗΠΕΙΡΟΣ,
so den Namen einer Jnsul in Grichenland anzeiget / ganz deutlich
zu lesen war, und nur einige andere Buchstaben daran abgiengen,
welche die Länge der Zeit ausgelöscht hatte; weswegen ich diesen
München gebeten, er solte mir die unerkäͤntlichen entdecken helfen,
habe aber erfahren müssen, daß er von der Aufschrift der Muͤnzen
so viel als von den andern Wissenschaften verstanden, und dieser
herrliche Priester und Lehrer selbst weder recht lesen noch schreiben
können, wordurch ich dann in meiner Meinung, die ich schon vor⸗
her von der heutigen Grichischen Kirche und ihren Möͤnchen hatte,
noch mehrers gestärkt worden.
Sclaven⸗
Markt.Den 27. Januarij hat sich der Herr Groß⸗Botschafter
auf den Sclaven⸗Markt begeben, wohin wir gleichfalls gefolget sind.
Daselbst werden die so wol im Krieg als anderweit Gefangene und
Leibeigene verkauft, und würde uns ohne des Herrn Botschaf⸗
ters Gegenwart der Zutritt dahin schwehrlich oder gar nicht ver⸗
stattet worden seyn. Es liegt aber dieser Platz nicht weit von der
Säu⸗
- 417 -
Von Grichis. Comœdianten / u. dem Sclaven⸗Markt / rc.
367
Säulen des Kaisers Arcadius, davon oben schon Meldung ge⸗
schehen, und hat den grossen Markt oder Bezesten zur rechten,
und des Hali Bascha Moschee zur linken Hand. Rings um den⸗
selbigen stehet ein altes viereckigtes mit einem grossen Thor verschlosBehältniß
der Scla⸗
ven.
⸗
senes Gebäu, um dessen untern und obern Theil ein auf hoͤlzernen
Säulen ruhender Gang wie eine Lauberhütten geführet ist, in wel⸗
chen viele Zimmer auf allen vier Ecken gebauet und mit höͤlzernen
Gittern versehen sind / worinnen die vornehmsten Sclaven und
schöne Weibsbilder aufbehalten werden. An den Markt⸗
Tägen nun wird das Gitter eröfnet, und die Sclaven jederman öͤf⸗
fentlich gezeigt, ausser denen, welche zu grosse Schamhaftigkeit be⸗
sitzen, als die sie in einen Schrank verschliessen, bis ein Käufer Wie die
Weibs⸗Personen
verkauft
werden.
kommt, und nach dergleichen Waare fraget, auch sie zu sehen ver⸗
langt; da alsdann oft 8. 10. bis 20. schöne Mädgen aus einem sol⸗
chen Schrank, wie die Soldaten aus dem Trojanischen Pferd, her⸗
für schlieffen, deren Haare hinauf geflochten / die Nägel bemahlt
und das Gesicht mit einem Anstrich gefärbt ist; was aber schon
erwachsene Weibs⸗Personen sind, werden oben in besondern Zim⸗
mern aufbehalten: diese stellen sich vor den Kaͤufer mit aller Sittsam⸗
keit, halten die Hände über einander, und die Augen zur Erden nie⸗
der geschlagen, und wann er es verlangt, muͤssen sie nicht nur das
Gesicht, Zähne und Hände / sondern auch die Füsse, Waden, Brü⸗
ste und alle übrige Theile des Leibes, so sonst die Natur zu bedecken
befiehlt, herzeigen, und befühlen lassen, doch ist dieses nicht eher er⸗
laubt, bevor es mit dem Preiß seine Richtigkeit hat; nach diesem gibt
der Verkäufer ein Zeichen, worauf sie sich alle wieder nach ihren
Kasten begeben, und daselbst verbergen / bis sich wieder ein anderer
Käufer meldet. Viele unter solchen, wie sie die Teutsche Kleidung
gesehen und unsere Aufmerksamkeit beobachtet / haben sich, wie züch⸗
tig sie auch sonst waren, gleichwol des Lachens nicht enthalten könWelche
Sclaven
am theure⸗
sten.
⸗
nen. Welche noch für Jungfrauen passiren wollen, werden viel
theurer als die andern gekauft; so scheuen sich auch diejenige, so sich
für keine mehr ausgeben dörfen, im geringsten nicht, entweder öf⸗
fentlich, oder, wann sie noch so viel Schamhaftigkeit besitzen, durch
ihre Herrn zu bekennen, wie lang es ist/ daß sie mit einer Manns⸗
Person zu erst zu thun gehabt haben, und lassen diese sie auch des⸗
wegen beschauen. Die Küͤnstler und Handwerker / und welche man
son⸗
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368
Drittes Buch / Zwölfte Abtheilung /
sonsten im Haußhalten brauchen kan, werden im Preiß am höͤch⸗
sten gehalten; wie dann auch die fruchtbarn Mütter und schwange⸗
Welche
von Hauß
zu Hauß
herum ge⸗
führt wer⸗
den.re Weiber mehr als andere gelten. Die gemeinen Scla⸗
ven von beiderley Geschlecht sitzen vor den Thüͤren ihrer Zimmer,
und wann man sie vor den Haͤußern etlichmal herum gefüͤhrt, ruft
man sie nicht anders, als das Vieh auf den Jahr⸗Märkten aus,
oder wie die Güter, so an die Meinstbietenden verkauft werden;
was nun einer darauf gebotten, das wird zugleich gemeldet, damit
ein anderer wisse, wie viel er noch zusetzen müsse, dafür wird dem
Ausruffer zwey pro Cento gegeben: O ein Blut⸗Geld! Es werden
oft zwey, drey, vier hinter einander von einem einigen Menschen
geführt / und zwar mit Schnup⸗Tüchlein oder Stricken an einan⸗
der gekuppelt, wie die Pferde, die man aus dem Land zu Recrouti⸗
rung der Regimenter schicket. Wir haben hier allerhand Nationen,
Franzosen / Moscowiter, Dänen / Engelländer /
Schweden / Jtaliänern / aus Morea / Polacken / Reussen /
wie auch Araber / Perser und Mohren, aber weder Türken
noch Teutsche angetroffen; doch läͤßt sichs leicht erachten, daß sie
diese letztern sorgfältig werden versteckt haben, damit sie sich nicht
gezwungen seheten / solche nach einmal im zweyten Theil des
12ten Articuls der Passarowitzer Friedens⸗Tractaten
Türken
können
nicht zu
Sclaven
gemacht
werden.ausgemachten Preiß, um ein geringeres Geld loß zu schlagen; die Tür⸗
ken hingegen sind bey ihnen keiner Knechtschaft faͤhig, welcher dem⸗
nach von dem Christlichen Glauben, oder einer andern Sect, zu der
Mahometischen Religion tritt, wird alsobald auf freyen Fuß ge⸗
stellt, so gewiß ein arglistiger Fund dieses Teuflischen Men⸗
schens, oder vielmehr des Satans selbst ist, wordurch er schon viele
in sein Netz gebracht, und noch täglich bestricket. Die Weibs⸗
Personen werden aus allen Orten der Welt, aus Grichenland /
Candien, Rasnien / Georgien / die besten und schöͤnsten aber
Circaßier⸗
innen die
schönsten
Sclavinnen.aus Circaßien in grosser Anzahl herbey gebracht, welche
letztere Landschaft in der Moscowitischen Tartarey nicht weit von Asof
ihren Anfang nimmt / und über den Berg Caucasus gegen Nor⸗
den zwischen dem Schwarzen⸗ und gegen Aufgang zwischen dem
Caspischen⸗Meer liegt, gegen Mittag aber an das feste Land
stoßt. Auf diese Weibs⸗Personen wird kein Preiß gesetzt, wann sie
schön sind / sondern eine um hundert, auch um ein, zwey, bis sechs
tau⸗
- 419 -
Von Grichis. Comœdianten/ u. dem Sclaven⸗Markt / rc.
369
tausend Ducaten bezahlt, wann sich ein närrscher Liebhaber findet,
der so viel dafür geben will. Wir haben für diesesmal von den schoͤn⸗
sten keine gesehen, weil die Juden ihren Sabbath hatten / welche mit
diesen ungluͤckseeligen Leuten den stäͤrksten Handel treiben; es werden
auch die schoͤnen Circaßierinnen und andere Schoͤnheiten nicht
auf den Markt gebracht, sondern nur den Vizirn und Vornehmen
in die Haͤuser geführt: so pflegen auch die Juden diese und alle an⸗
dere Sclaven am liebsten zu kaufen, wann sie noch klein sind, die Juden las⸗
sen ihre
Sclaven
in Künsten
unterrich⸗
ten: war⸗
um?
sie dann in allerhand Kuͤnsten unterrichten lassen/ damit sie nach⸗
gehends solche desto höͤher aufs Geld bringen köͤnnen. Die Tar⸗
tarn halten die Sclaven, die sie in dem Krieg bekommen, fuͤr ihre
vornehmste Beute; und als sie in der Mitte des vorigen Jahr⸗
Hunderts von den Türken zu Hüͤlf wider den Roͤmischen
Kaiser geruffen worden, haben sie durch ihre Streiffereyen in SchleDer Tar⸗
tarn grosse
Beute an
Sclaven
im vorigen
Jahr⸗hun⸗
dert.
⸗
sien/ Mähren / Oesterreich und Ungarn, ausser was sie sonst ge⸗
raubt, gebrandt und verwuͤstet, in einem Jahr uͤber hundert und
funfzig tausend, und im folgenden Krieg nur allein aus Ungarn
und denen darzu gehörigen Köͤnigreichen 30000. Sclaven zur Beu⸗
te gemacht/ wie man ihnen dann zur andern Zeit 60000. von al⸗
lerhand Alter, Geschlecht und Stand wieder abgenommen. Sie
nehmen aber auf dergleichen Weise nicht nur der Feinde, sondern
auch ihrer Freunde Länder mit, und entblöͤsen sie von Einwohnern,
also daß sie ihre Rauberey allenthalben frey und ungescheut treiben,
und den Tüͤrken nicht selten ihre eigene Unterthanen zuverkaufen ge⸗
ben, unter dem Vorwand, als haͤtten sie solche anderswoher bekomTartarn
Betrug ge⸗
gen die
Türken in
Verkau⸗
fung
der Scla⸗
ven.
⸗
men; es haben sich aber die Tüͤrken dieser Beschwehrnuͤß auf eine
andere Weiß loß gemacht, daß jene dergleichen Sclaven an sie zu
verkaufen nun nicht mehr getrauen, deren Namen, Alter und Vat⸗
terland sie aus den Jahr⸗Büchern und denen herausgezogenen Zeug⸗
nüssen nicht beweisen koͤnnen. Es ist in Wahrheit recht erbaͤrmlich
anzusehen, wie so viel elende Leute in so beschwehrlicher und meinst
ewiger Gefangenschaft ihr Leben zu bringen muͤssen / und wie die
Barbarn dieselbige zu der härtesten Arbeit anhalten, und
wolte GOTT, nicht auch zur Sünde mißbrauchten. Der Ca⸗
pigi, unser Füͤhrer, nannte drey aus den unsrigen, nemlich den
Grafen Emanuel Kollovrath / den Herrn von Weipler und
mich /
Aaa
- 420 -
370
Drittes Buch / Dreyzehende Abtheilung /
mich / und versicherte den Hn. Botschafter / daß er füͤr den ersten
gerne 1000. für den andern 333⅓. und fur den dritten 500, Ducaten
auszahlen wolte.
Dreyzehende Abtheilung.
Visite des
Hn. Bot⸗
schafters
bey dem
Mehemet
Aga.
NAchdem nun Se. Hochgraͤfliche Excellenz den Sclaven⸗
Markt genug betrachtet, haben Sie Sich bis fast zu
dem äussersten Theil der Stadt nach dem Mehemet
Aga / den zweyten Bevollmächtigten bey dem Passarowitzischen Frie⸗
den, zu Pferd begeben, und sich nur von wenigen dahin begleiten las⸗
sen, woselbst Sie das Mittagmal eingenommen. Als sie hernach
auf den Abend zu Wasser wieder nach Hauß gekehrt, ist Jhnen von
dem Aga ein schoͤnes Pferd offerirt, und bald darauf nachgesendet
worden: die uͤbrigen haben sich uͤber den Markt durch die oͤffentli⸗
che Kram⸗Läden, welche ich erst küͤrzlich beschrieben, wieder nach
Feuers⸗
Brunst.
Pera gewendet. Dieser Monat hat sich vor andern durch die
Feuers⸗Brünste distinguirt; dann den 28ten ist zu Constantino⸗
pel abermal dergleichen entstanden, welche zwar nicht so
groß, als die letztere zu Tophana, gewesen: den 30ten hat sich ei⸗
ne zu Pera gezeigt / welche doch auch keinen sonderlichen Schaden
verursachet, und gerad gegen des Herrn Botschafters Behau⸗
sung, wo die Kaiserlichen Sprach⸗Knaben mit einem Dolmetsch
wohneten, durch Unvorsichtigkeit des Hof⸗Meisters bey dem Hol⸗
ländischen Gesandten auskommen: Man hat nemlich zur vorhaben⸗
den Wäsche ein groͤsseres Feuer, als sonst gewöͤhnlich, gemacht / wor⸗
durch der Ruß in dem Schor⸗Stein, der sich daselbst mit langer
Hand gesammlet, entzündet, aber durch GOttes Hüͤlfe und unserer
Leute Fleiß bald wiederum gelöͤscht worden. Es kamen auch so gleich
die auf uns bestellte Janitscharn, welche an unterschiedlichen Orten
die Wacht hielten, und ihre Führer mit ihren Staats⸗Hauben,
wie auch die Topchi⸗ und Gebegi⸗Baschi mit ihren Topchis
und Gebegis darzu / da man wol nicht hatte meinen sollen, daß sie
es schon erfahren; welche sich so dann in zweyfacher Linie uͤber die
Gassen gestellt, um den rassenden Poͤbel abzuhalten, und niemand
nahe hinzu zulassen, so daselbst nichts zu schaffen hätte. Des Hn.
Botschafters Leib⸗Wacht, die aus dem auserlesensten Granadi⸗
rern
- 421 -
Von einer gefäͤhrl. Feuers⸗Brunst u. Schluß der Fasch.
371
rern des Virmondischen Regiments bestunde, und neben dem
Hasaki Aga und Oda Baschi mit 24. Janitscharn vor dessen
Pallast und der Thür des Zimmers Tag und Nacht bestäͤndig die
Wacht hielten, stunden diesesmal mit aufgepflanzten kurzem Ge⸗
wehr in dem innern Hof, damit niemand mit Gewalt ins Hauß
dringen moͤgte. Se. Excellenz selbsten, nachdem sie die Brieffe
Hr. Bot⸗
schafter
stellt sich
bey ent⸗
standenen
Feuer un⸗
ter die
Hauß⸗Thür / wa⸗
rum?
und Schrifften zusammen gesucht und in eine Kuͤsten verschlossen,
damit man sie bey weiter um sich fressenden Feuer durch den Garten
und die hintere Thuͤr anderweit hinbringen koͤnnte, haben sich von
Jhrem Zimmer herunter begeben, und mitten unter den Thor⸗Weeg
ganz unerschrocken gestellt; und als Sie von dem Hassaki Aga /
Vorsteher dererjenigen Janitscharn, die uns zur Wacht und Si⸗
cherheit gegeben waren, aus Sorgfäͤltigkeit gegen Jhre Person ver⸗
mahnt worden, sich anders wohin zu verfüͤgen, gaben Sie ihm zu
verstehen, wie er sich nur deswegen keine Müͤhe machen solte: Sie
wolten selbst einen Zeugen abgeben, wie sich die Tüͤrken um Erhal⸗
tung der Röͤmisch⸗Kaiserlichen Botschaft bemuͤheten; und wo
dergleichen Zufall ihren Botschafter in Wien begegnen solte, wuͤr⸗
de die ganze Stadt auf seine Erhaltung bedacht seyn: zudem, setz⸗
ten Sie hinzu, koͤnnen meine Leute desto besser wissen, was zu thun ist,
wann sie mich gegenwaͤrtig sehen: worauf der Tüͤrk zur Antwort
gegeben, wie Jhro Excellenz den Janitscharn Aga samt dem
Groß⸗Vizir gar bald hier zu Pera wuͤrden gesehen haben, wann
die Flamme nicht nachgelassen haͤtte, (wie sie doch so gleich gedaͤmpft
worden, nachdem man den Schor⸗Stein niedergerissen/) damit man
nemlich Dieselbige und Dero bey sich habende Leute, so Jhnen durch das
Völker⸗Recht anvertrauet sind, der Gefahr entziehen und ferneres
Unheil verhuͤten koͤnnte: und daß sich dieses also verhalten, haben der
Stall⸗ und Quartier⸗Meister bey ihrer Ruckkunft aus der Stadt
bestättiget, als welche versichert, daß jene schon Weeg⸗fertig ge⸗
wesen und sich uͤber das Meer wollen setzen lassen, wann nicht un⸗
gefehr jemand gekommen, der Nachricht gebracht, daß das Feuer
bereits gedämpft wäre. Der Frantzoͤsische Gesandte, so nicht Sorgfalt
des Fran⸗
zösis. Ge⸗
sandten
bey ent⸗
stehender
Feuers⸗Gefahr.
weit von uns wohnte, hat auf allen Fall alle Boots⸗Knechte von
vier Schiffen, samt den Kaufleuten der Nation in seinen Pallast be⸗
ruffen, um ihn, wann es die Noth erfordern solte, bey zustehen,
welche aber nach geloͤschten Feuer wiederum dimittirt worden: er
hat
Aaa 2
- 422 -
372
Drittes Buch, Dreyzehende Abtheilung /
hat auch vor noch wenig Jahren bey dergleichen Gelegenheit, alle
Schiff⸗Leute von 19. Schiffen, die in dem Hafen gelegen, mit ihren
untergebenen Schiff⸗Volk zu sich kommen lassen; ich zweifle aber
ob der Schaden den von ihnen zu erwarteten Nutzen nicht wuͤrde
überwogen haben, weil sie des Mausens gar zu sehr gewohnt sind.
Jndessen liegt der Pallast der Frantzösischen Gesandten sehr vortheil⸗
haftig und von allen Haͤusern abgesondert, daß er gar leichtlich vor
der Gewalt des Feuers und dem ersten Anfall kan geschüͤtzet werden,
woferne nur vertraute Leute bey der Hand sind; ich wuͤrde auch des⸗
halben keinen andern Ort gewust haben, wohin wir mit den Unsri⸗
gen sicherer häͤtten hinfliehen koͤnnen. Unsere nechste Nachbarn ha⸗
ben sich gleich Anfangs mit ihren eingepackten Betten, Kisten, Klei⸗
dern, Leinwand und den kostbarsten Haußrath auf die Flucht ge⸗
Gefahr de⸗
rerjenigen /
bey denen
das Feuer
auskommt macht, und dieselbige in Sicherheit zu bringen gesucht. Wann ein
Grich, Jud oder Armenier in diesem Hauß, wo die Brunst entstan⸗
den, gewohnt hätte, würde er ohne Zweifel mit Hinterlassung al⸗
ler seiner Sachen davon gelauffen seyn, und sich denen Augen der
Türken entzogen haben / weil er, wann ihn diese actrapirt hätten /
nichts anders zu erwarten gehabt, als daß er von ihnen ohne weitern
Process wäre aufgehenkt worden. Und dieses ist auch die Ursach,
warum oftmals eine so grosse Feuers⸗Brunst aus einem geringen
Funken entstehet, weil die Jnwohner gleich anfangs alles im Stich
lassen / und sich unsichtbar machen, indem sie wol wissen, daß ihre
Emsigkeit bey dem Einpacken mit dem Strick wuͤrde belohnt werden;
aus eben dieser Raison haben sie zu Pera und Galata fast bey al⸗
len Häusern in den Gärten Gewoͤlber, damit sie, was ihnen in
der Eil vorkommt, da hinein werfen koͤnnen / welche sie alsdann mit
Sand bedecken, und darauf ihren Abschied nehmen. Einer aus
unsern Janitscharn sagte mir nachmals, wie es ihm sehr gewundert,
daß des Herrn Botschafters Hauß so lang offen geblieben; sin⸗
temaln sich einige unter ihnen fäͤnden, so bey dergleichen Auflauf al⸗
so bald in die Häͤuser zu brechen und ein groͤsseres Feuer anzurichten su⸗
chen, damit sie unter diesen Vorschub desto bequemer stehlen koͤn⸗
nen: ich gab ihm aber zur Antwort, daß eben darum unsere Sol⸗
daten auf den Hof gestellt worden / damit sie darvor seyn könnten;
welche Hand⸗voll Leute jedoch, wie ich mir leicht einbildete, und er
auch selbsten mir zu verstehen gab, bey einem grossen Tumult wenig
wür⸗
- 423 -
Von einer gefäͤhrl. Feuers⸗Brunst u. Schluß des Fasch.
373
wuͤrden ausgerichtet haben, wo nicht der Janitscharn vornehmste
Officiers ihre Leute durch ihre Gegenwart im Zaum gehalten hätten.
Nachdem nun das Feuer wiederum voͤllig gelöͤscht war, hat man dem
Topchi Baschi in des Herrn Botschafters Zimmer unterschied⸗
liche Getränke vorgesetzt; viele wurden von Sr. Excellenz be⸗
schenckt, welche er bemerkt, daß sie sich in Herbeybringung des Was⸗
sers vor andern geschaͤfftig erwiesen / aber in das Hauß ist zum Lö⸗
schen niemand gelassen worden.
Jm Anfang des Hornungs hat sich der Herr Botschafter
an der Colic, welches Malheur Jhm gar oft zuzustossen pflegte, ei⸗
nige Tag uͤbel auf befunden, weswegen Jhm der Engelläͤndische
und Venetianische Gesandte besucht haben. Er ist aber durch
emsige Sorgfalt des Herrn Dorschaͤus bald wieder davon befreyet
worden, der Jhm auch sonsten in seinen Krankheiten getreulich bey⸗
gestanden. Einige sind in dieser Zeit nach Belgrad auf die Jagd
gegangen, und haben bey ihrer Ruckkunft unsere Kuͤchen mit wil⸗
den Schweinen, Hasen, Rebhüͤnern und Schnepfen versehen. Mit
Briefen aus Marsilien erhielten wir Nachricht, wie daß der Graf
von Althan mit dem Herrn von Preitenau am H. Christ⸗Tag
nach etlichmal ausgestandenen Sturm daselbst angelangt, und den
Nachmittag in dasigen Haven ans Land gestiegen. So wurde uns Nachricht
von dem
Todes⸗
Fall der
Kaiserl.
Frau Mut⸗
ter.
auch mit einem Expressen von Wien Jhro Majestät der Kai⸗
serlichen Frau Mutter Eleonora Theresia Todes⸗Fall be⸗
richtet / wordurch wir in nicht geringe Betruͤbnis gesetzt worden.
Man ist auch so wol unser Seits als bey den Franzosen mit Comoͤ⸗
dien und Dänzen / bis zur Heil. Fasten⸗Zeit fort gefahren, wobey
der Baron Schmiddeg / ein gebohrner Ungar, sonderbare Ehre
aufgehebt / als welcher sich nach Landes⸗Art gekleidet / anfangs einen
Bauern vorgestellt, nachgehends zwey Türkische Säbel genommen
und eine verwunderns⸗wuͤrdige Geschwindigkeit zu grossen Vergnuͤ⸗
gen aller Zuschauer von sich sehen lassen. Indem nun dieses vor⸗
gieng, kam einer aus dem zweyten Adel / den ich jetzo nicht nennen
will / zimlich närrsch gekleidet, und stellte sich neben den Herrn Bot⸗
schafter / und als dieser fragte, wer er wäre, gab er gar vernuͤnf⸗
tig scil. zur Antwort: ich bins, ohne daß er sich weiter zu er⸗
kennen gegeben, oder demasquirt hatte, aus welcher klugen Nach⸗
richt
Aaa 3
- 424 -
374
Drittes Buch / Dreyzehende Abtheilung /
richt Se. Excellenz eben so viel verstanden, als Sie vorher schon
gewust hatten. Den sechsten wurde bey den Venetianern eine
Jtaliänische Comödie gespielt, nach solcher eine kostbare Malzeit ge⸗
Künstliche
Zuberei⸗
tung des
Confects. geben, bey welcher des Sultans Serrallien zu Constantino⸗
pel mit samt den Garten aus Zucker, Blumen und Früchten ge⸗
macht zu sehen war, um damit nicht nur den Geschmack, sondern auch
das Gesicht und den Geruch zu vergnuͤgen; hierauf ein Danz auf⸗
Einige
vom Adel
tractiren
die Fran⸗
zösische Na⸗
tion. geführt, und damit bis in die späte Nacht angehalten. Es haben
auch die Grafen Nesselrode und Künigl nebst dem Freyherrn von
Zweiffel in des erstern Behausung die Französische Nation mit ei⸗
nem kostbarn Gastmal tractirt, nach dessen Endigung sie sich alle
zusammen in der Masque nach dem Französischen Pallast zum da⸗
selbst angestellten Ball verfüͤgt. Der Herr Botschafter hat
gleichfalls an andere Gesandten, wie auch an die Abgeordnete, oder
nach dem heutigen Hof⸗Stylo, Deputirte von Ragusa prächtige
Malzeiten so wol zu Mittag als Abends, gegeben, wobey sich auch
Se. Hochwürden Raymundus, Ertz⸗Bischoff zu Ancyra
und Stadthalter des Patriarchens zu Constantinopel ein⸗
Kurzweili⸗
che Bege⸗
benheit mit
einem
Bauern. gefunden. Sehr lächerlich ist es, was sich den 11. Hornung oder
an dem ersten der dreyen Faßnachts⸗Täge zu getragen: Es
kam ein Asiatischer Bauer zu uns nach Pera / und brachte ein Re⸗
he zum Geschenke mit sich, welches er nach eigner Bekaͤnntnis lan⸗
ge Zeit aufgesucht hatte, damit er den Elchi / wodurch er den Hn.
Botschafter verstunde, sehen moͤgte, und meinte sein Absehen de⸗
sto eher zu erhalten, wann er nicht mit leerer Hand erschiene; diesem
setzte er noch hinzu, daß er eine Reise von dreyen Tage in eben die⸗
sem Absehen vorgenommen, und hoffe nun, er werde seines Wun⸗
sches gewehret werden: er versicherte auch, daß er nicht eher wie⸗
der von dannen gehen wuͤrde / bis er seinen Zweck erreicht und den⸗
jenigen vortreflichen Feld⸗Herrn gesehen hätte / der so viel tausend
Türken in dem letztern und vorigen Krieg in unterschiedlichen
Schlachten erlegt; es schiene aber hieraus, der ehrliche Mann ha⸗
be unsern Herrn Botschafter für den Prinzen Eugenium ge⸗
halten. Se. Excellenz, damit Sie dieser angefangenen Comöͤdie
bey dieser ohnedem allerhand Kurtzweil gewiedmeten Zeit ein lustiges
End machen mögten, haben den gesamten Adel mit den meisten Hauß⸗
Bedien⸗
- 425 -
Von denen unter R. Kais. Schutz stehenden Kirchen rc.
375
Bedienten in dasjenige Zimmer / in welchem des Kaisers Bild⸗
nis unter einem Himmel aufgestellt war, und alsdann auch den
Bauren vor Sich kommen lassen. Der Bauer läßt seine Stiefel
mit samt dem Rehe vor dem Zimmer liegen / und gehet zu dem
Herrn Botschafter hinein, wiederholt die Ursach seiner so weiten
Reiß / wie er sie uns vorher schon angezeigt, kuͤsset den Saum von
dessen Rock, und offerirt Jhm zugleich das mitgebrachte schlechte
Geschenk, anbey bittend, daß Er nicht so wol auf die armseelige Gabe /
als vielmehr das ergebenste Gemuͤth desjenigen / so es verehrt, sehen
wolle: worauf Se. Excellenz ihn seiner Gewogenheit versichert,
und Essen und Trinken vorzusetzen auch etliche Ducaten auszu⸗
zahlen befohlen/ nach welchem allen er doch nicht so viel gefragt,
als daß er den Herrn Botschafter gesehen.
Vierzehende Abtheilung.
DEn 14. Februarj / als den Ascher⸗Mitwoch / ist zu
Fasten⸗An⸗
dacht.
Galata in der Jesuiter⸗Kirchen die erste Französische
Fasten⸗Predigt, auch dergleichen nachgehends noch
mehr, und zwar täͤglich nur den Samstag allein ausgenommen, in
Französischer und Jtaliänischer Sprach gehalten worden, und dieses
wechsels⸗weise theils zu Galata von mehr bemeldten Geistlichen /
wie auch von den Dominicanern/ Capucinern und Minori⸗
ten daselbsten, theils von den Capucinern zu Pera/ sintemaln
dieser Orden so wol hier in dem Königlichen Pallast, als auch zu
Galata ein Closter innen hat, wobey Se. Hochwuͤrden Ray⸗
mundus der Ertz⸗Bischoff / und Stadthalter des Patriar⸗
chen zu Constantinopel sich oͤfters eingefunden; wie dann nicht
weniger diejenige, so aus den Unsrigen Französisch und Jtaliänisch
verstanden, sich in grosser Anzahl dahin begeben, um das Wort
GOttes mit anzuhören, und sich bey dieser Heil. Zeit zu erbauen.
Jngleichen hat es auch in der Teutschen Kirche / bey den Franci⸗
scanern an dergleichen Andacht nicht gefehlt, angesehen alle acht
Tage zwey Predigten zur Erweckung ernstlicher Reue und Leid uͤber
die Sünde, und zwar eine Teutsche des Sonntags von Joseph
Lovina / aus der Gesellschaft Jesu, der mit uns von Wien hieher
gerei⸗
- 426 -
376
Drittes Buch / Vierzehende Abtheilung /
gereiset war, und eine Jtaliänische des Mitwochs, von dem Wohl⸗
Francisus
Lombar⸗
dus, ein be⸗
rühmter
Redner. Ehrwuͤrdigen Vater Petrus Franciscus Lombardus à Taurino
Päbstlichen Verordneten / oder Custos der Franciscaner⸗Clöͤster in
diesen Landen, oder, wie man in den Cloͤstern zu reden pflegt, der Cu⸗
stodie gegen Aufgang, so vorhin viele Jahre des Hertzogs von
Savoyen und Königs in Sardinien Hof⸗Prediger gewesen,
und dessen gleichen an wol gesetzten Reden, Nachdruck der Sache,
Beredtsamkeit und Eifer Constantinopel nicht bald gehabt, noch
auch so bald wieder bekommen wird; wie sich dann so wol
der Herr Botschafter / als alle übrige von der Gesandtschaft über
diesen Mann zum öftern verwundert: und nachdem Se. Excellenz
einsmals Verrichtungen wegen zu spat in die Predigt gekommen, hielte
er so lang, bis Sich dieselbige niedergelassen, innen, fienge darauf
in einem kurzen Begrief an alles vorige in gleicher Zierlichkeit zu
wiederholen, bis er wieder dahin gekommen, wo er vorhero aufge⸗
höͤrt hatte, und ist alsdann ohne Anstoß in seiner Rede fortgefah⸗
ren. Wer ihn nur höͤrte, bedauerte nichts mehrers, als daß die
Predigt schon ein Ende haben solte / und wuͤnschte, daß er solche
ganze Stunden lang fort setzen moͤgte; sintemaln er den Menschen
nicht allein bewegte, sondern ihn auch durch seine angreifende Re⸗
dens⸗Arten ganz einzunehmen wuste. Jch habe hiebey erinnert, daß
die Franciscaner⸗Kirche der Teutschen eigene Kirche seye, um
Jrrthum
des P. Ta⸗
villon, als
ob die Teut⸗
schen zu
Constanti⸗
nopel keine
Kirche hät⸗
ten.denjenigen Jrrthum zu begegnen, welchen der P. Tavillon ein Fran⸗
zos, aus der Gesellschaft Jesu, in seinem Buch von den neuen
Denkwürdigkeiten der Aussendung der Jesuiten nach O⸗
rient / so zu Paris in Französischer Sprach 1715. bey Niclaus
Clerc heraus gekommen, behaupten will, als ob nemlich die Teut⸗
schen zu Constantinopel keine Kirche innen hätten, und alle Kir⸗
chen, so daselbst gedultet würden, unter Französischen Schutz stün⸗
den. Der Titul des angeführten Buchs ist im Französischen dieser:
Nouveaux Memoires des Missions de la Compagnie de Jesus
dans le Levant. à Paris chez Niclas de Clerc. 1715. du P. Tavillon
de la Compagnie de Jesus Missionaire de la Grece: worinnen
pag. 11. folgende Worte nachzuschlagen: Comme les Alemands
n’ ont point d’Eglise a Constantinople, c’est encore dans la no⸗
tre, qu’ ils font toutes leurs grandes Ceremonies, mais tou⸗
jours avec la permission expresse des Ambassadeurs du Roy. Le
Comte
- 427 -
Von denen unter R. Kais. Schutz stehenden Kirchen rc.
377
Comte Caprara, un de leurs Ambassadeurs, y est inhumé, et
j’y ay vu faire pendant plusieurs jours les obseques de deux der⸗
nieurs Empereurs: über welche Nachricht ich mich recht sehr ver⸗
wundere, angesehen jederman weiß, der nur einige Erfahrung in den
Morgenländischen Sachen hat, daß nicht allein zu Constantino⸗
pel / sondern auch zu Smyrna / Chio / Tunis und Rhodis
Andere un⸗
ter Röm.
Kaiserl.
Schutz ste⸗
hende Kir⸗
chen.
Clöster von diesen Orden zu finden / welche insgesamt zu einer Cu⸗
stodie gehöͤren / und alle unter des Römischen Kaisers Schutz
stehen, deren Priester nicht anders, als wie die andern Orden, ihren
GOttes⸗Dienst öfentlich verrichten, der Gefangenen pflegen, ihnen
die Freyheit zu wegen bringen / die Schwachen im Glauben stärken,
die Jrrenden wieder bringen, und mit Almosen und andern Liebes⸗
Werken an die Hand gehen. Es ist wahr, daß der Graf Capra⸗
ra / Kaiserlicher Botschafter / in der unter Französischen
Schutz stehenden Jesuiter Kirchen hat wollen begraben werden / und
daß auch die Exequien des Kaiser Leopolds und Josephs da⸗
selbst gehalten worden, wie ich aus den Ordens⸗Buͤchern selbst ver⸗
nommen: allein es mag seine sonderbahren Ursachen gehabt, oder
die Franciscaner⸗Kirche in der Asche gelegen haben, also daß nir⸗
gends als in dieser Französischen Haupt⸗Kirchen zu Constantinopel
dergleichen besser verrichtet werden koͤnnen; und hierzu war allerdings
die Erlaubnis des Französis. Gesandten vonnoͤthen / absonderlich zu
der Zeit, da beide Cronen mit einander im Krieg verwickelt gewesen:
gleichwie auch die Franzosen es erst von dem Kaiserlichen Gesand⸗
ten oder Residenten erhalten muͤsten, wann ihnen dergleichen Zu⸗
fall / welches wir ihnen doch nicht wuͤnschen wollen / begegnen solte,
und sie etwan einige geistliche Verrichtung in unserer durch GOt⸗
tes Gnade, und Freygebigkeit frommer Christen, besonders aber
der Herrn Dalmann und Fleischmann sehr schoͤn renovirten Kir⸗
che verrichten wolten, welche nunmehr von innen viel zierlicher aus⸗
gemacht und mit neuen verguldeten Altären versehen ist. Es ist auch Gerechtig⸗
keit der
Teutschen
Kirchen.
dieselbige eine von denenjenigen Pfarr⸗Kirchen, welche daselbst die
Gerechtigkeit haben, die Heil. Sacramenten darinnen zu admini⸗
striren und den uͤbrigen GOttes⸗Dienst zu verrichten und, wie ich
gänzlich dafür halte / eine von den ersten, Dero Geistliche oder Mis⸗
sionarien, und zwar nicht anders als nach einem scharfen Examen
in
Bbb
- 428 -
378
Drittes Buch/ Vierzehende Abtheilung /
in Gegenwart dichtiger und geschwohrner Zeugen, deme jederzeit
ein Cardinal und der Secretaire dieser Versammlung beywohnet,
aus den Kaiserlichen Erb⸗Landen von den Paͤbsten, oder wenigstens
mit deren Einwilligung, von der Congregation de progaganda
fide genommen werden; welche so dann nach erhaltener Confirma⸗
tion ihr Gelübd ablegen, dieser Mission in allen nach zu kommen,
bey welcher sie nachgehends verbleiben, oder von dar wie⸗
der zuruck beruffen werden, nachdem es die Vorstehere dieser Ver⸗
Wollen die
Franzosen
an sich zie⸗
hen.sammlung für gut befinden. So ist auch gar wol bekannt, daß ge⸗
dachte Franciscaner öfters von den Französischen Gesandten ange⸗
sprochen worden, daß sie sich unter den Französischen Schutz begeben
solten, und auch deswegen, weil sie sich nicht darzu verstehen wol⸗
len, vielen Verdruß erdulten muͤssen: doch haben die Franzosen
gleichwol noch bis diese Stunde nicht erhalten / was sie mit solchem
Eifer gesucht. Nachdem diese Vätter einmal in denenjenigen Län⸗
dern, nemlich an dem Ufer des kleinern Asiens und dem Egaͤischen
Meer, so weit sich nemlich die Custodie dieser Geistlichen erstreckt,
nach vielen Herumschweifen und erlittenen Verdruß, auf des Car⸗
dinal Leopold Kollonitz Ansuchen bey den beiden Kaisern
Leopold und Joseph Glorwürdigsten Andenkens / wider die
Gewalt und Unterdruckung der Tüͤrken in Schutz genommen wor⸗
Darinnen
ist das Oe⸗
sterrei[chi]sche
Wappen
aufgehenkt den, haben sie des Aller Durchlauchtigsten Hauses Wappen
so wol in der Kirchen als in dem Speiß⸗Saal aufgehenkt, woselbst
sie noch unter gegenwäͤrtiger Regierung unsers unuͤberwindlich⸗
sten Kaisers Carls VI. zu sehen, für dessen Wolfarth und Auf⸗
nehmen in allen ihren Kirchen so wol, als in den andern Clöͤstern
Warum sie
zugleich
unter Hol⸗
ländischen
Schutz ste⸗
hen.für den Köͤnig in Frankreich / öffentlich gebetten wird. Sie ha⸗
ben jedoch auch neben den Kaiserlichen die Hollaͤndische aufge⸗
richtet / damit, wo ein Krieg zwischen dem Occidentalischen und
Orientalischen Kaiser entstuͤnde, sie doch nicht ohne Schutz seyn
moͤgten, zu welcher Zeit auch die Kaiserlichen weggenommen und
nur die Hollaͤndischen gesehen werden. Zu diesem Ende sind sie
auch von dem Gott⸗seeligsten Kaiser Leopold denen Herren
Staaten anbefohlen worden, die sie auch deswegen ihrem Ge⸗
sandten zu Constantinopel / dem Grafen Jacob Collyer/
dem Freyherrn von Hochpied / und denen Richtern zu Smyr⸗
na/
- 429 -
Von denen unter R Kais. Schutz stehenden Kirchen rc.
379
na / Chios und Mytilenen aufs beste recommendirt haben; wel⸗
ches auch so viel gefruchtet, daß sie um ihrer Principaln Befehl zu
beobachten / und dem Kaiser selbst etwas angenehmes hierdurch zu
bezeigen, nicht nur den aufgetragenen Schutz ihnen nachdrüͤcklich an⸗
gedeyhen lassen, sondern so gar auch auf ihre eigene Kosten diese ar
Wie weit
sich der Rö⸗
mis. Kaisere
Schutz
über die
Kirchen in
Orient er⸗
strecket.
⸗
me Geistliche zum öftern unterhalten. Es ist aber der Röͤmische
Kaiser nicht nur über gedachte Franciscaner / sondern auch üͤber
noch mehr andere Kirchen in Orient/ ein maͤchtiger Schutz⸗Herr;
und weil Er durch seinen Botschafter / den Grafen von Vir⸗
mond / vermittelst eines Fermans oder Schreibens von dem
Groß⸗Vizir jenen erst neulich in der Insul Chio wiederum eine
Kirche zu wegen gebracht / auch eben daselbst denen weltlichen
Priestern ihre Cathedral⸗Kirche Krafft eines vom Sultan
selbst unterschriebenen Befehls / oder Catacherif / wiederum eröf⸗
net, als ist der Römische Kaiser für deren Schutz⸗Herr eben so
wol zu halten, und wird auch diejenige, so die Patres Trinitarier
nunmehr auf erhaltene Erlaubnis des Tuͤrckischen Kaisers / und
vorher gegangenen Ansuchen des Herrn Botschafters aufbauen
werden, des Römischen Kaisers Schutz zu geniessen haben.
Wann nun die Franzosische Authorität uͤber die Orientalische Kir⸗
chen so gar groß ist, wie sie der P. Tavillon gern machen will, wa⸗
rum lassen sie dann die schon vor vielen Jahren zu Galata abge⸗
brannte Dominicaner⸗Kirche nicht wieder aufbauen, damit die
guten Leute nicht noͤthig hatten, ihr Speiß⸗Zimmer an statt der
Kirchen zu gebrauchen, worinnen sie noch bis auf diese Stunde ih⸗
ren GOttes Dienst verrichten. Jch läugne aber dabey nicht, daß Erhaltene
Vortheile
der Kirche
zu Jerusa⸗
lem von
dem König
in Frank⸗
reich.
durch des jetzt⸗regierenden Koͤnigs in Frankreich
Gesandten /
Marquis de Bonac, der Kirche zu Jerusalem viel Vortheil zuge⸗
wachsen, und unter andern derselben Erneuerung und Ausbesse⸗
rung durch seine dißfalls angewendete Bemuͤhung verstattet worden;
ich bin auch nicht in Abred, daß die Franzoͤsischen Patres aus der
Gesellschaft Jesu durch Vorschub des P. Benier, eines beruͤhmten Die den Je⸗
suiten
durch P Be⸗
nier zu
Constanti⸗
nopel er⸗
haltene
Vortheile.
Mathematici und GOttes⸗Gelehrten, welchen Namen er durch sei⸗
ne gedruckte Schrifften sich längst erworben, einigen Vortheil er⸗
halten, weil er sich bey dem Moufti und Groß⸗Vizir wegen seiner
Wis⸗
Bbb 2
- 430 -
380
Drittes Buch / Vierzehende Abtheilung /
Wissenschaft in der Mathematic sehr beliebt gemacht, auch Jhnen
unterschiedliche von ihm verfertigte Sachen verehrt hatte; worunter
dann nicht der Geringste ist, daß ausser ihnen kein geistlicher Orden in
dem ganzen Reich eine gewöͤlbte Kirche, und noch darzu mit einem von
Bley bedeckten Thurn, aufbauen darf, als welche Art sie nur allein ih⸗
ren Moscheen und Köͤnigl. Gebäͤuen vorbehalten; ich gebe auch
gar gerne zu, daß ihrer Nation von den Orientalischen Kaisern so
viele Freyheiten ertheilt worden, als sie vielleicht vorhin noch nie ge⸗
habt: nur dieses kan ich nicht billigen, daß einige Unverstäͤndige unter
ihnen ihren eigenen Lands⸗Leuten so gar viel schmeicheln, und ihnen das⸗
jenige zueignen, was doch mit der Warheit keineswegs uͤbereinstimmt.
Mißbillig⸗
te Schmei⸗
geley eines
Französ.
Mönchen. Was ist nicht dieses für eine ungereimte Fuchsschwaͤnzerey, wann ein
schmeichlender Monch seinen noch minderjaͤhrigen Koͤnig, in weni⸗
gen Zeilen zweymal einen Kaiser der Franzosen nennet? Dann
da kan man in der Canzley des Französischen Gesandten / so er erst
ganz neu auffüͤhren lassen / folgende Jnschrifft lesen:
Imperante Ludovico XV.
Gallorum Imperatore,
Ad Securam Scriptorum & De⸗
positorum
Nationis Gallicae Conservationem
Hujus
Aedificii Prima Fundamenta Po⸗
suit
Excellentissimus Johannes Ludo⸗
vicus
D’Usson Marchio De Bonac
Ejusdem
Imperatoris Ad Portam Ottomani⸗
cam
Orator --- Nonis Julii
MDCCXIX.
Diese Schmeicheley hat dem Französis. Gesandten, als einem sehr klu⸗
gen und verstäͤndigen Herrn, dermassen mißfallen, daß Er sich öͤfters
ver⸗
- 431 -
Von denen unter R. Kais. Schutz stehenden Kirchen rc.
381
vernehmen lassen, wie diese Aufschrift, welche sonst noch gut genug gewe⸗
sen, sehr uͤbel gerathen seye; und wer weiß, ob er sie nicht noch einmal wie⸗
der ausstreichen und eine andere an die Stelle setzen werde.
Jn der Jesuiter⸗Kirche findet man folgende Grabschrift / die
der P. Benier verfertiget hat:
Hic Requiescit Ab Heroicis Laboribus
Schmeich⸗
lerische
Grab⸗
schrift / von
P. Benier
des Tökely
Gemahlin
gemacht.
Virilis Animi Mulier, Sexus Sui Ac
Seculi Gloria,
Celsissima Domina Helena Zerinia,
Zeriniæ, Atque Francipaniæ Gentis
Decus Vltimum,
Tköckolyi Principis Uxor, Olim
Rakoczyi Utroque
Digna Conjuge.
Magnis Apud Chroatas Transyl. Hung.
Siculos Inclyta Titulis,
Factis Ingentibus Toto In Orbe
Clarior,
Varios Æqua Mente Fortunae
Casus Experta, Par Prosperis,
Major Adversis,
Cumulatis Christiana Pietate
Bellicis Laudibus
Fortem Domino Reddidit Ani-
mam,
Mortem Eluctata In Suo Florum
Campo
Ad Nicomediensem Bythiniæ Si⸗
num,
Anno Salutis MDCCIII.
Ætatis LX. Die XVIII.
Februarii.
Wel⸗
Bbb 3
- 432 -
382
Drittes Buch, Vierzehende Abtheilung /
Welche Grabschrift ich gewiß für auserlesen halten und nichts da⸗
ran aussetzen wolte, wann dieser gelehrte und verstäͤndige Mann sei⸗
ner nicht so gar sehr vergessen, und dieses zwar sonst beruͤhmte Weib
nicht darum uͤber ihre Verdienste gelobet häͤtte, weil sie sich füͤr eine
Freundin der Franzosen aufgeworfen.
Sodomiti⸗
sche Geil⸗
heit der
Türken. Jn wehrender Fasten Zeit, da wir unserer Andacht abwarteten,
trafen die Türken einsmals in demjenigen engen Gaͤßlein, wordurch
man nach dem Franciscaner⸗Closter gehet / einen Bedienten des
Herrn Botschafters an, und weil es ein junger Mensch von fei⸗
ner Gestalt war, wolten sich diese geile Lotterbuben desselbigen zu ih⸗
rer schäͤndlichen Unzucht mißbrauchen: er hat aber durch sein Ge⸗
schrey unsere Wacht reg gemacht, daß sie ihm zu Huͤlfe gekommen;
und ob sie zwar hierauf die Flucht gegeben, ist doch einer von un⸗
sern Janitscharn erkannt / und in das Gefängnis geführt / auch da⸗
selbst für seine verwegene That nach Verdienst abgestrafft worden.
Jm übrigen aber ist in diesem Monat wenig merkwuͤrdiges passirt, so
einer weitläuftigen Beschreibung vonnöthen hätte.
Visite des
Hn. Bot⸗
schafters
bey den
Abgeord⸗
neten von
Ragusa. Der Herr Botschafter hat sich indessen wiederum zweymal
nach der Stadt begeben: emmal zu den Abgeordneten der Repu⸗
blic Ragusa / um ihnen auch eine Visite zu gehen, nachdem sie selbst
zum öftern so wol im Lager als zu Pera bey Sr. Excellenz sich
eingefunden; das andermal zu dem Groß⸗Vizir / damit die Zeit
Divertisse⸗
ment des
Sultans.und der Tag unserer Abreiß möͤgte fest gestellet werden. Der Sul⸗
tan ließ auch zu seinem Divertissement eine grosse Tschaicke oder
Nachen mitten auf das Meer stellen, welche Jhm zum Ziel dienen
muste, nach welchem Er aus seinem Pallast mit unterschiedlichen an
den Mund⸗Löchern verguldeten Stüͤcken geschossen, bis sie endlich
Abreise des
Freyherrn
von Rus⸗
senstein
nach Vene⸗
dig.gesunken ist. Der Freyherr von Russenstein / den der Herr Bot⸗
schafter an den Grafen von Schulenburg recommendirt, hat
sich auf ein Französisches Schiff begeben, mit demselbigen nach Ve⸗
nedig zu schiffen, ist aber wegen entstandenen Sturms wieder in
den Haven eingelaufen / und erst den andern Tag in die See gegan⸗
gen: hingegen ist ein anderes Schiff, so mit diesem zu einer Zeit
ausgelauffen, im Angesicht der Stadt zu Grund gegangen. Die
Brieffe so man diesesmal nach Wien abgeschickt, haben den Hof
Erledi⸗
gung eines
Sclavens.von unserer Abreise Nachricht gegeben. Um diese Zeit hat auch der
Herr Botschafter einen Sclaven, der sich von einer vornehmen
Famil⸗
- 433 -
Von denen unter R. Kais. Schutz stehenden Kirchen / rc.
383
Famille aus Neapoli zu seyn ruͤhmte, um 126. Ducaten ausgeloͤßt,
und ihn anbey mit Kleidern / weissen Geräth und aller Nothwen⸗
digkeit versehen lassen. Den 2ten Mertz ist Seiner Excellentz
Bedienten
wird die
Sophia⸗Kirche zu
sehen ver⸗
gönnt.aus einer sonderbahren Höflichkeit der Tüͤrken, und auf Bedienten
des Herrn Botschafters Ansuchen, die Sophia⸗Kirche, in
welcher der Adel schon vor zwey Monaten gewesen, zu sehen gleich⸗
falls erlaubt worden; allein da sie daselbst angelangt, hat man sie
wegen Abwesenheit des Kirchen⸗Dieners gleichwol nicht hinein ge⸗
lassen / musten derohalben den 4ten dito sich noch einmal dahin be⸗
geben. Eben zur selbigen Zeit kamen auch die Pilgrame von Me⸗
cha wieder zuruck, landeten zu Scutari an / und wurden den folPilgrame
von Mecha
zurück.
⸗
genden Tag darauf nach Constantinopel übergesetzt; ehe sie aber kommen
noch dahin giengen, begab sich unser Stallmeister in verwechselten Klei⸗
dern mit einem Dolmetsch hinuͤber, für den Herrn Botschafter
etliche schoͤne Pferde einzuhandeln; dann wann einer Teutsch geklei⸗
det ist, muß er gleich mehr für eine Sache bezahlen, weil die Tuͤr⸗
ken meinen / daß ein solcher von den Lands⸗Gebrauch und deren
Waaren keine genugsame Wissenschaft habe. Es stattete auch bey
dem Herrn Botschafter der erste Tefterdar oder Zahl⸗Meister
seine Visite ab, welcher sodann bey seinem Abschied mit einem Glä⸗
sernen Häng⸗Leuchter beschenkt wurde. Den 3ten besagten Mo⸗
nats hat der Hollaͤndische Gesandte seiner Gemahlin zu Ehren,
die eine gebohrne Grichin ist / nach Grichischer Manier Faßnacht
gehalten. Den 4ten haben Seine Hoch⸗Graͤfliche Excellentz
dem Baron Romberg die erste Hauptmannschaft unter seinem Re⸗
giment, oder seine Leib⸗Compagnie / zur Belohnung seiner Ver⸗
dienste übergeben.
Als dazumal, wie die Unsrige nach der Sophia⸗Kirche auf
Sultan ge⸗
het mit
zweyen
Prinzen
auf die
Jagd.
dem Weeg waren, der Sultan mit zweyen seiner Prinzen und
einer grossen Anzahl zu Pferd auf die Jagd gieng, und den einen
von gedachten Prinzen an seiner Seiten, in dem Wagen sitzend,
den andern aber neben sich her reitend hatte, ließ Er jedermann aus
dem Weeg gehen, damit man Jhn desto besser solte sehen koͤnnen.
