Historische Nachricht von der Röm. Kayserl. Groß⸗Botschafft nach Constantinopel
Noch feinde mögen ietz, noch waffen mehr erschrocken
Da Virmondts Helmen mich, und creutze thut bedecken.
Historische Nachricht
von der Röm. Kayserl.
Groß⸗Botschafft
nach
Constantinopel,
welche auf allergnädigsten Befehl
Sr. Röm. Kayserlichen und Catholischen Majestät
Carl des Sechsten/
nach glücklich vollendeten zweyjährigen Krieg,
Der Hoch⸗ und Wohlgebohrne des H. R. Reichs Graf
Damian Hugo von Virmondt /
rühmlichst verrichtet.
Worinnen ganz besondere Nachrichten von der Türken Policey, Religion,
Griechischen Antiquitäten und andern merkwürdigen anderswo vergeblich gesuchten
Sachen / zu finden; dabey vieles mit den accuratesten Kupfern erläutert ist.
Aufgesetzt von
Gerard Cornelius von den Driesch /
Sr. Excellenz Secretair und Historiographus.
Nürnberg /
zu finden bey Peter Conrad Monath. 1723.
Der
Hoch⸗ und Wohl⸗Gebohrnen
Frauen /
Frauen Maria
Elisabeth
Reichs⸗Freyin von Burscheid /
Des Reiligen Römischen Reichs verwittibter
Gräfin von Virmondt /
Meiner Gnädigsten Frauen.
Hoch⸗ und Wol⸗Gebohrne Reichs⸗Gräfin,
Gnädigste Frau Frau!
NAchdeme ich mich einmal entschlossen /
die vor mehr denn einem Jahr in La⸗
teinischer Sprach heraus gegebene
Beschreibung der Kayserl. Groß⸗
Botschafft an die Ottomannische
Pforte ins Teutsche zu übersetzen /
war es unnöthig / mich lang darauf zu besinnen/ wo⸗
hin meine Zuschrifft müste gerichtet seyn; sintema⸗
len
)( 3
- 12 -
DEDICATIO.
len sich alsobald meinen ersten Vorstellungen eine
vornehme Reichs⸗Gräͤfin praesentirte / welche an dem
Lob dieser rüͤhmlichst verrichteten Gesandtschafft kei⸗
nen geringen Theil nimmt: verstehe aber darunter nie⸗
mand anders / als Eu. Hoch Gräfl. Excellenz,
meine Gnädigste Frau / die / gleichwie Sie an un⸗
serm unvergleichlichen Helden und Staats⸗Mann
Damian Hugo / des Heil. Römischen Reichs Grafen
von Virmonde/ als Jhrem ehedessen hochschäͤtzba⸗
ren Gemahl selbsten / also auch an dessen Verrich⸗
tungen / Glück / Ruhm und Ehre den grösten An⸗
theil hat / daß derowegen Eu. Excellenz die
Zuschrifft solcher Ubersetzung von mir als eine un⸗
umgängliche Schuldigkeit billig fordern köͤnnen.
Die unvergleichlichen Thaten dieses unsers Teut⸗
schen Cyneas sind bekannter / als daß ich selbige der
Welt erst offenbahren solte / auch mehr und grösser /
als daß ich sie alle zu erzehlen und zu wiederhohlen
geschickt wäre: Ja wer sich unterstehen wolte/ de⸗
nenselbigen einen neuen Glanz beyzusetzen / wurde
eben so viel ausrichten/ als wann er Wasser in den
Strom / oder Hitze zu der Sonnen / zu tragen ge⸗
dächte: So haben mich auch schon andere dieser
- 13 -
DEDICATIO.
dieser Mühe überhoben / welche durch öffentlich heraus
gegebene Schrifften solche der Welt laͤngstens vor
Augen gelegt. Doch der letzt zu Passarowitz her⸗
gestellte Friede/ und die der ganzen Christenheit dar⸗
durch zugewachsene Vortheile/ samt denen den Erz⸗
Herzoglichen Hauß Oesterreich zugefallene König⸗
reiche und Läͤnder sind solche Dinge / um welcher
willen Ihme auch nach dem Tod nicht allein wir /
sondern die ganze Nach⸗Welt biß zu ewigen Zeiten
sich zu aller Dankbarkeit und Ruhm billich verbun⸗
den erkennen muß.