Er wurde von mehr als tausend Reutern begleitet, und die mit
geführten Hunde waren mit Panzern versehen, daß also daraus zu
muthmassen, wie Er etwan auf eine Bären⸗ oder wilde⸗Schweins⸗
Jagd
- 434 -
384
Drittes Buch / Fünfzehende Abtheilung /
Jagd ausgieng, und dieses nur allein Lusts halben vorzunehmen ge⸗
dächte, angesehen die Türken von dergleichen Wildbret nichts zu es⸗
sen pflegen. Zu solcher Zeit hörte man auch viele Stuck⸗Schüsse
aus dem Kaiserlichen Pallast gegen das Meer vor dem Helle⸗
spont, davon ich aber keine andere Ursach zu geben weiß / als weil
der Kaiser auf das Feld gegangen. Der Herr Botschafter
hat indessen den Französischen und Engeländischen Gesand⸗
ten zu sich invitirt; wie Er dann auch selbsten dieselbige bisweilen
heimzusuchen gewohnt war. Auf ein andermal gieng Er mit den
Herren von Camber und Klimberg nach dem Nischanschi
Bascha / von welchen Sie schöne Türkische Tüchlein verehrt be⸗
kamen. Es wurden auch Brieffe mit zweyen unterschiedlichen Cou⸗
rier nach Wien abgefertiget / der eine zwar von unsern Herrn
Botschafter über Siebenbürgen; der andere aber von dem
Engeländischen Gesandten den nechsten Weeg nach ermeldter
Einer aus
der Bot⸗
schaft wird
von einem
Boots⸗
Knecht mit
einem Mes⸗
ser über⸗
loffen. Kaiserlichen Residentz. Den 8ten dito hat ein Boots⸗Knecht
oder Levantin den Herrn Matoni bey hellen Tag auf offentlicher
Gassen ohne einige gegebene Ursach mit dem Messer in der Hand an⸗
gefallen, welchen er aber mit dem Degen zuruck getrieben, der her⸗
nach von den Janitscharen aufgefangen, und dem Cadi überbracht
worden, so ihn auf Begehren des Herrn Botschafters wegen die⸗
ses unternommenen Frevels abstraffen solte.
Fünfzehende Abtheilung.
DEn 13ten Martj bekam derjenige Armenier seinen verdien⸗
Execution
an einen
Armenier
wegen ver⸗
übten
Mords.
ten Lohn, welcher den 29ten des vorhergehenden Monats
unweit des Herrn Botschafters Wohnung einen andern
Grichen mit einem Dolch einen toͤdlichen Stoß beygebracht wor⸗
an dieser auch bald darauf sterben müͤssen: er wurde an eben diesem
Ort abgestrafft, wo er den Todschlag begangen, und eben an dem⸗
jenigen Wochen⸗Tag, auch in eben der Stunde ihme der Kopf ab⸗
geschlagen. Man führte ihn zu der Richt⸗Stadt ganz ledig und un⸗
gebunden, und war er nur von etlichen Janitscharen umgeben, die
statt der Waffen ihre Stecken in den Händen hatten, aber kein
Priester dabey zu sehen; da wurde auch sonst keine Vorbereitung
zum
- 435 -
Von unterschiedl. theils auch fehlgeschlagenen Execution.
385
zum Tod gemacht, als wann es eine gar geringe Sache, wann
man aus diesen Leben in die Ewigkeit wandern muß, und eben so viel
wäre, als wann man zur Hochzeit gienge. Daselbst wurde er bis
auf die Hosen ausgezogen, und von den Janitscharen ein Creiß ge⸗
schlossen: der Maleficant aber stunde frey mit gebogenen Leib und
vor gestreckten Hals, und erwartete in solcher Positur den Streich
von dem Scharf⸗Richter, welchen dieser auch glücklich geführt,
ihm den Fuß in den Rucken gesetzt / und damit zu Boden gestossen,
daß er auf den Bauch zu liegen gekommen. Der entseelte Leib bleibt
hierauf jederzeit drey Tage ohne einigen Waͤchter liegend, so daß er
kaum vor den Hunden, deren alle Strassen voll sind, sicher ist;
wann diese Zeit vorbey, wird er weggenommen, und entweder ins
Wasser geschmissen, und den Fischen zur Speiß uͤberlassen/ oder
wann ihm noch eine Gnade geschiehet, begraben. Gleich des an⸗
dern Tages sind ihm die Hosen abgenommen gewesen, und er also
ganz blos mehr zur Aergernuͤß als zum Exempel da gelegen; so war
auch der Kopf nicht mehr zu sehen, von welchem ich nicht weiß, ob
er von den Freunden weggenommen worden, damit ihn nicht jeder
Köpfe der
Baschen
pflegen zu
Constanti⸗
nopel öf⸗
fentlich
ausgestellt
zu werden.
⸗
mann im Vorbeygehen gleich erkennen solte, oder ob man solchen
in einen Sack nach Constantinopel gebracht, und daselbst drey
Tag öffentlich ausgestellt, weil mir nicht bekannt, wie man es mit
denen hier wohnenden zu halten pfleget: dieses aber weiß ich wol,
daß die Köͤpfe der Baschen und andern Vornehmen, welche sich
anderswo aufhalten, nach Constantinopel gebracht, und daselbst
öffentlich aufgestellt werden muͤssen, damit kein Betrug mit unter⸗
laufe / und ein solcher / den der Sultan oder Groß⸗Vizir, es
sey nun mit Recht oder Unrecht/ hinzurichten befiehlet / etwan
heimlich verschont bleibe. Zu diesem Ende liegen so wol zu Constan⸗
tinopel als Adrianopel vor dem grossen Thor des Pallasts
zween grosse weisse Marmel⸗Steine, worauf man die Koͤpfe dieser
Unglückseeligen stellet, und dem Volk öͤffentlich sehen laͤsset. Dieses
Amt aber verrichten die Capigi Baschi / welche deswegen ihren Hinrich⸗
tung der
Vorneh⸗
men durch
Capigi
Baschi ver⸗
richtet.
Häscher immer bey sich haben, wo sie auch hingehen; ja es kan gar
wol seyn / daß ein solcher Kaiserlicher Cammerherr seinen Be⸗
dienten bisweilen zu Hülfe kommen muß, wann dieser mit seiner die
Kunst nicht recht umspringen kan, oder der Erdrosselte nicht so
gleich
Ccc
- 436 -
386
Drittes Buch / Fünfzehende Abtheilung /
gleich sterben will, damit ihme die Schmerzen des Todes möͤg⸗
ten verringert werden.
Es sind aber nichts destoweniger dieser beiden Verrichtungen
Bringt ih⸗
nen guten
Gewinn. nicht so schlechter Dings zu verwerfen, und bey den Tüͤrken in nicht
geringen Ansehen, sintemaln die Häscher / als Handlanger der
Gerechtigkeit, das erkannte Recht vollziehen, jene ihre Herrn aber
Sorge tragen, damit des Kaisers Befehl nachgelebt werde, wel⸗
chen er auch jederzeit zu uͤberbringen pflegt, und daraus nicht wenig
Nutzen ziehet; dann weil diese Leute eben so wol zu Uberbringung an⸗
genehmer⸗ als trauriger Botschaft gebraucht werden, so geschiehet
es / daß, wann sie jemand eine erwuͤnschte Zeitung bringen, als
daß er ein höͤheres Amt oder vornehmere Stelle erhalten, oder ein
Present von dem Sultan oder Groß⸗Vizir zum Zeichen ihrer
Gnade und Wolgewogenheit zu zustellen haben, oder daß der Feind
geschlagen, eine Stadt erobert oder etwas anders Erfreuliches pas⸗
sirt seye, werden sie jederzeit sehr reichlich beschenkt: muͤssen sie aber
traurige Bothen abgeben, und einem sein Todes⸗Urtheil durch das
Schwerdt oder Strick ankuͤndigen, partiren sie, weil sie allein sind,
viele Sachen der Verurtheilten auf die Seiten, worinnen ihnen dann
die Pforte durch die Finger siehet: und wann dieses nicht wäre,
wuͤrden diese vornehme Cammerheren mit einem so geringen Sold,
als 150. Asperl / oder 50. Para / so in unserm Geld 100 Kreutzer,
und also noch nicht einmal zwey Rheinische Gulden ausmachen,
nicht so viel Weiber, Knechte, Sclaven, Pferde, Joch⸗Viehe
und anderes dergleichen, ihrem Stand gemaͤß, unterhalten koͤnnen;
worinnen aber gleichwol ein Capigi immer gluͤcklicher als der ande⸗
re ist, indem sich die vornehmen Tuͤrken nicht mehr so einfaͤltig,
Kara Mu⸗
stapha wor⸗
innen er
sich un⸗
glücklich
hielte.wie zu Zeiten Kara Mustapha Bascha aufführen, sintemaln
dieser in allem sehr glückliche Groß⸗Vizir sich öffentlich verlauten
lassen, daß Jhme nun nichts mehr abgehe sein Glüͤck vollkommen
zu machen, als die Marter⸗Crone, oder ein auf des Sultans
Befehl an Jhm vollzogener gewaltsamer Tod, womit Jhm seine
Verdienste moͤgten vergolten werden. Diejenige haben noch weit
klüger gehandelt, welche den üͤberschickten Strick / ohne weitere Un⸗
tersuchung, ehrerbietigst geküßt / und ihnen solchen selbst um den
Hals geworfen. Ein gewisser Bascha von Babylon aber, der,
wo
- 437 -
Von unterschiedl. theils auch fehlgeschlagenen Execution.
387
wo ich mich nicht irre, Abdola geheissen, und ein alter auch in den Eines Ba⸗
scha zu Ba⸗
bylon Re⸗
solution
auf ange⸗
kündigtes
Tods⸗Ur⸗
theil.
Türkischen Affairen sehr wol erfahrner Mann war, wuste es noch
besser anzufangen, als welcher noch nicht gar lang dreyen zu unter⸗
schiedlichen Zeiten an ihn mit seinem Todes⸗Urtheil abgefertigten
Bothen die Köpfe abschlagen und nach Constantinopel an statt
des Seinigen wieder zuruck schicken lassen, wodurch er verursacht /
daß sich niemand mehr finden wollen, so ihm dergleichen Botschaft
überbrächte, sondern suchten sich entweder vermittelst einer zuläng⸗
lichen Entschuldigung von dieser Commission loß zu machen, oder
sie gehen unterwegs gar durch / oder nehmen auch wol ihre Zu⸗
flucht zu dem Bascha selbst. Wir haben auch noch ein ganz neues
Exempel an dem Janum Hodgia/ der noch vor kurzer Zeit CaDerglei⸗
chen Exem⸗
pel an dem
Janum
Hodgia.
⸗
pudan Bascha gewesen: dieser war aus Coron, einer vornehmen
Stadt in Böotien gebürtig / von gar geringen Herkommen / und
von den Venetianern im verwichenen Krieg des vorigen Jahr⸗
Hundert gefangen, als der Venetianische Feldherr Morosini die
Halb⸗Jnsul Morea in Grichenland der Republic unter⸗
worfen, welche Sie im letztern Krieg wieder verlohren. Hier⸗
auf hat man Jhn auf die Galee des Vincentius Basta gebracht, und
daselbst viele Jahre aufbehalten, bis dieser, nach dem die Türken
Morea wiederum erobert, allwo er Stadthalter oder Provedita
gewesen, auch gefangen worden. Hier hat sich nun der Janum
Hodgia des gütigen Tractaments erinnert, mit welchem ihm Vin⸗
centius Basta begegnet, und, weil er ihn so gleich erkannt, viel besser
als die übrigen tractirt, den wir auch nachgehends zu Pera mit
noch mehr andern Generaln herum gehen sehen; dann weil der
Holländische Gesandte wegen des Löͤß⸗Gelds gut gesprochen / ha⸗
ben sie alle ihre Freyheit wiederum erhalten. Als nun Janum
nach damals geschlossenen Frieden von den Venetianern wieder
auf freyen Fuß gestellet und zu den Seinigen gelassen war / hat er
bey unterschiedlicher Gelegenheit eine grosse Wissenschaft im See⸗
Wesen gezeigt, und ist deswegen vom Ahli dem Groß⸗Vizir
zum Capudan Bascha erklärt worden. Bey dieser Bedienung
hat er sich endlich einen unglaublichen Reichthum zu wegen gebracht, Macht sich
verdächtig
wegen sei⸗
nes Reich⸗
thums.
so daß er / wo ich nicht irre, eben derjenige ist, der um Erlangung
des dritten Roß⸗Schweifes, als der ersten Vizir vornehmstes Zei⸗
chen / 300. Beutel oder 50000. Ducaten angebotten hat; weil
man
Ccc 2
- 438 -
388
Drittes Buch / Fünfzehende Abtheilung /
man aber glaubte, daß er noch mehr verborgene Schätze haben mü⸗
Wird von
seinem leib⸗
lichen
Sohn an⸗
geklagt. ste / und über dieses von seinem eigenen Sohn, welcher seines Va⸗
ters Bedienung nachstrebte / angeklagt worden, als ob er dem Kai⸗
serlichen Befehl zu Methon in Morea nicht nachgelebt /
hat man ihn gefänglich angenommen / mit spitzigen Eisen un⸗
Welcher
nachge⸗
hends ei⸗
nes ge⸗
waltsamen
Tods stirbt.ter die Finger⸗Nägel gestochen, und grausam gequaͤlt. Der Vater⸗Mörder ist vor ungefehr drey Jahren eines gewaltsamen Tods ge⸗
storben, der Vater selbst aber abgesetzt, und durch Hülf eines
Tefterdars und des jetzigem Groß⸗Vizirs/ so damals noch Cai⸗
macan / beide aber seine besten Freunde waren, aus dem Ge⸗
Janum
Hodgia
wird ein
See⸗Räu⸗
ber.
fängnuͤß entwischt, worauf er sich nach der Insul Chio begeben,
und daselbst mit etlichen Galeeren nunmehr einen See⸗Räͤuber ab⸗
gibt / von den nahgelegenen Städten Kopf⸗Geld eintreibt / und
Schatzung fordert, wovon er dann dem Kaiser im geringsten nichts
abfolgen lässt, sondern alles für sich und seine Soldaten behaͤlt. Die⸗
se letztern bestehen meistentheils aus abtrünnigen und Gotts⸗vergeß⸗
nen Christen, auf deren Desperation er sich mehr als anderer Ta⸗
pferkeit verläßt, des Sultans Länder, so ihm nicht pariren wol⸗
len / häßlich vexirt, verwuͤstet und verheeret, und die ihm erwiesene
Schmach auf solche Weise empfindlich raͤchet. Er fürchtet sich vor
niemand, jaget hingegen jederman einen Schrecken ein, hat auch
nunmehro die Masque voͤllig abgelegt, nachdem er zu similiren
nicht mehr noͤthig befindet. Seinen Namen Janum Hodgia hat
Woher er
seinen Na⸗
men hat. er von derjenigen Redens⸗Art bekommen, welcher er sich in seiner
Jugend gegen seinem Lehr⸗Meister, als dieser ihm züchtigen wollen,
bedienet / sintemaln es eben so viel heisset, als: mein herzlieb⸗
Woran die
Capigi Ba⸗
schi zu er⸗
kennen.
ster Præceptor. Obgedachte Schergen sind an einem grossen sil⸗
bernen Knopf, den sie an dem Gürtel tragen / zu erkennen, wie
auch an ihrem an der Seiten geguͤrteten Schwerdt, dergleichen zu
Friedens⸗Zeiten niemand, als etwan an dem Sattel, füͤhret.
Art die
Schiffe zu
laden.
Den 14. dito ließ sich der Herr Botschafter gefallen, auf
ein Französisches Last⸗Schiff, welches nechster Tagen absegeln sol⸗
te, zu gehen, um die Manier/ wie solches beladen wird, in ge⸗
nauen Augenschein zu nehmen. Der Ballast bestunde aus einem
grossen 500. Pfund schwehren Sack, welchen man aber nicht eher
als bis zu Seiner Excellentz Ankunft an sein gehöriges Ort brach⸗
te.
- 439 -
Von unterschiedl theils auch fehlgeschlagenen Execution.
389
te. Solcher wurde Anfangs von den Boots⸗Knechten auf der Brü⸗
cke des Schiffs fest zusammen gedruckt, mit Seilen umwunden, als⸗
dann in eine hoͤlzerne aus zween Balken bestehende Machine gelegt /
und allenthalben mit kleinen Bretlein umsteckt; nach diesem die Ma⸗
chine stark mit Oehl geschmiert, durch eine Winde fort geschoben,
und hiemit ermeldter Sack vermittelst derselbigen zwischen die an⸗
dern dermassen hinein gepreßt, daß er kaum den dreissigsten Theil
von demjenigen Platz eingenommen, den er vorher noͤthig gehabt:
wann nun solcher nach seiner Stelle gebracht ist, werden die dar⸗
zwischen gesteckte Bretter wiederum herausgezogen; wo nur ein Platz
Arms⸗groß / kan man einen Wollen⸗Sack so groß als ein Mensch
hinein stecken: die üͤbrigen Waaren werden gleichfalls an bequeme
Oerter gebracht, und der geringste Winkel nicht leer gelassen. In⸗
dem nun die Boots⸗Knechte mit der Ladung beschäftiget wa⸗
ren, liessen sie ihre gewöhnlichen Schiff⸗Lieder beständig darbey
hören, denen der Herr Botschafter bey seiner Ruck⸗Kehr sechs Die dem
Hrn. Bot⸗
schafter da⸗
selbst erwie⸗
sene Ehre.
Ducaten auszahlen lassen, ist aber zuvor von dem Schiffs⸗Patron
in seinem vordern Zimmer mit unterschiedlichen aus den Insuln her⸗
gebrachten Wein / Zuckerwerck, Früchten, und andern Speissen
tractirt, und das Uberbliebene unter die Diener ausgetheilt worden.
Bey dieser Gelegenheit habe ich unter dem Wasser um das Schiff Eine Art
von Inse⸗
cten.
her einige Fische oder gewisse Art von Insecten gesehen, so rund,
in der Mitte wie ein Frosch, und wie eine Sulze ganz durchschei⸗
nend, ausgesehen, davon mir aber niemand den eigentlichen Namen
sagen können. Nachdem nun der Herr Botschafter wuͤrklich auf⸗
gebrochen, hat Jhm der Schiffs⸗Patron und die Vornehmsten
von der Französischen Kaufmannschaft, die zum Theil mit uns von
Pera gekommen, theils schon vorher sich auf dem Schiff eingefun⸗
den, bis nach Hauß in sein Zimmer begleitet. Jener hat sich auch
schon vor Dessen Ankunft an das Ufer setzen lassen, um Ihn daselbst
zu bewillkommen, der Herr Botschafter aber war einen ganz an⸗
dern Weeg hergekommen, als sich der Patron eingebildet. So wol
im Her⸗ als auf den Hin⸗Weeg sind alle Stücke auf dem Schiff
gelößt worden: und als wir noch zu Hauß über Tisch gesessen / ist
der Sultan diese Gegend vorbey gefahren, welchen er mit 13.
Stuck⸗Schuͤssen begrüͤsset, woran dieser Kaiser ein gar grosses
Belie⸗
Ccc 3
- 440 -
390
Drittes Buch / Fünfzehende Abtheilung /
Belieben soll gehabt haben. Jm übrigen müssen sie, so oft sie an⸗
Ankommen⸗
de und ab⸗
lauffende
Schiffe
müssen sich
durch Loß⸗
brennung
des Geschü⸗
tzes melden. kommen, oder wieder abfahren / gegen den Kaiserlichen Pallast
über, nach Schiffs⸗Manier und allenthalben eingefüͤhrter Gewohn⸗
heit, solches durch Loß⸗Brennung einiger Stücke anzeigen, nicht an⸗
ders, als wie die Schiffe / so einander auf der Höhe begegnen, sich
zu begrüssen pflegen; welches wo man es unterlassen, gar öf⸗
ters zu allerhand Verdrüßlichkeiten Anlaß gegeben, so daß sie auch
daruͤber mit einander Hand gemein worden sind. Es pflegen aber aus
Wie viel
Französi⸗
sche Schiffe
hier einlau⸗
fen.
den Französischen See⸗Häfen jährlich 150. Schiffe allhier ein⸗
zulaufen; so hat mich auch mehr gemeldter Herr Dumasrambois
versichert, daß 20. und noch mehr Französische Schiffe auf einmal
in hiesigen Hafen gelegen: von Venedig kommen auch nicht viel
Wie viel
von Vene⸗
dig.weniger an, aber der Engelläͤndischen und Holläͤndischen be⸗
kommt man hier so viel nicht zu sehen. Die Französischen hier einge⸗
Französi⸗
sche Waa⸗
ren.führten Waaren bestehen meistentheils aus Tüchern / Papier /
Arzney / Scharlach / und anderen Farben; die Engelländer
Englische. bringen Uhren; die Holländer Zimmet⸗Rinden, Pfeffer /
Holländi⸗
sche.Muscat / Nägelein / Zucker und dergleichen Gewürze: die Ve⸗
Venetiani⸗
sche. netianer aber suchen ihre Glaß⸗Spiegel, Flaschen / Schalen /
Hasel⸗ und andere Nüsse / wie auch so wol als die Franzosen / unter⸗
schiedene Tücher, hier an den Mann zu bringen: worgegen diese hinwie
Was für
Waaren
weggeführt
werden.
⸗
derum Wachs / Seiden / Wolle / Camel⸗ und Ziegen⸗Haare da⸗
von hier eine gewisse Art zu finden / die weiß⸗zottig, und so lind / wie Sei⸗
den sind, aus dem Lande füͤhren. Der Herr Botschafter hatte neu⸗
lich sechzehen solcher Ziegen, mehrentheils trächtig, aus Asien bringen
lassen, die alle nach Ungarn sollen geführt werden. Die Franzo⸗
sen pflegen auch Oehl zum Seifen⸗machen und Caffé-Bohnen ein⸗
zuhandeln. Die Türkischen Schiffe, so aus allen Orten der Welt
hier ankommen, sind gar nicht zu zehlen, dardurch ich aber nur die
Kauf⸗ und Last⸗Schiffe verstehe / welche der Stadt allerhand Le⸗
bens⸗Mittel zu führen; dann von den Kriegs⸗Schiffen will ich als⸗
dann etwas gedenken, wann der Herr Botschafter von den Ca⸗
pudan Bascha Abschied nehmen wird.
Den 16. dito ist der berühmte See⸗Räuber, davon ich schon
Abstraf⸗
fung eines
berühmten
See⸗Räu⸗
bers.oben Meldung gethan, in seinem Schiff, welches vor ungefehr 4.
Monaten, noch vor ihm / eingebracht worden, wie ich ebenfalls auch
dazumal ausführlich erzehlt habe / über den Serrallien auf dem
Canal
- 441 -
Von einigen der R. Kais. Botsch. zugestand. Freyheiten rc.
391
Canal zwischen 8. und 9. Uhr an einer Seegel⸗Stange aufgehenkt,
daran drey Tag gelassen und nach Verfliessung derselbigen vom
Strick loß geschnitten und ins Wasser versenkt worden: er hinter⸗
ließ Weib und Kind auf der Jnsul Maltha / und ist auf einer Jn⸗
sul des Egäischen⸗Meers, oder in dem Archipelago, gefangen
worden / woselbst ihn die Hirten, denen man ihn schon lang be⸗
schrieben hatte / verrathen. Jch habe niemals / als eben zur selbi⸗
gen Zeit / so viel kleine Schiffe auf dem Canal gesehen / mit welchen
das grosse Fahrzeug umgeben gewesen: eine unglaubliche Menge
Volks fande sich allhier ein / und war der ganze Canal mit Schif⸗
fen gleichsam bedeckt, und an dem Ufer die Anzahl Leute gar
nicht zu beschreiben, also daß man kaum durchkommen kunte, wel⸗
ches aber den armseeligen Menschen seinen Schmerzen nur zu ver⸗
mehren schiene. Der Sultan selbst mit dem Groß⸗ Vizir hat
aus seiner Kiosch oder Lust⸗Haͤußgen diese Execution durch ein
Perspectiv mit angesehen. Die Türken bezeigten hieruͤber eine so
grosse Freude / als wann sie weiß nicht was für einen Sieg über
ihre Feinde erhalten hätten; und da auf den Nachmittag einige von
den Unsrigen am Ufer spatzieren giengen, lief ihnen ein Jung nach,
so ihnen beständig Jaour / Jaour nachgeschriehen, und zugleich
auf den Gehenkten hinwieß, um gleichsam damit zu verstehen zuge⸗
ben, daß sie als Christen auch keines bessern Glüͤcks wuͤrdig wäͤren.
Sechzehende Abtheilung.
DEn 17. Mertz sind abermal etliche von den Unsrigen
nach
Angestellte
Jagd in
Asien.
Asien über auf die Jagd gegangen,
und erst des andern
Tags zu Abends wiederum mit vieler Beute zuruck
gekom⸗
men;
und weil in diesen Ländern sich gar selten Leute in Teutscher
Tracht sehen lassen, sind bisweilen
ganze Dörfer zu gelaufen, ihre
Neugierigkeit an unserer Betrachtung zu ersattigen, und weil wir An⸗
fangs die
Ursach solches Auflaufs nicht wusten, haben wir die gan⸗
ze Nacht Wachten
ausgestellt, so auf diese Leute Achtung geben
musten. Als wir wieder nach Hauß kehrten, und uns der Durst
sehr plagte, weil wir den ganzen
Morgen auf den Bergen und Stein⸗
Klippen herum geklettert, schickten
wir einen von unsern Janitscharn,
deren
- 442 -
392
Drittes Buch, Sechzehende Abtheilung /
deren wir etliche bey uns hatten, mit
Geld in das nechst gelegene
Dorf /
uns Wein dafür einzukaufen / er kam aber leider! unverrich⸗
teter Sachen wieder
zuruck, und berichtete, wie der Weinschenk, ein
Armenier / nicht zu Hause sey; dann
daß er dieses wegen Zäͤrt⸗
lichkeit seines Gewissens nur solte erdichtet haben, ist nicht
wol zu
glauben, weil er den Wein so
gerne/ als wir selbsten, zu trinken pfleg⸗
te. Wir waren demnach gezwungen, mit
schmachtender Seele un⸗
sern Weeg weiter nach Scutari fort zusetzen, trafen aber noch ehe
Höflichkeit
eines
Gri⸗
chischen
Pfaffen /
und Arme⸗
nianischen
Wirths.wir dahin kamen, einen Grichischen Πάππας (Pappas) oder
Geistlichen an, so in einem Garten Kraͤuter zusammen suchte,
wel⸗
cher
uns bey einer Stund weit üͤber einen Berg nach einer Herberg
führte / wo wir den delicatesten
Wein von der Welt angetroffen,
dergleichen wir in der ganzen Tuͤrkey
nicht besser getrunken: so ist
uns
auch hier zu Land noch niemand mit solcher Höflichkeit / wie die⸗
ser
Armenianische Wirth / begegnet; und ob ich zwar Anfangs ge⸗
zweifelt, ob wir oder
der Geistliche damit gemeinet waͤren, so habe
ich mir doch den Zweifel endlich selbst benehmen koͤnnen, wann
ich be⸗
dacht,
wie die Grichen ihre Geistlichen in schlechten Ehren halten,
als welche ich wol ehe unter einen
ganzen Haufen Bauern angetrof⸗
fen: zudem war mir nicht unbewust,
daß dieses Volk das Geld
mehr, als
alles andere liebet. Es hat aber auch bemeldter Geist⸗
liche selbst eine
ungemeine Ehrerbietung gegen uns verspuͤhren lassen,
indem er sich nicht nur um
unsertwillen von seinem Hauß so weit
entfernet / sondern auch seine gesammlete Kräuter, welche ihm viel⸗
leicht zum
Abend⸗ oder Mittag⸗Essen dienen sollen, mit grosser
Der Gri⸗
chen vieles
und stren⸗
ges Fasten.Freygebigkeit
unter uns ausgetheilet. Dann die Grichen sind dem
strengen Fasten gar sehr ergeben /
und beobachten ausser derjenigen /
so zum Gedachtnuͤß unsers leidenden Heylandes angestellet ist, und
durch die ganze Christliche Kirche
observirt wird / noch viel andere
kleinere Fasten; sie haben auch noch drey gröͤssere, nemlich vor
Petri/ Mariä⸗Himmelfarth, und in dem
Advent vor der
H. Christ⸗Zeit; dabey
sie sich dann der Fische und alles was von
lebendigen Creaturen ist, auch was von denselbigen herkommt,
al⸗
ler
Milch⸗Speise und dergleichen, enthalten, und nur einig und al⸗
lein mit Früchten,
Wurzeln und Kräutern behelfen. Der liebe
Mann war so diensthaft / daß er uns mit eigenen Häͤnden den
Wein einschenken, die Gläser
schwanken / und andere dergleichen
Ver⸗
- 443 -
Von einigen der R.
Kais. Botsch. zugestand. Freyheiten rc.
393
Verrichtungen über sich nehmen
wollen, wofern wir es nur zuDie Wirth
in Asien
wissen auch
mit dop⸗
pelter Krei⸗
den umzu⸗
gehen;
doch
vielleicht
nur die
Jungen.
⸗
gelassen hätten: er hat
auch des Wirths Sohn wegen seiner Be⸗
trügerey, da er uns mehr
angeschrieben / als wir verzehrt, die
Maaß nicht gehöͤriger massen voll gefuͤllt, und noch darzu mehr Geld
als von andern von uns gefordert, bey
seinem Vatter einen
Buckel voll
Schläge verschafft, und ihn gezwungen, daß
er den Uberschuß wieder hergeben muste, und dieses alles ohne
un⸗
sern
Willen, nur aus rechtmäßigen Eifer und Liebe zur Gerech⸗
tigkeit. Als wir uns nun
nach zwey täͤgiger Ermuͤdung allhier wie⸗
derum in etwas erholt, ist er zu
letzt auch noch mit uns an den schwar⸗
zen Canal gegangen, und hat zwey
Schiffe für uns gemuͤthet, auch so
genau, als es nur möglich war, gedungen; hierauf haben
wir uns wiederum nach Europa
uͤbersetzen lassen / und sind zu Tal⸗
man Bascha zwischen Funduklu / und
Besiktasch einem Kai⸗
serlichen Lust⸗Hauß, ans Land gestiegen. Hier siehet man über
Wiese ein
Sammel⸗Platz der
Aufrührer.
den Serrallien eine mit
Cypressen⸗Bäͤumen besetzte, und zu Con⸗
stantinopel gar beruffene Wiesen, weil daselbst fast zu aller
Auf⸗
ruhren
der Grund gelegt wird, weswegen auch der Sultan durch
gewisse Leute gar fleissig auf
diejenige acht geben laͤsst, welche sich
zum öftern allda einzufinden pflegen. Jn der Mitte dieser
Wiesen
hat Talman Bascha ein
Lust⸗Häußgen erbauet / davon es eben
den Namen bekommen, auf welchen erst neulich der Freyherr von
Rhomberg unsern Adel samt noch
einigen andern mit Paucken und
Trompeten tractirt, und bey dieser angenehmen Früͤhlings⸗Zeit mit
allerhand vergoͤnnten Kurzweil
divertirt; und haben die Türken durch
die verstattete Permission zu erkennen gegeben, daß sie in diesem Stuck
den Teutschen mehr, als ihren
eigenen Lands⸗Leuten, traueten.
Sonst wird niemand erlaubt, sich an solchem Ort einer Music zu Bey
den
Serrallien
darf keine
Music ge⸗
hört wer⸗
den.
bedienen, wo man es in das
Kaiserliche Serallien hören kan /
dahero die Kaufleute, welche Lusts wegen auf die benachbarten Jn⸗
suln mit
einer Music fahren, so bald sie bey dem Serrallien vor⸗
bey kommen, sich stille
halten, damit das Kaiserliche Frauenzimmer
etwan nicht an der Ruhe gestoͤrt, oder luͤstern gemacht
wuͤrde, sich
nach andern
Manns⸗Personen um zu sehen / und ein Verlangen nach
ihnen zu bezeichen. Allein die
Tüͤrken haben uns alles erlaubt, so gar Erlaubte
Nacht⸗Music.
daß sie auch nicht einmal bey der
Nacht, so doch hiesiges Orts was
un⸗
Ddd
- 444 -
394
Drittes Buch /
Sechzehende Abtheilung /
unerhörtes war, uns gestöret, wann
der Adel, nachdem die Zeit un⸗
serer Abreiß herbey genahet, zum
öͤftern mit unsern Musicanten und
angezündeten Fackeln durch die Strasse zu Pera herum gezogen, wel⸗
Wird den
Venetia⸗
nern nicht
verstattet.ches denen Venetianern,
die es uns nach unserer Abreiß nachthun
wollen, von den Janitscharn nicht ohne empfindlichen Verdruß
verbotten, und sie wieder nach
Hauß geschafft worden, wie wir noch
auf dem Heimweeg erfahren haben: ja, als sie sich nachgehends bey
der Pforte deswegen beklagt,
erhielten sie keinen andern Bescheid /
als daß solches nur des Röͤmischen Kaisers
Botschafter
könne verstattet werden. So haben
auch die Bedienten anderer
Degen dar⸗
fen keine
Bediente
bey Ge⸗
sandtschaf⸗
ten als nur
der
Kaiserl.
tragen.Gesandtschaften sonst noch einen Vortheil von uns gehabt:
dann so
lang wir uns zu Pera
aufgehalten, sind sie mit dem Gewehr an der
Seite herum gegangen, weil die Türken sie wegen Gleichheit der
Klei⸗
dung
von den Unsrigen nicht unterscheiden koͤnnen: so bald wir aber
verreißt gewesen, ist ihnen dieses
auch darnieder gelegt worden, so
daß
nun niemand, als die Gesandten für ihre eigene Person, sich des
Degens bedienen darf.
Herr Bot⸗
schafter
legt bey
den Janit⸗
scharen Aga
wegen er⸗
haltener
Bestätti⸗
gung in
seinem Amt
die Gratu⸗
lation ab. Den 18. dito hat sich der Herr Groß⸗Botschafter in Be⸗
gleitung der Grafen Nesselrode / Kinigl / Thierheim / Bielinski,
und dem Freyherrn von Zweiffel / Hn. v. Franken und Demerath
aus dem zweyten Adel, nacher Constantinopel zum Janit⸗
scharn Aga verfügt, woselbst eine groͤssere Anzahl der vornehm⸗
sten Officiers, als bey dem Groß⸗Vizir selbsten/ angetroffen wurde.
Diesem Obersten⸗Befehlshaber ist eben diesen Tag die Bestättigung
seines Amts, so er schon lang versehen, dabey aber auch eine gewis⸗
se Besoldung, die er bisher noch nicht genossen, vermittelst eines
Kaiserlichen Decrets, zu theil worden. Man kan leicht gedenken,
warum der Groß⸗Vizir eben zu solcher Zeit dergleichen vorge⸗
nommen, damit es nemlich mit desto grössern Pracht zuge⸗
hen solte, wann andere Gesandtschaften davon Nachricht erhielten.
Dieser hat ihn / da der Herr Botschafter schon auf dem Weeg war,
zu sich berufen lassen, weswegen er seinen Bruder Commission ge⸗
geben, Se. Excellentz bey Jhrer Ankunft, statt seiner zu empfan⸗
gen, und mit Discours derweilen zu unterhalten: Er ist aber von
dar gar bald mit grosser Freude üͤber die erhaltene Bestättigung und
angewiesenen Besoldung zuruck kommen, worzu dann der Herr Bot⸗
schaf⸗
- 445 -
Von einigender R. Kais. Botsch zugestand. Freyheiten rc.
395
schafter ihm in einer weitläuftigen Rede gratuliret hatte. Bey
dem Abschied wurden Sr. Excellenz eine kostbare damascenirte
Flinte von ihm verehrt, die andern aber mit schönen Türkischen
Tüchlein beschenket.
Den 19. dito ist eine edle Venetianerin, aus dem Geschlecht
Eine edle
Venetiane⸗
rin wird
loß gekauft.
Balbi, deren Mann sich in der Insul Morea gefangen geben muͤs⸗
sen, nachgehends aber in dem Baino gestorben: und der Bruder /
ein Venetianischer Hauptmann sich mit eigenem Geld erloͤßt, wel⸗
cher noch zu unserer Zeit zu Pera frey herum gegangen, auf öͤf⸗
ters Anhalten des Herrn Botschafters von einem Kaiserlichen
Cämmerling um fuͤnf Beutel oder 2500. Thaler / so in Gold 833⅓.
Ducaten austrägt / loß gegeben worden. Es haben ihre Freunde
schon vorher zum öftern ein billiges Geld für sie gebotten, worauf
aber der Tuͤrk / es sey nun mit Wahr⸗ oder Unwarheit, vorgewendet,
wie er sie selbst theurer gekauft hätte; weswegen er / vermög des
Passarowitzer Friedens, dieselbige loß zu schlagen, nicht eher darzu ge⸗
bracht werden kunte, bis der Herr Botschafter ihm damit furcht⸗
sam gemacht, wann er ihm getrohet, Er wolle sich deswegen bey
dem Groß⸗Vizir beklagen; weswegen er sie um gemeldten Preiß
endlich entlassen / doch mit dem Zusatz, daß solches einig und allein
um des Herrn Botschafters willen geschehe. Ein gewieser Spa⸗
nier / Namens Fonseca, seiner Profession nach ein Medicus, auch
Leib⸗Arzt und Rath des Wallachischen Fürsten / so sich bey hiesi⸗
gen Hof in seinen eigenen und seiner Freunde Verrichtungen eine
zeitlang aufgehalten, ist wiederum nach dasigen Landen zuruck gegan⸗
gen / und hat ein Paquet Brieffe mit sich genommen, so üͤber Sie⸗
benbuͤrgen und Wien verschickt werden solte.
Der 26te und 27te Merz ist für Constantinopel zimlich Sturm.
ungluͤcklich gewesen, indem nicht nur in einem Sturm zwey Tschai⸗
cken auf den Canal mit allen aufhabenden Personen zu Grund
gegangen, sondern auch abermal ein schädlicher Brand entstanden, Feuers⸗Brunst.
wordurch wiederum mehr als tausend Haͤuser ruinirt worden; das
Feuer ist bey einem Juden ausgekommen, der sich deswegen auch
mit der Flucht gerettet, aber alles das Seinige in Stich lassen muͤs⸗
sen: diese verderbliche Fackel leuchtete so hell / daß man zu Pera
über den Canal bey der Nacht alles ohne weiteres Licht lesen kunte.
Den Tag vor dem Sturm wurden uns von Smyrna eilf Gefan⸗
gene
Ddd 2
- 446 -
396
Drittes Buch / Sechzehende Abtheilung /
gene zugeführt, deren der Herr Botschafter nur siebene begehrt/
weil er von den übrigen nichts gewust hatte. Als der Sultan
dieselbige bey so gefährlicher Zeit vorbey schiffen sahe, und doch nicht
wuste, wer sie wären, besorgte er sich eines hierunter verborgenen
Betrugs, schickte derowegen jemand ab / der deswegen Nachrichte
einziehen muste.
Die Carwoche hindurch haben unsere Priester den GOt⸗
Carwochen⸗Andacht.
tes⸗Dienst fleissig abgewartet, und wir uns nicht weniger
andächtig dabey eingefunden: die Palm⸗Zweige wurden geweyhet
und ausgetheilt, Predigten zu dem Volk gehalten / die Prophe⸗
ceyungen gesungen, das Heil. Abendmal am Tag der Einsetzung von
dem Gröͤsten bis zum Geringsten / ausser denen, so unserer Religion
nicht zugethan waren, genossen, auch die gewöhnliche Beicht in der
Franciscaner⸗ als unserer Pfarr⸗Kirchen, abgelegt, in welchem
allen dann der Herr Botschafter mit seinem Exempel uns er⸗
baulichst vorgegangen; hierauf wurden die Altäre entbloͤßt, und der
Heil. Leib ins Grab gebracht, bey welchen der erste Adel insgesamt /
und dann sechse aus dem Zweyten, als der Herr Locher / Jmhof /
Schopen / Weipler / Franken und Demerath / von sechs Uhr
an des Abends die ganze Nacht hindurch wechsels⸗weiß gewacht,
bis er am Freytag zu frühe wieder heraus genommen worden; daß
es aber so bald geschehen, weiß ich keine andere Ursach anzugeben,
Oeffentli⸗
cher Um⸗
gang. als weil der enge Raum in der Kirchen solches nicht länger verstat⸗
ten wolte. Am Samstag um 7. Uhr wurde von der Jesuiter⸗Kir⸗
che ein oͤffentlicher Umgang angestellt, und das Venerabile von
dem Herrn Abt zu Domben / Grafen von Schrattenbach /
durch die ganze Stadt Galata getragen: da dann nicht auszuspre⸗
chen / mit was grosser Ehrerbietung dasselbige die Grichen und Ar⸗
menier nicht allein vor ihren Kirchen / sondern auch auf offentlicher
Strassen / empfangen, zu deren Bezeugung sie Rosen⸗Wasser ent⸗
gegen gesprützt, und Weyhrauch angezündet haben. Den heiligen
Abend und den darauf folgenden Oster-Tag hat mehr bemeldter
Herr Abt von Domben bey den Franciscanern den GOttes⸗
Dienst verrichtet, wobey sich Se. Hochgraͤfliche Excellenz mit
der ganzen Hofstatt jederzeit eingefunden, und unsere Musicanten
mit ihrer Instrumental- und Vocal-Music die Andacht vermehren
helfen. Des andern Tags in der Frühe, als des Herrn Botschaf⸗
ters
- 447 -
Von der Abschieds⸗Audienz bey dem Sultan.
397
ters Leute zur Messe giengen, begegnete ihnen ein Janitschar, und
gebohrner Sclavonier, der gern beichten wolte; weil aber von den
Franciscanern niemand diese Sprach verstund, wurde er an einen
Priester aus der Gesellschaft Jesu bey unserer Hofstatt gewiesen;
welcher jedoch wegen des hohen Festes an diesem Tag keine Messe
zu Hauß laß, und ihn folglich nicht speissen kunte / weswegen er
ihn auf den andern Tag wieder kommen heissen. Ein Venetiani⸗
scher Fähndrich, aus Neapoli gebürtig, so von einer vornehmen
Famille herstammte, und erst neulich wiederum loß gemacht wor⸗
den, hat bey dem Herr Botschafter das Mittagmal einge⸗
nommen.
Den 1ten April / an welchem der jährliche Gedächtnis⸗Tag Namens⸗
Tag des
Hn. Bot⸗
schafters.
des Seel. Hugo einfiele, wurden Se. Excellenz von denen aus⸗
ländischen Gesandten wegen dero erfreulichsten Namens⸗Fest
complimentirte, wie dann auch die ganze Botschaft die schul⸗
dige Gratulation deswegen abgestattet. Des nechstfolgenden Tags
ist der Stallmeister um den Nachmittag in die Stadt geschickt wor⸗
den, die Pferde und alles andere zu der am andern Morgen be⸗
stimmten Abschieds⸗Audienz bey dem Sultan anzuschaffen.
Siebenzehende Abtheilung.
HJerzu nun wurde zwey Stunden nach Mitternacht mit der
Trompeten ein Zeichen gegeben, und zugleich jederman zur
Messe in des Herrn Botschafters Behausung beruffen.
Nach deren Endigung liessen sich Se. Excellenz in einer Senften Abschieds⸗
Audienz
bey dem
Sultan.
an das Meer tragen, denen die andern zu Fuß gefolgt sind, weit
ohne dem der Weeg bis dahin nicht gar weit war: die Tüͤrken aber
giengen mit Wind⸗Lichtern bis zu den Schiffen, die bereits auf uns
warteten, voran. Man bediente sich diesesmal etwas groͤsserer Schiffe,
als sonsten, weil sich das Meer sehr ungestümm zeigt, welches
bey unserer Ruckkunft noch hefftiger gewuͤtet hatte. Nachdem wir
nun alle uͤbergesetzt waren, stiegen wir auf die in Bereitschaft stehende
und von der Pforte angeschafte Pferde, und nahmen unsern Weeg
nach dem Serrallien, wohin uns die Wind⸗Lichter begleiteten,
wir aber daselbst eben / wie jenesmals / bey einer halben Stund war⸗
ten musten, weil der Groß⸗Vizir mit seiner Suite noch nicht ange⸗
kom⸗
Ddd 3
- 448 -
398
Drittes Buch / Siebenzehende Abtheilung /
kommen war. Unsere gehaltene Ordnung kam derjenigen bey, wel⸗
Janit⸗
scharn wird
Reiß aus⸗
getheilt. che wir allezeit beobachtet haben; alle Ceremonien waren den er⸗
stern gleich, nur daß jetzo den Janitscharn der gewöhnliche Reiß aus⸗
getheilt worden, so zur selbigen Zeit nicht geschehen; worbey sie
noch eine gelbe Suppen bekamen, nach welcher sie, so bald der Herr
Botschafter nebst den Seinigen mitten auf dem Platz angelangt,
Sporn⸗streichs rannten, aber auch mit eben solcher Geschwindigkeit
nach ihren vorigen Ort kehrten und auf bloser Erden mit Creutz⸗
weiß über einander geschlagenen Füssen, solche begierig verzehrten;
woraus dann die Vorstehere im Regiment gewisse Versicherung
nehmen kunten, daß sie mit ihrer Regierung nicht übel zu frieden
Saumse⸗
ligkeit da⸗
bey ist ein
Anzeichen
bevorste⸗
hender
Aufruhr. wären: dann wo sie sich in deren Abholung saumselig bezeugen, oder
solche auf die Erden schütten, und mit Füssen tretten, stehet es so
wol mit des Groß⸗Vizirs / als auch bisweilen gar mit des Kai⸗
sers Leben mißlich, wo nicht alsobald jemand zu ihnen geschickt
wird, der um die Ursach ihres Mißvergnügens fragt, und sie aller
Satisfaction versichert; dann diese Leute unterstehen sich alles ohne
Scheu vorzunehmen, und braucht es sonst nichts, als daß sich je⸗
mand findet, der sich zu ihrem Anführer aufwirft: dahero es um
dererjenigen Leben, die ihnen verhaßt sind, oder von denen sie ins
Geschwin⸗
de Process⸗
Ordnung
bey den
Türken. künftige einigen Nachtheil befürchten, gemeiniglich geschehen ist. Jm
Gericht sassen eben diejenige Personen, welche wir bey der ersten Au⸗
dienz angezeigt haben; so wurde auch gleiche Ordnung observirt,
und nichts veränderliches gesehen, als daß die Richter von Europa
und Asien nun grün umwundene Bünde auf hatten. In einer ei⸗
nigen Session dieses Gerichts werden mehr Händel geschlichtet, als
in andern Ländern oftmals in vielen Jahren, geschiehet. Hier
läßt man alle streitende Partheyen, sie moͤgen so gering seyn / als sie
wollen, mit ihren Effendis oder Schreibern vor, die Wittwen
und Waisen, die ohne Morgen⸗Gab von ihren Mäͤnnern Verstos⸗
sene / die Sinnlose, im Krieg Blessirte und Zerstuͤmmelte rc. nur
Weibs⸗
Personen
stellen sich
vor den
Divan mit
verhüllten
Angesicht. mit diesem Unterschied, daß die Weibs⸗Personen mit verhüllten
Angesicht vortretten: also daß keiner, so eine gerechte Sache hat, ab⸗
gewiesen wird. Der Groß⸗Vizir selbst lase die Bitt⸗Schrifften,
Streit⸗Händel und Anforderungen / und unterschrieb sie entweder
gleich selbsten, oder übergab es noch andern, wann es absonderlich
wichtige und einiger Schwürigkeit unterworfene Sachen sind, zum
durch⸗
- 449 -
Von der Abschieds⸗Audienz bey dem Sultan.
399
durchlesen, deren Meinung er so dann daruͤber vernommen/ ehe Er ei⸗
nen Ausspruch gethan hatte; oder Er gab mit Zerreissung des Pa⸗
piers zu verstehen, daß er die ganze Sache verwerfe: woraus wir
dann hätten genugsam abnehmen koͤnnen, wann wir es sonst nicht
gewust, daß der Groß⸗Vizir das Recht selbsten sehr wol innen ha
Groß Vi⸗
zir ein
Rechts⸗Verständi⸗
ger.
⸗
be, welches eben nicht allezeit zu geschehen pflegt; sintemaln man
noch wol Exempel weiß, daß durch des Kaisers Gunst dergleichen
Leute zu solcher Würde erhoben worden, die noch kurz vorher Flei
Darzu wer⸗
den auch
geringe und
unerfahrne
Leute ge⸗
nommen.
⸗
scher / Becken und Boots⸗Knechte gewesen, und weder lesen noch
schreiben können. Nachdem man nun jetzt beschriebener massen un⸗
terschiedliche Händel abgethan, wurden die Speisen herbey gebracht,
und der Herr Botschafter mit dem Groß-Vizir allein tractirt,
die andern aber von dem ersten Adel zu denen uͤbrigen Vornehmen Mittagmal
in dem Di⸗
van ver⸗
zehrt.
und Richtern an die Tische logirt; wobey sie dann eben an dem
Ort sitzend geblieben, den sie in dem Gericht eingenommen, und
also hatte man in dem Divan das Mittagmal verzehrt: und ob
zwar der zweyte Adel nebst des Herrn Botschafters Bedienten
auch darzu eingeladen worden, haben sie doch für diesesmal solche
Höflichkeit nicht annehmen wollen, weil sie wol gesehen, daß kein
Platz für sie üͤbrig geblieben, es sey dann / daß sie sich hätten gefallen
lassen, mit den Dienern und Laquayen auf der blosen Erden füͤr
lieb zu nehmen: hingegen haben sich die Kaiserlichen Caͤmmer⸗
linge deswegen kein Bedenken gemacht, noch vor den Speisen ei⸗
nen Eckel bezeigt, sondern immerzu beide Backen voll gefüͤllt,
auch sich gegen ihre Herren dermassen vertraulich aufgefüͤhrt, daß sie
nicht nur die Speisen mit ungewaschenen Haͤnden betastet / und
Stücke davon herunter gezerrt / wann sie von der Tafel wieder in die
Kuche gekommen, sondern sie haben solche auch nicht unbezwackt
gelassen, ehe sie noch einmal auf die Tafel gesetzt worden. Als nun nach
eingenommener Malzeit die Caftan ausgetheilt waren, verfügte
man sich zu dem Sultan zur Abschieds⸗Audienz, wo man die voDie Bot⸗
schaft gehet
aus dem
Divan
nach dem
Sultan.
⸗
rigen Ceremonien abermal beobachtet hatte: so haben auch wiede⸗
rum einige von Adel zuruck bleiben muͤssen, weil nicht genug Caͤm⸗
merlinge vorhanden gewesen; und weil Se. Excellenz verlangt, daß
auch ich mit vorkommen solte, damit ich, was hier vorgienge, meiner
Historie nachmals einverleiben könnte / aber gleichwol keinen
Füh⸗
- 450 -
400
Drittes Buch / Siebenzehende Abtheilung /
Auf was
Weiß ich
darzu ge⸗
kommen.Führer hatte, und wol wuste / daß ohne dergleichen niemand vorge⸗
lassen würde, habe ich einen Capigi / welcher nebst einem andern
den Dolmetsch Herrn Theyls füͤhrte, also fest bey der Hand gefaßt,
daß ich ihn nicht eher loß gelassen / bis ich daselbst war, wo ich hin
verlangt hatte: und was kan ich dafür, daß dergleichen Mittel ei⸗
nem andern, so etwan wieder seinen Willen zuruck bleiben müͤssen,
nicht auch beygefallen; doch muß ich zugleich bekennen, daß, wo ei⸗
ner von den Aufsehern mich also frey vor den Kaiser tretten sehen,
der Thür⸗Hüter über solche Unachtsamkeit wol leichtlich hätte den
Kopf verliehren koͤnnen. Endlich hat der Herr Botschafter zu dem
auf dem Thron sitzenden Sultan folgende Rede gehalten:
Aller Durchlauchtigster und Großmächtigster
Kaiser! Nachdem in dieser Zeit / da ich bey dieser er⸗
lauchten Pforten das Amt eines Groß⸗Botschafters ver⸗
tretten / von Eu. Majestät mit so vielen Kaiserlichen
Gnaden überhäufet worden / ist nun die Zeit herbey
kommen / da der Aller Durchlauchtigste / Großmäch⸗
tigste und Unüberwindlichste Römische Kaiser / mein
Allergnädigster Herr / mich wieder nach Teutschland
beruffen hat. Weswegen nichts mehr übrig / als
daß ich dasjenige / was bereits bey meiner Ankunft ge⸗
meldet und bestaͤttiget/ nun noch einmal bekraͤftige; wie
ich dann hiemit nochmaln vermelde/ wiederhole/ be⸗
kräftige und versichere / daß Se. Römisch⸗Kaiserliche
Majestät die neulich bedungene Friedens⸗Puncten hei⸗
lig und auf das genauste beobachten werden/ und zwar
in derjenigen Hofnung und Absehen / daß Eu. Kaiser⸗
liche Majestät solchen gleichfalls in allen nachzuleben
eifrigst werden bedacht seyn. Der Dreyeinige
GOTT verleihe nur / daß der durch die Groß⸗
Botschaften beiderseits nunmehr bestaͤttigte Friede von
ewiger Dauer seyn moͤge. Euer Majestät geruhen in⸗
des - 451 -
Von der Abschieds⸗Audienz bey dem Sultan. 401
dessen bey meiner Abreise durch Dero Landen / und hin⸗
fort jederzeit / mit allen Kaiserlichen Gnaden mir zuge⸗
than zu verbleiben.