So geruhen demnach Eure Hoch⸗Gräfliche
Excellenz diese von mir aus dem Lateinischen ins
Teutsche übersetzte Türkische Reiß⸗Beschreibung ei⸗
ner Kaiserlichen Groß⸗Botschafft / welche auf solchen
vortheilhaftigen Frieden erfolget / und von dem Frie⸗
dens⸗Stiffter selbst mit seinem höͤchsten Ruhm und
Ehren geendiget worden / Euerer Hoch⸗Gräflich.
Excellenz aber aus vielfäͤltigen Ursachen allein
gebuͤhret/ in Gnaden an und aufzunehmen / als die den
Herrn Groß⸗Botschaffter / Höchstseel. Andenkens /
mit seinen klugen Anschlägen/ tief ausgesonnenen
Reden / und vornehmen Unternehmungen uns wie⸗
der
)()(
- 14 -
DEDICATIO.
derum gleichsam lebendig vorstellen. Womit zu
Eu. HochGräfl. Excellenz beständiger Wol⸗
gewogenheit mich gehorsamst recommandire/ und
mit unterthänigsten Respect verharre
Eu. Hoch⸗ und Wol⸗Gebohrnen /
Meiner Gnädigsten Frauen /
schuldigst⸗gehorsamster,
Gerard Cornelius von den Drisch.
Vorrede
An den geehrten Leser.
DJejenige / welche gegenwäͤrtige Historie zu
lesen sich gefallen lassen / belieben vor
allen Dingen sich zu versichern / daß
sie darinnen nichts finden werden / was
nicht mit der Wahrheit uͤbereinstimmet;
sintemahlen ich entweder selbst meinstens
darbey gewesen / wann sich etwas zugetragen / und
es mit Augen angesehen: oder zum wenigsten von de⸗
nenjenigen vernommen/ die durch langen Auffenthalt
in diesen Läͤndern solches aus der Erfahrung gewust.
Noch vielweniger aber wird darinnen was anzutreffen
seyn / welches nur auf blossen Muthmassungen / die /
wie es öfters geschiehet / aus andern Buͤchern heraus
gezogen sind/ oder auf des gemeinen Mannes ungegrüͤn⸗
deter Einbildung beruhet / welche letztere so unwahrschein⸗
lich / als jene verstümmelt ist: daher es dann kommt /
daß / weil mancher nur nachsagt oder schreibt / was ande⸗
re vor ihm gesagt oder geschrieben / ohne daß er seiner Mei⸗
nung einen rechten Grund hatte / so viele Unwarheiten
in der Welt herum fliegen; angesehen immer eine Falsch⸗
heit aus der andern entstehet / welche / ob sie gleich An⸗
fangs
)()( 2
- 16 -
Vorrede.
fangs nicht viel zu bedeuten scheinet / doch nach und nach
einen merklichen Zusatz bekommt / und unter dem Deck⸗
Mantel der Warheit sich so lang verstecket / biß diese end⸗
lich mit grosser Mühe herfüͤrbricht / und jener die Masque
abziehet. Und dieser Warheit / welche die Historie am
meisten zieren muß / werde ich mich sorgfäͤltig befleissigen /
im uͤbrigen aber unbekümmert bleiben / ob einige vielleicht
dieselbige nicht wol vertragen köͤnnen. Gleichwol
soll diese bey vielen so verhasste Sache nicht aller Annehm⸗
lichkeit beraubet seyn / indem die Erzehlungen fremder Sit⸗
ten / als etwas / das die meisten nicht ungerne hoͤren /
allenthalben mit eingemischt werden; und wann al⸗
so die mancherley Eigenschafften der Menschen sich dem
Leser vor Augen stellen / kan er dasjenige / was ihm
am besten duͤncket / auslesen / und sich eigen machen / das
übrige aber / als etwas unanständiges verwerffen. Dann
man muß nicht meynen / als ob einiges Volk in der Welt so
barbarisch / oder von der Erbarkeit und wol⸗anstäͤndigen
Sitten so gar entfernet wäre / noch auch das allgemeine
Verderben sie so gar unbändig gemacht haͤtte / daß sie
nicht auch noch vieles an sich haben solten / wordurch
man etwas lernen und zu seinem Vortheil anwenden koͤn⸗
te / wann wir es nur selbsten darzu gebrauchen wolten.
Sind nicht die so vielfäͤltige Reisen in fremde Laͤnder von
unsern Vorfahren darzu angestellet / und heranwachsen⸗
der - 17 -
Vorrede.
der Printzen und adelicher Jugend einiger Zweck in der⸗
gleichen Vornehmen dahin gerichtet / daß sie verschiedener
Völker Gebraͤuche und Sitten dabey erlernen / und das⸗
jenige an ihrer eigenen Person vorstellen sollen/ was sie
angemerket / daß andere beliebt und ansehnlich machet?