Vorsetzli⸗
che Benen⸗
nung des
Dreyeini⸗
gen GOt⸗
tes.Es hatte der Herr Botschafter den Tag zuvor sich gegen dem
Holländischen und Venetianischen Gesandten verlauten lassen,
daß er in der Anrede gegen dem Kaiser etwas mit anbringen wolle,
so mit dem Türkischen Glauben nicht übereinkomme; und ob zwar
dieser solches widerrathen, und versichert, daß die Tüͤrken nichts we⸗
nigers dulten koͤnnten, als wann etwas wider ihre Meinung vorge⸗
bracht wuͤrde: haben sich Se. Excellenz doch nicht abschrecken las⸗
sen, daß Sie nicht des Dreyeinigen GOttes gedenken sollen;
woruͤber die Tüͤrken sich auch mit Recht nicht beklagen kunten, weil
nach allem Völker⸗Recht niemand verbotten, denjenigen GOtt zu
verehren, und mit solchen Namen zu nennen,/ welchen ihn seine Reli⸗
gion an die Hand gibt.
Auf diese Anrede hat der Groß⸗Vizir in Tüͤrkischer Sprach
geantwortet, der Dolmetsch bey der Pforten aber solche Antwort
abermal in der Jtaliänischen wiederholet. Nach diesem wurde
Kaiserl. Ab⸗
schieds⸗Schreiben.
das Kaiserliche Schreiben zum Zeichen der wol verrichteten Ge⸗
sandtschaft, und Bestättigung der aufs neue aufgerichteten Freund⸗
schaft zwischen dem Occidentalischen und Orientalischen
Kaiserthum ausgeliefert, welches der Kaiser dem Groß⸗Vi⸗
zir / dieser dem Capudan Bascha / der Capudan Bascha dem
Nischanschi Bascha / und dieser endlich dem Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter zu gestellt / der solches dem Herrn von Dierling uͤberge⸗
ben, damit er es bey dem Abzug oͤffentlich durch den Vorhof und
die Stadt bis an das Schiff tragen solte. Der Umschlag dieses Dessen äus⸗
serliche Be⸗
schaffen⸗
heit.
Schreibens war von Silber⸗Zeug mit guldenen Blumen gestickt,
und mit einem breiten Saum von rothen mit Gold gestickten Atlas
eingefaßt. An dem obern Theil gieng das Papier etwas heraus /
worauf man die Uberschrifft an den Roͤmischen Kaiser mit Tüͤr⸗
kischen Buchstaben sehen kunte. Das Siegel ist in einem silbernen
Büchsgen von schoͤner Arbeit verschlossen gewesen, und in der Mitte
hat ein kostbarer Carfunkel gespielt, dessen Glanz die rings herum ge⸗
setzten viele Diamanten um ein grosses vermehrten. Zu letzt ha⸗
ben wir wiederum in dem Vorhof auf unsern Pferden gehalten, und
die
Eee
- 452 -
402
Drittes Buch / Achtzehende Abtheilung /
die Janitscharn / den Groß⸗Vizir und andere vornehme Türken
aus dem Serrallien nach Hauß kehren sehen / denen wir so dann
gefolgt, und in voriger Ordnung schleunig auf unsere Schiffe ge⸗
gangen. Der Sultan hat dem Herrn Groß⸗Botschafter
Geschenk
des Sul⸗
tans an
den Hn.
Groß⸗Bot⸗
schafter.einen schönen Fuchs mit Sattel und Zeug nach Hauß geschickt / so
in dieser Rüstung gar leicht auf 1500. Ducaten kunte geschätzt wer⸗
den; dann die Steig⸗Bügel / der Zaum, Sattel und Brust⸗Stuck
waren von purem Silber und uͤberguldet, eine reich gestickte Schab⸗
rack bedeckte das Pferd, am Kopf und auf der Brust sahe man die
grösten und kostbaren mit vielen andern raren Steinen und Perlen
Pusican
schenkt nur
der Kaiser.umsetzte Schmaragde, und an der Seite hieng ein Pusican/ womit
sich dieses Kaiserl. Geschenk von andern distinguirt, angesehen andere
Vornehme an dessen statt einen damascenirten Säbel hergeben.
Bey diesem Aufzug ist abermal eine grosse Menge Volks zugelaufen /
und haben sich der andern Gesandtschaften Bediente, zum Theil auch
ihre Herren selbsten / absonderlich der Venetianische und Holländi⸗
sche Gesandte / von dem starken Wind nicht abschrecken lassen / den⸗
selbigen mit anzusehen, und zu dem Ende nicht ohne alle Gefahr üͤber
den Canal gesetzt. Ein grosses in dem Haven liegendes Venetia⸗
nisches Last⸗Schiff hat den Herrn Botschafter im Vorbeyfah⸗
ren mit 18. Stuck⸗Schuͤssen begruͤßt. Des folgenden Tags ist der
Dolmetsch von der Pforte zu uns gekommen, und hat mit Sr. Ex⸗
cellenz das Mittagmal eingenommen.
Achtzehende Abtheilung.
Kais. Cou⸗
rier kommt
an.
ALs der Herr Botschafter den
6. April den Grafen von
Nesselrode ungefehr besuchte, brachte man Jhm die da⸗
mals nicht vermuthete Nachricht, daß der Kaiserl. Cou⸗
rier Archatiel mit Briefen von Wien angekommen, weswegen
Er alsobald nach Hauß geeilt, um selbige zu erbrechen. Unter an⸗
dern Neuigkeiten, so wir durch selbigen erhalten, erfuhren wir auch,
wie es nemlich in Wien stehe, was die Tüͤrken daselbst machten,
und wie der Tuͤrckische Botschafter auf Kaiserlichen Befehl
Röm. Kais.
Present an
den Sul⸗
tan / und
Groß⸗Vi⸗
zir.von den Vornehmsten des Hofs vor seiner Abreise solte tractirt wer⸗
den; er hat auch vor den Sultan zwey und zwanzig schwar⸗
ze
- 453 -
Letzte Bewüͤrth. des Hn. Botsch. auf einem K. Lusthauß
403
ze Fuchs⸗Baͤlge mit gebracht / worauf die weisen Haare, wie der
Tau, gelegen; ferner eine guldene Sack⸗ und Repetir-Uhr für den
Groß⸗Vizir / welche die Stunden und Minuten zeigte / auch gan⸗
ze / halbe und viertel Stunden schlug, so oft man es selbsten wolte,
welche nach dreyen Tagen der Zahlmeister mit dem Dolmetsch Herrn
Theyls nach Constantinopel uͤberbrachte, wofüͤr dem Herrn
Botschafter zwey schlechte Tüchlein wieder zuruck geschickt wor
Auf die
Prob ge⸗
stellte Frey⸗
gebigkeit
des Türkis.
Graͤnz⸗Commen⸗
danten.
⸗
den. Als dieser Courier von Belgrad nach Nissa gieng / und dem
Seraskier einige Brieffe überbrachte / stellte er sich auf Anstiftung
des Grafen Oduyers gegen demselbigen, als ob er mit seinem Reiß⸗
Geld nicht auszulangen getraute / und dieses nur darum, damit er
hierdurch der Türken Geitz und Freygebigkeit auf die Prob stellte;
sintemaln so wol der Kaiser als auch der Graf Oduyer, dieje⸗
nige reichlich beschenken / so Briefe aus der Türkey an sie zu bestel⸗
len haben. Hierauf hat nun der Seraskier seinem Hof⸗Meister
gleichfalls Befehl ertheilt / daß er den Courier etwas geben solte,
welcher sich auch dermassen angegriffen, daß er ihm 5. baarer
Thaler / so nicht gar zwey Ducaten ausmachen, ausgezahlt, die
er aber nicht angenommen, sondern vorgegeben, wie sein Kaiser
ihn jederzeit mit so viel Geld versorgen liesse / als er zur Reise noͤthig
hätte / er habe durch sein Anfordern nichts anders intendirt, als
seine Freygebigkeit zu erforschen, welche er auch nun zur Gnüͤge er⸗
fahren hätte.
Den 5ten April wurde von der Pforte ein Bedienter unsers
Führers benennt / den andern Tag abzureissen, und so wol von dem
Hof als dem Herrn Botschafter Brieffe nach Wien zu über⸗
bringen. Es ist auch die unlängst frey gemachte Matron aus dem
Geschlecht Balbi nach genommenen Abschied von Sr. Excellenz
des andern Tags wieder nach Venedig zu den Jhrigen gereißt:
Und ein Schuster, von Geburt ein Schwed, der vorher von dem
Herrn Botschafter loß gekauft worden, ist wieder zu den Tüͤr⸗
ken uͤbergangen, und hat, ohne Zweifel zu seinem groͤsten Verderben,
ihre Religion angenommen. So kamen auch heute in aller frühe Janit⸗
scharn wol⸗
len ihres
Officiers
Haus
stürmen.
unsere Janitscharn vor ihres Officiers Hauß, in dem Vorsatz, sol⸗
ches zu stürmen, weil er zwey von ihren Cameraden ins Gefaͤngnis
geschlossen, welche sie mit Gewalt loß haben wolten. Der Mahler
Schmied
Eee 2
- 454 -
404
Drittes Buch / Achtzehende Abtheilung /
Schmied / machte einen Abriß von denen Flaggen der Kriegs⸗ und
Last⸗Schiffe, die unser Kaiser / zur Beförderung der Handelschaft
mit diesen Provinzen und seinen Erb⸗Ländern, auszurüsten willens
war, und wovon der vor drey Tagen hier eingelauffene Courier
einen Entwurf mit gebracht / und zwar zu diesem Ende, damit der
ins künftige sich hier aufhaltende Kaiserliche Resident so wol /
als die Pforte ein Modell davon haben möͤgten. Die Flaggen der
Kaufmanns⸗Schiffe waren oben gelb, und unten schwarz; die
Kriegs⸗Schiffe hingegen ganz gelb und von einerley Farb und Ge⸗
stalt, ausser daß die Kaiserlichen Wappen mit der Königlich⸗Spani⸗
schen Cron in der Mitte, bevor sie sich noch in Flammen zertheilen,
schwarz gemahlt zu sehen; dabey sich die Kaiserliche Cron mit dem
Reichs⸗Apfel oben auf der Stangen ausgehauen præsentirte.
Als den 7ten dito der Herr Groß⸗Botschafter sich nach
dem Groß⸗Vizir, der damals in seinem eigenen Hauß und Garten
sich aufhielte, verfügte, um Jhm die Verzeichnis aller derer Sa⸗
chen so dem Türckischen Botschafter zu Wien täͤglich gereicht wuͤr⸗
den, vorzulegen, weil dieser sich beklagt, daß man ihm mit dem Be⸗
noͤthigten nicht an die Hand gienge / wurde auch der Stall⸗Meister
Des Hn.
Botschaf⸗
ters Leib⸗Wagen
wird dem
Sultan
verehrt. Herr Brinkman mit des Herrn Botschafters Leib⸗Wagen, de⸗
me sechs nett aufgebutzte Pferde vorgespannt waren / zu Land bey
den süssen Wassern vorbey nach Constantinopel geschickt, sol⸗
chen den Tag darauf dem Sultan in Sr. Excellentz Namen
zur Bezeugung seines gegen Jhm tragenden Respects und Hochach⸗
tung zu offeriren. Es hat schon ehmals der Graf von Oettin⸗
gen dem Groß⸗Sultan ein gleiches Present gemacht, es ist aber
derselbige kaum fort gewesen, so hat man die Pferde zum Wasser⸗
tragen gebraucht; und wer weiß, ob diesen nicht mit der Zeit ein glei⸗
ches Gluͤck begegnet: vielleicht muͤssen sich solches die armen Thiere
auch in Warheit für ein Glüͤck schätzen, weil ja die Sakä oder
Wasser⸗Träger, als barmherzige und dem gemeinen Wesen nutzliche
Leute, für heilig und ehrwuͤrdig gehalten werden; vermuthlich duͤrf⸗
ten sie fuͤr dergleichen Thiere gleichen Estim tragen, angesehen sie durch
ihre Dienste der Menschen Verrichtungen leichter machen.
Doch ich will daruͤber nicht weiter urtheilen, sondern vielmehr mel⸗
den, daß als Herr Brinkman sich in der Stadt aufhielte, welches
der
- 455 -
Letzte Bewürth. des Hn. Botsch. auf einem K. Lusthauß.
405
der 8te April war, zwey Galeeren aus Asien übersetzten, so den Tribut aus
Egypten.
Tribut, und die Geschenke für den Kaiser und sein Frauenzim⸗
mer / wie auch den Groß⸗Vizir und andere Vornehme mit
brachte, die jaͤhrlich aus Egypten muͤssen geschickt werden. Uber
die gestickten und seidene Kleider, Leinwand / Tuch, Wachs / Ho⸗
nig, und andere Sachen bringen sie auch 800. Beutel an Geld, so
400000. Reichsthaler oder 133333⅓. Ducaten ausmachen. Alles
dieses wird über Land bis nach Scutari geführet / weil die Egy⸗
ptier zu Wasser vor den Malthesischen Capern nicht sicher genug wä⸗
ren, von dar aber durch die Galeeren nach Constantinopel ge⸗
bracht / und, wann sie damit durch die Stadt ziehen / ihnen ein
Roß⸗Schweif und sechs Fahnen vorgetragen: den Führer die⸗
ses Zugs erwehlt man jederzeit aus einer von den zwölf Famillen,
so die Aeltesten und Vornehmsten sind, seit dem Egypten von den
Türken erobert worden. Was hingegen die Moldau / Walla⸗
chey / Ragusa / Georgien / vor Zeiten auch Jberien und andere
zinßbare Oerter erlegen muͤssen, erzehlt Ricaut weitlaͤuftig in seiner
Historischen Beschreibung von dem jetzigen Zustand des Ottomanni⸗
schen Reichs, weshalben diejenige, so hievon mehr zu wissen ver
Einkom⸗
men des
Sultans.
⸗
langen, daselbst nachschlagen koͤnnen: Uberhaupt rechnet man, daß
diese erst gemeldten samt den uͤbrigen unter Tuͤrckischer Bothmaͤs⸗
sigkeit stehende Provinzen dem Sultan jährlich sechzig tausend
Talent, oder vier tausendmal tausend Reichsthaler eintragen,
gewiß eine schöne Summa in Erwegung der geringen Unkosten /
welche dieser Kaiser auf die Militz und andere das gemeine Wesen
betreffende Sachen verwenden. Dann weil die Zaim/ Timarioth
und Spahi schon ihre angewiesene Besoldung haben, so sind keine
mehr als nur die Janitscharn / Schiffleute / Topchi und Feuer⸗
werker zu bezahlen übrig / das andere alles wird in die Kaiserliche
Schatz⸗Cammer geliefert, womit der Sultan nach seinem Gefal⸗
len handthieren mag; so stehet auch dieses zu seinem Belieben, was
er von dem Kopf⸗Geld ziehet, welches alle, so keine Türken sind,
oder unter eines andern Fürsten Schutz stehen, und zwar einige
fünf / andere zehen Thaler / geben müssen: wie dann über dieses sol⸗
che Schätze durch die eingezogene Güter der Baschen und anderer
Türken, so ohne mäͤnnliche Erben sterben, nicht wenig vermehrt werden.
Den
Eee 3
- 456 -
406
Drittes Buch / Achtzehende Abtheilung /
Letzte Be⸗
würthung
des Hn.
Botschaf⸗
ters.Den
10. dieses wurde die ganze Botschaft in kleinen Schif⸗
fen über den Canal nach des Sultans an den suͤssen Wassern ge⸗
legenen Garten gefüͤhrt, derselbigen auf des Kaisers Befehl durch
den Groß⸗Vizir die letzte Ehre anzuthun. Anfangs ist jedem nach
Gewohnheit Caffé und eingemachte Fruͤchte vorgesetzt worden, von
dar hat man sich in ein anderes Zimmer zur Tafel begeben / und da⸗
selbst einen jeden seinen Stand gemaͤß logirt; der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter aber bliebe mit dem Groß⸗Vizir/ dem Moufti/ dem Ca⸗
pudan⸗ und Nischanschi Bascha und dem nach Persien ernann⸗
ten Gesandten in demjenigen Zimmer zuruck, wo man auf dem Fluß
hinaus, und nachgehends die angestellten Schau⸗Spiele mit anse⸗
hen kunte, vor dessen Thür zur Linken ein Brunnen gestanden, der
aus vielen Röhren das Wasser reichlich heraus gesprützt, und mit in
Körblein liegenden Blumen und Fruchten gar artig geziert gewesen Es
befanden sich gleichfalls die drey Tefterdar oder Schatz⸗Meister in
eben diesem Zimmer, so aber nicht mit gespeißt haben. Die Tische,
das Geräth, die Speisen, Trank und übrige Zubereitung waren auf
gleiche Weise beschaffen, wie ich schon im vorigen Buch zu dreyen⸗
Höfliche
Vorlegung
bey den
Türcken. maln gemeldet habe. Ehe man noch die Speisen aufgetragen, kam
ein heßlicher Mohr zum Vorschein, der auf einer runden hölzernen
Schüssel Zwiebel und Knoblauch liegen hatte, so er mit seinen
schmutzigen Händen faßte, und vor uns auf den Tisch herum geschmis⸗
sen, nicht anders, als wie man den Schweinen die Eycheln, oder
den Hünern und Gänsen Habern und anders Futter vorzuwerffen
pflegt, worüber wir heimlich lachen musten, ob wir es schon öffent⸗
lich nicht merken lassen durften, damit es nicht das Ansehen haͤtte,
Gürigkeit
der Türken
nach den
Speisen. als ob uns vor solcher losen Speise eckelte. Wann man vom Tisch
wieder was abtrug, das wir schon gekostet hatten, (wir haben aber
nichts unversucht gelassen, damit wir unsere Gefäͤlligkeit und Hoch⸗
schätzung für ihre Dienste und diese Schleckereyen bezeigen möͤgten,)
kamen gleich zu dreysigen herzu gelauffen, welche es wegnahmen, und
dieses mit solcher Begierd und Ungestümm, daß bisweilen die Vor⸗
stehere selbsten daruͤber einander in die Haare kamen; wie ich dann
einen verschnittenen Mohren gesehen, der auf einen Chiausen/ so
unter ihnen kein geringes Thier ist, mit seinem Stecken, weil er ihm
vielleicht einen guten Bissen vor dem Maul weggenommen / in unser
aller
- 457 -
Letzte Bewuͤrth. des Hn. Botsch. auf einem K. Lusthauß
407
aller Gegenwart so lang loß geschmissen, bis er ihn aus dem Zimmer
hinaus gejagt hatte. So trugen auch diese schleckerhafte Leute im geTisch⸗zucht
bey den
Türken.
⸗
ringsten kein Bedenken, mit den kleinen Schuͤsseln in die grossen zu
fahren, und Händ und Finger damit zu beschmieren, oder mit der
holen Hand die Kalbs⸗Sulsen und andere Brüͤhen auszuschöͤpfen,
auch wol von andern, die sich mit ganzem Leib uͤber die Schuͤsseln
gelegt, mit Bechern und Schalen dasjenige aufzufangen, was diesen
von Mund und Bart herunter gelaufen, und alsdann mit sonderlichen
Gusto auszusurfeln.
Nach eingenommener Mahlzeit wurden wiederum SchauSchau⸗
Spiele.
⸗
Spiele und ander Kurtzweil angestellet, worzu die Stummen mit
den Chiausen den Anfang gemacht, welche dann einander bald die
Bünde ins Wasser schmiesen, bald sich wie die Sakä oder Wasser⸗
Träger anstellten und sich auch in ihrem Habit verkleideten, bald
ihre Bünde dem Groß⸗Vizir vorhielten, der sie mit einem kleinen
Säbel entzwey gehauen; bald schriehen sie wie die Schwein, und
sangen oder pfiefen auch wie die Vögel. Hierauf kamen die
Schützen mit ihren schwehren Flinten, unter welchen sich auch
die Janitscharn, des Groß⸗Vizirs Leib⸗Wacht, befunden, so
blaue Hosen, und rothe schwartz⸗ausgemachte Wammes/ an auch ro⸗
the nicht umwundene Häublein auf dem Kopf hatten: Nach die⸗
sen folgten die Wurf⸗ oder Pfeil⸗Schuͤtzem/ und die Ringer/
wie ich sie im vorher gehenden Buch gleichfalls schon beschrieben
habe. Wie nun die Schuͤtzen ihre Kunst gezeigt, passirten die Ja⸗
nitscharn Mann vor Mann bey dem Groß⸗Vizir die Musterung
gleichsam vorbey, deren jedem ein Ducaten, und ihren Führern
zween gereicht wurden; die aber vorhin schon das Ziel getroffen, so
ein auf 300. Schritt weit ausgestellter Krug mit Wasser gewesen,
erhielten alsobald ihre Belohnung dafür, die nach Proportion der
Büchse, ob solche klein oder groß war, oder im Ansehen des wol an⸗
gebrachten Schusses, in vier, fünf, sechs bis zwölf Ducaten be⸗
stunde. Jch habe hiebey gesehen, daß einen seine Büchse dermassen Beherzter
Schütz.
gestossen / daß sie ihn bis sieben Schritt zuruck geprellt, und auf
den Rucken gelegt hatte / so gar, daß die Kolbe daruͤber abgesprun⸗
gen; nichts destoweniger schoß er gleich darauf mit einer schwehren
Büchsen, und setzte eben sowol mit einer halb⸗pfündigen Kugel den
Wasser⸗Krug ab, worauf ihn der Groß⸗Vizir selbst für die zwey
Schuß
- 458 -
408
Drittes Buch / Achtzehende Abtheilung /
Schuß auf zweymal zwölf Ducaten gegeben, ohne was er sonst mit
andern schon gewonnen hatte. Es erhielten auch zwey junge Kna⸗
ben, der eine von zehen, und der andere von zwöͤlf Jahren auf des
Groß⸗Vizirs Befehl von dem Haznadar oder seinem Schatz⸗
Meister die Belohnung wo nicht ihrer Kunst / doch zum wenigsten
ihres guten Willens. Am allermeisten aber war sich über dasjeni⸗
Seltsamer
Zufall/ so
den Groß⸗
Vizir be⸗
gegnet. ge zu verwundern, was dem Groß⸗Vizir begegnet ist: dieser hat⸗
te schon fünf, sechs bis sieben Krüge, ohne einen zu verfehlen, hin⸗
ter einander abgesetzt; einsmals aber, als er nach dem mittlern schoß,
ein anderer aber, weiß nicht wer, den Dritten mit seiner Flinten
schon abgeworffen hatte / (dann es stunden allezeit drey hinter einan⸗
der in einer Linie,) und ein Janitschar, so darzu bestellt war, an des⸗
sen statt einen andern aufsetzen wollte, zu welchem Ende er die zwey
andern Krüge vorbey gehen muste, hat der Groß⸗Vizir / als jener
zu dem Mittlern kommt, weil Er ihn nicht gesehen, Feuer
geben, und den Krug dem Janitscharn zwischen den Füssen weg⸗
geschossen, ohne daß dieser davon blessirt worden wäͤre; welches al⸗
le Zuschauer in die höͤchste Verwunderung und Erstaunung gebracht,
wie sich dann auch der Groß⸗Vizir selbst dermassen daruͤber ent⸗
setzt, daß er bey einer viertel Stund ganz erbleicht, und eine zeitlang
mit dem Schiessen innen gehalten / indem Er sich betroffen fand /
daß er beynahe, wiewol wieder seinen Willen, einen Todschlag be⸗
gangen, wann nicht die Kunst und das guͤnstige Glüͤck solches ver⸗
hütet hätten. Gewiß / dieser Herr ist dißfalls recht sehr zu loben,
daß er das Leben eines Menschen seiner Ergötzung vorgezogen, da
wol ein anderer, der an seiner Stelle gewesen wäre, ohne einigen
Gewissens⸗Scrupel hundert Leben seiner Kurtzweil würde aufgeo⸗
pfert haben, weil ein Groß⸗Vizir gleiche Gewalt über eines jed⸗
weden Leben und Tod zu haben vermeinen moͤgte. Als sich endlich
ermeldter Groß⸗Vizier wiederum in etwas erholt, laͤß er den Ja⸗
nitscharn zu sich beruffen / der auch allenthalben mit Koth und Was⸗
ser besprützt eiligst herzu gelauffen, und wegen ausgestandener Ge⸗
fahr ganz bleich ausgesehen; er zeigte indessen seine an zweyen Or⸗
ten durchloͤcherte Hosen, brachte alles, was ihm begegnet, mit son⸗
derbarer Bescheidenheit vor, und bekam für seinen Schrecken, den
er unverschuldet ausgestanden, eilf Ducaten aus des Groß⸗Vizirs
eigener Hand zum Recompens, welche auch eine bessere Würkung,
als
- 459 -
Letzte Bewirth des Hn. Botsch. auf einem K. Lusthauß
409
als das kräftigste Schlag⸗Wasser, bey diesem Menschen gethan,
der wol die Zeit seines Lebens vielleicht so viel Geld nicht beysammen
gesehen, und deswegen für lauter Freuden aufgesprungen, aller aus⸗
gestandenen Gefahr vergessen, und sich wieder an sein voriges Ort
verfügt, auch seine aufgetragene Verrichtung mit allem Fleiß versehen.
Was mich anbelangt, ob ich gleich auch nicht überflüͤssig Geld
habe, moͤgte ich dannoch die Kruͤge nicht aufsetzen, wann mir meine
Mühe so hoch solte zu stehen kommen. Unterdessen wurde auch der
Ringer nicht vergessen, sondern denen Uberwindern ihr Lohn reich⸗
lich ausgetheilt. Nach diesen nun præsentirte sich einer, der einen Unglüͤckli⸗
cher Künst⸗
ler.
15. Schuh hohen Balken auf den Kopf stehend hatte, den er nur
einig und allein mit den Häͤnden gehalten; allein es mißrieth ihn auch
seine Kunst nicht selten, dann wann er kaum einige Schritt fort
gegangen / lag die Machine im Koth, die zuvor durch etliche Tag⸗
löhner von einem Dach herunter in die Hoͤhe und das Gewicht nicht
ohne grosse Mühe gebracht worden, weswegen er auch, weil er sei⸗
ner Intention gemäͤß nicht mit fort kommen köͤnnen, mit seiner
Kunst gar zu Hauß bleiben muste. Auf diesen folgte einer, so anGeschickter
Gauckler.
⸗
fangs eine gläserne Flasche voll Wasser, nachgehends zwey auf ein⸗
ander, anbey auch einen gläͤsernen Teller mit fuͤnf kleinen Fläschlein
und das sechste in der Mitte, und noch uͤber dieses drey Ordnun⸗
gen Gläser auf der Stirn stehend hatte, und damit herum danzte.
Da er sich nur eine einige Flasche auf die Stirne gestellt, wuste er
sich so vorsichtig damit auf den Rucken zu legen, und dermassen
kuͤnstlich zu bewegen, daß auch nicht ein Tropfen daruͤber verschuͤt⸗
tet worden; nachgehends steckte er sich Messer zwischen die Häͤnde
und Füͤsse, und machte damit verschiedene Luft⸗Spruͤnge, ohne daß
er sich in geringsten hatte verletzen sollen; letzlich stellte er sich auch
an, als ob er sich selbst die Augen auskratzen oder zerschneiden wolte,
und was dergleichen Narrens⸗Possen mehr gewesen. Es war auch Starker
Mann.
einer zu gegen, der seine Stäͤrke in Aufheben schwehrer Sachen se⸗
hen liesse, und anfangs eine sehr schwehre Kolbe ergrief, die er oͤf⸗
ters um den Kopf geschwungen, hierauf unterschiedliche steinerne
Kugeln ungleicher Grösse aufgehebt / und zwar allezeit drey auf ein⸗
mal, auch solche auf gleiche Weise geschwungen; und weil sie im
Aufheben hin und her gewichen, haben sie ihm viel Muͤhe gemacht /
dabey aber auch Gelegenheit gegeben, seine sonderbare Stärke zu zei⸗
gen
Fff
- 460 -
410
Drittes Buch/ Achtzehende Abtheilung /
gen: Endlich hat er sich mit blossen Füssen auf gespitzte und scharfe
Messer gestellt, so auf einen viereckigt verguldeten Stuhl gelegen, und
mit der Keule einen etlich Centner schwehren Stein in die Hoͤhe ge⸗
hebt. Als dieses vorbey / liesse sich eine Türkische Vocal- und Instru⸗
mental-Music hoͤren, worauf die Chiausen / Bizehamen und De⸗
len / (die Bothen, Stummen und Narrn) ihre Daͤnze anfiengen.
Unver⸗
schämte
Comœ⸗
dianten. Zu aller letzt præsentirten sich die Comœdianten, welche die leicht⸗
fertigsten Geberden und Sodomitereyen gleich als die unschuldigsten
Spiele vorstellten / woraus das übrige leicht zu schliessen ist; wel⸗
che aber nichts destoweniger dieser Leute Beyfall weit besser verdien⸗
ten / als wann sie eine nach allen Theatrialischen Reguln und guten
Sitten eingerichtete Comœdie aufgeführt hätten. Selbst der
Daran be⸗
zeigt der
Moufti ein
Belieben
Moufti / ihr oberster Priester, fragte den Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter zum öftern mit laͤchlender Mine, wie ihm solches gefiele?
der aber mit Stillschweigen beantwortet, und damit zu ver⸗
stehen gegeben, daß es der menschlichen Schamhaftigkeit ge⸗
mäͤsser wäre, wann man dergleichen schäͤndliche Dinge vor dem Au⸗
gen der Leute verhelete. An der ganzen Vorstellung war der ge⸗
ringste Zusammenhang nicht zu sehen, und weder Anfang noch En⸗
de zu finden; vielmehr kam alles dasjenige hier zu schulden, was
Horatius in seinem vortrefflichen Send⸗Schreiben an die Pisones
denen Poeten so nachdruͤcklich untersagt hatte. Es schmerzte mich
nichts mehr, als daß man keine gedruckte Zettuln austheilte, welche
den ganzen Jnhalt küͤrtzlich erzehlten, damit ich sie/ als ein vollkom⸗
menes Muster des Alterthums mit nach Teutschland haͤtte neh⸗
men koͤnnen. Nach vollendeter Comœdie verfügte man sich zur
Abend⸗Malzeit, so mit dem Mittagmal völlig uͤberein kam / aber
Caffé, Toback und Fruͤchte kunte man den ganzen Tag in Uberfluß
Bizehami
und Deli
werden von
den Vor⸗
nehmen
caressirt.haben. Uber Tische brachten die Bizehami und Deli ihre Possen
vor, welche Kundschafter des Sultans die Vornehmen unter ih⸗
nen sehr werth halten/ oder sich doch zum wenigsten also anstellen:
sie reichen ihnen mit eigenen Händen von dem Tisch Zucker, Ku⸗
chen und andere Speisen, bechenken sie zum öftern, kurtzwei⸗
len und schmeicheln ihnen auf unterschiedliche Weise, damit sie ihnen
bey den Sultan nicht schaden, noch zum Nachtheil etwas
vorbringen. Der Groß⸗Vizir hat diesesmal nicht nur die Haͤn⸗
de,
- 461 -
Letzte Bewirth. des Hn. Botsch. auf einem K. Lusthauß.
411
de, die Arme, das Gesicht und den Bart mit Seifen gewaschen,
sondern auch den Mund ausgespielt; und als der Moufti nach
eingenommener Malzeit nicht lang mehr verweilen wolte, und dem
Capudan⸗ samt dem Nischanschi⸗Bascha allein bey dem Groß⸗
Vizir und dem Herrn Groß⸗Botschafter zuruck gelassen, hat
ihn bemeldter Groß⸗Vizir/ nachdem er von seiner Sofaus auf⸗
gestanden, bis an die Thuͤr des Zimmers begleitet, und also bis da⸗
hin gebracht / wo er ihn bey seiner Ankunft auch empfangen hatte /
welche Höflichkeit er ausser diesem sonst niemand zu erweisen pflegt.
Endlich wurden auch dem Herrn Groß⸗Botschafter Pferde Gemachte
Presente
an den Hn.
Botschaf⸗
ter.
vorgefuͤhrt und zwey davon verehrt, deren eines ein braun-rothes,
und mit Sattel und Zeug versehen war: das andere aber ein
Schweiß⸗Fuchs, noch ganz jung und unberitten, auch ohne Aus⸗
staffierung: diesen wurde auch ein rother mit Zobel gefütterter
Caftan zugelegt; so bekamen auch unsere Füͤhrer der Capigi Ba⸗
schi / und der Hassaki Aga / Hauptmann von unsern Janit⸗
scharn, dergleichen Ober⸗Röcke: unter den Adel aber und einige
andere wurden seidene mit Gold und Silber gestickte Tuͤchlein aus⸗
getheilt, und also verfuͤgten wir uns dergestalt beschenkt in den vo⸗
rigen Schiffen wiederum nach Pera; wobey so wol im Hin⸗ als
Her⸗Weeg ein Französisches und Venetianisches Schiff mit vielen
Stuck⸗Schuͤssen und Aufsteckungen ihrer gewöͤhnlichen weisen, und
rothen mit gelben Loͤwen bezeichneten Flaggen die vorbeyfahrende
Botschaft beehret hatten. Es solte auch diese Gastung und Spie⸗
le schon vor zweyen Tagen, nemlich den verwichenen Montag ge⸗
halten werden, aber weil es damals sehr stark geregnet, muste es
unterbleiben. Der ältere Kaiserl. Prinz ist auch hinaus gekommen,
diese Solennität mit anzusehen; ja man sagte so gar / als ob der
Sultan selbst in einem verborgenen Ort hinter einem
Gitter am Fenster mit zu geschauet
hätte.
Neun⸗
Fff 2
Drittes Buch, Neunzehende Abtheilung /
Neunzehende Abtheilung.
ALs wir nun wiederum zu Hauß angelangt, trafen wir aber⸗
mal
Angekom⸗
mener Cou⸗
rier.einen Courier, den Jsaac Lucas / an / so uns Brie⸗
fe mit gebracht, und in einer Zeit von 16. Tagen seine
Reise von Wien aus bis hieher zuruck gelegt hatte, wovon uns
schon einige Englische Kaufleute, da wir noch indes Sultans
Garten waren Nachricht gegeben, weswegen auch der Herr Groß⸗
Botschafter den Groß⸗Vizir ersucht / mit den Schau⸗Spieln
ein Ende zu machen. Nothwendig muß dieser Courier Sachen von
grosser Wichtigkeit mit gebracht haben / weil er drey Stund vor sei⸗
ner Abreise noch nichts davon gewust, und eben hierzu vor andern
erwählet worden, weil er mit guten Pferden versehen war / und des⸗
wegen eiligst Ordre bekam, nach Orient zu gehen; er wäre auch
schon vor zweyen Tagen ankommen, wann man ihn zu Nissa nicht
so lang aufgehalten hatte. Jn wehrender unserer Abwesenheit ist zu
Entstande⸗
ner Tumult
von den
Janit⸗
scharn. Hauß abermal ein Tumult entstanden, sintemaln die Janitscharn,
die neulich ihres Officiers Hauß um zweyer Gefangenen willen, die
sie loß haben wolten, aufgesprengt, nun auch beym Kopf genom⸗
men und nach dem Gefängnuͤß gebracht werden solten, wie dann
auch ihrer drey dahin geführt worden; sie hatten aber zum Theil in
des Herrn Botschafters Pallast, theils in die Häͤuser derer von
Adel, wo sie sonst zur Wach angewiesen waren, ihre Zuflucht ge⸗
nommen, weil sie wol wusten/ daß sie daraus niemand mit Gewalt
Despera⸗
tion dersel⸗
ben.wegnehmen durfte. Einer davon sagte / wie er versichert wäre,
wann er sich gefangen gebe, daß er sterben müste, weswegen er
sich fest vorgesetzt / wo er sich nicht mit der Flucht salviren koͤnne,
erst seinen Officier den Rest zu geben, damit er nicht ohne Ursach
hingerichtet wuͤrde. Ein anderer, so aus Boßnien gebüͤrtig war,
ist lang vergeblich erinnert worden, heraus zugehen, weil er sich aber
schon seines Lebens verziehen, hat er weiter kein Bedenken getra⸗
gen, in Gegenwart seines Officiers Toback zu rauchen, welches
doch sonst im Kriegs⸗Recht verbotten ist / und auch so gar Wein
zu trinken. Es hat auch derselbige schon zum öͤftern einen aus dem
unsrigen versprochen, er wolle nach der Auswechslung heimlich zu
uns
- 463 -
Abschieds⸗Visiten von den Vornehmen des Hofs.
413
uns üͤbergehen, weil er der Auffuͤhrung seiner Glaubens⸗Genossen
und des Bestialischen und Sodomitischen Lebens längst müde wä⸗
re, er wuͤrde deswegen nicht selten in seinem Gewissen verunruhiget,
und täglich ermahnt, sich mit der Flucht zu retten, und seine Wol⸗
farth auf seine Füsse zu setzen.
Den 11ten April begaben sich Se Excellentz mit dem erVisite de[s]
Herrn Bot⸗
schafters
bey dem
Moufti.
⸗
sten Adel nach dem Moufti / und den 13ten zum Capudan Ba⸗
scha; und als Sie von jenem zuruck kehrten und angenehmes Wet⸗
ter war / liessen Sie sich gefallen, nach Tchorli über den Canal
zu gehen, um des Ahli Bascha Serrallien zu besehen, welches daSchönes
Serallien
des Ahli
Bascha.
⸗
zumal niemand bewohnte, ohnerachtet es eines von den schöͤnsten Ge⸗
bäuen, so man in diesen Landen findet; absonderlich aber ist solches
von innen auf das prächtigste und netteste eingerichtet: die Wäͤn⸗
de sind mit Porcellan getäfelt, der Boden ist mit Marmol belegt,
so findet man auch schöne Brunnen in den Zimmern, und schim⸗
mert alles durchgehends von Gold, also daß es füͤr eine rechtschaf⸗
ne Wohnung eines grossen Fürsten oder Herrn passiren kan. Jm Visite bey
dem Groß⸗Vizir en
passant.
Vorbeygehen liesse der Herr Botschafter dem Groß⸗Vizir, der
sich dazumal in seinem Serrallien auf dem Canal aufhielte / durch
den Dolmetsch das Compliment machen, worgegen Er Ihn wis⸗
sen lassen / daß Er bey seiner Ruck⸗Kehr auf ein Schälgen Caffé
zusprechen solte. Als Sie Sich nun hier beysammen befunden, hat
sich auch der Moufti eingestellt, dem der Kiaha, Kaiserlicher O⸗
berst⸗Hofmeister, der andere Eidam des Groß⸗Vizirs, nebst dem
Chiaoux Bascha und noch einem andern Vornehmen, den niemand
aus unserm Adel kennen wolte / entgegen giengen / und aus dem Schiff
halfen; wie er dann seine Ankunft dem Groß⸗Vizir schon vorher
durch ein Billet wissen lassen. Es verlangte auch der Herr BotErledi⸗
gung eines
Sclaven.
⸗
schafter um dieser Ursach willen mit dem Groß⸗Vizir zu spre⸗
chen, damit er Gelegenheit haben moͤgte, einen gewissen Schiff⸗
Patron, Namens Jacob Perfumo, so von Geburt ein Jtaliäner
ist, die Freyheit zu verschaffen: es hatte derselbige sonst Spanische
Flaggen geführt, nach dem er aber sein eigenes Schiff verlohren, hat
er sich auf ein Malthesisches begeben / worauf er nachgehends ge⸗
fangen worden. Es erbote sich auch der Groß⸗Vizir, zum CaVisite bey
dem Capu⸗
dan Ba⸗
scha.
⸗
pudan Bascha deswegen zu schicken, damit man diesen Sclaven
dem Herrn Botschafter abfolgen lasse; Er solte aber alsdann die⸗
ses
Fff 3
- 464 -
414
Drittes Buch, Neunzehende Abtheilung /
ses Geschenck für das Seinige halten / und nicht ansehen / als ob es
von jenem herkäme, dann er hätte Ihm ohnedem noch einen zu
geben. Zu besagten Capudan Bascha sind wir in Schiffen ab⸗
geholt worden / ob wir schon nicht gar weit von ihm entlegen waren,
und nur ein Kirchhof nebst der Meer⸗Enge darzwischen lage, wel⸗
che wir vermittelst eines kleinen Umweegs gar leicht zu Land hätten
umreiten koͤnnen. Ehe wir dahin giengen/ liessen Se. Excellentz
alle erinnern, daß wir uns mit den Reden solten in acht
nehmen, weil sich allerhand Leute von unterschiedlichen Sprachen
daselbst befänden / mögten uns demnach huͤten / daß wir nichts Nach⸗
theiliges von ihren Sitten, Lehre, Lebens⸗Wandel und anderen
Gebräuchen schwazten, noch was vornehmeten, daß sie zu einigen
Unwillen gegen uns verleiten, oder zu einer widrigen Auslegung
Anlaß geben köͤnnte. Und gewiß, wir haben es alles daselbst so an⸗
getroffen, wie der Herr Botschafter uns vorher berichtet hatte;
Allerhand
Nationen
bey dem
Capudan
Bascha.sintemaln kein Volk leicht gefunden wird / davon wir nicht daselbst
Lands⸗Leute angetroffen, da waren Teutsche / Franzosen / Spa⸗
nier / Jtaliäner / Engeländer / Holländer / Polen / Mos⸗
cowiter, Dänen / Schweden / rc. deren einer das Amt eines
Truchses oder Vorschneiders, der andere eines Mund⸗Schenckens, der
dritte wieder was anderes verwaltete. Dann ob schon aller andern
Baschen Häuser mit den schoͤnsten und wol gewachsensten Jung⸗
lingen angefüllet sind, denen die ganze Haußhaltung uͤbergeben ist,
und welche Gegentheils von ihren Herren wiederum alles erlangen
können, warum aber, wird ein jeder aus dem oͤfters angefüͤhrten
leicht errathen: so kan man doch hier bey dem Capudan Bascha
solche in noch grösserer Menge als anderswo antreffen / weil er täg⸗
lich Gelegenheit hat, dergleichen theils von andern zu erkaufen,
theils selbsten auch zu fangen. Unter andern habe ich einen von meinen
Lands⸗Leuten allda angetroffen, und des andern Tags bey dem Ni⸗
schanschi Bascha noch einen, der sonst zu Coͤln bekannt genug ist;
beide aber haben den Glauben verläͤugnet und sind zu der Tüͤrkischen
Religion übergetretten: dahero sind eben meine Lands⸗Leute
auch nicht jederzeit welche von den besten, ob sie schon in einer heiligen
Stadt gebohren worden, von denen man deswegen glauben solte, daß
sie eines solchen Lasters nicht fähig wären. Es forschte der Herr
Bot⸗
- 465 -
Abschieds⸗Visiten von den Vornehmen des Hofs.
415
Botschafter gar genau / ob ausser ihnen von den Umstehenden je
Herr Bot⸗
schafter be⸗
kuͤmmert
sich um die
Bekehrung
der Abtrün⸗
nigen.
⸗
mand Latein verstünde; und als Er hierauf versichert worden, daß
sonst niemand zugegen seye, hat Er sie beide besonders und ganz
freymüthig, als hätte er was ganz anders vor, und mit uns selbst
zu reden, damit niemand von den gegenwaͤrtigen was merken moͤg⸗
te, angesprochen, und ihnen ihr Heyl und kuͤnftige Ewigkeit zu be⸗
denken gegeben. Es ist aber Morea die Ursach ihrer beider Ver⸗
derben gewesen, woselbst auch noch viel andere Teutsche in nechst
verwichenen Jahren entweder ihr Grab oder Gefangenschaft gefun⸗
den, und haben die Türken öfters in einer einigen Stadt dieser
Landschaft mehr Teutsche bekommen, als in dem zwey⸗jaͤhrigen Venetianer
sind nach⸗
läßig in
Befreyung
der Scla⸗
ven.
Krieg in ganz Ungarn geschehen ist, davon die Venetianer die we⸗
nigsten, so sich bey Privat-Leuten gefunden, wieder ausgeloͤßt, und
nur etwan die oͤfentlich Gefangene / worzu ihnen der getroffene Frie⸗
de verholfen, frey gemacht haben. Gleich nach unserer Ankunft und
Tracta⸗
ment und
Beschrei⸗
bung des
Capudan
Bascha.
Eintritt in das Zimmer ist alsobald Caffé, eingemachte und auch
trockene Früchte / Zucker, Gebackenes und Rauch⸗Werck herbey⸗
geschafft worden: hierauf kamen die Schiff⸗Leute, alle Befehls⸗
haber über die Galeeren, Kriegs⸗Schiffe und andere Fahr⸗Zeuge, so
diesen oder den kuͤnftigen Tag abfahren solten, kuͤßten den Capu⸗
dan Bascha aus Respect den Saum seines Rocks, worgegen Er
ihnen hinwiederum mit Auflegung der Hand auf ihre Stirne den See⸗
gen ertheilte, und sie also wiederum in Frieden von sich ließ. Dieser
Capudan Bascha nennet sich Solymann, ist ein freundlicher
und lieber Mann, und bey allen, die ihn kennen / wegen seiner
Freundlich⸗ und Aufrichtigkeit in grossen Estim, auch den Christen
mehr, als die andern, geneigt. Er hat den Jesuiten Cachot oft Auf der
Türken
Treue ist
nicht zu
bauen.
gesagt, daß man auf der Tuͤrcken Treue und Glauben nicht viel
bauen duͤrfe / man muͤße im Handel es gleich mit ihnen richtig ma⸗
chen, und die Sache nicht lang in andern Häͤnden lassen, dann wir
pflegen, setzte er hinzu, unser Wort schlecht zu halten, wann wir
auch gleich darauf schwoͤhren, und wann wir uns einer bessern Red⸗
lichkeit befleisigten, wuͤrden wir für Journ / und nicht besser als
ihr, gehalten werden. Es hatte derselbige eines Nachbarn kleines
Kind bey sich / so in einem den Dervisch gewöͤhnlichen Habit ein⸗
gekleidet war, welches er sehr lieb hatte / und es zum öftern auf
den Armen herum truge. Ich fragte deswegen einen von unsern
Dol⸗
- 466 -
416
Drittes Buch / Neunzehende Abtheilung /
Türken
pflegen ih⸗
re Kinder /
wie man⸗
che Röm.
Catholi⸗
sche / in ei⸗
ne gewisse
Ordens⸗
Tracht zu
kleiden.
Dolmetschen, ob dann dieses Kind auch ein Dervisch wäre? worauf
er mir zur Antwort gab / man könne es zwar keinen Dervisch nen⸗
nen, es ahmten aber die Tuͤrken hierinnen einigen Catholischen El⸗
tern nach / welche aus sonderbahrer Ehrerbietung, entweder, weil sie
glauben, daß sie durch Vorbitt der Heiligen ein solches Kind er⸗
halten, nachdem es lange Zeit angestanden / bis sie eines bekom⸗
men; oder weil es an eines geistlichen Ordens⸗Stifters Namens⸗
Tag gebohren worden; oder weil sie eines gewissen Heiligen Ga⸗
ben vor andern hochschätzen, und wuͤnschen, daß ihre Kinder sich
solchen zu einem Muster vorstellen mögten / oder was es sonst für
eine Ursach mehr seyn mag / nicht allein ihre erste, sondern auch
die nachfolgenden Kinder in gewisse Moͤnchs⸗ und Ordens⸗Ha⸗
bit einkleiden. Indessen wurde das Essen aufgetragen, worbey ei⸗
ne solche Ordnung und Reinigkeit zu sehen war / dergleichen wir sonst
noch nicht beobachtet; so liesse sich auch bisweilen eine Music höͤ⸗
ren.
Sultans
Leib⸗
Schiff.
Hier hatten wir Gelegenheit, des Sultans Leib⸗Schiff
zu sehen / auf welchem Er auf dem Canal und dem Meer vor dem
Hellespont zu fahren pflegt: es war selbiges mit acht und zwan
Bedecktes
Schiff darf
ausser dem
Sultan
und Groß⸗Vizir nie⸗
mand füh⸗
ren.
⸗
zig vergüldeten Rudern versehen, und oben bedeckt, dergleichen sonst
ausser dem Sultan und Groß⸗Vizir / jedoch diesem mit
wenigern Rudern, niemand / wer er auch ist, zu führen erlaubt
wird. Vor wenig Jahren hatte sich ein Französischer Botschaf⸗
ter auch eines auf diese Art machen lassen, als er es aber ins Was⸗
ser gebracht, und sich dessen bedienen wollen, ist es ihm durch ei⸗
nen Kaiserlichen Befehl ernstlich untersagt worden, also daß er es
niemals mehr gebrauchen doͤrfen. An diesem Kaiserlichen Schiff
war das Vorder⸗Theil, das Ruder, die Hacken, alles mit silber⸗
nen Blatten beschlagen, und auf dem Hintern⸗Theil stunde eine mit
kostbaren Steinen besetzte Laterne. Man schätzte das ganze Schif
mit allem Zugehöͤrigen auf hundert Beutel, oder 50000. Reichs⸗
Thaler, so 15666⅔. Ducaten ausmachen.
Von hier sind wir in das Zeug⸗Hauß gangen, die grosse
Der Türkē
Arsenal.
Kriegs⸗Schiffe, so in dem Hafen lagen / zu besehen. Es waren der⸗
selbigen vier und vierzig / ohne die Galeeren von zwey⸗drey⸗ und
Der Tür⸗
ken See⸗
Macht.fünf⸗Ruder⸗Ordnungen, die keine oder doch wenig Stüͤcke fuͤh⸗
ren; und wann man zu diesen diejenige rechnet, so von Algier / Tri⸗
poli
- 467 -
Abschieds⸗Visiten von den Vornehmen des Hofs.
417
poli und Tunis / zu Hülf schicken, samt denen, die sie von den
Kaufleuten an sich handeln und schon ausgerüstet sind, auch für ein
jedes derselben 15000. Reichs⸗Thaler, oder 5000. Ducaten jährlich,
so lang sie nemlich Dienste thun / bezahlen, welche aber nach erfolg⸗
ten Frieden ihren Eigenthums⸗Herrn wieder zugestellt werden muͤs⸗
sen; wann, sage ich, man diese alle zusammen rechnet, so bringen sie
eine Schiffs⸗Flotte von 130. Schiffen zusammen, welche sie alle
wider den Feind gebrauchen köͤnnen. Oft bemeldtes Leib⸗Schiff
war 140. Schritt lang, und bis 30. Eln (cubitus) breit, führte
120. Stücke, darunter einige so grosse Kugeln schossen, daß keiner
unter uns so dick gewesen, der nicht ganz gemaͤchlich in das Mund⸗
Loch mit völligen Leib hätte hinein schliefen können: an dem Ufer
sahe man eine unglaubliche Menge Stucke liegen. Zur selbigen Zeit
wurden auch noch vier andere Schiffe erbauet/ worunter eines das
Leib⸗Schiff seyn, und das gegenwäͤrtige an Gröͤsse uͤbertreffen sol⸗
te; hiernebst aber zwey kleinere, und eine Galeere von fuͤnf Ruder⸗
Ordnungen, dergleichen daselbst noch nicht zu sehen gewesen / und
welche man das Huren⸗Kind nennen wolte.
Als wir nun die Schiffe in Augenschein genommen, giengen
wir durch einen gewoͤlbten Ort in den Baino/ der uͤber 1000.
Schritt sich in die Länge erstreckte / worinnen die grosse Schiff⸗
Seile gemacht werden; bey dessen Ausgang aber fande der Herr
Botschafter seine Tschaicken, in welche Er sich setzte, und da⸗
mit wiederum nach dem Capudan Bascha fuhr, die uͤbrigen aber
sind Jhme zu Fuß dahin gefolget. Nachdem wir uns nun noch ei⸗
nige kurze Zeit allda aufgehalten, hat sich der Herr Botschafter
dem Capudan Bascha zu aller Freundschaft offerirt und seinen Geschenck
an den Hn.
Botschafter
von dem
Capudan⸗
Bascha.
Abschied genommen: dieser hingegen Seiner Excellentz zur
Bezeugung seiner beständigen Gewogenheit zwey damascinirte und
mit Steinen / Elfenbein, Perlen⸗Mutter und Silber ausgezierte
Röhren / fünf Teppiche, darunter drey grosse woͤllene mit einem
guldenen Saum, und zwey kleine seidene mit Gold und Silber ge⸗
stickt, waren, nebst einem zahmen Tieger⸗Thier und zwey Sclaven
verehrt, davon der eine aus Danzig / der andere aber von S. O⸗
mer, in der Grafschaft Artois, gebürtig gewesen: der Adel und
die Hauß⸗Bediente bekamen die gewöhnlichen Tüchlein.
Die
Ggg - 468 -
418
Drittes Buch Neunzehende Abtheilung /
Ubrige Vi⸗
siten des
Hn Bot⸗
schafters
bey den
Vornehm⸗
sten des
Hofs. Die nechstfolgende Täge bis den 18. April hat der Herr
Groß⸗Botschafter bey dem Nischanschi Bascha / dem Tochter⸗
Mann des Groß⸗Vizirs / wie auch bey dem Kiaha / des
Sultans Oberst⸗Hofmeister, auch einen Eidam des Groß⸗
Vizirs, und der ihm auch zugleich in seinem Amt muß behülflich
seyn / ingleichen bey dem Janitscharn⸗Aga / dem ersten Tefter⸗
dar oder Zahl⸗Meister / und dem Reis⸗Efendi oder Reichs⸗Canz⸗
ler / seine Visiten abgelegt, welche zum theil in der Stadt / zum
theil aber an dem Canal in ihren Gärten wohnten: diese alle sind
dem Herrn Groß⸗Botschafter mit sonderbahrer Ehr⸗Bezeugung
begegnet / und haben gleichsam mit einander certirt, wer es den
andern hierinnen zuvor thun könnte. Man hat jederzeit dabey
Gast⸗Mahle angestellt, Schau⸗Spiele, Fecht⸗Schulen und Lust⸗
Treffen gehalten, so hat es auch nicht an Music und Dänzen ge⸗
fehlt, nach dem es nemlich eines jedweden Bewohnung oder Platz
zu gelassen. Es wurden auch die Geschenke dabey nicht vergessen,
und dem Herrn Botschafter jederzeit ein Pferd mit Sattel und
Zeug, wie auch damascenirte Flinten, Türkische Teppiche oder
Tüchlein verehrt, von welcher letztern Gattung auch der Adel und
andere ihren Antheil bekommen. An den auserlesensten Früchten
fanden wir nirgend keinen so grossen Uberfluß / als bey dem Kia⸗
ha / welche öffentlich ausgestellt waren, damit ein jeder, so viel und
Woleinge⸗
gerichtete
Music bey
dem Kiaha.oft davon nehmen kunte, als ihm nur selbst beliebte. Es war auch
die Music daselbst besser als bey andern bestellt, wie dann unsere
Ohren allhier mit einer so lieblichen und ausnehmenden Instrumen⸗
tal-Music ergötzet worden, daß auch die Virtuosen in unserm Land
solche mit Lust würden angehöͤrt haben; an welcher sich auch der
Herr Botschafter dermassen delectirt, daß er nicht nur biswei⸗
len einige Stücke wiederholen liesse / sondern auch etlichen seiner ei⸗
genen Musicanten anbefohlen, fleissig darauf acht zu geben, und
es aufzusetzen, um dasselbige mit nach Teutschland zu bringen. Bey
dem Janitscharn Aga trafen wir die vortreflichsten Ringer an;
die Comödien aber waren bey allen gleich eingerichtet / und bestun⸗
den in unflätigen Possen, geilen Gebärden, und unverschämten Ent⸗
führungen. Hier waren auch einige tausend Janitscharen mit ihren
Gefangene
werden
dem Hrn.
Botschafter
zu Ehren
loß gelas⸗
sen.Officirern commandirt; und so bald Seine Excellentz ins Hauß
getretten / wurde Jhnen zu Ehren eine Menge der Gefangenen / so
alle
- 469 -
Abschieds⸗Visiten von den Vornehmen des Hofs.
419
alle auf dem Tod gesessen, auf freyen Fuß gestellt. Daselbst habe
ich auch einen Franzosen von ungefehr siebenzehen Jahren, einen zar⸗
ten und schöͤnen Jüngling angetroffen, der aus dem Geschlecht der
Viviers zu Romand / einer Stadt im Delphinat / gebohren. Abgefalle⸗
ner vor⸗
nehmer
Franzos.
Er gab sich vor einen Befreunden des Herzogs von Beauville
aus, und sagte, wie sein Vater noch lebe / der ein General un⸗
ter der Koͤniglichen Armée und Stadthalter üͤber eine Provinz
des Königreichs seye: er hätte auch zwey Brüder noch im Leben,
davon der eine Obrist⸗Lieutenant unter des Herzogs von Beau⸗
ville Dragoner⸗Regiment / der andere aber Hauptmann unter dem
Herzog von Noailles wäre. Man hat ihn den zweyen Söhne des
Janitscharn⸗Aga zugesellt / die er auch beide auf dessen Befehl
vor den Herrn Botschafter gebracht, so ebenfalls sehr schöͤne
junge Herrn waren, mit denen er Schreiben / Lesen, Reiten und an⸗
dere dem Türkischen Adel anständige Exercitien lernet. Er ist von
den See⸗Räubern zu Modon in Morea gefangen worden, da er
mit etlichen Venetianern auf ein Schiff gegangen und sich etwas
zu weit von der Stadt entfernet hatte. Dieser versprach einen aus un⸗
sern Adel, meinem Landsmann, der auch nicht haͤßlich von Gestalt
war, jährlich 1500. Ducaten, oder 6000. Gulden zu verschaffen,
wann er ein Tuͤrk werden wolte; und damit er ihn desto leichter dar⸗
zu bringen moͤgte, ruͤhmte er sehr, was der Janitscharn Aga füͤr Beschrei⸗
bung des
Janit⸗
scharn⸗Aga.
ein raisonabler Mann wäre, wie er dann dergleichen Lob wol ver⸗
diente: er setzte hinzu, daß sein Herr auch von Catholischen Eltern
gebohren, und sein Vater und Mutter Armenier gewesen seyen; dessen
Bruder seinem Exempel gefolget, und sich grosse Ehre und Reich⸗
thum damit erworben habe, er begleite nunmehr die Charge als
General über das Fuß⸗Volk, und habe zugleich das ganze Hauß
seines Bruders unter seinem Commando: er wolte zwar seine El⸗
tern auch darzu vermöͤgen, sie hätten es aber abgeschlagen, und
sich nicht wenig damit geschadet, als welche sich dadurch glüͤcklich ma⸗
chen und zu grossen Ehren gelangen köͤnnen. Ferner rühmte er ihn
auch wegen seiner Gütig⸗ und Freygebigkeit, als der die ganze Zeit
seines Regiments gar wenig hinrichten lassen, und nur solche, die was
gar schwehres verbrochen, denen meisten aber häͤtte er grosse Wol⸗
thaten erzeigt. Dieser Aga ist auch gewohnt, öfters sich verklei⸗
det durch die Stadt zu gehen, und seiner Pflicht gemäß zu be⸗
obach⸗
Ggg 2
- 470 -
420
Drittes Buch / Neunzehende Abtheilung /
obachten, ob etwan nachtheilige Reden wieder die Regierung ge⸗
führt werden; wann er nun welche antrifft, so verwegene Worte
ausstossen, oder aufrüͤhrische Versammlungen anstellen, dergleichen
Verbrechen ein anderer mit dem Tod bestraffen wuͤrde, läͤßt er sie,
damit die Laster nicht ungestrafft bleiben, und solche nachtheilige Zu⸗
sammenkuͤnften doch auseinander gejagt wuͤrden, entweder ins Ge⸗
fängnuͤß werfen, oder ins Elend verweisen. Zu derjenigen Zeit, als wir
uns bey dem Nischanschi Bascha aufhielten, hat sich ein starker
Nord⸗Wind erhoben, daß wir nicht ohne Gefahr über den Canal
setzen kunten; wie dann auch den 8ten und 20ten dieses auf dem
Schwarzen⸗Meer unterschiedliche Schiffe zu Grund gangen, davon
zwey schon bis an die Saͤulen Pompeji gekommen sind, und dann
erst, da sie in den Hafen einlaufen wollen, Schiffbruch gelitten haben.
Hier kan ich auch nicht mit Stillschweigen vorbey gehen, daß
Ragozki
muß sich
von Con⸗
stantinopel
weiter ent⸗
fernen.
den Tag vor Ankunft des Couriers von Wien / da wir uns eben
bey dem Kiaha aufgehalten, der Capudan Bascha von dem
Groß⸗Vizir wiederholten Befehl bekommen, den Ragozi /
der sich bisher noch immer ohnweit Constantinopel aufgehalten, von
dar nach der Jnsul Radosto, in dem Meer vor dem Hellespont
zu schaffen, nach dem der Herr Botschafter schon öfters darum an⸗
gehalten, aber es noch nicht zur Execution bringen koͤnnen, weil bemeld⸗
ter Ragozi an dem Capudan Bascha einen Patron hatte, der
solches von einer Zeit zur andern aufgeschoben, weil er hierinnen von
dem Gesandten einer gewissen Potenz, den ich nicht nennen will, secun⸗
dirt worden.
Den 18. dito ist in aller Frühe Andreas, ein Schiff⸗Patron,
Schiff Pa⸗
tron wird
aufge⸗
hängt. aus der Jnsul Maltha gebürtig, in einem Schiff aufgehängt worden,
und hat also mit obgemeldtem Tourtain ein gleiches Ende genommen,
als dessen Tod er zu raͤchen bedacht gewesen; zu welchem Ende er einem
gewissen auf den Jnsuln commandirenden Bascha nachgestellt, den
er auf gleiche Weiß hinrichten wollen, allein zu seinem Ungluͤck hat man
ihm eher ertappt, als er sein Vorhaben ausgefüͤhrt, und ist mithin in
diejenige Gruben gefallen, die er einen andern gegraben. Er ist in
einem eisenfarben Kleid mit samt den Stifeln aufgehenkt, und ihm der
Hut an den Kopf angebunden worden, zum Zeichen, daß er nicht unter
die Muselmänner gehöre. Die Türken haben deswegen wiederum
ein grosses Frolocken angestellt, doch ist es jenem, so sie neulich bezeigt,
lang
- 471 -
Abschieds⸗Visiten von den Vornehmen des Hofs.
421
lang nicht beygekommen. Man hat ihm schon laͤngst dergleichen Ende
Woran er
es ver⸗
schuldet.
propheceyet, sonderlich damaln, als er seine erste Frau, die er schon lang
in Verdacht gehabt, un̄ nun in frischer That auf den Ehebruch ergriffen,
mit einem Pistol todt geschossen hatte. Ob sie nun wol nicht ausser
Schuld war, sintemaln er sie noch darzu als ein armes Bettel⸗Mädgen
auferzogen, und nachgehends zu seiner Frau angenommen, so hätte er
doch gleichwol in dieser Sache sein eigener Richter nicht seyn sollen. Es
hat sich aber die Sache folgendermassen zugetragen: als er von einer
Expedition zu Wasser wieder nach Hauß gekommen / haben ihn seine
Freunde hinterbracht, daß seine Frau in seiner Abwesenheit, mit einem
andern sich allzu gemein machte; als er aber solches nicht glauben wol⸗
len, weil sie keinen genugsamen Grund ihrer Meinung anzugeben wu⸗
sten, nichts destoweniger von andern eben dieses berichtet worden, schick⸗
te er einen vertrauten Menschen ab, der ihm zu einer Reisse nach Sici⸗
lien abruffen, und bedeuten solte, daß er alsobald dahin abfahren müͤste;
hierauf stellte er sich zu Hauß / als ob er nun abreisen wüͤrde / hält sich
aber indessen bey einem guten Freund auf / gibt auf alles wol Achtung,
und laͤßt die Schiffe anders wohin laufen: indem stehet er zu Nachts
auf, begibt sich nach seinem Hauß, und findet alles, wie er berichtet wor⸗
den, laͤßt aber doch den Ehbrecher laufen, und nur die Frau ihre Untreu
mit dem Leben bezahlen; den folgenden Tag verfuͤgt er sich nach dem
Ehebreche⸗
rin auf fri⸗
scher That
ermordet.
Groß⸗Meister zu Malta / erzehlt alles Vorgelauffene, und erhäͤlt
deswegen Verzeihung: ob er im uͤbrigen Kinder mit ihr gezeigt, oder
sie ohne dieselben in die andere Welt geschickt, hab ich so eigentlich
nicht erfahren koͤnnen. Er hat nachgehends eine andere Frau genom⸗
men, welche aber gleichfalls noch vor ihm gestorben ist.
Abschieds⸗
visite bey
dem Groß⸗Vizir. Den 19ten nahm der Herr Botschafter von denen hier anwe⸗
senden Gesandten Abschied, und begab sich alsdann üͤber den Canal
nach dem Groß⸗Vizir, um Sich auch bey demselbigen zu beurlauben,
wobey es eben also, wie bey unserer Ankunft / gehalten worden. Die
Herren Gesandten haben sich nach Verfliessung dreyer Tagen, wieder⸗
um eingestellt/ Sr. Excellentz zur bevorstehenden Reiß Glüͤck zu wuͤn⸗
schen, auch alles dasjenige dabey in acht genommen/ was sie sonst bey
dem Empfang zu observiren pflegen. Der Groß⸗Vizir hat un⸗
sern Herrn Botschafter abermal mit einem vortreflichen Schimmel
Desselbi⸗
gen ge⸗
machtes
Présent. samt Sattel und Zeug nebst einem Zobel⸗Pelz regalirt, unter die Suite
aber sind nachmaln die gewoͤhnliche Caftan ausgetheilt worden. Sein
Ab⸗
Ggg 3
- 472 -
422
Drittes Buch, Neunzehende Abtheilung /
Abschieds⸗Compli⸗
ment. Abschieds⸗Compliment richtet Er gegen alle fast auf einerley und unge⸗
fehr folgende Weise ein: Er wäͤre nun bereit, auf Jhro Römisch⸗
Kaiserlichen Majestät / seines Allergnädigsten Herrens, er⸗
haltenen Befehl / nun wieder nach Teutschland zuruck zu⸗
kehren; womit Er sich zwar dem Leib nach entferne / aber
mit dem Gemüth Jhnen jederzeit zugethan verbleibe; wol⸗
ten Sie sich gefallen lassen / solches bey Gelegenheit auf die
Prob zu stellen / wuͤrden sie befinden / daß es Jhm an guter
Gewogenheit gegen sie niemaln fehle.
Die Herren von Wetstein / Weipler / Aussem und Franken
Einige von
Adel wer⸗
den von
des Capu⸗
dan Bascha
Zahl⸗Mei⸗
ster tractirt.
sind von dem Zahl⸗Meister des Capudan⸗Bascha zu guter letzt invi⸗
tirt worden / um sich nochmaln mit einander zu divertiren, und des
bisher passirten in aller Vergnügung zu erinnern. Es ist bey der letz⸗
ten Visite des Capudan Bascha schon angemerkt, daß diese Herren
mit einer mehr als gemeinen Vertraulichkeit seinem Bedienten begeg⸗
net, weswegen er ihm befohlen / sie nochmaln zu invitiren / um nach
Lands⸗Gewohnheit sich mit einander lustig zu machen. Der Herr von
Wetstein hatte ihn bereits in vorigen Krieg in denen Niederlanden
als Fähndrich gekannt / zu welcher Zeit sie beide in Diensten gestanden;
nach dem aber der Friede mit den Franzosen erfolgt, ist solcher zu den
Venetianern gegangen, unter welchen er dann gefangen worden.
Er war von einen vornehmen Adelichen Geschlecht aus Westpha⸗
Dessen Her⸗
kommen. len, nicht weit von Hanover, davon noch heut zu Tag viele im Leben
sind / deren Namen ich aber mit Vorsatz verschweige. Dieser ist dem⸗
nach so gleich frühe um fünf Uhr, mit noch einen der gleichen Renega⸗
ten, der, wie ich oben schon gemeldet, mein Landsmann war, gekommen,
seine Gäͤste abzuholen, welche auch aufs beste tractirt worden, und we⸗
der an Wein noch andern Geträͤnken den geringsten Abgang verspuͤhrt.
Jm Weggehen sind sie gewöhnlichermassen mit Tüchlein beschenkt,
auch ihnen ein Schiff, um darauf heimzufahren, offerirt worden, wel⸗
ches sie aber mit aller Höflichkeit abgeschlagen / weil sie nur über einen
nicht sonderlich grossen Berg bis nach Hauß zu gehen hatten.
Zwanzigste Abtheilung.
Der Herr
Botschaf⸗
ter wird
nochmaln
von dem
Groß⸗Vizir
invitirt.
VOn dieser Zeit an ist der Herr Botschafter niemaln mehr zu
dem Groß⸗Vizir in Sachen, die seinen Character betroffen,
gekommen, und als dieser den 21ten, da Se. Excellentz von dem Dol⸗
metsch
- 473 -
Des Hn. Botsch. Verricht. nach nidergelegten Character.
423
metsch der Pforten weggiengen, Sie in seinem Garten an dem Canal
invitirt hatte, ließ er zur Antwort sagen: der Roͤmisch⸗Kaiserli⸗
che Botschafter sey mit dem Einpacken beschaͤftiget, und koͤnne
nun mit dem Groß⸗Vizir weiter nicht sprechen; es wuͤrde aber der
Kommt oh⸗
ne Chara⸗
cter.
Graf von Virmond mit seinem ganzen Collegio Musico kommen,
von dem der Jbrahim ersucht wuͤrde, seine Musicanten gleichfalls
herbey zuschaffen, damit sie sich einmal mit einander lustig machen moͤg⸗
ten / nachdem sie bisher nur von ernsthaften und das gemeine Wesen be⸗
treffende Sachen mit einander geredet hätten. Dieses ist auch gleich
den Tag darauf geschehen / und sind bey dieser Gelegenheit unsere Mu⸗
sicanten von dem Jbrahim reichlich beschenkt worden. Man muß Wann die
Staats⸗Affairen
bey einem
fremden
Minister
bey der
Pforte sich
anfangen
und endi⸗
gen.
aber hiebey wissen, was ich gleich Anfangs erinnert, daß ein Gesandter
nicht eher eine oͤfentliche Staats⸗Person præsentiret, noch etwas dem
gemeinen Wesen zum besten tractiren kan / bevor er bey dem Groß⸗
Vizir Audienz gehabt, und deswegen nach seiner Ankunft vorher zu
Jhm kommt, ehe er vor den Sultan gelassen wird also hat auch sei⸗
ne öffentliche Bedienung ein End, wann er von Jhm bereits Abschied
genommen, so daß derjenige hernach der letzte wird, welcher vorher der
erste gewesen. Es haben aber Se. Hoch⸗Graͤfliche Excellentz gleich⸗
wol alle Herren Gesandte nochmaln zu sich geladen, ausser den Engli⸗
schen, welchen das Podagra in seinem Bett arrestirt hatte / wie Sie
dann hinwiederum von dem Franzoͤsischen / Venetianischen und
Holländischen mit dem ganzen Adel tractiret, auch von diesem letz⸗
tern und dem Französischen zu Fuß in Jhrem Logis besucht worden /
um den letzten Abschied von Jhnen zu nehmen. Es haben sich anbey
Herr Bot⸗
schafter
findet sich
auf einer
Hochzeit
ein.
Se Excellentz bey der Hochzeit des Dolmetschen der Franzö⸗
sischen Nation, und der Tochter des Venetianischen Dolmetschen
eingefunden / als die Trauung wenig Tage vor der Abreiß in des Fran⸗
zösischen Gesandten Capell vollzogen wurde. Der Bräutigam hatte ei⸗
ne grosse Begleitung von Manns⸗Personen, der Braut aber folgten Prächtiger
Aufbutz
des Grichi⸗
schen Frau⸗
enzimmers.
eine zimliche Anzahl Frauenzimmer in den vortreflichsten Schmuck;
deren Haupt⸗Haare mit allerhand kostbaren Steinen, Gold, Blumen
und netten Reiger⸗Büͤschen gezieret ware: an den Fingern, Hals,
Ohren und Brust funkelte gleichfalls alles von Steinen und Perlen.
Die Braut / auf deren Haupt die Reiger⸗Büsche sehr prächtig stutz⸗
ten, die Brust aber mit Edel⸗Steinen wie gleichsam besäet schiene,
führte der Venetianische Gesandte / den Braͤutigam aber die
Ge⸗
- 474 -
424
Drittes Buch / Zwanzigste Abtheilung /
Gemahlin des Französischen Gesandten zum Altar vor den Erz⸗Bi⸗
schoff zu Ancyra, welcher hier des Patriarchen Stelle vertret⸗
ten und die Trauungs⸗Ceremonie versehen hatte. Gemeldte Braut
Venetiani⸗
scher Dol⸗
metsch
stirbt we⸗
gen seiner
Treue eines
gewal[t]sa⸗
men Tods. nannte sich Navoni / und war kaum sechzehen Jahr alt, deren Vatter
wegen der gegen die Republic Venedig gehägten Treue / bey welcher
er in Diensten gestanden / einen gewaltsamen Tod erleiden müͤssen, wie
dann seine Grab⸗Schrifft, die heut zu Tage auf dem Catholischen Got⸗
tes⸗Acker zu Pera in Marmel gehauen zu lesen, eben dieses zu verste⸗
hen giebt. Er hat nemlich die Venetianer, ehe noch der Krieg in Mo⸗
rea angekündiget worden, durch Schreiben gewarnet, daß sie auf ih⸗
rer Hut seyn, und die Stadte wol besetzen solten, weil sich die Tuͤr⸗
ken zu Wasser und Land rüsteten, und dieses Wetter ohne Zweifel über
sie ausgehen würde: Einsmals ließ ihn der Topchi Baschi gleich
Frühe zu sich kommen, und vermeldete ihm / daß der Groß⸗Vizir et⸗
was mit ihm zu reden habe: er bezeigte sich alsobald gehorsam / setzt über
den Canal und præsentirt sich dem Groß⸗Vizir, der ihn so gleich die
durch ihn an die Venetianer geschickte von den Tüͤrken aber aufge⸗
fangene Brieffe vorlegte, und ihm fragte: ob er sie kenne? als er
nun hieruͤber sehr erschrocken, wurde er doch befehlicht, sich nach Hauß
zu begeben; da er aber nach Pera auf den Berg und in diejenige Gasse
kommt, die nach seinem Quartier gieng, wird er von dem schon vorher
darzu bestellten Häschern angepackt, und ohne fernere angezeigte Ur⸗
sach aufgehenkt; und als er die Leiter und den Balken an der Mauer
stehen sahe, und deswegen fragte, was dieses zu bedeuten hätte? be⸗
kam er zur Antwort, daß es ihm angienge, er solte sich nur eilfertig
zum Tod bereiten, weil man ihn daran hangen wuͤrde / und also muste
er ohne Abschied von Weib und Kindern aus dieser Welt wandern,
Dolmetsch
warum de⸗
ren so viel
hingerich⸗
tet werden. da er sich solches am wenigsten eingebildet hatte. Es haben auch schon
viele Dolmetsch dergleichen End genommen, vornemlich wann sie sich
nicht in ihren Schranken gehalten, sondern in fremde Händel gemischt.
Der Le Brun, so den Tüͤrken viele Geheimnuͤsse verrathen, auch mit
Exempel
von einem
Französi⸗
schen Dol⸗
metschen. seinen Anschlägen ihnen nicht wenig genutzt, ist gleichwol in dem Lager
vor Belgrad auf des Ahli Befehl, als er nach der Belägerung Pe⸗
terwardein gereißt, in seinem eigenen Zelt, welches von des Groß⸗
Vizirs seinem nicht weit entfernet war, mit vielen Wunden umge⸗
bracht worden. Dieser hatte in Gewohnheit / immer der Türkischen
Armee zu folgen, und alles auszuforschen, auch durch seine Intriquen
zu
- 475 -
Des Hn. Botsch. Verricht. nach nidergelegten Character.
425.
zu wegen gebracht, daß man ihm an seinem Hof mehr Glauben zustellte,
als den Gesandten selbst / dessen Dolmetsch er gewesen; also
daß man bemeldten Gesandten einsmals vom Hof aus geschrieben:
man koͤnne sich nicht darein finden/ ob sie an den Dolmetsch einen Ge⸗
sandten oder nur des Gesandten Dolmetsch haͤtten, weil sie mehr neues
von dem Dolmetsch als von dem Gesandten selbst erfuͤhren; es schie⸗
ne, als wann er nur des Dolmetsch Gesandter wäre, weil er niemal
was neues, sondern lauter alte Sachen berichtete, und nur dasjeni⸗
ge bekraͤftigte, oder deutlicher machte / wovon ein ander vor ihm schon
längst Nachricht gegeben. Tarsi / weil er sich in Staats Sachen, Noch meh⸗
rere Exem⸗
pel.
die ihm nichts angiengen, gemengt/ ist auf die Tortur gebracht worden,
um zu sehen, ob man nicht ein Geheimnuͤß von ihm heraus bringen koͤn⸗
te. Timoni / ein vortreflicher und sehr beruͤhmter Medicus, hat den
Türken versprochen, Grichisch⸗⸗Weissenburg unter gewissen Con⸗
ditionen wiederum ihrer Botmaͤssigkeit zu unterwerfen / auch sich zu
noch mehr andern Sachen, die nicht in seiner Macht stunden, an⸗
heischig gemacht, weil er aber am Ende gesehen, daß er nicht mit aus⸗
langen koͤnnen, hat er sich, aus Furcht eines schmäͤhlichern Tods, selbst
umgebracht. Er war im uͤbrigen in seiner Wissenschaft ein gelehrter
Mann, und hat viele Merk⸗Zeichen davon in einem Medicinischen
Manuscript hinterlassen, welches sehr estimirt wird. Doch seye ferne
von mir, daß ich einen von denenjenigen Dolmetschen, die sich gegen⸗
wärtig bey der Pforte aufhalten, culpiren wolte; ich kenne viel bra⸗
ve Leute unter ihnen, welche für die gemeine Wolfarth und ihrer Her⸗
ren Nutzen tausendmal sterben wüͤrden / wann die Sachen
darnach beschaffen wären: vielmehr rede ich nur von diesen, die
sich in fremde Händel mischen, ihrer geschwohrnen Treue verges⸗
sen, durch heimliche Verständnuͤß Stoͤrer der gemeinen Ruhe,
und eine Ursach allerhand Streit und Tumults, ja wol öfters gar
höchst gefährlicher Kriege sind. Man mag es demnach nur von die⸗
sen verstehen, von welchen man Sprichworts⸗Weiß zu ConstantiSprich⸗
wort von
den Dol⸗
metschen
zu Constan⸗
tinopel.
⸗
nopel sagt, daß daselbst drey greuliche Arten der Pest regieren,
die eine davon ware die natuͤrliche / die andere das Feuer / die dritte
aber und gefäͤhrlichste die Dolmetschen.
Den 24ten wurden die Pferde für den üͤbrigen Hof zugeVöllige
Anschi⸗
ckung zum
Aufbruch.
⸗
führt, nachdem man schon den Tag zuvor die für den ersten Adel
angeschafft hatte, den folgenden Tag aber gieng ein Theil von der
Baga⸗
Hhh
- 476 -
426
Drittes Buch / Zwanzigste Abtheilung /
Bagage ins Läger voraus. Dazumal liessen sich einige von den Unsri⸗
gen in Grichischer Kleidung nach Constantinopel uͤbersetzen, um
daselbst einige benöthigte Sachen einzukaufen; welches Habits sie
sich aber darum bedienten, damit sie desto wolfeiler handeln koͤnnten,
und auch einen freyern Zutritt zu des Sultans Stall und übrige
Oerter der Stadt haben moͤgten; aus welchem Stall Seiner Ex⸗
Gewohn⸗
heit bey
dem letzten
Present des
Sultans. Cellentz nochmaln ein vortreflich Kästen⸗braunes und recht König⸗
lich⸗ausgeschmücktes Pferd verehret worden; dabey der Gebrauch
observirt wird, daß, wer dasselbige haben soll, ihme etliche Schritt
entgegen gehet, alsdann sich darauf setzet, und es ein⸗ und andermal
im Kreiß herum führet: damit nun auch dieses hier ein desto gröͤsse⸗
res Ansehen machte, liessen Se. Excellentz eilends den in der Nähe
wohnenden Adel und Hauß⸗Bediente zusammen ruffen; und als Sie
wieder von dem Pferd abstiegen, invitirten Sie den Uberbringer
desselbigen in Dero Zimmer, beschenkten ihn mit einer silbernen Sack⸗
Uhr, und liessen unter die Reit⸗Knechte und Roß⸗Buben einige Du⸗
caten austheilen.
Den 26ten April, welches der letzte Tag unsers Hierseyns war,
Letzter Tag
des Hier⸗
seyns der
Röm Kai⸗
serl. Bot⸗
schaft.
sind alle noch zuruͤck gebliebene Bagage-Waͤgen folgends nach dem La⸗
ger gebracht, die Freyherrn von Locher und Studenitz aber mit
dem Dolmetsch Herrn Theyls zum Groß⸗Vizir abgefertigt wor⸗
den / um in Namen Sr. Excellentz Jhm nochmaln das letzte Adieu
zu sagen / und den gebuͤhrenden Dank für alle der Botschaft bezeig⸗
te Ehre und Höͤflichkeiten abzustatten; weil sie Jhn aber um selbige
Stunde nicht zu Hauß angetroffen, haben sie unbeschenkt wiederum
zuruck kehren muͤssen, es waͤre dann Sach / daß andere statt ihrer nach
unserm Abzug etwas bekommen haͤtten, welches ich eben nicht wissen
kan. Weil auch das Reiß⸗Gezeug schon voraus geschickt war, haben
viele von uns dieselbige Nacht in den Wirths⸗Haͤusern, oder bey
guten Freunden in der Stadt zubringen muͤssen; da unterdessen
alles zur gänzlichen Abreiß auf den andern Tag
angestellet worden.
Der
427
Der
Historischen Nachricht
Von der
Röm. Kaiserlichen Groß⸗Botschaft
nach Constantinopel /
Viertes Buch.
Begreifft die Heimreiß von Constantinopel
nach Wien.
Erste Abtheilung.
NAchdem nun die Stunde unsers Aufbruchs herVölliger
Aufbruch.
⸗
beygekommen / und wir bey dem Venetiani⸗
schen Botschafter das Früh⸗Stuck worzu
wir ausdrücklich etliche Tage zuvor eingeladen
worden, eingenommen, wobey es weder an Früͤh⸗
Stuck bey
dem Vene⸗
tianischen
Botschaf⸗
ter.
kostbarn Speisen noch delicaten Wein gefehlt,
sondern vielmehr desselbigen an rothen und
weisen / Jtaliänischen / Grichischen / Mu⸗
scateller / von der Jnsul Samos / Chio und Tenedos ein UberOrdnung
des Aus⸗
zugs.
⸗
fluß vorhanden gewesen, haben wir uns nach dem Garten desjeni⸗
gen Hauses verfügt, in welchem der Graf von Oettingen ge⸗
wohnt,
Hhh 2
- 478 -
428
Viertes Buch / Erste Abtheilung /
wohnt, wir aber diesesmal / so lang wir uns hier aufgehalten / unsere
Pferde daselbst stehend gehabt. Aus solchem sind wir in schöͤnster Ord⸗
nung bey einer alten Kirchen und dem Hauß der Patern Trinita⸗
rier / so sie erst kürtzlich gekaufft, dann auch die Wohnung der
Türkischen Edel⸗Knaben / (die zwar schon längst aufgebauet,
um den Grund des Hof⸗Lebens darinnen zu legen, von dem Ahli
Bascha aber ungefehr vor 6. Jahren für die junge Jchoglan wie⸗
derum renovirt, auch noch weitläͤuftiger und prächtiger, als vor⸗
her, ausgemacht worden,) und bey dem Pallast des Engelländischen
Gesandten vorbey üͤber den grossen Kirchhof zu Pera gezogen, um
den Herrn Groß⸗Botschafter abzuholen; so dann haben
wir Jhn von dar hinaus begleitet, und dem Pera den läͤngst⸗ge⸗
Begleitung
anderer
Gesand⸗
schaften. wünschten Abschied gegeben. Hierbey nun ist die ganze Französi⸗
sche Nation, und die Vornehmsten aus der Suite anderer Gesandt⸗
schaften, ausser den Engelländern, welche wegen eines Præcedenz⸗
Streits mit den Franzosen / sich niemaln zugleich mit diesen bey
etwas finden lassen, auf den kostbarsten und nett aufgebutzten Pfer⸗
den in prächtigster Kleidung zur Bezeugung des Respects und Freund⸗
schaft gegen uns vorher geritten / auch ihre Laquayen in ihrer von
einander unterschiedenen Livrée und mit ihren eigenen Janitscharn
zu Fuß voran gegangen. Die Holläͤnder machten bey diesem Zug
den Anfang, die Venetianer stellten sich in die Mitte, und die
Franzosen schlossen hinter diesen nechst an uns, doch so / daß ihre
Kauf⸗ und übrige Handels⸗Leute ihnen noch vorgiengen / und zu⸗
gleich die vornehmere Stelle uͤberliessen. Hierauf wurden des Hn.
Groß⸗Botschafters Hand⸗Pferde geführt, so theils Teutsch /
theils auf Türckische Manier aufgebutzt waren; im übrigen kam
alles mit dem Einzug zu Wien üͤberein / also daß die Leib⸗Wacht
Sr. Excellenz, und hier zugleich die Janitscharn / geschlossen
haben. Jn solcher Ordnung nun sind wir aus Pera/ woselbst
sich ganz Galata eingefunden, unsern Abzug mit anzusehen / mit
fliegenden Fahnen und klingenden Spiel, oder unter Trompeten⸗
und Paucken⸗Schall / und übrigen Music, die sich ohne Unterlaß
hören lassen, einen langen Weeg in guter Ordnung, nachgehends
aber durch einander üͤber Aecker und Wiesen bey dem suͤssen Wasser
vorbey geritten, bis wir nach der Vorstadt Job gekommen, allwo
wir uns wieder in Ordnung gestellt, und von dar weiters nach Taut
Bascha
- 479 -
Von dem Auszug und Aufbruch aus dem Lager.
429
Bascha in das uns angezeigte Läger marchirt; ehe wir aber noch
daselbst angelangt, haben wir von unsern Begleidern nach schuldi⸗
ger Dank⸗Abstattung für ihre Bemühung Abschied genommen. Zu Abschied
von den
Begleitern.
Ejup / welches so viel als die Vorstadt des H. Jobs ist / traffen
wir die Janitscharn in ihrer Ordens⸗Tracht und Fest⸗Hauben
in doppelter Ordnung an, welche den Zulauf des Volks abhielten,
und den Herrn Groß⸗Botschafter im Vorbeyreiten nach ihrer
Art ihre Reverenz bezeigten. Jn dieser Vorstadt hat sich abermal
eine unzähliche Menge Volks aus Constantinopel eingefunden,
weil wir bey unserm Abzug die Stadt selbst wegen Ungelegenheit
des Orts und Abgelegenheit des Lägers nicht betretten; und viele,
die uns schon gleich Früͤhe zu Pera gesehen / auch aus den Fenstern
herab und von der Gassen eine gluͤckliche Reise nach Teutschland
angewünschet / sind durch einen küͤrzern Weeg, uns noch einmal zu
Sultan
und Groß⸗Vizir sehen
den Abzug
mit an.
sehen, wieder dahin gekommen: ja selbst der Sultan mit dem
Groß⸗Vizir haben in verkleideter Tracht, damit man sie nicht ken⸗
nen moͤgte / irgendwo aus einem Hüttlein der Roͤmisch⸗Kaiserli⸗
chen Botschaft prächtigen Abzug, die dabey gehöͤrte lustige Music,
welche / so lang wir durch diese Vorstadt gezogen, niemal still gehal⸗
ten, die fliegenden Fahnen, und die denen Tüͤrken ganz ungewöͤhnli⸗
che Ordnung beobachtet.
Allhier siehet man eine Moschee / zu welcher die Tüͤrken heuMoschee /
worinnen
der Sultan
installirt
wird.
⸗
tiges Tags zweymal im Jahr aus der Stadt Wallfarthen gehen /
und ist diejenige Kirche, worinnen ehedessen die Grichischen Kai⸗
sere gecrönt worden, anjetzo aber denen Nachkommen Muha⸗
mets / als unrechtmäͤssigen Besitzern des Orientalischen Reichs,
wann sie nach Absterben oder Absetzung ihrer Vorfahren auf den
Thron kommen, der Moufti den Saͤbel umguͤrtet, worinnen fast
die ganze Croͤnungs⸗Ceremonie bey den Tuͤrken bestehet, nur daß
der neu⸗angehende Regent dabey schwehret, daß er bemeldten Sä⸗
bel zur Vertheidigung des Muhametanischen Gesetzes, des Volks
Beschützung und Ausrottung des Christlichen Namens gebrauchen
wolle. Als wir im Läger angelangt, fanden wir die Zelten schon Geschlage⸗
nes Läger.
alle aufgeschlagen, die insgesamt ganz neu, und ehedessen noch nie⸗
mal gebraucht waren/ vor den Herrn Groß-Botschafter aber
zwey schöne und kostbare auf Türckische Art verfertigte, davon das
klei⸗
Hhh 3
- 480 -
430
Viertes Buch/ Erste Abtheilung /
kleiner oben mit einem zweyfachen Dach vor Wind und Regen / zur
Seiten aber mit einem aus Baum Wollen gesponnen Wand⸗Tuch
versehen und zur Nacht⸗Ruhe gewiedmet, das andere aber, läͤnglicht
und groß, zum Speiß⸗Zimmer verordnet gewesen.
Present an
Jhro Röm.
Kais. Ma⸗
jestät / den
Prinz Eu⸗
genius, und
den Hn.
Botschafter
von dem
Groß⸗Vi⸗
zir.
Bald hierauf kamen von dem Groß⸗Vizir drey kostbare
Pferde an, ein Braun⸗rothes, und zwey Schimmel; das erste solte
Jhro Römisch⸗Kaiserlichen Majestät Carl dem VI.
das andere Jhro Hochfürstl. Durchlaucht dem Prinzen Eu⸗
genius zugestellt werden, und das Dritte der Herr Botschafter
für sich selbst behalten. Es fanden sich auch ihrer viele aus Pera und
Galata ein / uns nochmaln die letzte Ehre zu bezeugen; hingegen
giengen einige von dem ersten und zweyten Adel nicht nur noch sel⸗
bigen, sondern auch den folgenden Tag, so lang wir uns zu Taut
Bascha aufhielten, wiederum nach der Stadt, so wol noch unter⸗
terschiedliche Sachen einzukauffen, als auch die vorigen guten Freunde
und Freundinnen von den Franzosen, Engelläͤndern/ Venetia⸗
nern / und Holländern zu besuchen: so haben sich auch die Sprach⸗
Knaben / die unsern Auszug zieren helfen, wieder zuruck begeben,
ausser dem Herrn Managetta / welcher bey Sr. Excellenz noch
Hr. Schöt⸗
teler reißt
eben an die⸗
sen Tag zu
Wasser
nach Vene⸗
dig ab. einige Verrichtungen hatte. Zu eben selbiger Zeit ist der Herr Fer⸗
dinand Friederich Anton Schötteler / Fähndrich von der Leib⸗
Wacht, mit einem Schiff nach Venedig abgegangen, um sich von
dar weiter zu Land nach dem Virmondtischen Regiment, so auf den
Jtaliänischen Gränzen stunde, zu verfügen: er hat schon den Tag
zuvor absegeln sollen, hat sich aber mit dem Abschied⸗nehmen von
guten Freunden so lang aufgehalten, daß das Schiff nicht weiter
auf ihn warten wollen, sondern die Reise ohne ihn angetretten, also
daß er sich gezwungen sahe, des Tags darauf in einem andern Schiff
zu folgen, und ist also wider seinen Willen geschehen, daß er nicht
nur mit uns nach Orient gekommen, sondern auch von dar, wie⸗
wol einen andern Weeg, wiederum zu gleicher Zeit abgereißt.
Den 28.
April sind wir zwischen Taut
Bascha und Cete⸗
ros
still gelegen, und haben uns zur künftigen Reise recht fertig
gemacht, auch diejenige Kleider und
Zeug wieder eingepackt, die uns
so wol für Menschen als Pferde des
vorigen Tags bey dem Auszug
dienen muͤssen. Etliche giengen, wie
sie auf dieser Reise fast täͤglich
gewohnt
- 481 -
Von dem Auszug bis zu dem
Aufbruch aus dem Lager.
431
gewohnt waren, die Grillen und Zeit
zu vertreiben, auf die Jagd;
andere aber noch einmal in die Stadt,
um die Ceremonien mit an⸗
zusehen, deren
sich die Grichen bey Feyerung ihres Oster⸗Fests / Feyrung
des Oster⸗Fests bey
den Grie⸗
chen.
welches sie eben an diesen Tag
begiengen, bedienten. Dann zu sol⸗
cher Zeit
pflegen sie auf den Gassen unter freyen Himmel oͤffentliche
Dänze anzustellen, und lustig herum
zu springen / ohne daß es ih⸗
nen von jemand
verwehrt wird, auch damit drey Tage anzuhalten;
wann aber die Tuͤrken nach deren
Verfliesung jemand von ihnen be⸗
soffen
antreffen, bekommt er zum Recompens hundert Prüͤgel wol
gezehlt auf die Fuß⸗Sohlen, und wird
noch darzu mit
fortgeschleppt. Diese Tage hindurch
haben sich die Juden und anJuden
kommen
ins Lager.
⸗
dere
Kaufleute in grosser Anzahl in unserm Läger eingefunden, und
uns ihre Waaren, vornemlich aber
ihren Opobalsam angebothen,
den anjetzo diejenige, so sich nicht
zu rechter Zeit damit versehen, viel
theurer als sonst bezahlen müssen;
wie es dann gemeiniglich geschie⸗
het, wann die
Leute wissen / daß man an einer nothwendigen Sache
einen Abgang hat. Diese Arzney wird
in der Medicin stark ge⸗
braucht,
wovon ich eine accurate Beschreibung, wie sie mir der hoch⸗
erfahrne
Leib⸗Medicus bey dieser Botschaft, Herr
Johann Daniel
Hulin / auf mein vieles
Bitten endlich communicirt, hersetzen will:
Der Opobalsam, so auch der Baisam
von Mecha / oder Beschrei⸗
bung des
Opobal⸗
sams.
der weise Jndianische / sonst auch
der Juden⸗Balsam ge⸗
nennt wird /
kommt aus Arabien her / und wächset der
Baum, woraus diese edle Arzney
flieset / in den fel
Wie der
Baum da⸗
waͤchst.
⸗
sichten
Arabien, wie bey uns die Wacholder⸗Stauden / so
jedoch dem Gewaͤchs nach von diesem
ganz unterschieden von
ist. Dieses Harz wird im Jahr
zweymal / nemlich im Wann und
wie die⸗
ses Harz
gesammlet
wird.
Frühling und Herbst / gesamlet /
doch übertrifft der / so im
Früh⸗Jahr gesammlet wird / den
andern an der Menge
und Güte sehr weit; dabey dann die
Araber folgende Ma⸗
nier
beobachten: erstlich schneiden sie den Stamm ab / o⸗
der nehmen
ein Stuck von einen andern darzu tauglichen
Baum, der dem andern in der Dicke
ungefehr gleich kōmt/
und vier bis sechs Finger lang ist;
solchen holen sie als⸗
dann aus /
spalten ferner die Rinde desjenigen Baums /
aus welchem der Balsam fließt / von
einander, also daß das
Gefäß / das an einem Strick haͤngt /
und mit Wachs ver⸗
macht
- 482 -
432
Viertes Buch /
Erste Abtheilung /
macht ist / damit der Geruch und die
Spiritus nicht ausrau⸗
chen /
unmittelbar unter die Spalte kommt / und auf sol⸗
che Weise wird
der heraus triefend Balsam aufgefangen;
solche mit Balsam angefüllte und
allenthalben wol ver⸗
wahrte Stämme
verkaufen sie alsdann denen nach Mecha
wanderenden Bilgramen / die ihn auch
in der Menge an
sich handeln und aus den kleinern in
die grössere Gefässe las⸗
Von
wenn
er zu be⸗
kommen. sen / welche aus mit einer
Haut überzogenen Kürbisen ge⸗
macht sind,
und also bringen sie ihn bey ihrer Ruckreise
mit nach Constantinopel. Es ist aber sehr schwehr den
wahren von den verfälschten zu
unterscheiden / absonder⸗
lich
denenjenigen / welchen diese Länder nicht bekannt sind /
weil man sich auf die Proben, die
man gemeiniglich damit
Wie er von
den Juden
verfälscht
wird.machet / nicht wol
verlassen darf. Die Juden pflegen
solchen auf folgende Art zu
verfälschen: sie nehmen
frischen Terpentin, aus der Jnsul
Chio, welcher dem noch
frisch gesammleten Balsam an der
Farbe nicht gar ungleich
kommt, vermischen ihn mit
Sisamum⸗Saamen und wei⸗
sen Been,
damit er die behörige Flüssigkeit und Geruch da⸗
von bekom̄t /
und darüber schütten sie alsdann etwas ge⸗
rechten
Balsam / um die Kaufleute durch den Geruch zu
Wie hinter
diesen Be⸗
trug zu
kommen. betriegen. Man kan aber leicht darhinter kommen /
wann
man den Balsam recht unter einander
schüttelt / und etli⸗
che Tropfen
auf eine glühende Kohlen fallen läßt / welche
so dann einen schwarzen und
unangenehmen Rauch in dem
Zimmer verursachen. Mit dem
Unverfälschten aber hat
es eine ganz andere Beschaffenheit /
und kan demnach der
Käufer zu dessen Erkänntnis folgende
Prob anstellen:
Prob / um
den guten
von den
verfälsch⸗
ten zu un⸗
terscheiden.Erstlich lasse er einen Tropfen von diesem Balsam
auf frisch
Brunnen⸗Wasser fallen, welcher sich
alsdann so gleich
ausbreiten und ein Häutlein darüber
ziehen wird; wann
nun der Balsam gerecht ist / laͤßt
sich dieses Haͤutlein mit
einem Hölzlein oder Feder⸗Kiel auf
einmal herunter neh⸗
men.
Zweytens, giesset man diesen Balsam auf Schar⸗
lach oder
sonst ein rothes Tuch / und wann man dassel⸗
bige bey der
Sonnen wiederum wol abtrucknet / darf kein
Flecken davon zuruck bleiben.
Drittens kan man ihn auch
an
- 483 -
Von dem Auszug bis zu dem
Aufbruch aus dem Lager.
433
an dem angenehmen / flüchtigen und
dem Wachholdern
fast gleichkomenden Geruch und etwas
bittern Geschmack
erkennen / absonderlich wann man
solchen / wie gemeldet /
auf eine Kohlen fallen läßt, und
einen angenehmen Ge⸗
ruch davon in
dem Zimmer empfindet. Viertens pfleWürkung
dieses Bal⸗
sams.
⸗
gen unsere
Apothecker in Teutschland denselbigen folgender
Gestalt zu probiren: sie nehmen ein
Stuͤck frisches Fleisch /
bestreichen es mit diesem Balsam,
legen es alsdann bey
den heisesten Sommer⸗Tagen in die
Sonne; wann nun
nach einer Zeit von sechs Tagen das
Fleisch gewaschen
wird / und doch nicht riecht / wird
der Balsam für gut
gehalten. Derselbige bekommt den
schwachen Magen
überaus wol, und stärkt ihn
unglaublich / absonderlich
wann er erkaͤltet worden. Jngleichen
dienet er vortref⸗
lich in
Verstopfung der Harn⸗Gaͤnge, reiniget die Nieren,
bringt die verschwollene Blasen
wieder zu recht, und thut
auch gute Wuͤrkung im rothen und
weisen Fluß / wann
andere Arzneyen gehöͤriger massen
vorher gegangen.
Die Dosis ist von 1. bis 4. Tropfen
in frischem Eyer⸗Dot⸗
ter. Zu
Pest⸗Zeiten gebrauchen die Einwohner diesen
Balsam als das sicherste
Præservativ; und zu Heilung der
Wunden ist er unvergleichlich/ und
weit besser / als der
Copaiva Peruvianische und
Tolutanische Balsam; in Ver⸗
wundung der
Nerven und gemeinen Schaͤden thut er auch
sehr gute Dienste / und bekommt noch
mehrere Kraͤften/
wann er an statt des Terpentins
unter den Balsam des
Arcai gethan wird. Es kommt auch der
Opobalsam un⸗
ter den
Theriac des alten Andromachi in einer gewissen
Proportion; und wird auch eine
Pomade davon bereitet/
deren sich das Frauenzimmer bedienet
/ die Runzeln von
der Stirn / und die der Schoͤnheit
und Annehmlichkeit sehr
nachtheiligen Sommer⸗Flecken damit
zu vertreiben, als
welche sie nicht nur voͤllig hinweg
nimmt, sondern auch
die runzlichte Stirn schoͤn weiß und
glatt machet; es wird
aber selbige auf diese Weise
verfertigte: man nimmt unPomade
davon.
⸗
gefehr eine
Unze laulichtes Regen⸗Wasser/ laͤßt zehen ge⸗
meine
Saltz⸗Körnlein darinnen zergehen / alsdann schüt⸗
tet
Jii
- 484 -
434
Viertes Buch / Zweyte Abtheilung
/
tet man sechzig Tropfen dieses
Balsams darauf / fährt
mit dem Finger so lang am dem Rand
des Gefäͤßes herum /
bis er gantz weiß wird; endlich gießt
man das überfluͤssige
Wasser davon ab / und hebt dasjenige
/ was in den Ge⸗
schirr bleibt
/ zu seinem Gebrauch auf; das Gesicht aber
wird mit einem weisen Tuch
uͤberfahren und auch wieder
damit abgewischt.
Zweyte Abtheilung.
DEn 29ten dito sind wir uͤber die kleine, und den 30ten darauf
Aufbruch
aus dem
Lager.
über die grosse Brücke gegangen, und haben dasjenige Lager
bezogen / worinnen wir schon im vorigen Jahr gestanden,
sind auch an dem letzt gemeldten Ort einen Tag still gelegen und
den 2ten Maj nach Selymbria fort geruckt. In dieser Zeit kam
ein Heldenmüͤthiges Weib in Manns⸗Kleidern / wie auch des Fran⸗
zösischen Gesandten
Vetter zu Pferd zu uns, die alten Gäste und
Freunde nochmaln zu besuchen: so sind auch die Grafen Nesselro⸗
de / Künigl und der Freyherr von Zweiffel, die vielleicht Pera
und Galata hiemit auf ewig gute Nacht gesagt, wiederum bey uns
Trompeter
sucht seine
Zuflucht
bey uns /
aber ver⸗
geblich. ankommen. Den 3ten Maj ist ein Trompeter von dem Regiment
des Printz Maximilian von Hanover auf dem Weeg zu unsern
Wagen geflohen, der neulich mit dem Grafen von Sonau ge⸗
fangen worden / jetzt aber seinem Herrn heimlich davon gelaufen; und
drey ganzer Tag und Nacht sich in den schon in Halmen stehenden
Getraid aufgehalten / und unsere Ankunft erwartet. Als er unsere
Wägen und die Teutsche Kleidung von ferne gesehen, ist er in hoͤch⸗
ster Eil zu uns gelauffen, aber zu seinem Ungluͤck von denen Tüͤr⸗
ken gesehen worden, die ihn auch alsobald wieder abgefordert; er
wurde zwar auf des Herrn Botschafters Befehl bis nach Kunikli
in unser Lager mit gefüͤhrt / und daselbst examinirt; als es aber zur
Verhör gekommen, schmieß er seinen Bund auf die Erden, sprang
mit Füssen darauf, stoßte viel Schelt⸗Worte wider die Tüͤrken in
ihrer Gegenwart heraus / und bekannte zu letzt öffentlich vor aller
Ohren, daß er wider seinen Willen beschnitten worden, sein Ge⸗
müth aber niemaln der Muhametanischen Secte ware zugethan ge⸗
wesen, und rufte hieruͤber Christum den wahren GOTT und
Men⸗
- 485 -
Von der Reise aus dem Lager bis nach Adrianopel.