Dann eben daher entstehet der Nutzen von so vielfältigen
Fatiguen auf der Reise / und die Jhrigen empfangen sie
bey ihrer Zuruckkunft mit so viel groͤsserer Freude / je mehr
sie gute Sitten mit nach Hauße bringen. Kluge Reisen⸗
de sollen demnach denen Bienen nachahmen / welche nur
den Thau und das Honig aus denen Blumen samm⸗
len / nicht aber denen Spinnen / die nichts als Gifft dar⸗
aus zu ziehen wissen. Diejenige / welche eher die Laster
als Tugenden an denen Nationen gewahr werden / las⸗
sen sich gemeiniglich auch von ihnen zum Bösen verleiten /
weil man in anderer Leute Untugenden nicht geschwin⸗
der vollkommen wird/ als wann wir dieselbige mitma⸗
chen. Wann aber hier meines Thuns nicht ist / jemand
zu unterrichten / oder zu bestraffen / so wende ich mich viel⸗
mehr wiederum zu derjenigen Materie / welche ich vor⸗
habe. Man erwarte demnach keinesweges von mir /
was andere bis zum Eckel schon vor mir zu thun ge⸗
wohnt gewesen / daß sie alle Kleinigkeiten / die ein jeder
aus ihnen täglich verrichtet / und andere nichts bedeuten⸗
de Dinge aufs genauste erzehlen. Jch habe mir vorge⸗
nommen / gelehrten und verständigen Personen eine Hi⸗
storie
)()( 3
- 18 -
Vorrede.
storie zu schreiben / nicht aber dem gemeinen Pöbel / Kin⸗
dern und alten Weibern etwas vorzuplaudern / als mit
welchen Sieben⸗Sachen unsere Buchläden ohne dem biß
zum Uberfluß angefuͤllt sind. Ich werde aber daselbst
meine Erzehlung anfangen / wo ich meine Reise ange⸗
tretten. Dann ob ich schon nicht läͤugne / daß die Erzehlun⸗
gen des vorhergehenden Kriegs; die Ursache und Folge⸗
rung desselben; die Zeit / da man zum Friedens⸗Tractaten
geschritten; den Ort / die Gerechtsame und andere darzu
gehörige Sachen / nicht unfuͤglich mit angebracht werden
könnten: so habe ich doch solches allhier darum uͤbergan⸗
gen / weil noch alles davon bey jederman im frischen An⸗
denken / und uͤber dieses schon zum oͤftern gedruckt wor⸗
den ist. Anbey habe auch dafüͤr gehalten / daß es billich sey /
unsern in die Kaiserliche Residentz⸗Stadt Wien so praͤch⸗
tigen und dergleichen noch nie gesehenen Einzug dieser
Beschreibung mit beyzufüͤgen / weil es dessen Kostbar⸗
keit wol verdient / und die Verwandtschafft mit der
Haupt⸗Materie erfordert.
Noch eines / geliebter Leser! welches ich zu erst hat⸗
te melden sollen: Ich habe vor einiger Zeit das aus mei⸗
ner lateinischen Beschreibung gezogene teutsche Com⸗
pendium, so zu Augspurg edirt ist/ in die Hande be⸗
kommen / und aus dessen Vorrede so viel verstanden /
daß der Verleger desselbigen für meine Arbeit nicht ge⸗
ringen Estime bezeigt / wofür ich ihn auch verbunden;
Vorrede.
doch kommt mir dieses bedenklich vor /
wann er un⸗
ter
andern setzt / daß man dem Herrn Auctori solcher
teutschen Beschreibung das Zeugnis geben
müͤsse / wie
er sich dabey accurat, verständig und deutlich erwiesen
habe: Ich finde aber im Ansehen der Accutatesse noch
sehr vieles auszusetzen / also daß es scheinet / der Ubersetzer
müsse mich an vielen Orten nicht recht
verstanden haben /
ohnerachtet die Worte
im Lateinischen der geringsten
Schwürigkeit nicht unterworfen; und weil diejenige/
so nicht Latein verstehen / gar leicht
die daselbst vorge⸗
laufenen Fehler mir imputiren koͤnten/ wäre dieses
ei⸗
nige schon
capable gewesen / mich zu einer neuen und
accuraten
Ubersetzung zu obligiren/ damit ich nicht an⸗
derer Versehen mir
unverschuldet muͤsse aufbuͤrden las⸗
sen; damit man aber das bekannte
Sprichwort dißfalls
gegen mir nicht
gebrauchen darf /
si accusare
sufficit,
quis innocens
erit, will ich aus einer grossen Anzahl
nur ein paar Exempel zu meinem Beweiß
anfuͤhren / und
den geneigten Leser das
Urtheil anheim stellen / aus was
für
einer Quelle solche gar grobe Fehler moͤgen geflossen
seyn: Es setzt nemlich der Verfasser des
Compendii
pag.