435
Menschen / der für uns gelitten / und am Creutz gestorben,
zum Zeugen an / daß er hieran nichts als die Warheit rede. Als
nun der Herr Botschafter in einer so zweifelhaften und nicht ge⸗
gnug bewiesenen Sache keinen Rath zu fassen wuste, weil die Tür⸗
ken alles läugneten, und vorgaben / daß er ganz freywillig zu ihrer
Religion übergetretten ware, hat er ihn etliche Ducaten geschenket /
und seinem Herrn wieder zuruck geschickt, mit der Versicherung, daß
Er gerne tausend Thaler darum geben wolte, wann er dafür könnte
loß gekauft werden. Hierauf sind wir den 4ten Maj auf Ziorlo /
und als wir daselbst Rast⸗Tag gehalten / den sechsten auf Carisch⸗
tran / den siebenden auf Burgas, und endlich den achten auf Ba⸗
Sclav
wird loß
gekauft.
ba gekommen. Zu Burgas haben wir Geld zusammen geschossen,
und einen Sclaven, so ein Frank war, dafüͤr loß gemacht, worzu
sich ein Priester aus der Gesellschaft Jesu brauchen lassen; wir sind
später, als sonst gewöhnlich, daselbst angekommen, weil wir von Ca⸗
rischtran wegen entstandenen Ungewitters, so mit Donner/ Re⸗
gen und Wind die ganze Nacht angehalten, nicht zu rechter Zeit auf⸗
brechen koͤnnen / wo wir anders nicht durchaus naß werden wollen.
Es hatte sich das Wetter mehr als zehenmal gelegt, ist aber immer
wieder von neuem ausgebrochen, so daß wir kein End darvon hoffen
kunten / und es schiene / als ob der Jüngste Tag herein brechen wuͤr⸗
de. Auf dem Weeg nach Baba ist uns ein Tüͤrkischer Courier be⸗
gegnet / welcher von dem Tuͤrckischen Botschafter aus Wien mit
Türkischer
Courier
von Wien.
Brieffen nach Constantinopel geschickt war, so uns die Nachricht
brachte, daß dieser den 13ten April bey Sr. Römisch⸗Kai⸗
serlichen Majestät die Abschieds⸗Audienz haben wüͤrde, wobey
er uns zugleich einige Schreiben von unsern Freunden und Landsleu⸗
ten uͤberreichte. Es haben Se. Excellenz denselbigen mit nach Ba⸗
ba zuruck genommen, um ihn Brieffe an den Herrn von Dierling
und einige Vornehme des Hofs, sonderlich aber an den Groß⸗Vi⸗
zir mit zugeben / worauf Sie ihn nach eingenommenen Mittagmal
bey dem Capigi Baschi seinen Weeg nach der Stadt ferner fort
setzen lassen. Den 9ten haben wir abermal einen Rast⸗Tag gehalRast⸗Täge
wie oft ge⸗
halten.
ten, und damit von hieraus bis nach Wien jederzeit den 3ten oder
4ten Tag continuiret. Diese Zeit über sind wiederum einige Liebha⸗
ber der Jagd nach gegangen, wie sie dann auch täͤglich, wann es an⸗
ders
Jii2
- 486 -
436
Viertes Buch / Zweyte Abtheilung /
ders das Wetter nicht verhindert, die Zeit mit passirt, welches ich
aber ins künftige ferner zu erinnern für unnöthig achte; und zwar
haben sie an diesem Tag ausser einigen Rebhuͤnern auch einen zu die⸗
ser Jahrs⸗Zeit ungewöhnlichen feisten Fasanen auf des Herrn Bot⸗
schafters Tafel geliefert, damit sie aber solchen bekommen kunten,
musten unsere Jager üͤber ein Wasser setzen, und in Ermanglung ei⸗
nes Schiffs die Kleider ausziehen und durchwaten: da sie ihn ge⸗
schossen, sprachen sie einen Türkischen Bauern an, der einen nach
dem andern um etliche Para auf seinen Schultern wieder hinüͤber
Curieuse
Haasen⸗Hexerey. getragen. Wann ich auf die zauberische Jäger⸗Künste was hielte,
wolte ich sagen, daß uns an diesem Tag ein Türkischer Fuhrmann
Haasen her gezaubert hätte; dann da wir auf dem Heim⸗Weeg wa⸗
ren / hatten wir ihn auf den Weeg angetroffen / und gefragt / ob
auch in dieser Gegend Haasen anzutreffen? welcher uns zur Ant⸗
wort gegeben, daß wir um diese Zeit noch keine antreffen würden,
wann aber die Sonne sich etwas besser ihren Untergang naͤherte,
könnten wir sie allda in so grosser Menge zu sehen bekommen, als
vielleicht an keinen andern Ort geschehen moͤgte. Als wir nun hier⸗
auf den Berg hinunter gestiegen / haben sich in dem Gestraͤuch eine
entsetzliche Anzahl spühren lassen / so aber alle in einem Augenblick
wieder davon geflohen, und ob wir ihnen schon mit Hunden nachge⸗
setzt, auch darzu die auserlesensten und in dem gantzen Läger bekann⸗
ten, gebrauchten, die auch wegen ihrer Fertigkeit und Treue gegen
ihren Herrn sehr beliebt waren, haben sie doch keine Spuhr finden
koͤnnen, und sich auch weder mit guten Worten noch Schlägen mehr
darauf bringen lassen.
Den 10.
Maj sind wir nach Hapsa
gekommen, woselbst ein
Grosser
Haan zu
Hapsa
vortrefflicher aus lauter
Quater⸗Stücken aufgefüͤhrter Haan ste⸗
het, auch danebst so groß ist / daß
zwey tausend Pferde und noch
Ankunft
zu Adria⸗
nopel. mehr Menschen
darinnen gantz bequem Platz finden. Von hier ha⸗
ben wir uns weiter gegen Adrianopel begeben, und sind auch
allda
den 11. dito angelangt. Es liegt diese Stadt ungemein plaisirlich,
und hat uͤber dieses ein sehr
fruchtbares Erdreich, worzu die vorbey
fliessende Maritz das ihrige treulich mit beyträgt, als welche
die
daran liegende Gaͤrten und
Felder noch fetter und fruchtbarer ma⸗
chet. Wir sind erst um den Mittag
allda angekommen, obschon
unsere
Wägen die gantze Nacht durch gefahren und wir selbst in aller
frü⸗
- 487 -
Von der Reise aus dem
Lager bis nach Adrianopel.
437
frühe von Hapsa aufgebrochen. Der
Bostangi Bascha / weil Bewill⸗
kommung
im Namen
des Bo⸗
stangi Ba⸗
scha.
er wegen seiner noch von verwichenen
Jahr anhaltenden Augen⸗
Schmerzen dem Herrn
Botschafter nicht selbst entgegen kom⸗
men kunte, hat einige vornehme
Officiers geschickt, welche Jhm in
seinem Namen zur glücklichen Ankunft gratuliren solten, worgegen
Se. Excellenz nicht allein ihren
Leib⸗Arzt wiederum abgesendet, um
seine Augen⸗Krankheit zu untersuchen / sondern auch noch zwey Edel⸗
leute, die
Herrn von Weipler und Aussem / welche im Namen des
Herrn Botschafters das Gegen⸗Compliment ablegen musten.
Es kam auch die Englische Nation,
Demselben ihre Reverenz zu
bezeugen;
und die Stadt hat auf Befehl des Mollochs, ihres Von der
Englischen
Nation,
und
der
Stadt.
Richters, ihre in Blumen, Früchten
und Zucker bestehende Ge⸗
schenke offerirt. Bey dem Einzug in ermeldte Stadt liessen
sich die
Trompeten und Paucken nebst
aller übrigen Kriegs⸗Music beständig
höͤren, welches auch in den uͤbrigen Tüͤrkischen und Ungrischen Städ⸗
ten jederzeit
geschehen, wann wir durch die auf beiden Seiten ran⸗
girte Janitscharn, oder
mit ihren ausgebreiten Fahnen stehende Be⸗
satzung eingezogen sind. Das
Quartier hat der Herr BotschafQuartier
des Hn.
Botschaf⸗
ters.
⸗
ter in dem in der Stadt erbauten Pallast des Groß⸗Vizirs ge⸗
nommen, als welcher
sich, wann er zu gegen, gleichfalls darinnen
aufzuhalten pflegt: so waren auch noch andere Haͤuser füͤr die
Hof⸗
statt
angewiesen, welche zwar einige bezogen, andere aber eine bes⸗
sere Plaisir unter denen
auf einer gruͤnen mit Baͤumen besetzten Wie⸗
sen aufgeschlagenen Zelten gefunden.
Bey dem Einzug hatte ein Ein Weib
springt
zum Fenster
herab.
Weib zum öftern einem aus den
Bedienten des Botschafters vom
Fenster herab gewuncken, und damit zu verstehen geben, daß er naͤ⸗
her herbey
kommen solte, und als dieser hinzu gegangen/ ist sie von
dem Fenster herunter gesprungen,
aber alsobald von zwey hinzu ge⸗
lauffenen Türken mit Stecken
wiederum hinein getrieben worden.
Man hatte daraus gemuthmasset, es muͤsste dieses Weib eine Teut⸗
sche Sclavin
seye, welches auch ein Janitschar bekräfftiget; sie
ist aber durch den Fall und die
darzu gekommene Männer also er⸗
schreckt worden, daß sie nichts
reden/ und damit weder eine ge⸗
wisse Nachricht noch die Ursach
ihrer Gefangenschaft
erfahren
köͤnnen.
Drit⸗
Jii 3
Viertes Buch, Dritte Abtheilung /
Dritte Abtheilung.
Beschrei⸗
bung der
Stadt
Adriano⸗
pel.
DJe hier um die vornehmste Moschee stehende vier Thuͤrne
sind auf eine ganz besondere Art, und zwar der eine von run⸗
den / der andere von Schlangen⸗Säulen, die zwey übrigen
aber von auf unterschiedliche Art neben einander gesetzten Ziegeln er⸗
bauet. Und weil wir den 12ten hier still gelegen, hatten wir Zeit,
diesen Ort etwas eigentlicher zu betrachten. Es war derselbige Tag
bey den Grichen der erste Maj; und weil eben der Sonntag bey
uns daran einfiel, woran man nicht zu arbeiten, sondern vielmehr
nach dem Kirchen⸗Gebot Meß zu hören pflegt / hatte der Herr
Botschafter in dieser zweyten Residenz⸗Stadt der Orientali⸗
schen Kaisere / gleichwie Er sonst zu Pera alle Sonn⸗ und Feyer⸗
täge gewohnt war, ein Zeichen mit Paucken und Trompeten geben
und damit die Botschaft zum GOttes⸗Dienst beruffen lassen. Es
waren zwar die Türcken auch hinauf in das Zimmer gekommen, wo
wir unsern GOttes⸗Dienst halten wollten, um ihre Curiosité zu
vergnüͤgen, allein der Herr Botschafter hatte sie alle, aus Vene⸗
ration und wegen Heiligkeit dieses Geheimnisses, wegschaffen lassen.
Des Bo⸗
stangi Ba⸗
scha Visite
bey dem
Hn. Bot⸗
schafter. Der Bostangi Bascha ist auch an diesem Tag ungefehr um neun
Uhr mit seinen Bostangis / so alle rothe Hauben auf hatten, und
sich damit von andern unterschieden, aus seinem Garten des Ser⸗
ralliens in die Stadt gekommen, und hat bey Sr. Excellenz die Vi⸗
site abgelegt / ob er schon nicht völlig restituirt war, deme Sie mit
Chocolate tractiren lassen, und nachmals, da Sie das Serral⸗
lien zu sehen beliebten / wiederum die Gegen⸗Visite bey ihm abgestat⸗
tet, wobey er uns dann hinwiederum eingemachte Fruͤchte und Caffée
vorgesetzet.
Beschrei⸗
bung des
Serral⸗
liens zu
Constanti⸗
nopel. Nach diesem hat er uns das Serrallien sehen lassen, welches mit
samt dem Garten weit grösser als das zu Constantinopel ist, aber
die Einrichtung des Gebäͤues mit diesem vollig uͤberein stimmet, wie
ich wenigstens aus demjenigen urtheilen kan, was ich zweymal daran
observirt habe; sintemaln der Divan / das Zimmer, wo der Thron
ist, und die Gesandten zur Audienz gelassen werden, die üͤber dem
Divan stehende Kaiserliche Küͤchen, und die Pforten samt dem Vor⸗
hof,
- 489 -
Von denen Merkwüͤrdigkeiten zu Adrianopel.
439
hof, mit gegenwärtigen ganz genau accordiren. Durch den Gar⸗
ten, und zwar an demjenigen Ort, welcher dem grossen Gebäu am
nechsten liegt, siehet man hin und wieder viele kleine Lust⸗Haͤußgen,
so die Tüͤrcken Kioschen nennen, und worinnen der Sultan zur
Frühling⸗ und Sommers⸗Zeit mit den Seinigen öfters Mittags
und Abends zu speisen pflegt, auch sich dabey allerhand Schau⸗
Spiele vorstellen läßt. Auf der Seite von der Stadt her fliesset ein
Wasser, woselbst bemeldter Sultan an dem Ort, wo man es durch⸗
waten kan, bisweilen eine aͤrgerliche und nicht weniger kostbare und
verschwenderische Kurtzweil anstellet, welches mir der Ehrwuͤrdi⸗
ge Pater Petrus Franciscus Lombardus à Taurino erzehlet hatte, Aergerliche
Kurtzweil
des Sul⸗
tans.
der es gleichfalls von einem Bedienten des Serrallien erfahren,
und darinnen bestehet, nemlich: im Sommer, wann die Hitze am
grösten ist, läßt Er die Schöͤnsten von seinem Frauenzimmer in den
Garten kommen, und zwar in den propersten Kleidern/ die aber
nicht zusammen genaͤhet, sondern nur an einander gepappt sind; als⸗
dann stellt er sie an jene Seite des Flusses, Er selbst aber bleibt dis⸗
seits stehen: wann Er nun ein Zeichen gibt, laufen sie alle bis an den
Hals ins Wasser worinnen Er sie so lang stehen laͤßt/ bis Er ver⸗
meint, daß der Pappe zerflossen: hierauf gibt er mit den Händen
abermal ein Zeichen, daß sie zu Jhm kommen sollen, da, indem sie
sich auf dem Weeg machen, das Wasser die Kleider mit sich fort
führet, und sie nackend stehen laͤßt, welche nun unter ihnen am
frechsten und unverschaͤmtesten ist, sucht denen uͤbrigen vorzukom⸗
men, und erhält auch damit die Belohnung ihrer Leichtfertigkeit.
Damit sie aber von niemand koͤnnen gesehen werden, sind rings herum
hohe, dicke und leinene Tuͤcher aufgespannt / darf auch niemand
ohne Verlust seines Lebens sich denselbigen nahen: hernach kommen des
andern Tags die Verschnittene/ Stumme/ Zwerge/ Jchogla⸗
ni / Agiamoglani / Edel⸗Knaben und Diener / nicht weniger
auch die Bostangi oder Gaͤrtner, die Baltagi oder Trabanten und
übrigen Wächter und Aufseher über das Serrallien / und die auf des
Sultans Person bestellt sind, welche die auf dem Fluß schwimmende
Kleider, oder vielmehr nur den Zeug der Kleider, die Uhr⸗Gehaͤnge und
unter dem Laufen verlohrne Steine aufklauben. Der jetzige Kaiser hat
die Zit seines Lebens dieses Schau⸗Spiel nicht öfter als zweymal gehal⸗
ten, weil gar zu grosse Unkosten darzu erfordert werden.
Wir - 490 -
440
Viertes Buch / Dritte Abtheilung /
Wir musten über drey Brüͤcken, die üͤber den Fluß geschlagen wa⸗
ren / nach dem Serrallien gehen / vor deren letztern ein grosser viereckig⸗
ter aus Quater⸗Steinen aufgeführter Thurn stehet, und noch zwey an⸗
dere daselbst gesehen werden, so innen her eine Wasser Kunst haben,
vermittelst welcher das Wasser durch die ganze Stadt geleitet wird. Das
mittlere Gebaͤu, so man gar selten mehr bewohnet, ist mehrentheils von
Marmel aufgerichtet, und von Mahomet dem Zweyten, der Adria⸗
nopel noch etwas eher als Constantinopel eingenommen / erbauet
worden, woselbst unsere Nasen ein unerträglicher Gestank incommo⸗
dirte; nichts destoweniger sind wir durch finstere Treppen, so durch die
Mauer giengen / bis oben unter das Dach gestiegen / um die Lage der
Stadt recht zu beobachten. Es ist auch nicht zu zweifeln / daß es dazu⸗
mal, als die Stadt noch in ihren rechten Flor gewesen, hier ungemein
plaisirlich muͤsse zu wohnen gewesen seyn. Ehe wir uns aber noch da
hinauf begeben, haben wir die Kiosch, so zur rechten Seiten des Ein⸗
gangs liegt, vorher besehen. Dieses ist ein niedriges Haͤußgen, nur
ein Stock⸗Werk hoch, wordurch die Luft von allen Seiten streichen
kan, um die grosse Hitze zu temperiren, und die Sonnen⸗Strahlen
abzuhalten. Die Treppen daran sind sehr niedrig, und mit rothen
Tuch überzogen, damit nemlich das Hinaufsteigen nicht beschwehrlich
seyn mögte; der Boden aber ist mit rothen zottigten Tuͤchern und an⸗
dern Teppichen belegt, die Wäͤnde statt der Tapezereyen mit porcellanen
viereckigten Steinen von unten bis oben aus besetzt; die Spiegel⸗ und
Fenster⸗Scheiben aber sind sehr schlecht / und kommen mit dem andern
Zierrath und einer so vornehmen Wohnung keineswegs überein. Man
kunte allhier unter andern noch einige glaͤserne haͤngende Leuchter, auch
Spiegel sehen, so sich noch von der alten Welt herschrieben und die
vorigen Kaisere hinterlassen hatten: die Sofaus waren zum theil
aus vielfärbigen Sammet, theils aus Seiden, aber auf Türckische Art
mit allerhand Farben, Gold und Silber gestickt, und alle in einem be⸗
sondern Zimmer auf einem Haufen zusammen geschlichtet. Jn dem
ersten Zimmer præsentirte sich ein alabasterner Brunnen, in einigen
andern aber/ deren man sich vermuthlich zu Winters⸗Zeit bediente, stun⸗
den porcellanene Oefen, in allen aber waren verschiedene Tüͤrkische
Schrifften
gebrauchen
die Türken
ihre Zimmer
damit zu
meubliren.Schrifften an Tafeln aufgehängt / die entweder den Namen GOttes /
oder ihres Propheten / oder auch einiger ihrer Kaisere anzeigen; dann
die Tüͤrken pflegen auf eine schoͤne Schrifft gar viel zu halten, behangen
auch
- 491 -
Von denen Merkwürdigkeiten zu Adrianopel.
441
auch öfters alle Wände mit denselbigen / und lassen die völlige Vertäf⸗
lung damit überschreiben. Mustapha, der allhier abgesetzt worden /
und des jetzigen Kaisers Bruder gewesen, hat diese Kiosch / so oft er
sich zu Adrianopel aufgehalten, allezeit bewohnet: der jetzt
Der jetzige
Sultan ein
Liebhaber
des Frau⸗
enzimmers.
regierende Kaiser Ahmet aber häͤlt mehr auf das Frauenzimmer
und bringt deswegen ganze Täge und Nächte in dem Serrallien oder
Harem bey ihnen zu. Es hat eine jede derselben ihre absonderliche
Bewohnung, die so groß ist / daß sie eine ganze Hofhaltung, wie einer
Frauen⸗
zimmers
Wohnung.
Kaiserin zustehet / gar gemächlich um sich haben kan. Dieselbigen
werden alle mit grossen Thoren vermacht, uͤber welche quer eine eiserne
Ketten gezogen ist, die eine andere oben herab hangende etwas in die
Höhe hält, also daß sie einen Triangel formirt, welche letztere an einer
sehr grossen steinernen oder eisernen Kugel haͤnget, so durch einen in
die Wand geschlagenen Nagel an einem Ring fest gemacht ist. Die
Schlüssel zu diesen Thoren hat zur Nachts⸗Zeit der Kußlir Aga in Schlüssel
zum Frau⸗
enzimmer
wer sie ver⸗
wahret.
seiner Verwahrung, es sey dann, daß sich der Sultan bey einer unter
seinem Frauenzimer aufhäͤlt, und ihn damit dieser Sorg üͤberhebt. Wann
der Kaiser zu einer gehen will, komt Jhm ihr ganzer Hof⸗Staat ent⸗
gegen, und füͤhrt Jhn zu seiner Geliebten Zimmer: und diese, so sich wie
eine andere Semiramis auf das schöͤnste und prächtigste aufgebutzt,
eilet dem Kaiser noch auf dem Weeg entgegen. Jm übrigen haben Wer für sie
zu sorgen.
sie nicht die geringste Gemeinschaft mit einer andern Manns⸗Person,
ausser mit den Verschnittenen, die zu ihrer Bedienung bestellt sind,
und folgends mit dem Kußlir Aga / der für sie sorgen muß, und sie
deswegen oͤfters besucht, um den Abgang, so sich etwan in einem und den
andern zeigt, zu ersetzen, und Sie mit allen Benöͤthigten zu versehen.
Hierzu stehet immer sein kleiner Wagen fertig, welcher fast aussiehet,
als wie diejenige, so bey uns die Kinder brauchen, worinnen er sich uͤber⸗
all hinführen läßt. Es hat auch selbst das Frauenzimmer unter sich
wenig Gemeinschaft mit einander, und kommen nicht leicht öͤfters zu⸗
sammen, als im obgemeldten sechs Tagen des Jahrs, nemlich drey Tag
an dem grossen, und wieder andere drey Tage an dem kleinen Bairam,
es sey dann, daß der Sultan eine speciale Verguͤnstigung hierzu
ertheilt: Sie wissen aber diesen Abgang durch eine heimliche stumme
Redens⸗Art schon zu ersetzen, und ihre eifersuchtige Männer auf eine
andere Weise meisterlich hinter das Licht zu füͤhren: Sie schicken nem⸗
lich
Kkk
- 492 -
442
Viertes Buch/ Dritte Abtheilung /
lich ein ander gewisse Sachen zu, welche an statt der Brieffe dienen
müssen; und solche bestehen aus Früchten / Gewürz, Haar / Tüchern,
Farben, Seiden / Zwirn und andern dergleichen Ding; aus
deren Zusammenfüͤgung, Abtheilung, Umschlag und Band sie auf ei⸗
ne neue und wenig bekannte Manier ganze Brieffe heraus zu bringen
wissen: was nun durch diese uͤberschickte Sache angezeiget wird, pfle⸗
gen die Türken Mane zu nennen. Die ganze Kunst bestehet üͤber⸗
Geheime
Schreib⸗
Art des
Türkischen
Frauen⸗
zimmers. haupt darinnen: es will z. E. eine ihre Liebe gegen jemand entdecken,
(ob es nun eine züchtige oder unzüchtige seye, davon will ich jetzt
nicht urtheilen, und thut auch nichts zur Sache /) so schickt sie dem⸗
nach der Person Weintrauben, welche in Tüͤrkischer Sprach Uzum
genennt werden; aus diesem nimmt der Abwesende diesen Verstand:
iki ghi euzum / und dieses aus der Gleichförmigkeit der Aussprach,
welche uzum / und iki ghi euzum/ mit einander am Ende haben /
und so viel bedeutet, als: meine beide Augen; diesen Trauben
nun wird Jngber beygelegt / so bey den Tuͤrken Gangefil heisset /
woraus ich wiederum abnehme, daß der andere sagen will: ben
severem sendebil/ nemlich: ihr solt wissen / daß ich euch liebe;
wann ich nun beides zusammen setze, bringe ich diesen Verstand her⸗
aus: Meine Augen! wisset / daß ich vor Liebe gegen euch
brenne. Es wird aber darum nicht erfordert/ daß das Bedeu⸗
tende / und die Sache, so da mit bedeutet wird, jederzeit gleichlau⸗
tende Endungen haben muͤssen/ sondern sie koͤnnen im Anfang oder
in der Mitte mit einander uͤberein kommen. Wolte man aber fra⸗
gen, wie es zu erkennen, ob man die Gleichheit im Anfang oder zu
Ende suchen solle? aber hier steckts eben, und wer dieses weiß / hat
die Kunst vollkommen innen. Die ganze Sache soll indessen durch
Exempel klar gemacht werden, davon ich zwey hersetzen will / die ich
von jemand, so in dieser Wissenschaft gar wol erfahren war / bekom⸗
men, und einen Brief samt der Antwort vorstellet:
Selam - 493 -
Von denen Merkwürdigkeiten zu Adrianopel. 443
Selam/Die geschickte Sache | Die Türkische Benennung solcher Sachen | Mane/Die Bedeutung | Die Auslegung des Briefs | Der Brief selbst. |
Trauben | Uzum | Iki gbi euzum. | Meine zwey Augen. | Meine zwey Augen! Ihr müsst wissen/ |
Ingber. | Gangefil. | Ben severem sende bil. | Wisset/ daß ich euch liebe. | daß ich in euch sterblich verliebt bin/ |
Weisse Seiden allein. | Ak | Aklam aldung. | Ihr haltet meinen Geist gefangen. | und ihr mich völlig in eurer Gewalt habt; |
Tuch | Tchokha | Schalumuze bir baka. | Betrachtet doch einmal meinen Zustand. | und wo ihr nicht endlich über meinen erbarmenswürdigen Zustand einiges Mitleiden bezeigen werdet/ |
Kolen. | Kieumur | Ben ulurem size eumur. | Ich sterbe/ und ihr lebt. | muß ich nothwendig sterben/ doch euch in einem vergnügten Zustand zurück lassen. |
Weisse Seiden mit | Beyar | Bir tefter bize ayar. | Schreibet mir ein paar Zeil. | Weswegen ich sehnlich bitte / daß ihr mich durch eure angenehme Zuschrifft versichern wollet/ |
Alaun | Chab | Bize bir chasi dgevab. | Antwortet mir nur | und ob ich noch hoffen darf/ |
Gelbe Seiden. | Sari. | Sari la lumbari. | Laßt uns umhalsen | daß ich mich durch eure Umarmung auf wenige Zeit glückseelig sehen werdet/ |
Aloe-Holz | Eudagadgi. | Chiung lumung iladgi. | Ein Mittel und Arzney meines Verlangens und Freyheit. | damit ich doch endlich eine Arzney für meinen gefährlichen Zustand finden möge. |
Hirsch-Leder | Mechin | Yalandgisen. | Du bist ein Lügenmaul. | Antwort: Lügner! |
Sammet | Katife | Yeter etting la tife. | Du hast mich lang genug betrogen. | Wilst du mich auf soclhe Weise bey der Nase herum führen? |
Pfeffer | Biber. | Bize bir belli baber. | Sag mir was neues. | gleich als wann ich nicht wüste/ |
Nägelein | Karenfil. | Kararung yok. | Du hast keine Beständigkeit. | daß du ein Mensch/ der weder Treu noch Glauben hält/ und von schlechter Beständigkeit seyst. |
Buchsbaum | Tchichmir | Aklung Bachina devichir. | Besinne dich. | Bedenke dich/ |
Pimpermüßlein. | Fistik. | Size kustük. | Ich bin über dich erzürnt. | und glaube daß ich über deine Verwegenheit sehr entrüstet seye/ |
Glaß | Chiche. | Kail olmam bou iche. | Ich laß es nicht zu. | und in deine thörichten Anschläge niemaln verwilligen werde. |
Die
Kkk 2 - 494 -
444
Viertes Buch, Dritte Abtheilung /
Kostbarkeit
des Ha⸗
rems.
Die Zimmer des ersten Harems / welche die schönsten un⸗
ter allen andern / waren von innen ganz uͤberguldet, einige mit Por⸗
cellan, andere mit Persianischen Teppichen überzogen, noch andere
aber mit Perlen Mutter zwischen das Holz gar artig eingelegt / da⸗
bey auch mit allerhand Behältern / Spiegeln, Leuchtern, Polstern,
Lehn⸗ und andern Stühlen und nöthigen darzu gehörigen Haußrath
auf das Beste versehen, und werden solche von des Sultans
Mutter, wann sie noch im Leben, oder einer gecroͤnten Kaiserin /
oder doch wenigstens heut zu Tag, von der Vornehmsten unter sei⸗
nen Concubinen bewohnt; darunter auch eines sich befindet, so auf
der Seite, wo die Polster liegen / an der Wand alles durch Spie⸗
gel vorstellet, was auf dem Boden geschiehet, warum aber, ist
nicht nöthig zu melden; es hats uns aber gleichwol dieses leichtfer⸗
tige Volk mit einigen Gebärden lachend zu verstehen geben. Vor
ungefehr fünf Jahren, hat die Valida / des jetzt regierenden
Kaisers Mutter diese Wohnung bezogen / und ist auch darinnen
gestorben, von dar sie nach Scutari gebracht und in derjenigen
Moschee beygesetzt worden, die sie für 800. Beutel, oder
133333⅓. Ducaten aufbauen lassen; dann diejenige Moschee zu
Constantinopel / die gleichen Namen füͤhret, hat nicht sie, son⸗
dern eine andere Kaiserin schon vor ihr gestifftet. Nachdem nun
der Herr Botschafter diese erste Wohnung des Serrallien ge⸗
nug betrachtet, hat Er auch eine andere zu sehen verlangt, wel⸗
che zwar gleichfalls sehr prächtig ausgeziert war, aber mit der vo⸗
rigen noch lange in keine Vergleichung kommt. In diese beide ha⸗
ben wir durch dasjenige Zimmer / welches, wie ich schon gemel⸗
det, niemand mehr bewohnt, es wäre dann daß die Kai⸗
serliche Trabanten und Laqueyen darein logirt werden, wann der⸗
selbigen gar zu viel sind, unter der Erden hingehen müssen. Der
jetzige Kaiser / als wie bekannt, ein grosser Liebhaber vom Frauen⸗
zimmer, hat dieses Zimmer der Kaiserlichen Mutter für sich selbst
ausersehen, damit Er immerzu bey seinen Maitressen seyn und ih⸗
nen die Zeit passiren moͤge. Sonst haben die Kaisere ihre beson⸗
dere Wohnung allda, so gleichfalls mit der Mauer des Serralliens
umfangen, und nicht weit von dem Harem entfernet ist, damit
Sie nemlich desto bequemer zu ihren Frauenzimmer kommen, diese
aber
- 495 -
Von denen Merkwürdigkeiten zu Adrianopel.
445
aber auch desto geschwinder bey Ihnen seyn koͤnnen / wann sie ih⸗
rer nöthig haben: doch lassen Sie Dieselbige eher zu sich beruf⸗
fen / als daß Sie ihnen nachgehen solten, es seye dann, daß Sie
einer eine ausserordentliche Ehre erzeigen wollen. Nechst an des
Kaisers Gemach wohnen und schlaffen diejenige Edel⸗Knaben /
denen Er am meisten trauen darf, und zwar in einem laͤnglichten
Zimmer, das in viel kleine Verschläge, fast wie der Moͤnchen
Schlaff⸗Stuben, abgetheilt ist. Ehe wir noch hieher kommen
kunten, musten wir erst durch ein anderes gehen, worinnen des
Kaisers Schatz, samt dessen kostbarn Kleidern und Pferd⸗Zeug
aufbehalten wird, alsdann sind wir in dasjenige getretten, wo der
Sultan die Gesandten zur Audienz laͤßt, in welchem Er aus ei⸗
nem andern geheimen Zimmer gleich unmittelbahr auf den Thron
steigen kan, und wo Er erst neulich dem Französischen und Engli⸗
schen Gesandten Audienz ertheilet hatte. Jm übrigen kommt die⸗
ses Zimmer, der Thron Divan, Vorhof, die Pforten, Ja⸗
nitscharn⸗Kuchel und alles andere dem zu Constantinopel von
aussen völlig bey, ist auch nach dem Constantinopolitanischen
das schönste und vornehmste unter allen Kaiserlichen Gebäͤuen,
so die Tüͤrkischen Kaisere in Europa und Asien besitzen. Al⸗
lein als dieser Kaiser Ahmet / nach seines Bruders Mustapha
Dethronisirung, dessen Ursach die allzu grosse Liebe zur Jagd und Der jetzige
Kaiser muß
sich jeder⸗
zeit zu Con⸗
stantinopel
aufhalten.
Versäumung der Reichs⸗Geschäften seyn solte, zur Regierung kom⸗
men, hat Er versprechen muͤssen, niemaln nach Adrianopel zu
gehen, ausser zu Kriegs⸗Zeiten und andern Angelegenheiten des
Reichs / sonsten aber sich nirgend anders als zu Constantinopel
auf zuhalten. Wolte GOtt, daß ich ein Wahrsager seyn moͤgte,
wann ich sage, daß der Tüͤrk bey einem künftig erfolgten Krieg, so
wol von hier, als dorten, weg / und über das Meer nach Prusias
in Asien, wo er hergekommen, werde getrieben werden, als wo⸗
selbst der Türkische Kaiser Orchanes seine Residez gehabt, ehe
er Grichenland nach völlig unter seine Gewalt gebracht. Doch, es
wird der barmherzige GOtt das ängstige Seufzen der Seinigen auch
einmal erhören, und von denen Barbarn der Kirche wiederum zu
wenden,
Kkk 3
- 496 -
446
Viertes Buch / Dritte Abtheilung /
wenden / was sie jetzo so ungerechter Weise zur Unehre Göttliches
Namens und Schmach der gesammten Christenheit besitzen.
Nun laßt uns noch dasjenige gar besehen, was in der Kaiser⸗
lichen Residenz zu Adrianopel sich Merkwürdiges zeigen möchte.
Da fällt uns denn zu erst das in weissen Marmor gehauene Bad des
Des Kai⸗
sers Bad. Kaisers in die Augen, so von Gold allenthalben glänzet; dann
noch ein anders kleineres in Gestalt einer Muschel füͤr den Kaiserli⸗
chen Prinzen, das jenen zu nechst an liegt, und beide einerley Ge⸗
wölb haben, auch mit unterschiedlichen Zimmern versehen sind, da⸗
von immer eines waͤrmer oder temperirter als das andere / und nach
des Badenden Commoditæt eingerichtet ist; zu letzt siehet man
auch einen grossen viereckichten Brunnen Kasten, oder Bad, so zwi⸗
schen des Sultans Zimmer und dieser neuen Kiosch stehet, aus wel⸗
cher Er sein badendes Frauenzimmer besehen kan, ohne daß sie Jhm
dargegen wahrnehmen köͤnnen; doch pflegt Er sich ihnen auch meh⸗
rentheils freywillig zu zeigen. Es sind auch unterschiedliche Woh⸗
nungen allhier anzutreffen, in welchen die jungen Edel⸗Knaben auf⸗
erzogen, und von niemand anders als von Verschnittenen unterrich⸗
tet und gubernirt werden / und dieses darum / damit sie keine So⸗
domiterey / als ein unter diesem Volk gar gemeines Laster, begehen.
Present des
Bostanchi
Bascha.Jm Hinweggehen hat der Bascha dem Herrn Botschafter ein
Türkisches gesticktes Tüchlein verehret, aber den folgenden Tag, als
Se. Excellentz eben im Begrif waren, bey dem Janitscharn
Aga die Visite abzustatten / weil dieser schon des Tags zuvor bey
Jhnen die Aufwartung gemacht, einen Barbar nebst einem Wind⸗
Spiel durch jemand uͤberbringen lassen, welches sich füͤr einen Kai⸗
serlichen Botschafter besser, als ein kahles Tuͤchlein, geschickt.
Türken
entwenden
der Bot⸗
schaft vie⸗
les Ge⸗
wehr / und
andere Sa⸗
chen.Jch weiß mich hier zu erinnern / daß ich anderswo gedacht, daß die
Türken vor nichts einen so grossen Abscheu haben, als dem Diebstal,
allein anjetzo hätte ich bald auf andere Gedanken kommen sollen;
dann weil unsere Fuhrleute wusten, daß sie den andern Tag wech⸗
seln würden, haben sie uns unterschiedliche Sachen, vornemlich
aber viel Teutsches Gewehr entwendet. Den 13ten ist ungefehr
um 10. Uhr Vormittags der Herr Botschafter / welcher sich noch
immer in der Stadt aufgehalten / mit den Vornehmsten aus seiner
Suite zu uns ins Lager gekommen, damit wir den andern Morgen
un⸗
- 497 -
Reise von Adrianopel bis nach Sophia.
447
unsern Marsch antretten koͤnnten, nachdem die Bagage bereits vor⸗
aus geschickt worden. Allhier zu Adrianopel wären wir bey nahe
um zwey Cavallier aus dem ersten Adel gekommen, die wegen einer
übel verstandenen Rede gegen einander aufgebracht worden und die
Worte schlimmer ausgelegt, als sie gemeint waren.
Vierte Abtheilung.
DEn 14ten sind wir zu Mustapha Bascha Kiupri /
oder wie es andere nennen/ Tzgupri Cuprußi/ ange⸗
langt, und haben den ganzen Weeg mit Jagen zuruck ge⸗
legt; so sind uns auch einige Engelländische Kaufleute bis hieher zu
Pferd gefolgt, damit sie bey dieser Gelegenheit Thracien sehen
Mustapha
Basha
Kiupri.
mögten. Erst besagte Stadt liegt an der Maritz / und ist wegen
der daselbst befindlichen Brücken sehr berühmt, hat auch ein sehr
fruchtbares Erdreich, das mit zwey Joch Ochsen ohne Rad und be⸗
sondere Mühe gar leicht kan umgeackert werden: es florirt auch die
Kaufmannschaft allhier ungemein, und befinden sich unter andern
acht Franken / wie die Türken die Christen zu nennen pflegen / allhier,
so theils Franzosen, die mehresten aber Engelländer sind, die solche
mitten unter diesen Unglaubigen ungehindert treiben; der neunte
aber ist ein Priester, Franciscaner Ordens, der den GOttes⸗Dienst
versiehet / und die Gefangene in diesen Landen bedient. Die Waa⸗
ren werden von Constantinopel zu Lande, theils zu Wasser von
Smyrna hieher gefüͤhrt. Den 15ten sind wir zu Harmanli / den Zwey Wei⸗
ber bege⸗
ben sich
zu der Bot⸗
schaft.
16. aber über Usundschova zu Semischeze ankommen, allwo
zwey Weiber mit ihrer Mutter und der einen ihren kleinen Toͤchter⸗
lein sich auch bey uns eingefunden / so aus Pera gebürtig waren,
und ihren Mäͤnnern folgen wolten/ ob sie schon nicht wusten/ wo
sie dieselbige antreffen wuͤrden; weswegen sie auch einen aus den Un⸗
srigen zum Mitleiden bewegt, daß er sie, weil er sahe / daß sie nichts
hatten / was er ihnen nicht gebe, auf eigene Kosten mit nach Wien
führen lassen; so gieng ihnen auch sonsten an nothwendiger Verpfle⸗
gung ins kuͤnftige nichts ab / angesehen sie mit Wein, Fleisch / Ge⸗
würze und anderen zum Kochen nothwendigen Sachen zur Gnuͤge
versehen wurden, wovon sie ihre Speisen aufs Beste bereiten kun⸗
ten
- 498 -
448
Viertes Buch / Vierte Abtheilung /
ten; wie dann, um sie in ihrem Creutz aufzurichten, ihr Wolthäter
öfters unsern Tisch verlassen, und mit ihnen gespeisst, wobey sich
auch noch einige andere, die sie auf der Reise kennen lernen/ einge⸗
funden, wann sie von ihnen invitirt waren. Es scheueten sich aber
diese furchtsame Creaturen vor der grossen Anzahl unserer Leute, blie⸗
ben beständig in ihrem Wagen verschlossen, und fuhren entweder
auf dem Weeg etwas voraus / oder folgten uns gleich nach / weil
sie sich gar sehr vor den Tüͤrken in acht nehmen musten, als welchen
es frey stunde, ihre Unterthanen wieder zuruck zu fordern, wann sie
nicht um unsert willen bisweilen etwas nachgesehen.
Der Raitzi⸗
schen Wei⸗
ber Auf⸗
butz und
Handel⸗
schaft. Die Raitzischen Weiber liefen mit ihren dicht mit Geld behängten
Haaren, wobey sie wie schwarze Ziegeunerinnen sahen, allenthalben
durch das Lager, um ihre harte, wol zweymal gesottene Eyer für frische
zu verkaufen. Wir sind etwas spat nach Harmanli gekommen, weil
wir uns in dem Gebuͤsch verirrt hatten; doch nachdem uns die Ma⸗
ritz immer zur rechten war kunte sie uns bey Verfehlung der rech⸗
Ein Sclav
stirbt ten Strassen statt eines Weeg⸗Weisers dienen. Hier haben wir den
neulich mit gemeinen Geld erlößten Sclaven eingebüßt, so von
Friaul gebürtig und schon ein alter Mann gewesen, jedoch noch die⸗
sen Trost hatte, daß er vor seinem Ende noch einmal die suͤsse Frey⸗
heit geschmecket. Den 18ten sind wir weiters durch das fruchtbare
Thracien auf Cayali / den 19ten aber, als am H. Pfingst⸗Fest /
über Jenimackeloi auf Papasli fort gereißt, wo uns das Sta⸗
raplamina⸗Gebürg, so schon in Servien unweit Nissa anhebt,
und bis an das Schwarze Meer fort lauft, immer zur rechten Hand
lage. Die zwey Täge hindurch sind starke mit Regen vermischte
Wetter gewesen, so uns sehr beschwehrlich gefallen, wir haben aber
gleichwol dieses Fest auf solche Weise celebrirt, daß von unsern
Priestern Morgens, ehe wir aufgebrochen, und auch, wann
Ein
von Wien
nach Con⸗
stantinopel
gehender
Courier
bringt uns
einige
Nachricht.
wir wieder ins Läger eingeruckt, jederzeit Messe gelesen worden. Wir
haben auch heute einen Janitscharn, der von den Gränzen mit
Brieffen, den 20ten aber einen Kaiserlichen Courier, so von
Wien nach Constantinopel abgefertigt war, auf den Weeg an⸗
getroffen, welcher uns die Nachricht gebracht, daß der Türkische
Botschafter den 10ten allda aufgebrochen, und auf der Donau
nach Belgrad abgefahren seye; es hat ihn aber der Herr Bot⸗
schafter wieder mit sich zuruck nach Philippopel genommen, um
ihn
- 499 -
Reise von Adrianopel bis nach Sophia.
449
ihm noch einige Briefe mit zugeben. Bemeldte Stadt haben Ankunft zu
Philippo⸗
el.
wir nur, wie bey unserer Her⸗Reise im Durchziehen betrachtet, und
wurde bey dem Einzug keine Ordnung gehalten, sondern es ritte
nur alles Haufenweiß um den Herr Groß⸗Botschafter her,
und mag es wol darum geschehen seyn, weil zur selbigen Zeit kein
Bascha daselbst gewesen / um den man sich einige Müͤhe hätte ge⸗
ben düͤrfen; doch empfiengen uns nichts destoweniger die Janit⸗
scharn mit ihren Hauben, und erwiesen dem Herrn Groß⸗
Botschafter die gebührende Ehre, indem sie Jhn durch die Stadt
ins Lager bis an sein Zelt begleiteten. Es wächset, wie ich schon
ehmals angemerkt, in dieser Gegend mehr Reiß, als in der ganzen
Türkey aufgezehrt wird; sintemaln dieser Saame nirgend besser
aufgehet / als in Thracien oder Romanien / oder nach der Tur⸗
ken benennung Rurnili, von dannen man solche in andere Länder Beschaf⸗
fenheit des
Erdreichs
zum Reiß.
verführt; doch muß das Erdreich auf eine ganz besondere Manier
tractirt werden, wann derselbige wol anschlagen soll: das Feld wird
nemlich in Garten⸗Better ausgetheilt, mit Graͤben umfangen, die
mit Wasen wol vermacht sind, damit sich der Regen darinnen auf⸗
halten kan, als welcher dieses Saamens beste Nahrung ist. So Sonder⸗
bahre
Art des
Weins.
hat auch der Wein allhier was besonders, daß er sich nemlich drey
Jahr aufheben läßt / da sonst der übrige Wein in der Türkey sich
über ein Jahr nicht hält. Weil wir den Nachmittag hier liegend
geblieben, sind einige von uns in die Stadt gegangen, die Canzel zu Canzel des
Apostels
Pauli ob
eine zu
Philippo⸗
popel ist.
sehen, von welcher der Heyden Lehrer Paulus so durchdringende
Predigten an das Volk soll gehalten haben; ich glaube aber im⸗
mer / es sey von der Gleichheit der Namen zweyer unterschiedlichen
Städte ein Jrrthum entstanden, daß man gemeint, Philippo⸗
pel seye Philippos in Macedonien / als welches Land bekann⸗
termassen Paulus mit seinen Lehren erfüllet hatte: Sie haben aber
an statt des Predig⸗Stuhls einen Grichischen Geistlichen daselbst an
Patriarch
zu Jerusa⸗
lem wird
allda an⸗
getroffen.
⸗
getroffen, so Patriarch zu Jerusalem war, welcher auf Befehl
und Verwilligung des Patriarchen zu Constantinopel eine Vi⸗
sitation bey 15. Bischöffen dieser Landschaften angestellt, wie mir
Herr Heckmann erzehlt, der mit dem Grafen von Thierheim,
und dem Herrn Prälaten zu gegen gewesen. Dieser Mann
redete auch Latein / so von einem Grichischen Geistlichen sehr zu ver⸗
wundern; sagte auch, daß die Spaltung der Grichischen und Latei⸗
nischen
Lll
- 500 -
450
Viertes Buch / Vierte Abtheilung /
nischen Kirche leichtlich wiederum ergaͤnzt werden koͤnnte/ hielte auch
dafür, daß dieses noch mit der Zeit geschehen, und beide in solcher
Vereinigung wieder stehen würden, als sie zuvor gewesen. Er be⸗
klagte sich über die grosse Unwissenheit der Grichischen Mönche,
absonderlich desjenigen Closters, welches gleich bey Philippopel
liegt, darunter viele nicht einmal lesen koͤnnten; versicherte anbey,
Manuscri⸗
pta in einem
Grichischen
Closter bey
Philippo⸗
pel.daß er daselbst viele der ältesten Manuscripten angetroffen, welche
aber von Staub und Motten ganz verdorben würden, und wolte er
viele Documenten darinnen gefunden haben / wo die Moͤnche nur
wären darzu zu bringen gewesen, daß sie ihm solche überlassen hät⸗
ten. Er bemühete sich zu behaupten, daß dieses Closter von einem
Thracischen Fürsten erbauet worden / welcher am ersten die Bul⸗
garn bekriegt, und nachgehends ohne Erben gestorben seye. Ehe⸗
dessen hätte man drey hundert Moͤnche darinnen unterhalten, da an⸗
jetzo das Einkommen kaum für dreissig zureiche; woraus dann zu⸗
gleich der Ungrund desjenigen Vorgebens zu ersehen, wann man
diese Moͤnchen so reich machen und die Leute uͤberreden will, als ob
sie aus silbernen Schüsseln speißten; da doch sonsten bekannt ist, daß
nicht leicht ein Orden ein strengeres Leben fuͤhret, als wie diese Leute
gewohnt sind. Endlich erzehlte er auch, wie er einen Vettern ge⸗
Dosithæus
Patriarch
zu Jerusa⸗
lem.habt, so auch Patriarch zu Jerusalem gewesen, und Dosi⸗
theus geheissen, der ein Buch geschrieben, davon er den Titul nicht
nur mit folgenden Worten muͤndlich ausgesprochen, sondern auch
auf das Papier, welches ich selbst gesehen/ hingeschrieben hat; es
lautet aber derselbige also: Librum, quod composuit Do⸗
sithæus Patriarcha Hierosolymitanus contra Calvinistas & Lu⸗
theranos, editus Parisùs græce & latine in circa ab anno curren⸗
te 20. 25. 30. womit er zugleich seine Unwissenheit in der Lateini⸗
schen Sprach genugsam an den Tag gelegt, ob es schon an einem
Grichischen Mönchen zu verwundern / daß er auch nur so viel da⸗
von verstanden.
Den 23ten Maj sind wir von Philippopel wieder aufge⸗
Baschard⸗
schi / daselbst
will man
der Bot⸗
schaft keine
Quartier
geben.
brochen, und sechs Stund weit bis nach Baschardschi fort⸗
geruckt; und als wir von dar noch eine halbe Stund entfernet
waren, ließ der Herr Botschafter eine lange Zeit auf dem Weeg
still halten, weil man uns keine Quartier anweisen wolte, als welches
zwar Sr. Excellentz für Dero eigenen Person zu gestanden, aber
der
- 501 -
Abreise von Adrianopel bis nach Sophia.
451
der Adel und die übrige Suite in die Zelten gewiesen worden. End⸗
lich fertigten Se. Excellentz den Dolmetschen ab / welcher in Jh⸗
rem Namen dem Commendanten sagen solte, wie Sie gesonnen /
jemand nach Constantinopel abzusenden, der sich bey dem Groß⸗
Vizir deswegen beschwehren solte, Sie wolten aber so lang hier
verziehen, bis jener von dar wüͤrde zurüͤck gekommen seyn; auf wel⸗
che unerwartete Nachricht der Commendant dem Herrn Bot⸗
schafter wissen lassen, daß es keineswegs die Meinung hätte, als
ob er der Botschaft die benoͤthigte Wohnungen versagen wolte, son⸗
dern er habe es vielmehr freygestellt / ob wir uns im Lager oder
in der Stadt aufhalten möͤgten: er seye gäͤnzlich der Meynung ge⸗
wesen, daß wir uns aus Furcht der im vorigen Jahr allhier gras⸗
sirenden Pest / woran auch dieses Orts sehr viel Leute gestorben
wären, lieber in Zelten als Häusern aufhalten würden. Allein die⸗
se Händel haben unsere Führer verursacht, als welche etliche dutzent
Ducaten zum Recompens von der Stadt zu ziehen hoften, wann
sie ihre Buͤrger von dieser Einquartirung befreyet hätten, dann man
weiß wol, wie es diese Leute zu machen pflegen. Hierauf haben sie
uns 24. der größten Häuser zu unserer Wohnung eingeräumt, und
auch die Janitscharn mit den Vornehmsten selbiger Gegend entge⸗
gen geschickt, anbey Zucker⸗Brod / Mandel⸗Gebachens, Torten,
süsse Getränke und für den Herrn Groß⸗Botschafter ein Pferd
zum Present gebracht, der auch den folgenden Tag von dem Ba⸗
scha, welcher Jhm gestern entgegen geritten die Visite bekommen.
An diesem Ort haben wir unterschiedliches eingekauft, insonderheit
wurden füͤr den Herrn Botschafter die raresten Fuͤllen allenthal⸗
ben aufgesucht; andere aber kauften sich Toback, den sie hier gar
wolfeil und gut bekommen kunten, wie auch Seifen, Caffé-Bohnen und
dergleichen Dinge, Jch selbst hätte hier glüͤcklich seyn koͤnnen, wann
ich mein Glüͤck recht zu gebrauchen oder das bereits erlangte besser zu
Ein von
mir ver⸗
wahrlostes
Glück.
verwahren gewust: ich habe nemlich bey einem Stein⸗Schneider, so
ein Türk war, einen Onichel oder Chalcedonier gefunden / so ge⸗
wiß ein recht rares Stuck aus der Antiquitæt und so groß war, als
ungefehr der Nagel an einem Daum zu seyn pflegt, wenigstens nicht
grösser, worauf die Entfuͤhrung Proserpina so kuͤnstlich, nett, und
zart gestochen war, daß der Pluto, die Proserpina und der Wagen
mit den Rädern, samt den Pferden mit ihren Mähnen, in allen 16.
Füsse
Lll 2
- 502 -
452
Viertes Buch/ Vierte Abtheilung /
Füsse und vier Köͤpfe / auf das deutlichste von einander kunten unter⸗
schieden werden; solchen nun hatte ich um geringes Geld an mich
gekaufft, und fast geschenkt bekommen, ja es hatte ihn der Türk
freywillig um was weniges loß geschlagen / damit er nur die Bild⸗
nuͤsse der Menschen und Thiere nicht laͤnger in seinem Hauß behal⸗
ten duͤrfte, aber zu meinem Ungluͤck habe ich selbigen wieder verloh⸗
ren / da ich ihn kaum etlichen guten Freunden gezeigt. Ich sprang
nemlich vor Freuden hin und her, und war uͤber dieses unverhofte
Glück ganz ausser mir selbst; hierauf lief ich zu einem meiner ver⸗
trauten Freunde Herrn Heckmann / welcher nach Diamanten,
Smaragden, Berillen und andern kostbaren Steinen fragte / und
führte ihn deswegen zu meinem Kaufmann; indem ich nun einem
andern Stein das Licht geben wolte, legte ich meinem Onichel dar⸗
unter / hatte ihn aber zugleich unbedachtsamer Weise vergessen und
liegen lassen. Nun war es schon spat, da dieses geschehen, und ob
ich schon, so bald ich meinen Verlust gemerkt / gleich wieder umge⸗
kehrt, ist doch der Türk aus seinem Laden bereits fort gewesen, habe
ihn auch durch die ganze Stadt nicht mehr erfragen können / und
musten wir noch darzu in der Nacht aufbrechen. Es wohnte aber
gegen über noch ein anderer Stein⸗Schneider, bey welchem ich mit
obgedachten Freund auch gewesen / vor dessen Lade eine Pfütze war,
daher ich auf die Gedanken kam, ob ich ihn etwan ungefehr heraus
gezogen und hierein fallen lassen / bestellte deswegen einige Jungen,
welche den Koth und Späͤne mit den Häͤnden heraus langen und mit
Wasser wieder abwaschen musten, es war aber alles vergeblich, und
habe ich nichts mehr gefunden, sondern vielmehr so grossen Verdruß
über meinen gegenwäͤrtigen Verlust, als vorher üͤber mein unverhof⸗
tes Glück Vergnügung gehabt. Bey dieser Gelegenheit habe ich
Besondere
Manier die
Jugend zu
züchtigen. eine besondere Art / die Jugend zu züchtigen, observiret: es war nem⸗
lich ein muthwilliger Jung unter denen erstgedachten, so die andern
mit Koth ins Gesicht sprützte, und ihnen allerhand Schalkheit be⸗
wiese / als dieses sein Vater gesehen, hat er ihn bey dem Schopf ge⸗
faßt, von der Erden damit in die Hoͤhe gezogen, und immerzu mit
der flachen Hand ins Genick geschlagen, als wann er einen Haasen
umbringen wollen.
Von Basardschi sind wir den 24ten wieder weiter gezogen,
nachdem wir die Bagage-Wägen in der Nacht voraus ge⸗
schickt,
- 503 -
Reise von Adrianopel bis nach Sophia.
453
schickt, und mit der fünften Tag⸗Reise zu Sophia / der Annehmli⸗
cher Weeg
nach So⸗
phia.
Haupt⸗Stadt in Bulgarien / ankommen, unterwegs aber durch
Serhanweg / Kiskoi / Jabrowitz / Jchteman / Jenihaan /
Grublian und andere Flecken und Doͤrfer gefahren, wiewol wir
auch etliche derselben auf der Seiten liegen lassen, die sich auf diesen
angenehmen Hügeln, als wir uͤber die noch mit Schnee bedeckten
Felder herab marschirten, unsern Augen von ferne præsentiret ha⸗
ben. Unter Weeges hat so wol der Herr Botschafter, als Andere,
unterschiedliche junge Füllen gekaufft, welche die Türken von den be⸗
nachbarten Orten häͤufig herzu gefuͤhret. Von Serhanweeg ha⸗
ben sich einige abermal nach der Trojanischen Pforte begeben,
und unter andern der Ingenieur-Hauptmann Herr von Oebschel⸗
witz / damit er solche in seine gezeichnete Land⸗Charten bringen moͤg⸗
te, wie nicht weniger noch andere / welche sie in dem Her⸗Weeg
nicht zu sehen bekommen; weswegen man ihnen zwey Chiausen
und sechs Mann von den Soldaten zu gegeben, die Se. Excel⸗
lentz bey der letzten Visite von dem Bascha zu Basardschi be⸗
gehrt hatten, weil wir jetzo dicke Gebüsche und von Räubern und
Mordern unsichere und unbekannte Straffen durchziehen musten: Unsicherer
Weeg.
wie dann auch zur bessern Sicherheit für uns und unsere Wägen
auf dieser ganzen Strassen eine Esquadron Spahi voraus und ei⸗
ne hinten nach marschirt. Die von obgedachter Pforte zuruckge⸗
kommene berichteten uns/ wie nicht gar zwey Stunde von dar eine
Schanz oder Palanka stüͤnde, die mit Mauern versehen / und etli⸗
che tausend Mann zur Besatzung einnehmen könnte, um auf dieser
Seiten dem Feind den Zutritt disputirlich zu machen; daß wir aber
solche vormals nicht beobachtet, ist die Ursach, weil wir nur durch
einen engen Weeg dahin gekommen: zweifle auch nicht, es werden
einige Liebhaber des Alterthums dieses Gebäu wiederum in etwas
bezwackt haben. Von Jenihaan wurde der Herr von Weipeler
Anmel⸗
dung zu
Sophia.
aus dem zweiten Adel mit dem Dolmetsch Herrn Godeschalc und
dem Secretaire Mejer voraus geschickt / die im Anzug begriffene
und des andern Tags daselbst eintreffende Botschaft zu Sophia
anzumelden, als die sich zu solcher Zeit derselbigen gar nicht verse⸗
hen hatten, weil sie glaubten / daß wir so wol wegen des in unse⸗
rer Kirchen eingefallenen grossen Fests, als auch, damit wir unse⸗
re
Lll 3
- 504 -
454
Viertes Buch / Fünfte Abtheilung /
re Reise desto bequemer einrichteten, uns noch länger zu Jchte⸗
man aufhalten würden; weil aber Seine Excellentz den 27ten
durch Schreiben von der Gränze Nachricht bekommen / daß des
Türkischen Boschafters Bagage von Wien aus schon zu Bel⸗
grad angekommen, und man ihn selbsten auch täglich allda erwar⸗
te / haben Sie die Reise, so viel möͤglich, beschleuniget / damit Sie
keine Gelegenheit zu einigen unnöthigen Verzug geben mögten. Bey
der Ankunft sind Sr. Excellentz der Molach oder Land⸗Richter
nebst andern Vornehmen aus der Stadt zu Pferd entgegen gekom⸗
men, und haben Sie in die Stadt nach dem alten Kaiserlichen
Pallast begleitet, auch die gewöhnliche Geschenke von Torten
Blumen und frischen Obst / und bey unserm Abzug zwey Rehe da⸗
Einholung
daselbst. hin bringen lassen. Die drey folgende Täge, worunter zwey Rast⸗
Täge gewesen, ist eben dergleichen entsetzliches Wetter, welches
gleichsam Himmel und Erden dem Untergang drohete / wie vor ei⸗
nem Jahr, da wir uns zu Belgrad aufhielten, entstanden, wor⸗
durch auch einer von unsern Fuhrleuten erschlagen worden / dem es
die Gebeine im ganzen Leib zerschmettert hatte. Allhier wurden die
Wagen zum viertenmal abgewechselt, aber viel kleinere, als die
vorigen gewesen / dargegen an die Stelle geschafft, weswegen der Be⸗
Ein Fuhr⸗
mann wird
vom Wet⸗
ter erschla⸗
gen.fehl ergangen, die erstern nicht eher fort zu lassen, bis von den an
dern so viel, als wir nöthig hätten / herbey gebracht wären. Zwey
Ungarn, die man Husarn zu nennen pflegt / kamen um diese Zeit
mit Brieffen aus Siebenbürgen an, und zwar viel später / als
es sonst hätte seyn sollen, weil sie einen gar weiten Umweeg nehmen
müssen.
Fünfte Abtheilung.
ENdlich haben wir am dritten Tag, als dem letzten Maj, So⸗
phia wiederum verlassen, und nach Schlibnitza unsern Weeg
zu genommen, welches sechs Stund davon liegt, und dem Namen
nach in unserer Sprach so viel als das Pflaumen⸗Dorff heisset. Hie⸗
Angekom⸗
mener Cou⸗
rier von
Constan⸗
tinopel.selbst ist der Kaiserliche Courier Jsaac Luca mit einem Venetiani⸗
schen Edelmann, so Patron von einem Schiff gewesen, von Con⸗
stantinopel zu uns gekommen, und hat uns die Zeitung gebracht, daß
der⸗
- 505 -
Reise von Sophia bis ins Lager vor Nissa.
455
derjenige, so in der Französischen Comödie die kurtzweilige Person
Comödiant
wird ge⸗
henkt.
agirt / unterdessen von den Tüͤrken gehenkt worden / weil er, nach⸗
dem er zu ihren Glauben üͤbergetretten / sich wiederum zur Christlichen
Religion bekennet habe.
Den 1ten Junj sind wir immer durch dicke Wäͤlder und Hol⸗
Weege bis nach Saribrod geruckt; weswegen uns eine Anzahl
Beschli zugegeben worden / welche uns durch diese unsichere Oer⸗
ter begleiten solten, wie man dann allenthalben auf den Bergen her⸗
um Wachten von ihnen ausgestellt sahe / um die Reisende in Si⸗
cherheit zu stellen, weil nirgend vor den Strassen⸗Räubern grösse⸗
re Gefahr zu besorgen, als bey der Pforten Trajani und dieser
Gegend, allwo sie sich in der Menge aufhalten; wie dann noch
Gefahr vor
den Stras⸗
sen⸗Räu⸗
bern.
ganz neulich ein Armenischer Kaufmann, und ein Bostangi oder
Gärtner / der nach unserer Abreiß von Constantinopel nach
Wien zum Türkischen Botschafter mit einigen Schreiben gehen
sollen / und welchen wir auch zu Jenihan noch gesehen hatten,
allhier ermordet worden/ davon der Vorreuter noch entkommen,
und dieses auch die Ursach mag gewesen seyn, warum die Räuber
den Erschlagenen nicht gepluͤndert/ sondern sich lieber mit der Flucht
salvirt: Man hat deswegen zu Saribrod die von hohen Bäumen
nach Art eines Zauns aufgerichtete Palanka angelegt, damit die
Moͤrder aus besagten Waldern moͤgten abgehalten werden, so auch
nun bald im Stand gebracht ist. Die Besatzung darinnen versehen Beschli wer
sie sind.
die Beschli, die eine Art leicht gewafneter Reuter sind, und zwar hier⸗
innen mit der gesammten Tuͤrkischen Cavallerie uͤberein kommen,
erhalten aber täglich ihren Sold, und werden dafuͤr hingeschickt, wo
man ihrer am meisten vonnoͤthen hat. Jn der Nacht zwischen dem
ersten / und zweyten Junj ist abermal ein entsetzliches Don⸗
ner⸗Wetter entstanden, welches auch bis zu anbrechenden Tag ge⸗
dauret, und uns über die Zeit im Lager aufgehalten. Den Mor⸗
gen darauf haben wir uns nach Scharkioi begeben, dahin wir
wiederum uͤber viele Berge und durch das in den Thaͤlern gesamm⸗
lete Wasser, in Begleitung zweyer Trouppen Beschli marschiren
müssen. Von dieser Stadt sind wir mit ihrem Geschütz von der
Mauern, deren man in allen drey Stuck zehlen kunte, begruͤßt
worden; beym Abzug aber haben sie sich nur ein einigsmal damit
hören lassen, vielleicht weil es ihnen an Pulver gefehlt, oder weil
sie
- 506 -
456
Viertes Buch / Fünfte Abtheilung /
sie gemeint, wir würden zu solcher Zeit nicht so genau darauf mer⸗
ken. Der von Parakin zuruck gekommene Chiaus berichtete uns,
wie die bisher gehaltene Quarantaine auf den Gräͤnzen, welche zu
letzt auf acht Tag gesetzt worden, nun völlig aufgehoben seye, und
daß man den Tuͤrkischen Botschafter den 4ten oder 5ten Juni
zu Belgrad erwarte. Der Kaiserliche Courier / so ohnlängst
mit Brieffen nach Wien abgangen und mit dem Chiausen, den er
auf den Weeg angetroffen, wiederum zuruck gekommen, ist nach
Tisch zum zweytenmal wiederum dahin spedirt auch von einigen
Beschli um besserer Sicherheit willen durch die von Dieben und
Räubern noch nicht genug gereinigte Strassen begleitet worden, de⸗
Verwege⸗
ne Mörder. ren letztern Verwegenheit sich so weit erstreckt, daß sie erst kürzlich
in der Vorstadt fünf Häuser angesteckt; so ist auch vor wenig Tagen
ein frisch⸗erschlagener Cörper auf der Strassen gefunden worden,
der, wie aus der Kleidung zu schliessen war, eine vornehme Stands⸗
Person mag bedeutet haben; um welchen sie ein Feuer angelegt, um
ihn zu Aschen zu verbrennen, damit er nicht moͤgte erkannt werden,
es ist aber nur etwas weniges am Haupt und Arm versengt worden,
das übrige aber unbeschädigt geblieben / weil das Feuer nach ihrem
Abzug vermuthlich wiederum ausgelöscht.
Den 4ten sind wir wiederum durch eben dergleichen Weege,
als einige Tage vorhero gezogen, und in fernerer Begleitung der
Mustapha
Bascha Pa⸗
lanka. Beschli nach Mustapha Pascha Palanka gekommen. Diese
Palanka ist mit einer vierfachen Mauer umringt, uͤber welche acht
Thüͤrne an unterschiedlichen Orten herfuͤrsehen, davon der mittlere/
so gegen Mittag stehet / und das mit zwey eisernen Flügeln ver⸗
wahrte Stadt⸗Thor præsentirt, viereckigt, die übrigen aber alle
in runder Form gebauet sind: hinter der Mauer ist ein Wall / auf
welchen Stücke können gepflanzt werden, und worauf auch viele
Häuser nach Lands⸗Art angebauet stehen. Als unser Marschalk der
Ungelegen⸗
heit des
Hn. von
Ostman
daselbst.
Freyherr von Ostman, ein in dergleichen Sachen sehr curieuser
Herr, in eines derselbigen hinein gehen wollen, haben ihn die Tür⸗
ken einen Prügel auf den Kopf geworfen und zuruck gehen heissen;
da dann sein Glück gewesen, daß er an sich zu halten gewust, damit
nicht ein gröͤsserer Verdruß daraus entstanden, welcher ohne Zwei⸗
fel erfolgt ware, wann er so gleich in der ersten Hitz diese Schmach
rächen wollen / wie vielleicht mancher, deme dergleichen begegnet,
würde
- 507 -
Reise von Sophia bis ins Lager vor Nissa.
457
wuͤrde gethan haben: er aber hat solche Unbild verschmerzt, doch
aber mit ganz gelassener Stimme, und dabey nichts destoweniger mit
Bezeigung seines gerechten Eifers, zu verstehen gegeben, wie man ihn
deswegen unfehlbar wuͤrde Satisfaction verschaffen muͤssen, welche er
auch auf Erfordern des Herrn Botschafters erhalten; worauf
nachgehends alle ohne einige Widerrede in die Schanz hinein gelas⸗
sen worden; bey welcher Gelegenheit der Freyherr von Hoͤrde
samt dem Ingenieur-Hauptmann Herrn von Oebschelwitz die
ganze Schanz, alle Gebäue, die Höhe und Breite der Mauern
Schritt von Schritt abgemessen, und sich dabey gestellt, als ob sie
in Gedanken herum spatzirten, damit die Tüͤrken ihr Absehen nichs
merken solten. Es ist dieser Ort im vorigen Krieg unter der Rö⸗
misch⸗Kaiserlichen Botmässigkeit gestanden, woselbst der Ge⸗
neral⸗Lieutenant Piccolomini den daselbst gestandenen prächtigen
Haan bey seinem Abzug zerstöret und abgebrennet, damit sich
der Feind desselbigen nicht zu seinem Vortheil bedienen moͤgte.
Nach Mittag hat sich der Herr Botschafter selbst gefallen
lassen, mit vielen aus dem Adel und einigen andern diese Werker in
Augenschein zu nehmen, worbey wir unterschiedliche rare AntiquiAntiquitæ⸗
ten zu Mu⸗
stapha Ba⸗
scha Pa⸗
lanka.
⸗
tæten bemerkt, so muthmaßlich ehedessen aus Thracien dahin ge⸗
bracht worden. Vor dem Thor dieser Palanka liegt ein Capitel
samt dem Cranz von einer Corinthischen Säulen nebst dem untern
Theil des Stamms / aus rothen mit weissen Flecken oder Adern
bezeichneten Marmor gehauen. Auf der Seite, wo man von Nissa
herkommt, ist eine Schrifft von dem Kaiser Julius Philip⸗
pus in weissen Marmor gegraben, aber die Anfangs⸗Buchstaben
entweder von Alter oder der Maurer Nachlaͤßigkeit, wie sie diesen
Stein eingesetzt, unkenntlich gemacht worden.
An der Pforte des Haans,/ oder der gemeinen Herberg, zeigt sich Aufgesuch⸗
te Inscri⸗
ptionen.
ein Stein, worein unterschiedliche Schrifften gehauen, so aber durch
das Alterthum und die daran fahrende Waͤgen, denen jener exponirt
ist, dermassen unleßlich worden, daß man kaum noch etliche wenige
Buchstaben daran erkennen kan. So siehet man auch zur Rechten
zwey neben einander gesetzte Marmel⸗Steine, welche aber bis auf
die Helfte in die Erden versenkt und mit Koth bedeckt sind, daß ich
einer Schaufel nöthig gehabt hätte, wann ich die Erde von dem
Stein
Mmm
- 508 -
458
Viertes Buch / Fünfte Abtheilung /
Stein loß machen wollen; weil ich aber keine bekommen kunte, hat
mir Balthasar Brabec / ein Pfälzer und Stall⸗Knecht / hierin⸗
nen gedient, und den s. v. Mist mit eigener Hand weggescharret;
Baron
Hörde Be⸗
mühung
hierinnen. die gröste Mühe aber hat sich der Baron Höͤrde diesen Tag gege⸗
ben, als der sich nicht gescheuet, nebst mir das Wasser mit eigenen
Händen zuzutragen, den Koth mit einem Tuch abzuwischen / oder /
wo es noͤthig war, die mit Kalch und Leimen angefüͤllte Buchstaben
mit einem Stecken zu reinigen / und mit seiner grossen Beschwehr⸗
nis wiederum kenntlich zu machen, welches gewiß von einem Edel⸗
mann ein rares Exempel ist, als die sich selten um gelehrte Sachen
bekümmern, und dasjenige für eine Schande halten, worinnen
ehedessen die Röͤmischen Ritter ihre groͤste Ehre gesucht haben.
Inscription
von der Ju⸗
lia Domna. Der eine von diesen Steinen war der Juliæ Domnæ gewied⸗
met, an welchem alles auf diejenige Weise geschrieben und abgetheilt
zu sehen, wie ich es unten anzeigen will. Der andere, dessen
Septimo
Severo. Aufschrifft von Septimo Severo handelt, verursachte vielmehr
Difficultät, weil solcher verkehrt in die Mauern gesetzt war. Bey
dem vierten, der mitten in der Mauer aus rothen Marmel gehauen
stunde, fande sich eben so viel, und noch wol mehrere Schwürigkeit,
weil er nicht nur mit Kalch uͤberstrichen war, den man loß machen
und abschwemmen muste, sondern auch eben, wie der vorige umge⸗
wandt eingesetzt worden. Der fuͤnfte præsentirte sich an einem der⸗
massen hohen Art, daß ich ohne eine Leiter dessen Schrifft ohnmoͤg⸗
lich lesen kunte; weil ich aber keine an der Hand hatte/ zudem von
dem Lager zu weit entfernet war, habe ich etliche Tuͤrken dahin ge⸗
bracht, daß sie mir einige Stein hieher welzen muͤssen, worauf ich
alsdann Bretter gelegt und hinan gestiegen bin; da ich befunden, daß
der Marmel mit dem vorigen einerley Farb hatte, an welchen ich die
hier zu letzt aufgezeichnete Verse bemerkt.
Erinne⸗
rung we⸗
gen dieser
Inscriptio⸗
nen.
Bevor ich aber diese Denkmal, wie ich sie gefunden, hersetze,
muß ich bey dem geehrten Leser noch ein und anders erinnern; und
zwar erstlich / daß ich gar sehr anstehe, ob A und E auf diesen
Steinen mit zwey besondern Buchstaben, oder nur mit dem einfachen
Æ ausgedruckt worden; dann ob ich schon in meiner Schreib Tafel
nur das letztere finde, so will ich doch eben nicht gut dafüͤr seyn, daß es
auf dem Original auch nur ein einiger gewesen, weil ich mich dessen
um
- 509 -
Reise von Sophia bis ins Lager vor Nissa.
459
um der Eilfertigkeit willen so eigentlich nicht mehr erinnern kan;
welchen Bescheid ich auch dem beruͤhmten Antiquario Herrn
Hæreus, gegeben, der mir dieses Dubium gleichfalls gemacht: daß
sie aber doch zusammen gesetzt muͤssen gewesen seyn, glaube ich da⸗
rum, weil noch mehrere andere Buchstaben, welche sich doch nicht so
leicht vereinigen lassen, gleichwol an einander gehenckt waren.
Zweytens / daß in dem Wort SVAm das V und A, in GERMA⸗
NICI SARMATICI, MAXIMO das M und A, und in ANTONINI
das N und I, in TRAIANI das T. R. und A, in PERTINACI das
N und A, und zwar dieses zu erst, in ARABICO A und R, in TRI⸗
Bunitiæ das T und R. in ANnos das A und N. in ET das E und T,
und in PATRI T und R auf eine neue Manier zusammen gehaͤngt
gewesen, also daß es geschienen, als ob zwey oder drey nur ein
Buchstabe wären, welches mir aber der Buchdrucker nicht recht zu
exprimiren gewust. Drittens / daß die grossen Buchstaben, so
verkehrt stehen, die Lange der Zeit ausgeloͤscht, die kleinen aber gar
nicht kunten gesehen werden/ sondern nur um der Deutlichkeit wil⸗
len von mir darzu gesetzt worden. Viertens, daß in der letzten
Aufschrifft Generi zu lesen, da es doch Genero heissen soll, wel⸗
ches aber ohne Zweifel der Unwissenheit des Steinhauers zuzu⸗
schreiben.
Nun komme ich zu den Inscriptionen selbst, die ich nebst dem
Brief und Anmerkungen des unvergleichlichen Antiquarii Herrn
Carl Gustav Heräus / als deme ich solche zugeschickt, in solcher
Qualität communiciren will, wie er sie mir wieder zuruck gesen⸗
det hat.
Der Brief:
Die Ehre und Ruhm unsers Unuͤberwindlichsten Kaisers
Carl des VI. und Burgundischen Jasons / brachte es so mit Brief des
berühmten
Antiquarii
zu Wien
wegen die⸗
ser Inscri⸗
ptionen.
sich, daß Er mit seinen eigenen Vöͤlkern den Türkischen Krieg in⸗
nerhalb zwey Jahren ein Ende machen, und das nun den Frieden
wiederum geniesende Constantinopel mit nicht geringer Verwun⸗
derung die Kaiserliche Gesandtschaft in einen ungewoͤhnlichen
Pracht und sieg⸗prangenden Aufzug, nemlich in Teutscher Kleidung,
und zugleich die ehmalige Unbild nunmehr auf das nachdrüͤcklichste
gerochen sehen solte: Dahero war es auch billig, daß deren Beschrei⸗
bung
Mmm 2 - 510 - 460
Viertes Buch / Fünfte Abtheilung /
bung durch Jhre gelehrte Feder verfaßt wuͤrde, und alle vorherge⸗
hende dergleichen Relationen uͤbertreffen moͤgte; worinnen Sie sich
unter andern auch mit denen, so viel ich weiß, noch nie an den Tag
gelegten alten Inscriptionen nicht geringes Lob erworben, welche,
ohnerachtet der Eilfertigkeit auf dieser Reise, zu colligiren sie
sich nicht gesaumt und mir anbey guͤtigst communicirt haben. Da⸗
mit ich nun Dero Verlangen und meiner Schuldigkeit bey allen mei⸗
nen sonst gehaͤuften Verrichtungen nachkomme, so sende ihnen hier⸗
mit wiederum ihre erklärten Inscriptionen/ die Sie mit gröͤsten
Recht die ihrige nennen koͤnnen, mit meinen Anmerkungen wiede⸗
rum zuruck, als welche durch sie nunmehro das Tages⸗Licht aufs
neue erblicket, dessen sie vorhero durch der Barbarn Unwissenheit
und der Reisenden Verwahrlosung beraubt gewesen. So viel nun
das Andenken voriger Zeiten diesen Steinen schuldig ist: eben so viel
Dank verdienen sie von der gelehrten Welt, daß deren Aufschrifft
durch sie vor den gaͤnzlichen Untergang erhalten worden. Wie sehr
wünschte ich, daß andern, welche nicht so sehr zu eilen haben,
ein gleiches Glüͤck begegnen / und die besser cultivirte Ungarn, un⸗
sers grossen Kaisers Befehl gemäß, in Erhaltung ihrer Zierde /
ich will sagen der Roͤmischen Alterthuͤmer/ sich doch wider Verhof⸗
fen nicht so gar nachlässig bezeigen moͤgten. Was aber Dero ge⸗
sammlete Inscriptionen betrifft/ ist die erste gar leicht zu lesen:
MAXIMO ET
SV PER OMNES
FORTISSIMO
IMPERATORI CÆS.
MARCO JVLIO PHILIPPO
PIO FELICI INVICTO
AVG. PONTIFICI
MAXIMO. PAT. P. atriæ.
Ausle⸗
gung der
ersten In⸗
scription.Daß diese Inscription auf den Vater M. PHILIPPVM , den Kaiser,
ziele, ist aus vielen wichtigen Anzeigungen zu schliessen / welches un⸗
ter andern auch der Titul: SVPER OMNES FORTISSIMI, un⸗
schwehr - 511 -
Reise von Sophia bis ins Lager vor Nissa. 461
schwehr zu verstehen gibt, als welcher nicht einmal dem Vater ohne
alle Schmeicheley beygelegt, von dem Sohn aber als einem noch jun⸗
gen Herrn, ob schon von grosser Hofnung, am wenigsten verstan⸗
den werden kan, als der in der letzten Unternehmung des Vaters zu
Rom geblieben: sonsten aber wurde der Sohn auf denen
Münzen so wol MARCVS als auch AVGVSTVS genennt. Ob
nun schon gemeldte Inscription nichts von einiger Geschicht geden⸗
ket, auch daraus nicht zu beweisen, daß PHILIPPVS seine Armee
wider die Gothen gefuͤhrt, die Pannonien und Thracien bis an
Constantinopel verwüͤstet: so ist doch so viel abzunehmen, daß,
ehe noch Decius der Herrschaft in Pannonien sich angemasset,
oder doch nachgehends, von einem Anhäͤnger des PHILIPPI der
Stein gesetzt, aber zur Vermeidung der Mißgunst der Name ausge⸗
lassen worden seye.
Zur Vermehrung der Grammaticalischen Wissenschaft köͤn
Zusam⸗
menfügung
der Qua⸗
drat⸗Buch⸗
staben. ⸗
te auch dienen/ wann, woran ich doch sehr zweifle, die ungewoͤhnli⸗
che Zusammenhaͤngung der Quadrat-Buchstaben A und E nicht nur
in dieser / sondern auch in denen folgenden noch ältern Inscriptionen
gefunden wüͤrde, wovon sie den Gelehrten Nachricht zu geben be⸗
lieben, und auch mich, wo ich dißfalls einen Fehler begehe, erin⸗
nern, weil so wol jenen als ihnen selbsten daran gelegen ist.
Die andere heißt:
JVLIÆ
DOMNÆ
AVGVSTÆ
MATRI CAS
TRORVM
R, em. P. ubl. SVAm VLP. iam,
CVRANTE
Q into ANICIO
FAVSTO LEG. ato
AVGVSTORVM
PR. O. PR. ætore.
Diese Inscription ist der Julia Pia Augusta, des S. Severius Erklärung
der zwey⸗
ten Inscri⸗
ption.
Gemahlin zu Ehren verfertiget worden / nachdem die Soldaten Ba⸗
sianum
Mmm 3 - 512 - 462
Viertes Buch / Fünfte Abtheilung /
sianum im 13ten Jahr seines Alters dem Vater in der Regierung
zugesellt haben; sintemaln ANICIVS sich nicht AVGVSTI, sondern
AVGVSTORVM LEGATVM Pro Prætore nennet. Es legt auch
dieser Stein mit andern Steinen und Münzen von unterschiedlicher
Gattung der Julia den Titul Matrem Castrorum bey, so wol zu
Ehren ihres Gemahls, als auch, weil Sie denselbigen allenthalben
ins Lager gefolgt ist. Etwas sonderbares ist an dieser Aufschrift zu
observiren / daß nemlich der Reip. Ulpiæ gedacht wird, welches
aber gleichwol / nach dem Exempel gedachter Republic von der Land⸗
Militz in einer Provinz, welche mit solchen Stäͤdten, die den Namen
des Uberwinders Vlpii angenommen/ ganz angefuͤllt/ nichts unge⸗
wohntes ist. Dem Anicischen Geschlecht aber / so durch beruͤhmte
Thaten so wol / als vermittelst der Muͤnzen und Steinen, sehr bekannt,
wird durch diese und folgende Inscription ein neues Denkmal auf⸗
gerichtet; angesehen ihr Ruf so groß, daß die Anicii nach der Grichischen
Bedeutung unuͤberwindlich koͤnnen genennet werden / und man
nicht nur dafür hält, daß sie so wol, als der erste Kaiser / vom
Geschlecht des Æneas herstammen, sondern auch für ruͤhmlich ge⸗
achtet, den Ursprung unserer Aller Durchlauchtigsten Oe⸗
sterreichischen Kaisere davon her zu deriviren, wie Johann
Seyfried im Anicischen Stamm⸗Baum bezeigt.
Die Dritte ist dem S. Severo selbst zu Ehren, und zwar um eben
solche Zeit aufgesetzet, und folgendes Jnnhalts:
IMP. CÆSARI
DIVI. MARCI. ANTON
— N. PII. GERMANICI. SAR
MATICI. FILIO. DIVI. COM
MODI. FRATRI. DIVI. ANTO
NII. PI. NEPOTI. DIVI. HADRI
ANI. PRONEPOTI. DIVI. TRA
IANI. PARTHICI. ABNEPOTI.
VI. NERVÆ. ADNEPOTI,
SEPTIMIO. SEVERO.
PIO - 513 -
Reise von Sophia bis ins Lager vor Nissa. 463
PIO PERT IN ACI. AVG. ARABICO.
ADI ABENICO. PARTHICO. MA. ximo
LVS.
- - - IO PONTIFICI. MAX.imo
TRIB. unitiæ
POT. estatis... X. COS. ul III.
PROCONSVLI. R. em. P. ublicam
SVA.m
VLP. iam CVRANTE.
Q uinto ANICIO. FAVSTO.
LEG. ato AVGVSTORVM.
PR.O PR. ætore.
Hiermit wird nicht weniger, als auf anderen Steinen, der wol verDer Drit⸗
ten. ⸗
diente Ruhm des Kaisers Antonini erhoben, von welchem nebst
dem Antonino Pio und vornemlich dem M. Aurelio der Ælius Hochach⸗
tung des
Namens
Antonini
bey den
Römern.
Lampridius in Diadumeniano, der sich gleichfalls einen so gros⸗
sen Namen mit den Gordianern und uͤbrigen Nachfolgern des
Kaisers Severi erworben hatte, geschrieben: es seye der Name
der Antoniner so beliebt gewesen, daß derjenige, so sich desselbigen
nicht bediente, der Regierung nicht wuͤrdig schiene. Uber dieses hat
auch diese Inscription mit derjenigen, so mir bekannt / und von
Grutero nicht angeführt ist, nemlich dieser, so auf der Ana⸗
gniner Stein in Latien zu lesen war, dieses gemein / daß Septi⸗
mius Severus ein Bruder Commodi genennt wird: so weit er⸗
streckte sich nemlich sein Hochmuth, daß Er / nach Zeugnis Æl. Spar⸗
tiani aus des Marci Famille herzustammen prætendirte; und die⸗
ser Stoltz moͤgte noch hingehen, wann nur der Tyrannische Prinz
zugleich mit dem Namen deren Sitten und Tugenden hätte nach⸗
ahmen wollen, als die nicht nur unter den Kaisern / sondern auch
überhaupt unter denen Heyden nechst Socrates die kluͤgsten gewesen
sind: doch siehet man daraus so viel, daß es wahr seye, was Seneca
schreibt - 514 - 464
Viertes Buch / Fünfte Abtheilung /
schreibt / wie die Tugend auch von denenjenigen hoch gehalten wer⸗
Tugend
wird auch
von Laster⸗
haften
estimirt.de, welche dieselbige eben nicht auszuuͤben verlangen. Ferner solte ich
mit Dero Erlaubnis wol zweifeln, ob sie sich nicht von den zuruck geblie⸗
benen Merkmale der ausgelöschten Buchstaben bey Abschreibung der
eilften Linie in den Namen PERTINACI hintergehen lassen; sin⸗
temaln die andern Inscriptionen des Severi zwischen Pius und Au⸗
gustus zwar den Namen Pertinax setzen, aber im uͤbrigen von kei⸗
nem andern Titul, die doch hier zu lesen/ was wissen wollen. Dann
wofern der Titul Pertinax mit dem über das achtemal gefüͤhrten
Zunft⸗Meister⸗Amt vereinigt wäre / wuͤrde es dieser Inscription ein
grosses Gewicht geben, wann deren Authorität zu andern Stei⸗
nen und Münzen käme / die nach dem zum achtenmal geführten
Zunft⸗Meister Amt den Titul Pertinax beybehalten. Jch will aber
doch dieses den Worten des Æl. Spartiani nicht entgegen setzen, wann
er vorgibt / daß Severus nachgehends den Titul Pertinax habe ab⸗
schaffen wollen; welche Abschaffung ich nicht von einer bestäͤndigen,
sondern nur einer solchen, die oͤfters vorkommt/ verstehe. Jn der
15ten Linie gehen zwar einige Buchstaben vor dem Buchstaben X ab,
es köͤnnen aber nach der Roͤmischen Art zu schreiben keine solche seyn,
die auf die achte Zahl ziehlen solten. Es mag indessen genug seyn,
wann ich gesagt, daß auf andern Steinen und Tituln uͤber das ach⸗
temal geführte Zunft⸗Meister⸗Amt der Titul PERTINAX gelesen
wird / ja, daß auch nach dem Tod des Vaters der BASSIANVS/
nach Ausweisung der Steine, ein Sohn des PERTINAX genannt
werde; und daß dieses der in der Antiquität sehr erfahrne Vaillant,
mein ehmaliger guter Freund, und deme ich Ehrenthalben hier nen⸗
ne, nicht solte gewußt haben, ist so wenig wahrscheinlich, als er des⸗
wegen zu entschuldigen wäre: wie man ihn dann darum auch in ge⸗
ringsten Verdacht nicht haben kan, sondern man muß ihn nur recht
verstehen, wann er in Tom. II. bey der andern Münz des Severi
sagt / daß der Name PERTINAX von Severo nur in dem achten
Zunft⸗Meister⸗Amt seye ausgelassen worden; nicht als wann er sol⸗
chen nachmals ganz und gar nicht mehr gebraucht, sondern daß er sich
dessen nicht zu bedienen nur dazumal den Anfang gemacht habe.
Jn der 12. Linie wäre in des Severi Titul das Wort MAXI⸗
MI ohne Noth abbrevirt worden, wann nicht die folgende Zeile ei⸗
ne - 515 -
Reise von Sophia bis ins Lager vor Nissa. 465
ne denkwuͤrdige That ausgefuͤllt haͤtte, welche mit LVS anfäͤngt, und
sich auf der folgenden Zeil mit IO endigt; weswegen es sich nicht
wol wuͤrde geschickt haben / mit denen zu dem Titul nicht gehöͤrigen
Buchstaben, LVS und IO, eine ganze Zeil auszufüͤllen.
Die vierte Aufschrift heißt:
Diis M.anibus
VALerius VALerianus E Suboptione
MILes
LEGionis I iii Flaviæ VIXit
ANNOS XXXI MILitavit
ANNOS VIII VALerius VA
LERIANVS ET
VALERIA CAN
DIDA FRATRI
CARISSIMO
ET SIVI VIVI
Posuerunt.
Hier merk ich nur dieses an, daß man das B oͤfters mit einem V ver
Anmer⸗
kung bey
der vierten
Inscription. ⸗
wechselt findet, als Danuvius für Danubius.
Die fünfte Inscription endlich ist folgende:
ANNIA I iii AVRELIA
FAVSTINO MARITO
CAR. issimo ET GENERI PI
ENTI.ssimo ETAVRELIA
FILIA PATRI BENE
MER. enti ET MARITO DVLCIS
ET SIBI VIVA S. epulchrum
Fünfte In⸗
scription.
Posuit.
Sie belieben sich dieses nach Gefallen zu bedienen, und erhalten in
Dero beständigen Faveur, dem, der alle Ehre und Hochschätzung füͤr
ihre Gelahrheit und Wissenschaft träget
C. G. Heræus.
Sech⸗
Nnn
Viertes Buch / Sechste Abtheilung /
Sechste Abtheilung.
Ankunft
bey Nissa.
ENdlich sind wir den 5ten Junj nach einer langen und be⸗
schwehrlichen Reise, die uns die hohen Berge und finstre
Wälder nebst dem zum öftern ausgebrochenem entsetzli⸗
chen Donner⸗Wetter verursachet, auf den Nissensischen Feldern
nicht gar eine Stund von der Stadt, angelangt, und haben an dem
Fluß Nissava fast an eben demjenigen Ort unser Lager aufgeschla⸗
gen, wo wir in der Hin⸗Reise nach Constantinopel gestanden sind.
Jn dieser Gegend findet sich ein Uberfluß an allerhand Feder⸗ und
andern Wild⸗Bret / Reb⸗Hüner / Hassel⸗Hüner / Trappen / Fasa⸗
nen, Wachteln, Haasen, Bären, Rehe und anders mehr; es ist
aber auch kein Mangel an Räubern, weswegen wir in den Wäͤl⸗
dern viele Wachten ausgestellt gesehen, welche der Botschaft und
Anmel⸗
dung bey
dem Se⸗
raskier. andern Reisenden die Strasse sicher halten solten. Hier haben sich
unser Führer Mehemet samt dem Dolmetsch Herrn Theyls ohne
Verzug zu dem Seraskier verfügt, so wol des Herrn Groß⸗
Botschafters Ankunft zu vermelden, als für die angekommene
Gäste Quartier zu begehren. Hierauf ist Nachmittag um 5. Uhr
von dem Seraskier ein Capigilar Agasi / oder oberster Cäm⸗
merer, welcher so viel als einer von dem ersten Adel bey einer Ge⸗
sandtschaft, oder auch ein Ceremonien⸗Meister bedeutet, abgeschickt
Gegen⸗
Compli⸗
ment des
Seras⸗
kiers. worden, welcher bey Sr. Excellentz in des Seraskiers Namen
wegen gluͤcklicher Ankunft die Gratulation abstatten und vermelden
solte, daß die benoͤthigten Haͤuser füͤr die Gesandtschaft schon aus⸗
gesetzt wären, es befänden sich aber in der ganzen Stadt nichts als
lauter elende und dabey so enge Huͤtten, in welchen nirgend auch nur
zwey Wägen bequem stehen koͤnnten; so wäre es nicht weniger zu dieser
Jahrs⸗Zeit auf dem Feld viel annehmlicher und sicherer, und haͤtte
sich der Seraskier, wiewol er sich eben nicht gar wol auf befän⸗
de, entschlossen, den morgenden Tag heraus zu kommen, damit er
dem Herrn Botschafter desto naͤher seyn und alles desto geschwin⸗
der anschaffen moͤgte: er seines theils wuͤnschte / daß er einen Köͤnig⸗
lichen Pallast innen hätte, damit er einen so vornehmen Gast, als
der Römisch⸗Kaiserliche Botschafter wäre, darinnen nach
Wür⸗
- 517 -
Reise von Nissa bis an den Platz der Auswechslung.
467
Würden logiren koͤnnte, im uͤbrigen solten Se. Excellenz sich des
Seinigen also bedienen, als ob es ihr eigen wäre.
Hierauf sind wir den 6ten dito in eben solcher Ordnung und
Einzug in
Nissa.
mit dergleichen Gepraͤng, als vor
einem Jahr / in die Stadt ein⸗
gezogen, und
die Janitscharn uns bis in das letztere Läger entge⸗
gen⸗ und dann
ferner in doppelter Ordnung durch die Stadt vor⸗
angegangen,
bis sie samt uns in dem neuen Lager angelangt; hierzu
kamen noch auf dem Weeg in eben
diesem Absehen die vornehmsten
Officiers von der Besatzung und den
Spahi / die Stadt⸗ und
Land⸗Richter / die Kirchen⸗Bedienten
und übrige Vorstehere,
alle zu Pferd / und mit ihren
grossen Buͤnden auf dem Haupt; und
als wir uns den Mauern naͤherten,
wurden die Stuͤcke dreymal ab⸗
gefeuert: der
Poͤbel ließ auch die geringsten Schelt⸗Worte, wie
bey der Her⸗Reise, nicht mehr
hoͤren, sondern erwiesen uns vielmehr
im Vorbeyzug alle Ehre; doch fehlte
es uns an genugsamen Futter
für das Viehe, weil eine sehr grosse
Duͤrre eingefallen, und uͤber die⸗
ses zum
Vestungs⸗Bau 16000. Spahi in der Stadt lagen, wes⸗
wegen es sehr
sparsam vorgeschuͤttet werden muste; und wie füͤr des
Herrn Botschafters Pferde nicht einmal genug vorhanden war:
also geschahe es, daß, wann etwan
von den nechsten Dorfschaften
was zugefuͤhrt worden, schon hundert
darauf warteten, und es füͤr
sehr theuer Geld, einander so zu
reden/ vor dem Maul wegriesen.
Als nun der Herr Groß⸗Botschafter im Lager und in seinem
Beziehung
des Lägers.
Zelt angelangt, wurde Er mit
unterschiedlichen Fruͤchten/ neun
Lämmern, Zucker und Blumen aus der
Stadt beschenkt; Se. Ex⸗
cellenz aber
fertigten alsobald den Herrn Baron Ostman zu dem
Seraskier, noch jemand aber nach Belgrad zu dem Gräͤnz⸗
Commendanten,
den Grafen Oduyer ab, demselbigen
seine AnBericht an
unsern
Gränz⸗Commen⸗
danten we⸗
gen hiesi⸗
ger An⸗
kunft.
⸗
kunft zu
vermelden. Nachmittag, da wir eben von Tisch aufgestan⸗
den, kam ein
Hauptmann aus der Besatzung Jagodina
mit der
fahrenden Post zu uns, und brachte
die Nachricht, daß der Tüͤrki⸗
kische
Botschafter sich schon drey Tag zu Belgrad aufhalte. Den
7ten
ist der Seraskier / welcher sich, wie ich schon gemeldet, ei⸗
nige Tag hero
nicht wol auf befunden, aus der Stadt gezogen / um
ins küͤnftige in seinem ohnweit von
uns aufgeschlagenen Läger desto
näher bey der Hand zu seyn; dabey
Jhm zu Ehren gleichfalls die
Stücke geloͤßt, und eine bessere
Ordnung als des vorigen Tags bey
unseren
Nun 2
- 518 -
468
Viertes Buch /
Sechste Abtheilung /
unserm Einzug, gehalten, auch die
gewöhnliche Music, bis Er in
dem Lager angelangt, beständig
gehöͤrt worden. Endlich sind Nach⸗
Mittag um 1.
Uhr die vornehmsten Officiers und Bediente des
Seraskiers in unserm Läger
angekommen, um uns nach ihrem
Visite des
Hn. Bot⸗
schafters
bey dem
Seraskier.Herrn zu begleiten, zu welchem der Herr Botschafter schon des
vorigen Tags um zehen Uhr sich
begeben wollen. Der ganze Weeg
von unserm Lager bis zu des
Seraskiers Zelt war auf beiden Sei⸗
ten mit
Soldaten besetzt, woselbst wir, nach Lands Gewohnheit / mit
Caffé, süssen Früchten und auf ihre
Art zu bereiteten Speisen tra⸗
ctirt, und
bey dem Abschied der Adel mit Caftans / der Herr
Botschafter aber mit einem
Hermelin⸗gefuͤtterten Rock und einem
muthigen Fuchs, der sehr kostbar
ausstaffirt war, regalirt worden.
Es hatte der Seraskier im vorigen
Jahr von dem Groß⸗Vizir
aus sonderbahrer Gewogenheit solchen
verehrt bekommen, anjetzo
aber sich dieses angenehmen
Geschencks wiederum freywillig beraubt,
und es Sr. Excellentz / zum Zeichen
der gegen Sie tragenden Hoch⸗
Beschrei⸗
bung der
Person des
Seras⸗
kiers.achtung überlassen. Dieser Seraskier ist von Angesicht schwarz⸗
brauner Farb,
hat einen langen Bart und schwarze Haare, ist aber son⸗
sten ein gar
bescheidener Mann und Liebhaber der Gerechtigkeit, frey⸗
gebig und
friedsam / und deswegen bey den Seinigen in grosser Hoch⸗
achtung, auch
um dieser seiner Gemüths⸗Beschaffenheit willen zum
Gränz⸗Commendanten gesetzt / damit
er bey einigen vorfallenden
Differenzien solche in der Güte
wiederum beyzulegen trachten solle.
Wann jemand über unsere Gräͤnzen
nach der Türkey gehen will /
muß er mit von dem Graf Oduyer unterschriebenen Paß⸗Brief⸗
Paß⸗Brief⸗
fe an der
Gränze
von wem
sie unter⸗
schrie⸗
ben wer⸗
den.fen versehen seyn; will aber einer von dar zu uns herüber
gehen,
muß er dergleichen von dem Seraskier
aufweisen köͤnnen; wofern
er aber seine Wohnung gänzlich zu
verändern gedenkt / dergleichen
ein Venetianischer Jud, der mit uns
heraus gereißt, zu thun
gesonnen war/ hat er von beiden
dergleichen Attestat noͤthig. Es
wuste dieser Bascha unserm Herrn Botschafter des Graf
Oduyers kluge Conduite nicht genugsam zu ruͤhmen, nach wel⸗
cher Er die
zwischen beiden Theilen entstandene Streit⸗Häͤndel auf
das schleunigste mit jedermanns
Beyfall schlichtete; Er bedaurte de⸗
rohalben,/
wegen der gutem Verständnuß unter ihnen, daß sein
Commando allhier nun bald ein Ende
nehmen wuͤrde; sintemaln
alle drey Jahre so wol hier, als bey
andern dergleichen Bedienun⸗
gen,
- 519 -
Reise von Nissa bis an den Platz der Auswechslung.
469
gen, ein anderer geschickt wird, so
des vorigen Stelle vertritt, wann
Seraskiers
instehende
Ablegung
seines hiesi⸗
gen Com⸗
mando.
anders nicht in solcher Zeit Klagen
einlaufen, oder er sich sonsten
verdächtig gemacht, oder auch sein
gesammleter Reichthum gar zu
sehr charmirt, daß er noch vor der
Zeit abziehen muß. Er ist
auch gleich nach geschehener
Auswechslung nach Constantinopel
abgegangen, woselbst Er noch zwey
Weiber hat, mit deren einer
Er einen Sohn gezeugt, so nun zwöͤlf
Jahr alt ist, und sich bestäͤn⸗
dig bey dem
Vatter aufhäͤlt. Unter seinen Leuten waren viel Chri⸗
sten aus
Boßnien gebürtig; so habe ich auch einen Teutschen
angetroffen, welcher vor sechs
Jahren vom Löͤffelholzischen
Regiment durchgangen, und vorgabe,
wie er den Glauben noch
nicht verlaͤugnet, wolte auch gerne
wiederum zuruck kehren, wann er
nur hoffen duͤrfte, daß er wuͤrde
pardonirt und nicht vielmehr nach
Verdienst abgestrafft werden.
Derselbige ist auch auf dem Nach⸗
Mittag
wiederum zu uns gekommen, und hat uns erzehlt, daß die Türken
sind Voll⸗
säufer.
Türken zum Volltrinken, so doch aufs
schärfste bey ihnen verbot⸗
ten ist /
mehr als die Teutschen geneigt wären, und daß sie der⸗
gleichen
nassen Kampf nicht aus Bechern oder Gläͤssern anstellen,
sondern den Wein ganze Maaß Weiß in
einem Othem hinein sau⸗
fen, wann sie
nemlich allein sind, und keinem Aufseher füͤrchten
dörfen; und dieses wiederholten sie
so lang / bis sie ihrer nicht mehr
mächtig mit dem Geschirr in der Hand
vor das Vaß auf die Nasen
hinfielen: er bekräftigte auch
dasjenige / was ich zur andern Zeit
und schon öͤfters erinnert, daß sie
durch ihren verkehrten Beyschlaff
das Kinder⸗Zeugen hinderten, und
dieses die Ursach wäͤre, warum
sie bey so vielen Weibern dannoch so
wenig Kinder bekämen.
Jn der Nacht zwischen dem 7. und 8ten kam
Roman Ni
Courier
vom Gra⸗
fen O⸗
duyer.
⸗
coliz/ ein
Rascianischer Dolmetsch, mit von dem Grafen O⸗
duyer
abgeschickten Brieffen zu uns ins Lager, woraus wir erse⸗
hen / wie
bemeldter Graf indessen mit dem Tuͤrkischen Bot⸗
schafter die
Zeit passire; denselben Mittag aber stattete der Se
Seras⸗
kiers Visite
bey dem
Hn. Bot⸗
schafter.
⸗
raskier bey
dem Herrn Groß⸗Botschafter die
Gegen⸗Visite ab,
bey welcher Ceremonie eine Anzahl
Spahi vorher, die Janit⸗
scharn aber
mit ihren rothen Hauben hinten nach giengen, in de⸗
ren Mitte
sich der Seraskier auf einem hochtrabenden Pferd se⸗
hen ließ / um
welchen seine Bediente in weisser Kleidung her liefen,
acht Chiausen aber mit ihren
Staͤblein in den Haͤnden, in rothen
Sam⸗
Nnn 3
- 520 -
470
Viertes Buch,
Sechste Abtheilung/
Satyren /
wer sie
sind.Sammet, und eben so
viel Satyren, weiß gekleidet, unmittelbar,
vor Jhm her zogen; welche letztere
eine Art Leute sind, die Gürtel
mit grossen silbernen uͤberguldeten
Knoͤpfen um den Leib und kleine
Spiesse in den Händen tragen. Hier
wurde nun denen Vornehmern
Chocolate, nebst Pomeranzen⸗ und
Citronen⸗Wasser vorgesetzt.
Seine Excellentz gaben dem Seraskier
zu verstehen, wie diese
Der Herr
Botschaf⸗
ter will oh⸗
ne solche
Ceremo⸗
nien mit
dem Se⸗
raskier zu⸗
sammen
kommen. Visite nach Gewohnheit gar zu ceremonieux heraus
käme / Sie
wünschten aber zum öftern ohne
solche mit Jhme Sich zu bespre⸗
chen / gleich
wie Sie es auch mit andern Vornehmen zu Constan⸗
tinopel gehalten hätten, und eine gröͤssere Verträulichkeit damit
an
den Tag zu legen, welches sich auch
der Bascha sehr wol gefallen
liesse. Des andern Morgens wurde der
Baron Studnitz / und Herr
Dorschäus der Leib⸗Medicus, mit
Herrn Theyls dem Dolmet⸗
schen, zu ihm
geschickt, die er alle mit den gewoͤhnlichen Tuͤchlein be⸗
schenkt
hatte. Wann wir indessen nicht wolten, daß unsere Pfer⸗
Fourrage
schwehr zu
bekommen de vor Hunger crepiren solten/ so sahen wir uns
gezwungen / die
Knechte auf drey Stunden weit nach
Fourrage zu senden. Hierauf
wurde den 9ten dito abermal Herr Dorschaͤus abgefertiget, des
Seraskiers Aufbefindens sich zu
erkündigen, und ihm einige Arzney
vorzuschreiben; mit welchen auch der
Zucker⸗Becker abgieng, wel⸗
cher Jhm
Chocolate machen, und seinen Leuten zeigen solte, wie
man solchen verfertigen müsse, da
sie dann für ihre Müͤhe als ein
Reiches
Present des
Seraskiers
an dem
Leib⸗Arzt
und Zucker⸗
becker.
Gratial nebst einem geringen
Tüchlein füͤnfzig Siebner, so nicht
gar anderthalb Ducaten ausmachen /
davon getragen.
Allhier zu Nissa musten wir uns einer scharfen Untersuchung
unterwerfen, wegen einiger Grichischen Weiber, welche / weiß nicht
wer von den Unsrigen, so eine ganz besondere Sorge für die Ehleu⸗
Scharfe
Untersu⸗
chung un⸗
ter der Bot⸗
schaft zu
Nissa.
te truge, auf gemeine Unkosten / ohne Vorbewust des Herrn
Groß⸗Botschafters, von Pera mit weggefuͤhrt, damit er sie
nach Teutschland zu ihren Männern bringen moͤgte, von welchen
sie zwar noch nicht wusten, wo sie solche antreffen wuͤrden.
Aufbruch
von Nissa.
Nun sind wir den 10ten von Nissa wieder bey anbrechenden
Tag fort gezogen, und mit sechsmaliger Salve um die Ve⸗
stung wegen Gegenwart des Seraskiers, als der von solcher
Ehre gleichfalls participirte / beehrt worden. Die Bagage hatte
man / nach unserer Gewohnheit, in der Nacht unter einer starken
Escorte voraus geschickt, welche der Commendant zu dem Ende
mit
- 521 -
Reise von Nissa bis an den Platz der Auswe[ch]slung.
471
mit gegeben, damit vor den Anfall der Räͤuber und der Tartarn
Streyfereyen nichts zu befüͤrchten seyn moͤchte. Der Seraskier
ist schon frühe zwischen fuͤnf und sechs Uhr mit 3000. Reutern aus
seinem Lager dem unsrigen vorbey marschirt, und bald darauf die
Botschaft mit gewöhnlichen Aufzug, als fliegenden Fahnen und
klingenden Spiel / nachgefolget; die Paucken aber kunte man die⸗
sesmal nicht brauchen / weil das Pferd durch langes Ausrasten so
muthig worden, daß es nun niemand mehr wolte aufsitzen lassen.
Von dem Seraskier wurde im Vorbeyziehen folgende OrdOrdnung
des Seras⸗
kiers bey
dem Auf⸗
bruch.
⸗
nung gehalten: Zu Anfangs zog ein Troupp Reuter, so alle kleine
Fähnlein in Händen hatten; darnach folgten seine Hand⸗Pferde, an
der Zahl zwoͤlfe, die insgesamt mit Schildern und von dem Hals herab
hangenden Küͤh⸗Schweifen von weisser / rother, gelber, blauer und
andern vermengten Farben versehen waren: alsdann kame die mit
kleinen Trummeln, Cymbeln, Pfeiffen und dergleichen Instrumenten,
wie ich sie schon anderweit beschrieben habe / angestimmte Music,
hierauf der Bascha selbst, und mit einer grossen Anzahl seiner
Hauß⸗Bedienten umgeben; hinter demselbigen wurden 13.
mit Türkischen Buchstaben und Zahlen beschriebene Fäͤhnlein getra⸗
gen, davon das mittlere gruͤn und mit einem weissen Saum einge⸗
faßt war, denen des Bascha mit sechs Schimmeln bespannter Leib⸗
Wagen leer nachgefolget. Endlich sahe man noch einen Troupp Fäͤhn⸗
lein, und nach diesen einen Schwarm, so kleine mit allerhand Baͤn⸗
dern gezierte Spiesse in den Händen trugen / und dann zu letzt die
völlige Mannschaft / ausser was schon mit dem Tug oder Roß⸗
Schweif voraus geschickt gewesen, um solche vor des Vizirs Zelt auf⸗
zustecken. Auf dem halben Weeg hielte der Bascha zur Rechten an
einem Huͤgel, und nahm daselbst das Fruͤh⸗Stuck ein, welchem der
Herr Groß⸗Botschafter im Vorbeyziehen durch Herrn Theyls,
dem Dolmetsch, das Compliment machen lassen. Nachdem wir
nun noch nicht gar drey Stund marschirt/ haben wir mitten in den
Bergen unser Lager aufgeschlagen / allwo uns der Seraskier oder
Gränz⸗Commendant zur linken Hand lag, der durch die Spahi /
so von dem Fuß des Bergs bis an dessen Gipfel zu beiden Seiten
stunden, in sein Zelt geritten. So wol diesesmal, als auch die vor⸗
hergehende Nachte, in denen wir vor der Vestung gelegen, sind Ausgestell⸗
te Wach⸗
ten.
um unser Lager viele Wachten ausgestellt worden, die sich mit ih⸗
rem
- 522 -
472
Viertes Buch / Sechste Abtheilung /
rem à largo? wer da? alle Augenblick höͤren lassen, also daß wir
Anfangs selbst nicht gewust, was es solte zu bedeuten haben.
Den 11ten sind wir in der gestrigen Ordnung nach Alexinza
fortgeruckt, und an der Nissava wiederum stehend geblieben, die
Türken aber haben sich zu mehrer Sicherheit rings um uns her gela⸗
Nachricht
wegen der
Auswechs⸗
lung.gert. Allhier ist der durch den Seraskier von Nissa zu dem
Tüͤrkischen Botschafter abgeschickte Aga wiederum mit der
Nachricht zurück gekommen, daß an eben dem Tag, da vor einem
Jahr die Auswechslung geschehen / solche auch diesesmal vor sich
gehen solte. Nach Mittag haben sich Se. Excellentz zu dem Se⸗
raskier begeben, andere aber sind auf die Jagd gegangen, dabey
aber das Wild glücklicher als sie gewesen, als welches alles unbe⸗
schädiget davon gekommen. Bey dieser Gelegenheit hat der Seras⸗
Present des
Seraskiers
an dem Hn.
Botschaf⸗
ter.kier zum Zeichen seiner unveränderlichen Affection gegen dem Herrn
Botschafter demselben abermal ein schönes Mutter⸗Pferd mit samt
dem Füllen offerirt, so Er auch mit aller Erkänntlichkeit ange⸗
nommen.
Hierauf haben wir den 12ten unsern Weeg weiters nach
Raschna genommen, und sind endlich in diejenige Gegend kom⸗
men / wo wir im vorigen Jahr ein doppeltes Erdbeben verspuͤhrt;
der Seraskier aber hat sich mit den Seinigen auf eben diesen Berg
gelegt, auf welchen jenesmals der Herr Botschafter von ihm zum
erstenmal nach Türkischer Manier bewirthet worden / und woselbst
sich die Rehe in solcher Menge aufhalten, daß sie ungescheut durch
Janitschar
verehrt den
Hrn. Bot⸗
schafter
zwei Rehe. sein Lager geloffen; wie dann ein Janitschar allein in einer halben
Stund zwey derselbigen erlegt, und sie Sr. Excellentz uͤberbracht,
wofür Sie ihn auch reichlich beschenken lassen. Von unserm Lager
aus kunte man auch die Berge sehen, so gegenwärtig zur Gräͤnz⸗
Scheidung gesetzt sind; und weil wir unsers Kaisers Land wie⸗
derum zu Gesicht bekamen, ist uns die Courage auf einmal ge⸗
wachsen, und hätten wir lieber dahin fliegen als gehen moͤgen: dann
es war uns die von dem Graf Oduyer jenesmals erwiesene Ehre in
noch gar frischen Andenken, deren wir uns auch auf dem Weeg
zum öftern mit Lust erinnerten; und weil wir seine Generosité gar
wol kannten, durften wir nicht zweifeln, daß Er uns bey unserer
Zuruckkunft aus der Türkey mit eben solcher Liebe und geneigten
Willen aufnehmen werde, als Er uns seine Großmüthkeit auf der
Hin⸗
- 523 -
Reise von Nissa bis an den Plaz der Auswechslung.
473
Hin⸗Reise spühren lassen, worinnen wir uns nicht betrogen; dann
wir sind, wie an seinem Ort umstaͤndlich soll angezeigt werden, so
wol unter Wegs / als auch zu Belgrad selbsten nun zum andern⸗
mal dergestalt von Jhm tractirt worden, daß wir die ausgestandene
Beschwehrlichkeit auf der Reise gar gerne darüber vergessen: wie wir
dann bemeldten Grafen nachmaln allen Seegen dafuͤr anwuͤnschen.
So begierig wir unterdessen waren, unsere hinterlassene Freunde
fein bald wieder zu sehen, musten wir gleichwol noch vier Tag lang, wel⸗
ches uns gewiß nicht wenig bedunkte, auf fremden Boden verziehen,
weil weiß nicht was füͤr Strittigkeiten und andere Hindernuͤssen dar⸗
zwischen gekommen, daß wir nach einem Jahr⸗langen Verweilen
bey den Türken nun auch denselbigen Jahrs⸗Tag der Auswechslung Strittig⸗
keiten ver⸗
zögern die
Auswechs⸗
lung.
mit unsern guten Freunden in unserm Land nicht begehen koͤnnen.
Jndessen kam der Baron von Nazmar mit dem Dolmetsch Herrn
Schmid und der Major Back vom Geschwindischen Regi⸗
ment zu uns / welche dem Herrn Groß⸗Botschafter von dem
Vorgelaufenen Nachricht ertheilten, wie nemlich der Graf Oduyer,
als ein verschlagener und vorsichtiger Herr, des Türkischen Bot⸗
schafters Wägen und seine ganze Suite fleissig durchsuchen lassen, darBey Durch⸗
sehung des
Türkischen
Botschaf⸗
ters wird
ein Schwe⸗
discher
Kaufmann
entdeckt.
⸗
unter aber einen Schwedischen Kaufmann entdeckt, so Diamanten,
Smaragden / Perlen und ander Kostbarkeiten bey sich fuͤhre, die er
aus Schweden mit gebracht, den er aber ohne Erlegung des bey dem
Paßarowitzischen Tractaten ausgemachten Zolls des dreissig⸗
sten Pfennings nicht fort ziehen lassen. Ferner habe Er einen alten
von dem Glauben abgefallenen Schiffmann, der von seinen zwey Soͤh
Ferner ein
Schiff⸗
mann.
⸗
nen verrathen worden, wiederum zuruck nach Belgrad gefangen ge⸗
führt; einige leichtfertige Weiber und Knaben, die zu den Türken
überzugehen fertig waren, wider des Botschafters Willen, aus der Leichtferti⸗
ge Weibs⸗Personen.
Flucht zuruck gezogen; Ihn selbst aber / da Er erst zu Parakin
seine Visite bey Jhm abstatten wollen, nachdem Er solche Schul⸗
digkeit zu Belgrad unterlassen, nicht eher admittirt, bis ermeld⸗
ter Botschafter die Abstattung solcher Visite von dem Seras⸗
kier / als dessen Authoritæt auch darunter versirte / und welcher
den Aufsatz der Ceremonien durch die Seinigen mit unterschrieben Affaire des
Graf O⸗
duyers mit
dem Türki⸗
schen Bot⸗
schafter
wegen un⸗
terlassener
Visite.
hatte, wäre anbefohlen worden. Die ganze Sache aber, wie der
Graf Oduyer diesem hochmuͤthigen Tuͤrken begegnet, verhaͤlt sich
also: Er hat Jhm noch zu Belgrad wissen lassen, daß er bey der
Aus⸗
Ooo
- 524 -
474
Viertes Buch, Sechste Abtheilung /
Auswechslung nicht zu gegen seyn wüͤrde, woferne er dem errichte⸗
ten Tractaten und ausgemachten Ceremoniel nicht nachlebete. Der
Türk gehet hierauf gleichwol ohne Abschied von Belgrad nach Pa⸗
rakin / der Graf Oduyer aber uber Semendria gleichfalls da⸗
hin, und kommt noch eher als jener daselbst an, von dar Er alsobald
den Rezep Aga / der vorher an Jhn geschickt war, wiederum nach
dem Seraskier gehen und sich bey diesem üͤber des Tuͤrkischen
Botschafters unterlassene Schuldigkeit beklagen ließ. Unterdes⸗
sen kommt der Gesandte selbst, und merkt bereits, was daraus ent⸗
stehen moͤgte, und daß es Jhm von dem Seraskier duͤrfte anbe⸗
fohlen werden, schickt demnach zu dem Graf Oduyer/ und laͤßt
Jhm wissen, daß Er sich entschlossen, die Visite bey Jhm abzu⸗
statten: worgegen Jhm aber der Graf wieder zu entbieten läßt /
wie es Jhm jetzo nicht gelegen / dieselbige anzunehmen, Er wolle
unterdessen auf des Seraskiers Antwort warten, welchen Er be⸗
reits die Affaire berichten lassen; und als solche eingelaufen, mit
dem Bedeuten, daß Er Jhm solche hiemit im Namen des Sultans
wolle anbefohlen haben / hat Jhm endlich der Graf Oduyer vor
Türkischer
Gesandter
hat nicht
so viel Au⸗
thoritæt
als der Se⸗
raskier. sich gelassen. Man muß aber hiebey wissen, daß in dem Morgen⸗
ländischen Reich ein Gesandter von dem Sultan nicht so viel, als
ein Seraskier bedeute / so daß, wann Sie auf dem Türkischen
Gebiet beysammen sind, dieser die rechte Hand behauptet, alles
nach seinem Gefallen anordnet, und jenem auch, nach dem er es füͤr
gut befindet, Befehl ertheilet. Es hat sich aber dieses Barbarn
Hochmuth damit noch nicht zähmen lassen, sondern ist noch weiter
ausgebrochen, und hat bey der von dem Graf Oduyer abgestat⸗
teten Gegen⸗Visite noch was mehrers tentirt/ welches Jhm aber
Ubelgelun⸗
gene Hoch⸗
muth des
Türkischen
Botschaf⸗
ters.eben so, und fast noch schlimmer, als das vorige, ausgeschlagen.
Es ist nemlich ermeldter Graf, in Begleitung aller dazumal anwe⸗
senden vornehmen Officiers, zu Jhm gekommen, um, wie gemeldet,
die Gegen⸗Visite bey Jhm abzulegen; und als Er bis zu der ersten
Stange des Zelts geritten, und von dem Pferd gestiegen, hat Er
den Botschafter daselbst angetroffen, welcher Jhn durch die auf
beiden Seiten gestandene Janitscharn hin und zur Sofaus gefüͤhrt,
dabey Er dann dem Grafen immer zur linken Hand gegangen: so
bald sie aber zu besagten Polstern gekommen, wendet sich der Türk
geschwind, und nimmt die rechte Hand ein; der Graf siehet sich
lang
- 525 -
Reise von Nissa bis an den Plaz der Auswechslung
475
lang um, was dieses bedeuten soll, bleibt indessen so lang stehen / und
läßt Jhm durch den Dolmetsch sagen, wie Er nicht gesonnen, im ge⸗
ringsten etwas von seinem Respect zu vergeben / weswegen man Jhm
dasjenige zustehen solle, was in dem Ceremoniel ausgemacht wor⸗
den, oder Er wolte geschwinder, als Er gekommen, wieder davon ge⸗
hen: wie dieses der Türk gehört, ist Er alsobald von seiner Sofaus
in Gegenwart aller Bedienten, aufgestanden / und hat sich, nach sol⸗
cher Erinnerung, auf die linke Hand begeben. In solcher Positur
haben Sie sich eine Zeitlang unterredet, worbey sich die Tuͤrkische
Musicanten ohne Unterlaß hoͤren lassen, denen der Graf Oduyer,
nach Seiner bekannten Freygebigkeit, ein Dutzent Ducaten zum
Recompens gereichet. Lächerlich ist, was einem HauptLächerliche
Antwort
eines ein⸗
fältigen
Knabens
wegen sei⸗
ner Reli⸗
gion.
⸗
mann von dem Wuͤrtembergischen Regiment begegnet, und er
nachmaln selbst erzehlet: dieser war ernennet/ die Wagen des Tuͤr⸗
kischen Botschafters bey Haßan Bascha Balanka zu durchsu⸗
chen, und als er etliche Knaben, so mit uͤbergehen wollen, dabey
angetroffen, und unter andern einen, so auf einem Cameel gesessen,
den er deswegen absteigen hieß, sagte dieser mit weinender Stim⸗
me, er wäre kein Christ; als nun der Hauptmann wissen
wolte / wer er dann wäre, gab er zur Antwort, er wäre ein Lu⸗
theraner; welches bey den darbey stehenden kein geringes Gelächter ver⸗
ursachte, aber noch mehr bey uns, da der Hauptmann, so selbst ein
Lutheraner gewesen, solches dem Baron Rhomberg / als einem
Calvinisten, erzehlte.
Ursach der
verzögerten
Auswechs⸗
[l]ung
Warum aber die Auswechslung um einen Tag später vorge⸗
gangen, ist daher gekommen, weil der Tuͤrkische Botschafter nicht
gar wol auf war, oder sich wenigstens also angestellt/ und deswe⸗
gen eine Ader oͤfnen lassen; wann nun der Unsrige den Tag darauf
purgirt hatte, wäre jener nach Verdienst dafüͤr bezahlt worden, dann
Er würde alsdann Ursach genug gehabt haben / noch länger still zu
liegen. Damit aber Se. Excellentz unterdessen die Zeit zu pas⸗
siren was vornehmen moͤgten, woran die Tüͤrken einen Gefallen
haben koͤnnten, haben Sie dem Bascha in seinem Lager eine ange⸗
nehme Music durch Dero Trompeter und Pfeiffer, und zwar auf
sein eigenes Begehren, machen lassen, wofuͤr er 40. Gulden unter sie
auszutheilen befohlen.
Den
Ooo 2 - 526 -
476
Viertes Buch / Siebende Abtheilung /
Den 15ten Junj ist ein Spahi mit aufgezogenem Gewehr
Spahi
nimmt sei⸗
ne Zuflucht
vergeblich
zu uns.
in vollem Lauf zu des Herrn Groß⸗Botschafters Zelt geflohen,
den die Janitscharn aber auf den Fuß verfolgt und wieder zuruck begehrt
hatten. Es war derselbige von Geburth ein Venetianer, weil er aber
von der Christlichen Religion bereits abgetretten / und den Muha⸗
metischen Glauben angenommen/ hat er doch endlich gesucht, sich
unter diese Kleidung zu verbergen, und von dem Lager zu entfernen,
weil er aber erkannt und wiederum abgefordert worden, hat er,
weil er einmal den Glauben verläugnet / von dem Herrn Bot⸗
schafter nicht geschützt werden koͤnnen.
Siebende Abtheilung.
ENdlich sind wir den 16ten dito / nach dem wir uns ein Jahr
Ankunft
auf dem
Platz der
Auswechs⸗
lung.
und einen Tag in dem Tüͤrkischen Gebiet aufgehalten, und
gleich in der Früͤhe, weil es Sonntag war, Meß gehöͤrt,
und nur einen kurzen Weeg uͤber die Huͤgel und das Gebuͤsche ge⸗
macht hatten, unter dem Schall der Trompeten und Paucken und
übrigen Music auf derjenigen Wiesen angekommen, wo die beide
Bewill⸗
kommungs⸗
Compli⸗
ment an
den Tür⸗
kischen Bot⸗
schafter.Herren Groß⸗Botschafter einander begegnen solten. Als wir
nun über eine Stunde daselbst gewartet / schickten Se. Excellentz
den Herrn Oebschelwitz ab, welcher in Dero Namen bey dem Tuͤr⸗
kischen Botschafter das Bewillkommungs⸗Compliment able⸗
gen, doch diese Commission nicht eher ausrichten solte, bevor er
sehe, daß von diesem jemand auf dem Weeg wäͤre, der ein gleiches
bey Jhnen abzustatten hätte. Unterdessen haben Sie sich nach des
Seraskiers Zelt begeben / welches bey unserer Ankunft schon auf⸗
geschlagen gewesen, wohin Sie durch die abermal zu beiden Seiten
rangirte Janitscharen gegangen, und von Jhm mit Caffé tractirt
worden; Sie aber haben Jhn Chocolate vorsetzen lassen, so der Zu⸗
cker⸗Bäcker zu dem Ende zu recht machen muͤssen. Dieses Getränk
wurde durch die dabey gefuͤhrten vertraulichen Discourse noch schmack⸗
hafter gemacht, worein der Herr Botschafter nach Seiner Ge⸗
wohnheit, wann es die Reden so mit sich brachten, immerzu ei⸗
nige moralische Anmerkungen fliessen lassen, uͤber welches auch der
Bascha ein ungemeines Vergnuͤgen bezeigt, und Sr. Excellentz
ferti⸗
- 527 -
Bericht / was bis zur volligen Auswechslung passirt.
477
fertigen Geist sehr bewundert, auch durch den Dolmetsch oͤffentlich
contestirt, daß zu gegenwäͤrtigen Vorhaben nichts Fuͤglichers noch
Vortreflichers gesagt werden konnte. Es gab sich ungefehr die Rede,
von der Trunkenheit etwas zu gedenken / die durch den Alcoran Moralische
Herr Discourse
des Hrn.
Botschaf⸗
ters von
der Trun⸗
kenheit.
denen Türken auf das nachtrücklichste verbotten/ wobey der
Botschafter erinnerte, daß durch dieses Laster der Mensch dem
unvernuͤnftigen Viehe wieder ähnlich wuͤrde, als welcher durch nichts /
dann durch den Gebrauch der Vernunft von solchem unterschieden
seye; folgends explicirte Er den Spruch des 31. Psalms / im 12. V.
wo es heisst, daß man dem unbändigen Vieh Zäume und
Gebieß müße ins Maul legen; dann wie man ein muthiges
Pferd ohne solches nicht regieren koͤnne: also wäͤre auch ein besoffe⸗
ner Mensch / der seine Vernunft in Wein vergraben, durch niemand
zu bändigen / noch zu seiner Schuldigkeit zu bringen. Nachgehends Von dem
Ursprung
der Könige.
kamen Sie ungefehr von dem Ursprung der Koͤnige zu reden / allwo
der Herr Botschafter behauptete / daß von GOtt denen Men⸗
schen auf ihr eigenes Ansuchen selbige zur Straffe gegeben seyen, da
sie vorhero lange Zeit in Stämme und Famillen eingetheilt gewesen;
und also, setzte Er hinzu, gehet es auch noch heutiges Tags / daß
wir öfters etwas begehren / so uns nachgehends / wann wir es er⸗
langet / wiederum gereuet; diesem fügte Er bey, daß Anfangs die
Trabanten und Leib⸗Garde nur denen Füͤrsten zu mehrerer Sicher
Von deren
Trabanten.
⸗
heit zugegeben worden / welche Sie hernach zum Pracht und Ver⸗
schwendung mißbraucht; gleichwie es auch mit der Speiß und Klei⸗
dung ergangen, die auch Anfangs nur zu des Menschen Nothdurft
Von den
Miß⸗
brauch der
Speiß und
Kleidung.
dienen musten, nachgehends aber zur aͤussersten Hoffarth und Schwel⸗
gerey angewendet worden, also daß man anjetzo mit einem gebrech⸗
lichen Schiffe alle Meere durchfahre, und aus dem aͤussersten En⸗
den der Welt dasjenige herbey schaffe, was wir zu Hauß gleichsam
vor der Nasen haben, und mit wenigern Unkosten anschaffen koͤnn⸗
ten, so uns eben so gute Dienste thun, und unser Leben viel weiter
hinaussetzen wuͤrde, als nun geschiehet, wie wir dessen an den Alten
ein deutliches Exempel hatten: und dergleichen Gespraͤche, welche
noch tiefer in die Philosophie liefen, hatten sie noch mehr mit einan⸗
der gefüͤhrt. Als man aber auch auf die zu Wien von den Janit⸗
scharn erregte Aufruhr kam, und der Herr Botschaffter sagte,
wann dergleichen Jhm begegnet wäre, wolte Er sie alle haben auf⸗
hän⸗
Ooo 3
- 528 -
478
Viertes Buch / Siebende Abtheilung /
hängen lassen, schiene es, als ob der Bascha die Aufführung des
Türkischen Botschafters nicht allerdings approbirte, indem er
nicht undeutlich zu verstehen gab, daß er sich einer andern Manier
Seraskier
scheinet sei⸗
nes Bot⸗
schafters
Auffüh⸗
rung zu
Wien nicht
zu appro⸗
biren.in Goubernirung und Abstraffung dieser Leute hätte bedienen sollen.
Es fragte auch der Seraskier / wie Se. Excellentz von dem
Groß⸗Vizir und andern Vornehmen des Hofs, in Zeit Seiner
Anwesenheit seye tractirt worden; und als Diese ruͤhmten / wie Sie
alle Ehre von Jhnen empfangen, und der Mehemet, unser Füͤh⸗
rer, eine kurzweilige Historie / die der Herr Botschafter ihm zur
Des Hrn.
Botschaf⸗
ters bezeig⸗
tes Ver⸗
gnügen
über des
Türkischen
Hofs Auf⸗
führung. andern Zeit von einem gewissen Schatz⸗Meister erzehlt hatte, vor dem
Seraskier gerne noch einmal hören wolte, liessen Sich Se. Ex⸗
cellentz dargegen vernehmen, wie Sie es dazumal nur aus Scherz
vorgebracht / und daß diese Leute gemeiniglich dem Geitz ergeben,
und öfters mehr Sparsamkeit bezeigten / als ihrer Herrn Vortheil
mit sich brächte; Sie wüsten im übrigen nichts, worüͤber Sie sich
so wol über diesen Tefterdar, noch über jemand anders, zu beschweh⸗
ren hätten: Es wäre Jhnen jederzeit so viel gereicht worden, als Sie
nöthig gehabt, ein mehrers hätten Sie nicht erwartet; sintemaln
Sein Allergnädigster Kaiser / fügte der Herr Botschafter
hinzu, Jhn nicht abgeschickt hätte, grosse Schätze zu sammlen, son⸗
dern Seine Ehre und den gemeinen Nutzen zu beobachten; versicher⸗
te auch, daß, so oft Er nach Wien geschrieben, jederzeit die von
der Pforten Ihm erwiesene Ehre von Jhme nach Verdienst ge⸗
rühmt worden, welche Er nicht so wol sich, als vielmehr Jhro
Römischen Kaiserlichen Majestät in Jhres Botschafters
Person, zugeeignet hätte, und eben darum wäre auch Gegentheils Jh⸗
rem Botschafter zu Wien ungewoͤhnliche Ehre erwiesen worden.
Zelte wer⸗
den im Na⸗
men des
Sultans
dem Hrn
Botschaf⸗
ter offe⸗
rirt.Eben dergleichen antworteten Se. Excellentz dem Capigi Baschi /
als er Jhnen die Wahl der Kaiserlichen Zelten an der Gränze
offerirte, deren wir uns auf dem Weeg bedient hatten, davon Sie
zwar bey der Abreiß zu Constantinopel nicht nach Nohtdurft er⸗
halten können, sondern viel um ihr Geld anschaffen muͤssen; dann
Sie liessen Sich gegen ihm vernehmen, wie Sie auch einen Huf⸗
Naggel / wann solcher von dem Sultan Jhme wäre verehret
worden, in hohen Werth achten wuͤrden; und ob Sie nun schon
derselbigen auf dem Weeg nicht mehr noͤthig hatten, so wolten Sie
sol⸗
- 529 -
Bericht / was bis zur völligen Auswechslung passirt.
479
solche doch deswegen annehmen, weil sie von dem Sultan herkä⸗
men; wie Se. Excellentz dann auch in der That nachgehends ge⸗
zeigt / daß Sie dergleichen Geschenke sehr æstimirten, angesehen
diese Zelten / weil keine Araber zugegen waren, welche sonsten bey
der Türkischen Armee solche aufzuschlagen gewohnt sind, nach⸗
gehends nicht mehr aufgerichtet worden, damit sie nicht moͤgten ver⸗
derbt werden.
Nach einer Unterredung von zweyen Stunden kommt Herr
Oebschelwitz, noch ehe sich jemand von den Tüͤrken bey dem Herrn
Botschafter sehen lassen / mit einem Hauptmann wieder zuruck,
welcher von dem Graf Oduyer einen Gruß uͤberbrachte / und zu
glücklicher Ankunft gratulirte, dabey er zugleich vermeldet, wie sich
der Türkische Botschafter auf die gestrige Aderläß nicht gar wol
befände, und noch nicht voͤllig restituiret seye / weswegen Er sich
im Wagen zu der Säulen wolte führen lassen; worauf Se. Ex⸗
cellentz geantwortet, wie ihm solches frey stuͤnde, Sie aber wolten
nichts destoweniger sich zu Pferd dahin begeben. Der Herr OebVerweiß
an dem Ab⸗
geordneten
zu dem Tuͤr⸗
kischen
Botschaf⸗
ter wegen
nicht ge⸗
nau obser⸗
[vier]ter Com⸗
mission.
⸗
schelwitz aber bekam einen harten Verweiß, daß er geschwin⸗
der / als ihm anbefohlen war, wieder zuruck gekehrt, und, ob er
zwar gehöͤrt, daß wer von dem Tuͤrkischen Botschafter solte ge⸗
schickt werden, nicht so lang gewartet, bis es auch wuͤrklich gesche⸗
hen. Jn wehrenden solchen Reden kommt noch ein Lieutenant von
dem Graf Oduyerischen Regiment, Herr Johann Wilhelm
Voigt, welcher bey dieser Auswechslung schon zum zweytenmal die
Bedienung eines Hof⸗Marschalks versehen, und nun zwey vornehme
Bediente des Tuͤrkischen Botschafters bey sich hatte, davon der
eine bey dem Römisch⸗Kaiserlichen Groß Botschafter /
der andere bey dem Seraskier, und der Lieutenant im Namen seiGegen⸗
Compli⸗
ment im
Namen
des Türki⸗
schen Bot⸗
schafters.
⸗
nes Herrn die Begruͤssung ablegen, jene aber zugleich vermelden solten,
daß nach einer halben Stund die Auswechslung vor sich gehen wuͤr⸗
de, weil ihr Botschafter, der nur eben jetzo angekommen, wegen
Seiner zugestossenen Maladie, etwas ausruhen wolte: worauf Se.
Excellentz Sich gegen den Seraskier gewendet, und demselben zu
verstehen gegeben, daß Sie vermuthen, es werde diese Krankheit
nicht gar lang dauren, weil Sie so viel Nachricht hätten, daß Er
sich den Schlaff nebst Essen und Trinken gar wol schmecken lasse.
Als
- 530 -
480
Viertes Buch / Siebende Abtheilung /
Als nun die bestimmte Zeit kaum verflossen, hat sich ein Türk ein⸗
Seraskier
begiebt sich
nach der
Säule.
gefunden, und den Seraskier zu der Säule abgefordert, wel⸗
cher auch in nachgesetzter Ordnung sich dahin verfügt: Jm Vor⸗
Troupp gieng ein Haufen mit grüͤnen/ gelben und rothen Fäͤhn⸗
lein, davon die Träger ein von Atlaß gleichfärbiges Kleid an hat⸗
ten; alsdann kamen zwischen den Chiausen 8. Trabanten, die sie
Chatir, wir aber Heyducken zu nennen pflegen; hierauf folgten die
Hand⸗Pferde, wie ich sie oben schon beschrieben, viertens die an
dreyen Stangen fest gemachte Tug oder Roß⸗Schweife; endlich der
Bascha oder Seraskier selbst auf einem prächtigen Pferd zwischen
denen Chiodar oder seinen Bedienten, die alle weiß gekleidet wa⸗
ren, und einer auserlesenen Mannschaft; den Schluß aber mach⸗
ten zwey hundert unmittelbar hinter Jhm folgende Janitscharn zu
Pferd mit zweyen Officiren / die sich durch ihre gewöhnliche Klei⸗
dung und rothe Mützen von denen andern distinguirt hatten. Aus
diesen trugen ihrer sechse Schilder, und viere von ihnen waren
mit Tyger⸗Häuten und von Gold reich gestickten Hauben bedeckt, die
von den Tüͤrken Thuffenti genennt werden, und des Bascha Pferd
führten: nechst hierauf zogen diejenige, deren Spießlein allerhand
Bänder zierten / dann auch drey grosse Fahnen, und hinter diesen
die Music, womit sich der ganze Aufzug geendiget: und in solcher
Ordnung ist Er zu der äussersten Säule in gleichen Schritten mit
dem Graf Oduyer gegangen, hat aber gleichwol von allen diesen Leu⸗
ten nicht mehr, als was in dem Ceremoniel ausgemacht war / nemlich,
nebst seinem Hof⸗Marschalk, zwoͤlf seiner Hauß⸗Bedienten,
zwanzig Laqueyen, acht Chatir und vier Trabanten mit neh⸗
men durfen; die andern hingegen alle schon vorher, und noch fuͤnf⸗
zehen Schritt vor gemeldter Saͤulen, wo die Vornehmsten von Pfer⸗
den gestiegen, auch sechzehen Laqueyen nebst allen Heyducken und
Trabanten zuruck gelassen, also daß Er zur mittlern Säulen ausser dem
Hof⸗Marschalk, nicht mehr als zwöͤlf seiner Hauß⸗Bedienten /
Unterre⸗
dung des
Graf O⸗
dyers und
Seras⸗
kiers bey
der Säulen.und vier Laqueyen gebracht. Indem Sie nun beiderseits hier zu⸗
sammen gekommen, haben Sie einander gegrüsst, ihre Freundschaft
bezeigt, und bis zur Ankunft der beiden Herren Groß⸗Botschaf⸗
tere / unterschiedliche Reden gewechselt; absonderlich aber hat der
Graf Oduyer, der auf Seines Kaisers Vortheil jederzeit
gar
- 531 -
Bericht / was bis zur völligen Auswechslung passirt.
481
gar sorgfältig bedacht ist, die von dem Hof⸗Kriegs⸗Rath Jhm
aufgetragene Commission, die gute Verständnuͤß zwischen beiden
Reichen, nebst der Freyheit des Kauf⸗Handels / Sicherheit auf dem
Wasser, und Nutzen der auf den Gränzen wohnenden Unterthanen
nachdruͤcklich zu recommendiren, nach seiner beywohnenden Bered⸗
samkeit weitlaͤuftig und auf das treulichste verrichtet / auch dabey al⸗
len Beystand versprochen; worinnen auch der Bascha hinwieder⸗
um hülfliche Hand zu leisten zugesagt. Letztens wurde der Herr
Groß⸗Botschafter durch fuͤnf Chiausen erinnert, daß Er sich mit
seiner Suite gleichfalls dahin begeben solte; welches Er auch unter
Trompeten⸗ und Pauken⸗Schall / fliegenden Fahnen und übrigen Aufbruch
des Herrn
Botschaf⸗
ters nach
derselbigen.
Feld⸗Music in eben derjenigen Ordnung und Pracht / als wie vor ei⸗
nem Jahr, gethan, wobey Sr. Excellentz Hand⸗Pferde, deren
zwoͤlfe an der Zahl waren, zum Theil im Teutschen / zum Theil
auch im Türkischen Aufbutz erschienen. Sonsten ist diese Aus⸗
wechslung derjenigen / so vor einem Jahr vorgegangen, in allem gleich
gewesen / ausser daß wir anjetzo denen Unsrigen wiederum uͤbergeben
worden/ da man uns jenesmal in der Tüͤrken Hände geliefert; und
daß anjetzo der Botschafter Jbrahim wegen zugestossener Krank⸗
heit sich in einem Wagen hinfuͤhren lassen, da Er dazumal zu Pferd
hieher gekommen; womit Er aber dasjenige, was Er vielleicht gehofft,
doch nicht erlanget hat / daß nemlich unser Herr Botschafter eher
als Er, die Erde betretten solte: dann so lang dieser mit den Fuß
noch nicht auf den Wagen⸗Schemel getretten, hat sich der Unserige
auch nicht in den Steig⸗Bügeln aufgerichtet, noch sich zum Abstei⸗
gen fertig gemacht. Als nun die Herren Groß⸗Botschaftere Unterre⸗
dung bei⸗
der Herren
Groß⸗Bot⸗
schafter
bey der
Säulen.
⸗
Sich bey der Saͤule niedergelassen und mit einander gesprochen, ist
das grobe und kleine Geschuͤtz dreymal hinter einander loßgebrannt und
die Bagage unterdessen auf andere Waͤgen gepackt worden; worauf
Sich die Herren Botschaftere beurlaubt / zur Fortsetzung der
Reiß einander felicitirt, und mit ihren Zugeordneten und Gefähr⸗
ten nach denen Jhrigen begeben. Nachdem wir aus dem Tuͤrki⸗
schen Gebiet in das Röͤmisch⸗Kaiserliche wieder überge⸗
tretten, haben wir viele Bekannte, so wol Manns⸗ als Weibs⸗Per⸗
sonen angetroffen / die dieser Auswechslung mit zu gesehen. Die
Mannschaft, so zu unserer Sicherheit hieher geführt worden, be⸗
stun⸗
Ppp
- 532 -
482
Viertes Buch/ Achte Abtheilung/
stunde nur aus dem Montecuculischen und Vasquezischen Cu⸗
rassier⸗Regiment / aus dem Palfischen zu Fuß und den Ba⸗
boyscaischen Husarn; kamen also der grossen Anzahl der Tür⸗
Stärke der
beiderseits
sich dabey
eingefun⸗
dener
Mann⸗
schaft.kischen Soldatesca bey weitem nicht bey, sintemaln sich diese Mann⸗
schaft kaum auf 800. beloffen, da die Türken hingegen bis 2000.
Mann stark gewesen; doch was an der Zahl abgieng, kunte der
weit grössere Muth und Tapferkeit ersetzen: und sind sie von
dem Obrist⸗Wachtmeister Kobilka und Marggraf Bota Wech⸗
selsweise, oder von dem einen in des andern Abwesenheit, comman⸗
dirt worden. Die Freude / die wir hatten, als wir den Graf Oduyer
mit seiner Mannschaft anmarschiren sahen / ist nicht zu beschreiben;
und wäre selbige schon capable gewesen, uns mit Gewalt in die
Freyheit zu setzen, wann man uns nicht gutwillig hätte entlassen
wollen.
Achte Abtheilung.
Fortse⸗
tzung der
Reise nach
Belgrad.
NAch diesen zuruck gelegten Ceremonien haben wir keine
Ordnung mehr gehalten, sondern unter einander nach Pa⸗
rakin unsern Weeg fort gesetzt / woselbst der Adel nebst
denen Vornehmern aus der Begleitung mit einigen Officirn vom er⸗
Graf O⸗
duyer tra⸗
ctirt die
Vorneh⸗
mern aus
der Bot⸗
schaft.sten Rang, wie auch des andern Tags zu Jagodina, von dem
Graf Oduyer praͤchtig tractirt worden. Es war bey unserer An⸗
kunft schon völlig zur Tafel angeschickt, und haben die Tische nur auf
die Gäͤste gewartet, welche alles / was das fruchtbare Servien und
andere benachbarte Provinzen Niedliches besitzen, im Uberfluß gezei⸗
get, so auch der Graf von seinem eigenen Geld angeschaffet, und nicht
gestattet, daß deswegen denen Einwohnern und Unterthanen der
Dem Kai⸗
serlichen
Hof berich⸗
tet der Hr.
Botschaf⸗
ter die ge⸗
schehene
Auswechs⸗
lung.geringste Unkosten gemachet wüͤrde. Zu Jagodina sind dem
Herrn Botschafter zu Ehren öfters sechs kleine Feld⸗Stücke ab⸗
gefeuert worden, welcher auch den Nachmittag den Freyherrn von
Locher auf der Post nach Wien zu dem Kaiser abgefertigt, mit
der Nachricht: daß den 16 Junj die Botschafter gegen einander
wären wieder ausgewechselt und den Jhrigen übergeben worden.
Man hat aber den Baron von Locher diese Commission nicht nur um
der im zweyten Buch schon angezeigten Ursach willen aufgetragen, son⸗
dern
- 533 -
Von dem Ort der Auswechslung bis nach Belgrad.
483
dern auch hauptsachlich darum / damit er das, weiß nicht von was füͤr
einem Boͤßwicht, oder in was füͤr einem Absehen falsch ausgespreng⸗
te Geruͤcht, mit seiner Gegenwart wiederlegen moͤgte, wann er sich
wiederum am ersten aus der Botschaft zu Wien sehen liesse. Es
reisste mit Jhm zugleich ein Venetianischer Edelmann, Namens
Bolduc, ab, so unweit Sophia mit einem Kaiserlichen Courier
zu uns gekommen, und bis hieher bey uns verblieben, damit er die
bey der Auswechslung vorgehende Ceremonien mit ansehen moͤgte, die
er noch niemal gesehen, auch vielleicht ins kuͤnftige nicht mehr zu se⸗
hen bekommen wird; und in der Nacht darauf folgten der Graf von
Thierheim und Bathyani / wie auch der Graf Oduyer selbst,
als welcher nach Belgrad eilte, um zur Empfahung der Kaiserli⸗
che Botschaft noch ein⸗ und andere Anstalt vorzukehren, der aber
Graf O⸗
duyer hält
öffentliches
Gericht.
noch den Tag vor seiner Abreiß, und zwar auf dem Abend, vor sei⸗
nem Zelt oͤffentlich Gericht gehalten; sintemaln die Vorstehere der
Provinz, so die Servier Knesen nennen, wider die Officiers
der im Land liegenden Heyducken kläglich eingekommen / was massen
sie ihnen wider die vom Koͤnig approbirte Reichs⸗Gesetze ihre
Wie es mit
den Ein⸗
wohnern
in Servien
gehalten
wird.
Unterthanen wegnehmeten. Solches Statutum aber vermag, daß
diejenige, so sich mit Wein⸗Berg⸗pflanzen und dem Acker⸗Bau
ernehren wollen / wann sie nicht schon vorher Soldaten gewesen,
bey dieser ihrer Verrichtung des Köͤniglichen Schutzes geniessen,
und weder von denen Heyducken / noch jemand anders, auf einige
Weise verhindert werden solten/ als worinnen des Kaisers und der
Unterthanen Nutzen vornehmlich beruhet. Dann weil in denen Län⸗
dern des Königreichs Servien einen jeden so viel Land einge⸗
räumet wird, als er durch sich und die Seinigen anbauen kan, und
nur allein die Einwohner den Zehenden/ Tribut / Kopf⸗Geld /
und andere Steuern erlegen, die Frohn⸗Dienste entrichten, und
übrige gemeine Auflagen üͤber sich nehmen muͤssen, von welchem
allen aber die Heyducken frey sind / so ist allerdings dem Kaiser
und dem gemeinen Wesen daran gelegen, daß der Bauern Anzahl
nicht vermindert, sondern vielmehr vermehrt werde, so wol, damit
die durch den letzten Krieg einbekommene Länder desto besser ange⸗
bauet / als auch die Anlagen desto erträglicher gemacht werden koͤnnen /
wann ihrer viel darzu contribuiren muͤssen. Es wurden aber durch
der
Ppp 2
- 534 -
484
Viertes Buch / Achte Abtheilung /
der Heyducken Officiers, welche die Knesen alle mit Namen her⸗
nennen, viele von den Jhrigen, so sie wiederum specificirten, mit
Gewalt zu Soldaten weggenommen, welche doch bereit wären,
zu ihrem Feld⸗Bau zuruck zu kehren, und Bauern abzugeben,
Ausspruch
des Graf
Oduyers. wann man es ihnen nur zulassen wolte. Hierauf hat der Graf O⸗
duyer / als ein Gerechtigkeit liebender Herr, nach abgehörten
Partheyen und Erkänntnuͤß der Sache das Urtheil füͤr die Knesen
gesprochen / und allen Officirn auf das schärfste anbefohlen / daß
sie keinen Landmann, der nicht ein alter Soldat ist, wider seinen
Willen bey den Regimentern behalten, oder ins kuͤnftige Dienste an⸗
zunehmen zwingen, vielmehr aber einem jeden ungeirrt bey seinem
Acker⸗Bau lassen und ihre Compagnien lieber aus denen benach⸗
barten Tuͤrkischen als den Kaiserlichen Unterthanen und Lands⸗
Kindern zu ersetzen trachten solten: dieses seye Jhrer Roͤmischen
Kaiserlichen und Catholischen Majestät ernstlicher Wil⸗
le, welchen zu vollziehen Er mit Eid und Pflicht verbunden wä⸗
re, wolle auch wider die Verbrecher mit ernstlicher Straffe ver⸗
fahren.
Als wir nun hier einen Tag ausgeruhet, sind wir weiter nach
Potitschina / oder nach anderer Benennung, nach Battaschina,
und von dar nach Hassan Bascha Palanka gekommen, aber an
beiden Orten sehr übel logirt gewesen, weil wir keine Zelten mehr
Baumwol⸗
len Zeug
wird in
Servien
gemacht. bey uns gehabt; dann ausser dem, daß die Haͤuser in dieser Gegend
die geringste Weitschafft nicht haben, findet man fast allenthalben
Weber⸗Stühle, worauf Baumwollen⸗Zeug verfertigt wird, dessen
die Einwohner in Servien zu aller Kleidung gebrauchen, wor⸗
durch sie aber eine unglaubliche Menge Floͤhe / Wanzen und ande⸗
res Ungeziefer herbey ziehen.
Den 2ten Junj / als wir von Potitschina aufgebrochen, ist
der Weeg / wegen des die ganze Nacht und den vorigen Tag gefal⸗
lenen Regens, so schlimm worden, daß die Pferde mit genauer
Hassan
Bascha
Beschrei⸗
bung.Noth fort kommen können. Was indessen Hassan Bascha be⸗
trifft / ist solches ein mit Pfählen gar schlecht versehener Ort, an
welchem die Lepenitz, oder wie es die Leute daselbst nennen, Jos⸗
senitz, vorbey fließt: so gibt es auch daselbst einen in dieser Land⸗
schaft sehr bekannten Gesund⸗Brunnen / und ein Bad, das mit
ei⸗
- 535 -
Von dem Ort der Auswechslung bis nach Belgrad.
485
einem doppelten Gewölb, wie fast alle Türkische Bäder, versehen
ist / und welches vor Alters gar berühmt soll gewesen seyn. All⸗
hier ist ein Courier mit Brieffen vom Graf Oduyer ange
Courier
von Bel⸗
grad.
⸗
langt, den der Herr Groß⸗Botschafter mit der Ant⸗
wort wieder zuruck geschickt, daß Er nach zweyen Tagen zu
Belgrad seinen Einzug zu halten gedenke. Auf den vierten
Marsch sind wir nach Kollar, von dar nach Krozka kommen /
und haben also auf einmal zwey Tag⸗Reisen absolvirt, und bey
damals klaren und hellen Wetter auf dem Weeg Semendria diß⸗
und Pensova jenseits der Donau liegen sehen; dabey wir einen
hohen Wald fast bey zwey Stunden passiren muͤssen, dessen Laub
von den Raupen / Käfern und Heuschrecken dermassen abgefressen
war, daß man auch nicht ein Blätlein auf allen Bäumen sehen
können.
Den 22ten dito sind wir / nach dem die schwehren Bagage⸗
Wägen in der
Nacht voraus geschickt worden, gleich Früͤhe nach
Belgrad aufgebrochen. Auf halben Weeg, wo sonst weder ein an⸗
gebautes
Land, noch einige Einwohnere zu sehen waren, wird nun
ein Dorf von Pfäͤlzischen
Unterthanen angelegt, die wegen der von Dorf von
Pfälzischen
Untertha⸗
nen.
Jhro Majestät auf viele Jahre verliehene Freyheiten von
Hauß
und Hof hieher gelocket worden, so
daß sie in ihrem Vaterland al⸗
les verkauft
und ihre Wohnung allhier aufgeschlagen. Sie haben
Jhm den Namen Zweybruck gegeben /
weil sich daselbst zwey Bruͤ⸗
cken
befinden, und sind wir berichtet worden, daß noch mehr der⸗
gleichen
Leute ihr Vaterland verlassen und sich hieher begeben, ist
auch zu hoffen, es werden andere
deren Beyspiel folgen, und wegen
so viel und grosser Vortheile die
von Einwohnern entbloͤssete Pro⸗
vinzen
besezen. Endlich sind wir um zehen Uhr vor der Linie ange⸗
kommen,
welche der vorsichtige und uͤber alles Lob weit erAnkunft
der Bot⸗
schaft bey
der Linie
vor Bel⸗
grad.
⸗
hobene
Feld⸗Herr Eugenius bey der letzten
Belagerung von un⸗
serer Armee
ziehen lassen. Gleich bey deren Eingang præsentirte sich
der Graf Oduyer, als Gräͤnz⸗Commendant, mit den
vornehmsten
Officiern aus der Besatzung zu Belgrad und dem daselbst
befindEmpfang
daselbst.
⸗
lichen Adel,
den aus der Tuͤrkey kommenden und sich der Vestung
bereits nahenden
Röͤmisch⸗Kaiserlichen Herrn
Botschafter zu
empfangen / den sie auch durch die
Burgerschaft und Besatzung
Kriegs⸗
nen sehr
Ppp 3
- 536 -
486
Viertes Buch /
Achte Abtheilung /
Kriegs⸗Gebrauch nach mit fliegenden
und gesenkten Fahnen, klin⸗
genden Spiel
und Rührung der Trommel die gewöhnliche Ehre
bezeigt, und in die Stadt nach seiner
Wohnung begleitet haben,
allwo eine Granadier⸗Compagnie Tag
und Nacht die Wacht ge⸗
halten. So
bald des Herrn Groß⸗Botschafters Pferd
den
Fuß in diese Aussen⸗Werker gesetzt,
hat man von dem obern und
untern Schloß mit dreymaliger Lösung
der hierzu bestimmten 60.
ganzen⸗halben⸗ und Viertels
Carthaunen den Anfang gemacht, und
nicht ehe damit innen gehalten,
bevor die ganze Botschaft in
der Stadt und der Herr Botschafter in seinem Logis an⸗
gekommen.
Zu Belgrad sind wir wiederum zwey Tag liegend geblieben /
damit für die künftige Reiß noch alles angeschafft werden kunte / in
welcher Zeit wir / vermittelst der von dem Graf Oduyer gemach⸗
Brunnen
zu Bel⸗
grad.ten Anstalten gleichsam ausserordentliche Faßnacht gehalten. Eini⸗
ge von uns sind nach dem Schloß hinauf gegangen, um denjenigen
Brunnen zu sehen, so durch Roͤhren in die obere Vestung uͤber eine
Stund weit geleitet wird; dann auch noch einen andern, so in
Felsen gehauen, und zum Dienst der Besatzung versehen ist / wann
etwan der vorige durch die Feinde abgegraben werden solte; anbey
Nachricht
von eini⸗
gen Befe⸗
stigungs⸗
Werken.diejenigen von Steinen aufgefüͤhrte Werker zu observiren/ die über
der Donau und Sau mitten aus dem Wasser herfür scheinen / und
die Gewalt des Stroms und dessen Aussteigen abhalten, als
deren Fundament nun schon durch des
Graf Oduyers unermüde⸗
ten Fleiß der Erden gleich stehen, und das übrige gar bald in Stand
kommen kan / wann es die Witterung zu lassen und sich sonst kein
Mangel zeigen wird. Es war die Aufrichtung derselbigen auch
um deswillen hoͤchst noͤthig, weil von daraus die Vestung mit Stu⸗
cken am bequemsten kan beschossen werden, wie sie dann von den Un⸗
srigen wuͤrklich von dieser Seite beschossen und der Pulver⸗Thurn
durch eine Feuer⸗Kugel angezündet worden. Die unter der Erden
gebaute Gewölber / worinnen man das Pulver aufgehebt / und wo⸗
von wir schon im ersten Buch gedacht, werden noch über die⸗
ses durch ein vorder Gewoͤlb und vier aus Ertz geschlagenen Pfor⸗
ten und eisernen Gegitter verwahret, welches zulänglich genug, al⸗
le
- 537 -
Von dem Ort der Auswechslung bis nach Belgrad.
487
le Feuers⸗Gefahr abzuhalten. Ohn weit davon gegen der ersten Gesund⸗Brunnen.
Pforten zu der untern Vestung ist eine Quelle / so man die Heilige
nennet, weil die Einwohner entweder aus der Erfahrung/ oder viel⸗
leicht aus einer Einbildung und Aberglauben davon persuadirt sind,
daß sie das Fieber damit curiren koͤnnen, weswegen bey solcher sich
täglich viele Leute aus weit entlegenen Orten einfinden, also daß der
Commendant für noͤthig befunden, durch eine Wacht den allzu
grossen Anlauf vom Volk abzuhalten, weil die Beschaffenheit des
Orts dergleichen nicht wol zu lassen will. Hier siehet man von
zweyen alten durch Minen in die Luft gesprengten Mauern eine so
grosse Quantität von Steinen, daß man zwey Casernen davon auf⸗
bauen könnte. Wann aber die Teutsche⸗ und Raitzen⸗Stadt Fortifica⸗
tion der
Teutschen
und Rai⸗
tzen Stadt.
nach der von Sr. Kaiserl. und Cathol. Majestät appro⸗
birten Zeichnung befestiget, und aus den gegenwaͤrtig hoͤlzernen Ge⸗
bäͤuen steinerne gemacht werden sollen, damit sie der Vestung desto
bessern Nutzen schaffen moͤgen, ist noͤthig, daß wir vorher auf besse⸗
re Zeiten warten / und die erschoͤpfte Schatz⸗Kammer mit einem guten
Vorrath wiederum anfuͤllen: doch sind sie zur Zeit, auch denen Fein⸗
den zu Trutz / durch diejenige Werker, welche gleich im ersten
Jahr der Ubergab, nemlich 1717. von der Sau bis an die Donau
auf Anordnung des Commendanten mit ungemeiner Geschwin⸗
digkeit und mitten im Winter bey der groͤsten Kaͤlt angelegt worden,
genugsam defendirt. Den ersten Tag nach unserer Ankunft fand
sich gleichfalls der Kaiserliche Orientalische Courier Johann
Georg Jarkowitz allhier ein, und brachte uns die Zeitung, daß
ein bey dem Herrn von Dierling in Diensten gestandener Koch,
Namens Franz / ein Türk worden, und den Namen Ahmed an⸗
genommen. Damit aber die Pforte oͤffentlich bezeigte, wie sie vor Ein Koch
wird zu
Constanti⸗
nopel ein
Türk.
andern auf die Kaiserliche Unterthanen einen Regard habe / hat
der Groß⸗Vizier den Kaiserlichen zu Pera sich aufhaltenden
Residenten Nachricht geben lassen, wie sich jemand zu Constan⸗
tinopel befinde, so sich füͤr einen aus der Roͤmisch⸗Kaiserlichen
Suite ausgebe, und sich zu ihrer Religion bekennen wolle; er solte
deswegen wen dahin senden, der einen Zeugen abgeben koͤnnte, daß
er weder durch Bitte oder Verheissungen, noch auch mit Bedrohun⸗
gen überredet worden / sondern sich aus eigenen Belieben dar⸗
zu
- 538 -
488
Viertes Buch / Achte Abtheilung /
zu verstanden hätte. Als solches der Herr von Dierling vernom⸗
men, hat er alsobald Herrn Petrowitz/ einen Orientalischen
Sprach⸗Knaben, dahin gesandt, welcher den thörichten Menschen
sein Gewissen rühren, und ihn, wo moͤglich, wiederum auf rechten
Weeg bringen solte; dann so viel Erlaubnis hatte er noch von dem
Groß⸗Vizir erhalten, daß er, ob er gleich schon ein Tuͤrk zu wer⸗
den versprochen, doch noch wieder umkehren könnte. Ermeldter
Herr Petrowitz traf ihn eben vor der Thuͤr des Gerichts oder dem
Divan an, und als er von denen die Seeligkeit betreffende Sachen
eine weitläͤufftige Rede gehalten, hat jener ihn, als ob er schlief / zuge⸗
höret / auch endlich nicht laͤnger verziehen wollen, sondern sich oͤffent⸗
lich erklärt / daß er eben zu dem Ende zu Constantinopel geblie⸗
ben / daß er ein Türk werden wolle, auch hierauf seine Kleider von
sich geworfen, einen Türkischen Bund aufgesetzt, und sich im üͤbri⸗
gen als ein Türk gekleidet. Da nun die Zeit unseres Aufenthalts in der
Türken
nehmen die
Christliche
Religion
an.Türkey kein einiger aus uns verlohren gangen / da hingegen 40. von der
Türkis. Botschaft zuruck geblieben, und darunter nicht wenig Vorneh⸗
me, hat es uns nicht wenig geschmerzet, daß dieser Gotts⸗vergessene
Mensch erst nach unserer Abreiß zu dieser schäͤndlichen Secte uͤber⸗
getretten. Am Tage Johannis des Täuffers wurde in der Je⸗
suiter Kirche von Jhro Hochwürden dem Abt zu Domben
hohes Amt gehalten / bey welchen unsere andere Priester ministrir⸗
ten; und hatte sich die ganze Botschaft allda eingefunden / vor die
glückliche Ankunft auf den Ungarischen Boden den Hoͤchsten zu
danken: so ist auch das Ambrosianische Lob-Gesang
von unsern Musicanten dabey angestimmet und
von dem Volk nachgesungen wor⸗
den.
Neun
Von Belgrad bis nach Wien. 489
Neunte Abtheilung.
DEn 25. Junj haben wir über die Sau gesetzt / und sind
nach Woica gekommen / wo wir die Wagen verändert,
und unsere Bagage auf der Bauern ihre geladen, welche
vorher auf Rüst⸗Wägen gepackt gewesen; des andern Tags darauf
aber setzten wir unsere Reise ferner gegen Jric, eine in dem
Herzogthum Sirmien gar bekannte Stadt, fort. Als wir aus Abzug aus
Belgrad.
Belgrad weggezogen, sind wiederum, wie bey dem Einzug, zu bei⸗
den Seiten die Soldaten postirt gewesen; und so bald der Herr
Groß⸗Botschafter den Fuß aus dem Hauß gesetzt / wurden also⸗
bald zum erstenmal die Stucke geloͤßt, und damit so lang angehal⸗
ten, bis wir zu der Brücke gekommen, woselbst es ein wenig still
war / bis wir alle über den Fluß gesetzt hatten; in welchem Stuck
unsere Feuer⸗Werker eine gröͤssere Vorsichtigkeit, als die Tüͤrken zu Unbedacht⸗
samkeit der
Türken
zu Nissa.
Nissa / gebraucht, welche letztere eben damals, als wir mitten
auf der Brüͤcke waren, das gröͤste Feuer gemacht, ohne daß sie hät⸗
ten denken sollen, wie die Pferde dardurch scheu werden und samt
uns in das Wasser stüͤrzen duͤrften: nach solchem aber hat sich das
Gebrassel der Carthaunen zum zweyten⸗ und drittenmal höͤren lassen.
Der Graf Oduyer hat den Herrn Groß⸗Botschafter bis
durch die jenseits der Sau angelegte Aussen⸗Werker mit vielen Ob⸗
risten und Hauptleuten begleitet, allwo Er endlich von ihme Ab⸗
schied genommen, eine glüͤckliche Reiß angewuͤnscht, und Jhm zwi⸗
schen der Sau und Donau vergnügt fort reissen lassen / da er un⸗
terdessen sich mit den Seinigen wieder nach der Vestung begeben.
Auf dieser Ebene kunte man die an einem Berg uͤber einander han⸗
gende fuͤnf Werker gar eigentlich sehen, welche die Vestung wieder
allen feindlichen Anlauf in genugsamen Defensions-Stand setzen,
zu Jrik ist der Obrist Tiller, Commendant zu Peterwardein /
Commen⸗
dant zu Pe⸗
terwardein
kommt dem
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ter entge⸗
gen.
mit einigen Officiern zu dem Herrn Botschafter gekommen / und
hat wegen glüͤcklicher Ankunft seine Gratulation abgelegt.
Jn dem nechst folgenden sechs Täͤgen sind wir erstlich auf Mi⸗
trowitz / eine nach dem Carlowitzer Friedens⸗Tractaten ein⸗
gerichtete Gränz⸗Stadt, gekommen, die aber im vorigen Krieg von
den Tüͤrken voͤllig zerstoͤrt und eingeäschert worden, haben Magne⸗
los
Qqq
- 540 -
490
Viertes Buch, Neunte Abtheilung /
los / oder nach anderer Benennung Magnelosvan / zur linken
Seiten liegen gelassen, und uns weiter, einige uͤber Sido / andere
über Ratintzo und Qucuevik / als den kürzten Weeg / nach Ta⸗
varnik begeben, allwo wir einen Rast⸗Tag gehalten, der nachge⸗
hends bey der Botschaft wegen zweyer Koͤche, die kaum auf den
Füssen stehen kunten, und einem kurzweilichen Gefecht eines Manns
mit einer Frauen sich gar merkwuͤrdig gemacht. Nach diesem wurde die
Reise über Soͤtting nach Bokovar / von dar den 13ten Julj üͤber
die über den Boko⸗Fluß geschlagenen Brücke Olmasch vorbey
nach Villawerda / so ein sehr grosses und Volkreiches Dorf an
der Drau ist, und wohin sehr viele Leute, sonderlich aber Weibs⸗
Personen von Essek, uns zu sehen, gekommen, und endlich den
2ten dito nach erst bemeldten Essek selbst fort gesetzt.
Beschrei⸗
bung der
Vestung
Esseck. Dieses Essek ist eine der vornehmsten Vestung in ganz Un⸗
garn, deren Werker alle von Ziegeln aufgeführt sind, und so tief
in den Graben liegen, daß sie bey nahe der Erden gleich kommen,
dahero man von hier aus den Feind einen grossen Schaden in seinem
Lager verursachen kan. Die Drav fliesset an vielen Orten durch
den Stadt Graben, und sind jenseits derselbigen viele neue Werker
ausgezeichnet, welche, wann sie einmal im Stande kommen, und
der sich daselbst befindliche Morast wegen der daruͤber geschlagenen
und in der ganzen Welt bekannten Bruͤcke, wegschaffen ließ, capab⸗
le seyn wuͤrden, den Feind lange Zeit von einer formalen Belage⸗
rung abzuhalten. Dieselbige aber bestehet in nichts anders, als in
vielen an einander gehenkten kleinen Brüͤcken, so dieses sumpfichte
Erdreich bedecken und gleichsam ein festes Land daraus machen. Der
Einholung
daselbst.
General Becker / als Commendant dieser Vestung, weil er lange
Zeit krank darnieder gelegen, hat einige vornehme Officier nebst sei
nem Eidam den General Petrasch dem Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ter entgegen geschickt, welcher auch in Seinen Wagen gestiegen, und
mit ihm nach der Stadt gefahren. Wir indessen haben bey unserm
Durch⸗March die gewoͤhnliche Ordnung observirt, und mitten auf
dem Markt sind 3. Bataillons von der Besatzung postirt gewesen / wel⸗
che den vorbey fahrenden Herrn Botschafter erwartet/ der auch,
so bald man Jhn von der Mauern sehen koͤnnen, mit Stüͤcken be⸗
gruͤßt worden. Indem nun Se. Hochgraͤfliche Excellenz mit
dem ersten Adel bey den Commendanten speißten, wurden die uͤbri⸗
gen
- 541 -
Reise von Belgrad bis nach Wien.
491
gen von dem Herrn Kallenec/ Cammer⸗Vorsteher, tractirt, bey
welchem sich auf dem Nachmittag der Herr Botschafter wegen al⸗
ter Bekanntschaft auch eingefunden, da indessen die Wägen und
übrige Bagage mit Schiffen auf die andere Seite der Drav gefüͤhrt
worden. So lang der Herr Botschafter Sich hier in der Stadt
befunden, hat vor des Commendanten Hauß eine Compagnie
Granadierer die Aufwartung gehabt.
Von Esseck ist die Botschaft Nachmittag um 4. Uhr aufgeAufbruch
von Esseck.
⸗
brochen, und weiter hinauf nach Darda, nicht gar zwey Stund
von erst bemeldter Stadt / gezogen; und ist dieses ein dem Grafen
Veterani zuständiger adelicher Sitz, bey welchem ein Dorf liegt, Ein von
Schwaben
bewohntes
Dorf.
dessen Einwohner mehrentheils Teutsche, die im vorigen Krieg aus
Schwaben herunter gekommen / und sich allhier nieder gelassen. Von
Darda sind wir zwischen der Drau und Donau fort gegangen, und
den 4ten dito auf Baranivar / ein dem Prinzen Eugenius zu⸗
ständiges Ort, so in der dem Bischof zu Füͤnf⸗Kirchen gehörigen
Grafschaft gleiches Namens liegt, und von dar weiter auf Mohaz /
Zeth / Zichzard / einen wegen des vortreflichen Weins gar bekann⸗
ten Ort, dann auf Medina / Simonthorn / Scephonie /
Csikuar / Stuhl⸗Weissenburg / Mor Kisber, und endlich vermit⸗
telst einer langen und beschwehrlichen Reisen nach Raab gekomen. All⸗
hier haben wir so wol, als zu Stuhl Weissenburg, nur in der Vorstatt
logirt, damit wir uns desto fruͤher wiederum auf den Weeg machen
konten. Wir haben auch in dieser Landschaft viele, so aus der Pfalz,
dem Mainzischen und Trierischen gebürtig, wie auch West⸗
phaͤlinger, angetroffen, welche die Gute und Fruchtbarkeit des Unga⸗
rischen Bodens hieher gelocket. Wo wir aber durchgezogen, waren Andere
Teutsche
Colonien.
so wol die Vornehmste aus der Geistlichkeit / als auch die Un⸗
ter⸗Gespan / Richtere / der Land⸗Adel und die zur Cammer ge⸗
hörige befliessen, dem Herrn Groß⸗Botschafter die gebuͤhrende Eh⸗
re zu erweisen: zu Stuhl⸗Weissenburg und Raab sind die Stuͤ⸗
cke dreymal gelöͤßt, die Besatzung auf die oͤffentliche Plätze ins Ge⸗
wehr gestellt und drey Hauptmannschaften Husaren / die Bot⸗
schaft einzuholen, commandirt worden; ja so gar auf dem Weeg
gegen Kisber ist der Unter⸗Gespan der Grafschaft Comorrn/ Compli⸗
ment von
der Graf⸗
schaft Co⸗
morrn.
der auch bey dem Gericht in diesem Palatinat Proto-Notarius ist,
Herr Franz Szluha / mit noch einigen andern von dem Commen⸗
dan⸗
Qqq 2
- 542 -
492
Viertes Buch/ Neunte Abtheilung/
danten und der Grafschaft mit dreyen mit sechs Pferden bespann⸗
ten Wägen dem Herr Groß⸗Botschafter entgegen geschickt, und
Se. Excellenz mit folgenden Worten von ihm angeredet wor⸗
den:
So steigt dann endlich / Hochgebohrner Graf und
Kaiserlicher Herr Groß⸗Botschafter / das gedruckte Ungarn
zu dem höchsten Gipfel der laͤngst erwuͤnschten
Gluͤckseeligkeit/ da es nach so vielen grausamen Kriegs⸗
Verwuͤstungen durch den von Eurer Excellenz gluͤcklich
geschlossenen und confirmirten Frieden wiederum auf
das neue belebt und erfreuet wird. Es kunten und sol⸗
ten auch durch niemand anders die Kriegerischen Tri⸗
umphe mit dem hoͤchst⸗beliebten Friedens⸗Cranz ge⸗
ziert werden / als durch denjenigen/ welcher selbst das
Martis ruͤhmlicher Nachfolger / ein grosser General und
hoch⸗ansehnlicher Feld⸗Zeugmeister ist. Mag dem⸗
nach billig das durch die Waffen erzeigte Kind/ und
die aus dem Krieg gebohrne Tochter/ Friede genennt/
und für einen wuͤrdigen Sprossen eines so vortrefli⸗
chen Kriegs⸗Helden gehalten werden. Jch will aber
nicht weitlaͤuftig seyn; sintemaln diese so grosse Na⸗
men so wol mich / als diese loͤbliche Gespanschaft Comorrn /
und durch dieselbige die gesamte Stäͤnde des Reichs/
nur in diesen erfreulichsten Zuruff ausbrechen heissen:
Wann ich dich/ Virmond/ nenn/ hab ich sonst nichts
zu sagen /
Wer noch mehr wissen will/ mag Ungarn/ Oest⸗
reich fragen.
Einer
Jüdischen
Famille
betrügli⸗
ches Vor⸗
geben.Eine Jüdische Famille, so kürzlich auf des Herrn Botschaf⸗
ters hohes Vor⸗Wort von dem Seraskier aus Nissa frey ent⸗
lassen worden, weil sie vorgegeben, wie sie gesonnen / die Roͤmisch⸗Ca⸗
tholische
- 543 -
Reise von Belgrad bis nach Wien.
493
tholische Religion anzunehmen / und deswegen ihren bisherigen
Wohn⸗Sitz zu andern, hat sich nun zu Raab mit der Flucht heim⸗
lich davon machen wollen / ist aber wiederum ertapt und fest gesetzt
worden, um ihr den gebuͤhrenden Lohn für solche Leichtsinnig⸗ und
Unbeständigkeit zu geben: und als wir den 16. Julj zu Raab auf⸗
gebrochen / ist uns ein Holsteinischer Prinz, so durch Ungarn
reissen und die Vestungen allda besehen wollen, auf der Strasse auf⸗
gestossen; wir sind aber noch selbigen Tag bis auf St. Niclas,
ein dem Graf Zichi erblich zugehöͤriges Dorf und Schloß, gekom⸗
men.
Den 18ten dito hatten wir allhier Rast⸗Tag gehalten, und ist
Frau Ge⸗
mahlin
und Fräu⸗
lein Töchter
des Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafters
kommen
Sr. Excell.
entgegen.
die Frau Gemahlin des Herrn Botschafters mit ihren zwey
Hoch⸗Gräflichen Fräulein Sr. Excellenz entgegen gekommen,
ihren liebsten Gemahl und Geehrten Herrn Vater nach einer
mehr als Jahrs⸗langen Abwesenheit wiederum zu umarmen. Sie
hatten den Marggrafen Besora zu einem Begleiter, welcher Sie auch
mit dem Graf Kuͤnigl des andern Tags, nachdem Sie samt uns
Ungarisch⸗Altenburg und Weissenburg vorbey gefahren, von
Nicolsdorf wiederum nach Wien gebracht hat. Den 20ten sind Brüͤck eine
Gränz⸗Stadt zwi⸗
schen Oe⸗
sterreich
und Un⸗
garn.
wir nacher Brück kommen, so eine an der Leita gelegene Stadt ist,
und im Lateinischen den Namen Lutipons vielleicht darum hat,
weil dieser Fluß bey nahe mehr Schlam als Wasser führet. Sonst
ist diese Stadt wegen der Gräͤnz / die Oesterreich von Ungarn
scheidet, und auch wegen des daselbst angelegten überaus netten Garten
des Graf Carl Harrach / der an Schönheit in ganz Oesterreich
seines gleichen nicht hat, genugsam bekannt; und von hieraus ha⸗
ben wir uns nacher Schweched/ so auch eine von ihren vorbey⸗
fliessenden Wasser benennte Stadt ist, begeben / und zugleich da⸗
mit die letzte Tag⸗Reiß gemacht. Allhier siehet man noch die SäͤuSäule / wo
Kaiser Leo⸗
pold und
der König
in Polen
zusammen
gekommen.
⸗
len, bey welcher der Kaiser Leopold / Glorwürdigsten Anden⸗
kens, und Johannes des III. König in Polen / die zwey
gröͤsten Fürsten / nach glücklichem Entsatz Wien / einander zu
erst entgegen gekommen und empfangen haben.
Von hieraus ist der Freyherr von Zweiffel in die Stadt ge
Ankunft
der Bot⸗
schaft wird
dem Prinz
Eugenius
zu wissen
gethan.
⸗
schickt worden, dem Prinzen unsere Ankunft zu bedeuten; andere
sind anderer Verrichtungen wegen in die Stadt gegangen: darge⸗
gen
Qqq 3
- 544 -
494
Viertes Buch / Neunte Abtheil. Reise von Belgrad rc.
gen wiederum viele heraus gelaufen, ihre aus der Türkey angekom⸗
mene Freunde zu sehen, als wornach sie laͤngstens ein grosses Ver⸗
langen gehabt.
Endlich sind wir den 22. Julj mit dem Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter gleich früͤhe von der Schweched aufgebrochen, und ha⸗
ben uns nach dem Garten der Augustiner auf der Land⸗Strassen
begeben, woraus auch jenesmals unser Einzug den Anfang genom⸗
men; diejenige aber, so schon zuvor nach der Stadt gegangen, ha⸗
ben sich gleichfalls hier wieder bey uns eingefunden. Von dar die
Einzug in
Wien.Cavalcade nach der Favorita zu Jhro Majestät dem Kaiser
und der regierenden Kaiserin / dann auch zu denen Durchlauchtig⸗
sten jüngst⸗ und aͤltesten Erz⸗Herzoginnen / und so ferner durch
die Stadt nach der verwittibten Kaiserin Amalia und Dero
Durchlauchtigsten Erz⸗Herzoginnen in gleichen Pracht und
Ordnung, als in dem vorigen Jahr, genommen, zu letzt aber Se.
Hoch⸗Gräͤfliche Excellenz der Herr Groß⸗Botschafter
nach rüͤhmlichster Verrichtung, von uns nach Hauß
begleitet worden.
Voll⸗
Vollständiges Register aller in dieser
Historie vorkommenden Namen und
Sachen.
A.
ABdola Bascha. Bl.
wann sie vor sich gangen.
bey dem Groß⸗Vizir.
Absetzung des Sultan Mustapha.
wird im Divan tractirt.
Adler-fang.
Einzug.
Ahli Bascha / dessen Pallast
Ahmed Bascha.
wird relegirt.
Ai / was es bedeutet.
Allmosen-Stock zu Basardschick.
Almeide-Platz
Althan (Emanuel Graf von)
gehet nach Frankreich.
Altmann (Joh. Friedrich) Edel⸗Knab.
Ancyra / - 546 -
Register.
des Hauses Oesterreich. |
Andreas à S. Gertrude.
Anklag falsche eines Türken vor Gericht.
vernichtete in Constantinopel.
Arcadius, dessen Säulen.
Archatiel / Kaiserl. Courier.
Arda / ein Fluß.
Armenier sind Betrüͤger.
einer wird enthauptet.
Ars Aglar.
Arsenal zu Constantinopel.
Aruth / böser Geist bey den Türken. |
Arzt (Leib⸗) des Sultans.
Aßan Firaly.
wird stranguliret.
Aßas Baschi.
Avazar.
Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
bey dem Sultan.
Ordnung derselbigen.
Zimmer des Sultans.
Aufbruch der Bagage-Wägen.
der völligen Botschaft.
erster aus dem Lager.
bestrafft.
Außem (Herman Adolph)
Auswechslung wo sie geschehen.
Auszug aus Pera.
B.
Babaeskisi.
Back (Major)
Bad Kais. zu Adrianopel.
Baden (Prinz Ludwig von)
Baga⸗
- 547 -
Register.
Bagage-Wägen / deren Anzahl.
Baja.
wann es anfängt.
wie lang es dauret.
wie es gefeyert wird.
kleiner.
Bakacs (Thomas Cardinal)
Baltagi.
Banaroja / Fluß.
Banga.
Bascha / wer damit angezeigt wird.
Bask Hasaki.
Bassurat / Gebürg.
Battaschina.
Bauer Asiatischer / dessen Curiosité
Baum / so keine Vögel leidet.
Beber Baschi.
Bechtasch / Stifter der Janitscharn.
-Ceremonie der Türken.
Beiglerbey / was es bedeutet.
Verrichtungen allda.
Abzug daraus.
Bereuter.
Beschli.
reißt nach Frankreich.
Bettlers⸗Graben (eine Jnsul.)
Betrug (betrogener.)
Bie⸗
Rrr - 548 -
Register.
Bielinski (Michael Victor Graf)
Bizehami / Stumme.
deren abgeschmackte Spiele.
Bojana / ein Fluß.
Bosnaquoi / ein Fluß.
Bostangi.
einer wird erschlagen.
was er ist.
Bostangi Bascha.
Bota, Marquis.
Botschaft / wird in Asien tractirt.
langt wieder zu Wien an.
Botschafter (Groß⸗) dessen Aufzug.
wie weit Er begleitet worden.
wo man Jhn empfangen.
dessen Zug nach der Saͤulen.
Anrede an den Tüͤrkischen.
forscht an den Türkischen / ob er
Schreiben an den Prinz
Eugenius und Graf O⸗
duyer bey sich habe.
Anrede.
dessen Rede an den Sultan.
Bot⸗
- 549 -
Register.
den Holländischen.
den Moufti.
dessen moralische Discourse.
gehet nach dem Groß⸗Vizir.
tractirt die vier Gesandten.
dessen erhaltene Presente.
besiehet die Sophia⸗Kirche.
besucht den Mehemet Aga.
befindet sich übel auf.
beschenkt den ersten Tefterdar
wird im Divan tractirt.
gehet zu einer Hochzeit.
begiebt sich auf die Reiß.
wo Er zu Adrianopel logirt.
gibt ihm die Visite.
läßt ihm eine Music machen.
gehet nach der Säͤulen.
dessen Namen.
Bot⸗
Rrr 2 - 550 -
Register.
stellt sich krank.
Brinkman (Johann) Stallmeister.
Brooms (Jacob) Falken⸗Meister.
Brucken bey Saribrod.
Merkwürdigkeiten davon.
zu Eßeck.
Brück / eine Stadt an der Leitha.
warmer.
Bulgar / deren Kleidung.
Name.
Bund des Groß⸗Vizirs.
Burg / Abzug der Botschaft davon.
Burg⸗Platz Ankunft daselbst.
Burumpampukli.
C.
Caab / was es ist.
Car⸗Wochen Andacht.
Caddare.
Cadence seltsame.
Cadi / wer sie sind.
Cadilescher.
in Europa der Vornehmste
Caftan / was es sind.
damit handeln die Juden.
bey dem Sultan.
Calvarie Berg bey Salankement.
Camber (Joh. Ludwig) Cassier.
Cameel - 551 -
Register.
Canzelisten.
Türkische.
Canzley (Türkische Reichs⸗)
Capa Agasi.
Capi Dervent.
Capigi / wer sie sind.
woran sie zu erkennen.
Capigi Baschi wer sie sind.
haben gutes Einkommen.
Capigilar Agasi / was er bedeutet.
Capigilerchijajasi.
Capistranus, ein Franciscaner.
Caprara / Röm. Kaiserl. Gesandter / in
der Französ. Jesuiter⸗Kirche zu
Constantinopel beygesetzt.
Capriza.
Capudan Bascha.
ihn besucht der Botschafter.
wird in seinem Amt bestättiget
Beschreibung dessen Sitten.
Geschenke an den Botschafter.
Caradare / Fluß.
Caravansarai.
Cardona (Joseph Folk / Fürst von) Obrist⸗
Hofmeister bey der ältisten Kai⸗
serl. Joseph. Prinzeßin.
Carnevals⸗Lust.
Catacherif.
Ceremoniell, dessen Einrichtung
Cervi (Joh. Baptista) Zucker⸗Becker.
Chalkali.
Chaskoi
Bascha daselbst wer er ist.
Fabel davon.
Chesnegir Baschi.
Chiaoux Baschi / wer er ist.
dessen fehlgeschlagene List.
ihr gewöhnliches Geschrey.
Chiohadar Aga.
Chirmente / ein Dorf.
Ciroccum.
Closter
Rrr 3 - 552 -
Register.
ob so reich als man vorgibt.
Colocza / Schloß.
Comödiant wird gehenkt.
unverschäͤmte.
Französische.
Grichische.
Italiänische.
Beschreibung dieser Vestung.
der Türken.
Constantinopel / Einzug daselbst.
Constantinus Magnus.
Corban / der Türken Opfer.
Credenz⸗Schreiben des Röm. Kaisers.
Csikuar.
Courier Kaiserlicher.
Curiosité unnuͤtze darf man betruͤgen.
D.
Dänzer künstliche.
Darda.
Dardanellen.
Daravia.
Deli.
Delphinen.
Dervisch / Türkischer Mönch.
deren Beschreibung.
Gelübde.
deren Verrichtung.
sind Heuchler.
deren Kleidung.
sind Mag⸗Saamen Fresser. |
ihr Gottes⸗Dienst.
Devibakerdane.
Dia⸗
- 553 -
Register.
Diamant Fabel der Türken davon.
Dierna (Bertrand) Canzelist.
Dionysius, ein Lay⸗Bruder.
Divan zu Nissa gehalten.
dessen Beschreibung.
Beysitzer desselben.
deren Authoritaet.
Dodangi Baschi.
Dogan Baschi.
Dolmetschen.
Venetianischer / erkundigt sich we⸗
gen der bey der Botschaft be⸗
findlichen Sclaven ihrer Na⸗
tion.
Dreschen / in der Türkey mit Ochsen.
Drey⸗Fuß des Apollo.
Driesch(Gerard Cornel)
Drit (Caspar) Edel⸗Knab.
ein Liebhaber der Antiquitaete.
Duschtina.
E.
Ebrictar Aga.
Edel⸗Knaben.
Edelleute.
Edrene.
Efendi / deren Prædicat.
Einzug in Wien.
zu Sophia.
zu Constantinopel.
Eisen - 554 -
Register.
Eisen / bey der Trajanischen Pforte.
Ejup.
Emir / wer sie sind.
deren Freyheiten.
Respect vor ihren Bund. |
sind Sodomiten.
treiben den Menschen⸗Handel.
Erb⸗Recht bey den Türken.
Erdbeben.
Eski Baba.
Eskikali.
Einholung daselbst.
Euladi Resuli.
Eurich (Ferdinand) Canzelist.
F.
Fahne des ersten Adels.
des zweyten Adels.
der Leib⸗Wacht.
Farfouri.
der Grichen.
Fasten⸗Predigten.
Fenster in der Türkey wie beschaffen
Ferman / was es ist.
Feuer⸗Werkers zu Belgrad Unglück
Fezoula Efendi.
dessen gewaltsame Hinrichtung.
Fezoula - 555 -
Register.
Fezoula Efendi / seines Tods Ursach.
dessen Begräbniß.
ist ein fruchtbarer Vater.
ein grosser Christen Feind.
warum?
Firdefs Effendi.
Fischament / dessen Lage.
Fischerey übel bestellte.
Flinten / Unglück damit.
Födwar.
Frankenberg (Niclas) Apothecker
darf niemand betrachten.
Grichisches / deren Aufbutz.
Kleidung.
des Sultans / Wohnung.
Franzos / vornehmer / wird ein Türk
dabey werden Stüͤhle gesetzt.
Fuhrmann stirbt gähling.
Futack.
G.
Gastmahle verschwenderische.
Gauckler.
Sss - 556 -
Gauckler ungeschickter.
geschickter.
Gebegi.
sind Anführer der Rebellen.
Gebrai / der Türken guter Engel.
Gedult / Schlüssel zum Himmel.
werden loß gelassen.
Geistlichkeit / bey dem Einzug.
Gemeni / was es sind.
Gerit / eine Art Pfeile.
Gesandter muß attent seyn.
besucht den Botschafter.
besuchen Jhn.
Gesand⸗
- 557 -
Register.
hält seinen Einzug.
dessen Name.
besucht den Botschafter.
tractiren ihn.
der Türken insgemein.
werden verkauft.
(Hochzeit⸗) bey den Grichen
was die Tüͤrken davon halten.
Gieß⸗Hauß bey Constantinopel.
abgebrandt.
Gilid / eine Art türkischer Pfeile.
Glimberg (Christian Philipp von)
Glocken /
Sss 2 - 558 -
Register.
Glückwunsch Türkischer.
Godschalk (Johann) Dolmetsch.
Görtz / Dolmetsch.
wird krank.
stirbt.
Götzen⸗Bild der Pallas.
wie solches eingetheilt ist.
Gran / Ankunft daselbst.
Schloß.
Kirche.
Häuser.
Gränz gegen die Türkey.
Groß⸗Mejer (Christian) Ober⸗Koch.
dessen Anerbieten mit klingenden
Spiel in die Stadt zuziehen
wird von dem Botschafter nicht
wol aufgenommen.
ertheilt wider die Gewohnheit den
Botschafter auser Constantino⸗
pel Audienz.
wer er ist.
dessen Pallast.
Beschreibung dessen Person.
dessen Aufzug an dem Bairam.
grüsset die Janitscharn.
Groß⸗ - 559 -
Groß⸗Vizir / dessen Leib⸗Wagen.
ist ein Rechts⸗Verständiger.
beschenkt den Botschafter zu letzt.
Grublian.
H.
Haan / was es ist.
grosser zu Jenihaan.
Haan / prächtiger zu Basardschick.
Haasen / deren Menge.
Haasen⸗Hexerey.
Hamus, ein Berg.
zu Sophia / wie eingerichtet.
grosses für den Botschafter.
zu Basardschick wol gebauet.
Hali Aga Czeschma.
Halvadgi.
bey den Grichen.
Handlung / florirt stark zu Sophia.
grosse zu Basardschick.
Hapsa.
Harem / was es ist.
Harrach (Graf Carl.)
Hasaki Sultana.
Haskoi.
Hasodä / wer sie sind.
Haueisen (Joh. Gottl.) Speiß⸗Meister
Sss 3
Hau⸗
- 560 -
Register.
Hauß⸗Knecht stirbt.
Hazeln gibt es zu Sophia sehr viel. |
Haznadar Baschi.
Haznadar Tschiflick.
beziehet der Botschafter.
Beschreibung davon.
Heckman (Joh. Heinrich) Secretaire.
Hegira / was es bedeutet.
Hepipcze / ein Fluß.
Herackle.
Herberg Türkische.
Heyducken.
einer fällt ins Wasser.
Hochzeit der Bulgarn.
Grichische.
Holzbauer (Swibert) Capell⸗Meister.
(Franz Alexander) Edel⸗Knab.)
Hostien consecrirte stiehlt ein Sclav.
Huberts⸗Tag gefeyert.
Gestalt.
I.
Jagodina.
Jahr⸗Märkte zu Meccha.
Jahr⸗Rechnung der Türken.
ihre Schmäͤh⸗Worte.
geben Vorkäufer ab.
sind Vollsäuffer.
nicht in einerley Farb gekleidet.
Stifter.
tragen ihre Geld⸗Säcke heim.
ihr Gefängniß.
im Reich.
Janit⸗
- 561 -
Register.
einer will beichten.
ihnen wird Reiß ausgetheilt.
sind zur Aufruhr geneigt.
der Verbrecher Desperation.
(junge) woran sie zu erkennen.
dessen Anrede an Jhn.
Rang.
Beschreibung dessen Sitten.
ist ein Mameluck.
Jaroch (Jacob) Trompeter.
dessen Verdienste.
läßt seinen Sohn hinrichten.
wo sich derselbige aufhäͤlt.
der heutige Groß⸗Vizir.
Jeinikoya.
Jeneakenscheli.
Jenimakeloi.
Jeschewitz.
was sie von Jhm dichten.
Jhlianch.
Jhliman.
Jllock / ein Markflecken.
Jmam / deren Verrichtung.
Installirung.
Examen.
Jnkingi Hasaki.
zu Mustapha Bascha Palanka
Insecten im Wasser.
Insul (Mönchen⸗)
(Brigitten⸗)
(Bettlers Graben)
Jrr⸗Licht halten einige für die Pest.
Jscha / ein Fluß.
Jskaro / ein Fluß.
betriegender wird bezahlt.
Jüdische - 562 -
Register.
Jüdische Famille will durchgehen.
Dorf.
K.
Kadriten / deren Beschreibung.
deren geistliche Ubung.
Kleider.
Ursprung
Gottes⸗Dienst.
unsinnige Gebärden.
nächtliche Andacht.
Kadune.
Kalibi / was es sind.
Kallenec.
Kampf der Türken nach ihrem Tod.
Karabeiera.
Kastner (Joh. Christeph) Canzelist.
Kaufman von Mördern erschlagen.
Kem Husar Aga.
Kemmeter (Franz Xavi) Canzelist.
stirbt.
Kempf (Joh. Baptist) Edel⸗Knab.
Kern (Joh. Michael) Hof⸗Meister.
Ketche / was es ist.
Kiblach / so viel als Meccha.
Kimling (Christoph)
hundert hat Selim gezeugt.
Kiosch im Serrallien zu Adrianopel.
Kiosen / des Sultans Groß⸗Mutter.
Kirche zu Sophia.
zerstörte.
wie die Tüͤrken darzu ruffen.
(Patriarchal) der Grichen.
Kirche - 563 -
Register.
Kirche zu Jerusalem wird renovirt.
Kisber.
Kisten⸗Pfenning.
Kiuperli / dessen Sohn.
Kleidung der Bulgarn.
Knesen / wer sie sind.
Kobila.
Kobilke (Obrist⸗Wachtmeister)
Koch Kaiserl. wird ein Türk.
Kopf⸗Geld bey den Türken.
Koritniac.
Kraft (Christian) Quartier⸗Meister.
Krankheiten / reissen im Lager ein.
nehmen zu.
was die Ursach.
Kriegs⸗Dienste / darzu ist in der Türkey
jederman / bis so gar auf die klei⸗
ne Kinder / verpflichtet.
Kuche bey dem Divan.
Kuchen Türkische.
Kunickly.
Kunst⸗Stuck curiöses.
Kuruczeschma.
Kurutschesmen.
Kurzweil ärgerl. des Sultans.
Kutzlir Aga.
Kutins⸗
Ttt - 564 -
Register.
Kutinska / Fluß.
Kutschuck Tschemetschen.
L
Lager vor Nißa.
vor Constantinopel.
Laquayen des Botschafters.
des ersten Adels.
des zweyten.
einer wird erstochen.
Laster verschließen den Himmel.
Lazarus / ein Bulgarischer Fürst.
Leanders⸗Thurn / falsch angegebener.
Leeb (Robert) ein Bernhardiner.
reißt in das gelobte Land.
Leib⸗Wacht des Botschafters.
zu Constantinopel.
Leiche / Armemanische.
Lerchen zweyerley Art derselben.
Locher (Adam Dominicus von)
wird nach Wien abgeschickt.
Löffel der Türken.
Lora / ein Dorf.
Luna (Jsaac) Oriental. Courier.
Luschnitza / ein Fluß.
Luxenburger / stirbt.
M.
Mädgen / wie sie verkauft werden.
Magnelos.
wo er gebohren.
dessen Flucht.
ist ein Aff des Herrn Christi.
Mal⸗
- 565 -
Register.
Mamud / des Mustapha Prinz.
Manarelliquoi.
Mardari / wer er ist.
wird Schiffreich.
Marmor künstlich geschnittener.
durchsichtiger.
Marschalk (Hof⸗)
Mauern lange bey Constantinopel.
(Joh. Bernhard) Secretaire.
(Franz Joseph) Sprach⸗ Knab.
Medina.
Mehemet Aga / gewesener Gevollmächti⸗
ger bey dem Friedens⸗Schluß
läßt den Botschafter compli⸗
mentiren.
besucht den Botschafter.
Beschreibung dessen Person.
Mela / ein Fluß.
Meß zu Adrianopel gelesen.
Mevelava / Stifter der Dervisch.
Mevelut Gegeschi.
Mipaslawitz / Jesuit.
Mierowitz.
Mönche des H. Basilii.
einer von dem Berg Sinai.
Türkische.
Mönch
Ttt 2 - 566 -
Register.
Mönche (Türkische) danzende.
heulende.
Mollach / wer es ist.
(Carl) Sprach⸗Knab.
Monastor.
Mond⸗Jahr der Türken.
Mor.
Morava / Fluß.
-Palanka.
Morgen⸗Gab bey den Grichen.
zu Adrianopel.
des Sultan Ahmeds.
in Constantinopel.
an andern Orten.
hat eine schoͤne Tochter.
Muhasabegi Baschi.
Muhlagi.
wer sie sind.
Mumien / was sie sind.
Muselman / was es bedeutet.
Music der Baschen bey den Türken.
Türkische.
Mußelim / was es bedeutet.
Mustapha (Sultan) wird abgesetzt.
wie es damit zu gegangen.
-Bascha Kiupri.
dessen Beschreibung.
-Bascha Palanka.
Mutevelli.
Müller (Joh. Adam)
Muͤntz untersucht der Groß⸗Vizir.
rare.
N.
Nacht⸗Quartier bey dem Mehemet.
Nakib Eschrel / wer er ist.
Namastir.
Nano (Stringarius de)
Nazmar - 567 -
Register.
Nazmar (Baron)
Nehm (General⸗Feld⸗Zeugmeister)
Neveu (Joseph) Edel⸗Knab.
Nicolitz (Roman)
Beschreibung.
Abzug von dar.
Nissava⸗Fluß.
dessen Ursprung.
Novihaan.
O.
Obelia.
Obrigkeit / soll keine Aergerniß geben.
von dem Seraskier.
hält öffentlich Gericht.
Ofen / Ankunft allda.
Tractament.
Beschreibung.
Officiers (Hauß⸗)
Olmasch.
Oludera.
Oresta.
Oster⸗Andacht.
-Fest wie die Grichen feyren.
Ostoraken / wer sie sind.
Oul Bascha.
P.
Page
Ttt 3 - 568 -
Register.
Page (Claudius) Ober⸗Koch.
— und Erdödi eines Stamms. |
Papier der Türken.
heben die Türken heilig auf.
Paposchen / was es sind.
Πάππαι / in der Grichischen Kirche.
Parakin.
Parascowitz (Demetrius)
Parkan.
wird ins Gefängniß geworfen
seinem Amt nachgestrebt.
wie er eingesetzt wird.
der Grichen überhaupt.
redet corrupt Latein.
Paucker.
Pensova.
Pera.
Feuers⸗Brunst daselbst.
Perfumo (Jacob) wird loß gemacht.
Pernnöber (Leopold Anton) Edel⸗Knab.
Pest grassirt zu Philippopel.
nimmt stark zu.
– – Stadt bey Ofen.
General.
Petrowitz (Johann) Sprach⸗Knab.
dessen Unwissenheit.
eines Grichischen Höflichkeit. |
Pfeiffen / deren Gebrauch heilig u. alt.
Exempel davon.
Belohnung dafür.
Pferd (Hand-)
fabelhaftes Vorgeben davon.
mit rothen Schweifen.
des Chederles / Fabel davon. |
läßt der Botschafter einkaufen.
Pfoder - 569 -
Register.
Pfoder (Franz Joseph) Edel⸗Knab.
Pforte Trajani / Beschreibung davon.
Philippopel / Beschreibung davon.
Philippovza / ein Bach.
Pichard (Johann) Ober⸗Koch.
kommen wieder zuruck.
Plum (Johann) Edel Knab.
Pompejus, dessen Säule.
Portiuncula-Fest gefeyert.
Predigt⸗Stüͤhle in den Moscheen. |
Preitenacher (Ferdinand)
Prinzen des Sultan Mustapha.
ist ein schöner Herr.
Prioli (Anton)
Pulver⸗
- 570 -
Register.
Pulver⸗Magazin zu Belgrad.
Q.
Quantiquoi.
wird wieder aufgehebt.
Quelle (gesunde) zu Belgrad.
Qulelli.
Ququevik.
R.
Raab.
Racky / so viel als Brand⸗Wein.
Ragoczi / wo er sich aufgehalten.
Raitzen / Unterschied derselbigen.
zu Grublian.
Ramazam / der Türken Fasten.
was sie davon glauben.
Rami Mehemet Bascha.
Raschna.
Ratinzo.
Ravenitz / ein Fluß.
Ratzen⸗Markt / eine Jnsul.
Rebhüner / weyerley Art derselben.
Rechimbtar Aga.
Reczep Aga / wer sie sind.
Reichard (Franz) Trompeter.
Reiger / weisse.
Reis⸗Efendi.
Reit⸗Knechte.
Rhodope / ein Berg.
Rieß (Andreas) Trompeter.
– (Wilhelm) Edel⸗Knab.
Ringer.
werden reichlich beschenkt.
einer hat nur eine Hand.
Römer/ - 571 -
Register.
Römer / diesen ahmen die Türken mit ih⸗
ren gewöhnlichen Zuruff nach.
Romanie / warum es so genennt wird.
Rosenfeld / Wachtmeister⸗Lieutenant.
Eintheilung.
darfen für sich arbeiten.
Rupert (Adam) Edel⸗Knab.
Rupora / Berg.
Rurnili / so viel als Thracien.
Russenstein (Joseph von)
gehet nach Venedig.
Russini Venetianischer Gesandter.
S.
deren Anzahl.
des Kaisers Arcadius.
einiger zu Constantinopel.
gespitzte / deren Beschreibung.
gewundene von Erz.
Muthmassungen davon.
Salankement.
Samcova.
St. Niclas.
Sangiack / was es bedeutet.
Sariar Althi.
Satyren / wer sie sind.
Sautermeister (Michael)
Scarab / so viel als Wein.
Schabschneider (Philipp) Trompeter.
Scephonie.
Scheig (Groß⸗)
Schel (Johann) stirbt.
Uuu
Scher⸗
- 572 -
Register.
Scherbeth / was es ist.
Scherftenberg (Maximilian Graf)
(Leib⸗) dessen Beschreibung.
wie solche beladen werden.
wie viel Venetianische.
Schiffbruch auf dem Canal.
schiffs⸗Flotte Türkische wie stark.
Schiff⸗Patron wird aufgehenkt.
Schmäh⸗Worte der Türken.
Schmied (Joseph) Trompeter.
Schötteler (Ferdinand Fried. Anton)
lößt einen Gefangenen aus.
Schreib⸗Federn der Türken.
Hieroglyphische.
Schuppellia / Fluß.
(Pfeil⸗)
ein künstlicher.
junge.
Schwaben - 573 -
Register.
Schwaben ziehen nach Servien.
Schwalben / Menge derselben.
Schweched.
wie hoch einer estimirt wird.
einer aus Stockholm stirbt.
welche am theuresten.
von allerhand Nationen.
einer wird loß gekaufft.
welche die schöͤnsten.
wie sie verkaufft werden.
Sclavonien.
Scutari.
Sebastida (Olaguer Graf)
reißt nach Frankreich.
Secretaire (Legations-)
des Herrn Botschafters.
Secten bey den Türken.
gehet wieder nach Wien.
See⸗Rauber listiger.
wird gehenkt.
Sekenderkoi / ein Fluß.
Seleskowitz (Anton) Sprach⸗Knab.
Selictar Aga.
Semendria.
Uuu 2
Seras⸗
- 574 -
Register.
Seraskier zu Nissa dessen Name.
was dieses Wort bedeutet.
Present an den Botschafter.
Visite bey demselbigen.
gehet nach der Säule.
Serrallien zu Adrianopel.
von Zucker formirt.
Servien / dessen Gränze.
Servier / womit sie sich nähren.
Klag über die Heyducken.
Severus, Kaiser.
Sido.
Simonthorn.
Sötting.
Sofaus / was es ist.
zu was sie dienen.
Sophia / Beschreibung dieser Stadt.
Fabel der Türken davon.
zu einer Vestung nicht unbequem.
Sophia /
Register.
deren Beschreibung.
deren Ausziehrung.
Grösse.
Soulak Baschi.
Speise der Türken / Manier dabey.
Einrichtung.
Verschwendung dabey.
gegen dem Sultan.
Sprach⸗Knaben Orientalische.
Sredoka / Fluß.
Sredoreck / ein Fluß.
Stadt⸗Garde.
Stäbe silberne der Chiaux Baschi.
Stärke eines Soldaten.
zweyer Ringer.
Stall⸗Meister (Oberster⸗)
Stall⸗Knecht.
Standart des Botschafters.
Stanimocka Fluß.
(geschnittener) rarer.
Uuu 3
Storch
Register.
Streit wegen eines Sclavens.
Stuhl⸗Weissenburg.
der Sultan.
Sturm auf dem Meer.
Su⸗Baschi.
Sugitleka.
Suha⸗Gebürg.
ist selbst im Divan zu gegen.
Name.
Geschlecht.
keiner ist seines Lebens sicher.
dessen Crönung.
Alter.
Aufzug an dem Bairam
geht auf die Jagd.
dessen Leib⸗Schiff.
dessen Installirung.
Sumantzio.
Sur⸗
- 577 -
Register
Sur⸗Emini / wer er ist.
Sweica.
Sycena.
Szluha (Franz)
T
Talisman.
Talk / zu Grublian.
Taschen⸗Spieler.
Tavarnik.
Taut Bascha.
Tchorli.
Tczantiquoi.
wie viel ihrer sind.
Teke Thioi.
Telkidgi.
Tersana.
Tesheregi Baschi.
Teutsche zwey so Türken worden.
setzen sich in Ungarn.
Tgollimar.
Theugian / was es sind.
läßt taufen.
errettet eine Sclavin.
liegt gefährlich krank.
Thuffenti.
Tiefenbach (Joseph von) Edel⸗Knab.
Timarioth.
Tisch⸗Zucht übel bestellte.
Titel / eine Stadt in Ungarn.
Todten lassen die Tüͤrken reinigen.
Tolna.
Top / was es heißt.
Topchi.
Tophana⸗
- 578 -
Register.
Topous / was es ist.
Toppolnitz / ein Bach.
bey dem Groß⸗Vizir.
Trojani Pforte.
bey den Grichen.
Tribut der Bulgarischen Bauern.
aus Asien überbracht.
Trink⸗Geschirr / artig zu gerichtet.
Trompeter.
Trunkenheit / deren Wurkung.
Tschaicken / was es ist.
Tschemetschen.
Tugend / Schlüssel zum Himmel.
der Tüͤrken ist Gleißnerey.
Tulbentar Aga.
Tunsa / ein Fluß.
Turnakgi Baschi.
Türken zeigen ihren Ehr⸗Geitz.
Türken / deren Beschaffenheit.
pflegen nichts auszubessern.
wie sie sitzen.
Geld⸗begierig.
sind nicht mehr so grausam.
scharffe Bestraffer.
sind Vollsäuffer.
Tyroler lauft zu der Botschaft.
Tzgupri Cuprußi.
U. V. - 579 -
Register.
U. V.
Ulanizer Gebürg.
Umgang bey dem Bairam.
Unhöflichkeit der Türken.
Uscudama.
Usundschova.
Valida / des Kaisers Mutter.
eine wird loß gekauft.
deren Mißbrauch.
Vestung rare.
Veterani, dessen Adel⸗Sitz.
Villawerda.
dessen Gewalt.
Voigt (Joh. Wilhelm)
Vorlaufer.
Vor⸗
Xxx - 580 -
Register.
Vrinz (Max.) Edel⸗Knab.
W.
Waitzen / eine Stadt in Ungarn.
Waldeck / Graf.
Mißbrauch desselbigen.
süsses mitten im Meer.
Weiber Türkische/ deren Kleidung.
deren Verrichtung.
Weintrinker wird gestraft.
Welt/ - 581 -
Register.
Commendant zu Comorn.
Werbnitza.
Widisch / Gebürg.
Winkler (Anton) Paucker.
Woica.
Wokerela.
Z.
Zagergi Baschi.
tractirt einige von Adel.
Zaim.
Zecha (Michael) Ober⸗Koch.
Zeckman (Daniel) Bereuter.
Zelt des Seraskiers.
des Groß⸗Vizirs.
Zerniwitzer⸗Gebürg.
Zeth.
Zichi (Graf)
Xxx
Zim⸗
- 582 -
Register.
Zopp.
Zosimus.
Zweifel (Bertram Ludwig Baron)
Zwillinge an einander gewachsene.