159. wo ich von der zu des Grafen von
Oettingen
Zeiten entstandenen Feuers⸗Brunst
gedenke: so brann⸗
ten daselbst kurz vor seiner Ankunfft 1072. Haͤusser
auf einmal ab; und dieses soll eben
dasjenige heissen /
wann ich in meiner
Lateinischen Historie gesetzt:
Modi-
cum
- 20 -
Vorrede.
cum ante Oetingii
Comitis in urbem adventum do⸗
morum LXXII CIC uno
incendio deflagrarunt
: Viel⸗
leicht hat er sich nicht einbilden köͤnnen
/ daß auf einmal
so viel Haͤuser abbrennen
sollen / weswegen er auch vor⸗
her / da er die Zahl zu benennen gleichfalls noͤthig gehabt
hätte / nur gesagt / daß unglaublich viel
Häͤusser und
Palläste / nemlich im Jahr
1718. in die Asche gelegt wor⸗
den; Doch wie es heißen muß /
kan in gegenwartiger Be⸗
schreibung p. 173. nachgesehen werden. Aus einerley
Quelle schreibt sich muthmaßlich
derjenige Fehler her / wel⸗
cher bald darauf / nemlich p. 168. folgt / wo er vorgibt /
die Botschaft hätte nach dem Aufbruch von
dem Groß⸗
Vizir einen andern Weg nehmen
muͤssen / dieweil sich
eine von denen
Sultaninen / an einen gewissen Ort
begeben häͤtte / diesen Zug in verborgenen mit anzusehen.
Wann ich dieses also angesetzt / wuͤrde
ich mir haͤßlich wie⸗
dersprechen / weil ich an einem andern Ort gedacht / daß
sich keine von ihnen aus dem Serrallien
begeben duͤrfe:
es lauten aber meine
Lateinischen Worte ganz anders /
und zwar
also:
discedentes admonebamur, via
nobis
alia esse redeundum:
expectare in propinguo aliquà
Sultanum, qui videre nos desideret.
Solte es einem wol
zu verdenken seyn / wann man auf die
Gedanken käme /
das Wöͤrtlein
aliquà
habe den
Ubersetzer in den Kopf ge⸗
bracht / es muͤße durch Sultanum eine
Weibs⸗Person ver⸗
standen werden? Doch ich bekenne es selbst / das wäre gar
zu
- 21 -
Vorrede.
zu grob geschlägelt / sintemaln ja die Lineola über den
Buchstaben à und das nachfolgende qui ein anders an⸗
zeigen. Es sey nun aber wie ihm wolle / so
ist gleichwol
gewiß / daß es kein
Druck⸗Fehler / und meine Lateini⸗
sche sehr deutliche Worte auch keine
Gelegenheit zu sol⸗
chen Verfall haben geben köͤnnen. Wie nun aber aus
diesen Kleinigkeiten / wie absonderlich das letztere in An⸗
sehen der Materie /
keineswegs aber in Regard des
Grammaticalischen
Jrrthums ist / sich von dem übrigen
leicht ein Concept formiren laͤßt: also siehet man
doch
daraus / daß der Verfasser mich /
will nicht sagen die
Sprach / an vielen
Orten nicht recht verstanden / und
könnte
ich ohne Muͤhe noch wichtigere Fehler vorbringen /
wann es gegenwäͤrtig die Zeit / und der noch uͤbrige Raum
des Papiers zulassen wolte; ich will es
aber hiemit zu
meiner benoͤthigten Defension, daß man mir die daselbst
vorgelauffene Fehler nicht imputiren solle/ genug seyn las⸗
sen / und nur noch mit ein
paar Worten zeigen / daß oft⸗
gemeldter Verfasser jenes Compendii auch
nicht fidel
gehandelt / und wo er einen Ubersetzer
abgeben sollen /
vieles darzu gesetzt /
woran ich niemalen gedacht / und
seinen
Gedanken einen gar zu freyen Lauf vergöͤnnet.
Was das erste anbelanget / daß er nemlich vieles darzu
gesetzt / was mir auch nicht einmal im
Traum beyge⸗
fallen
/ so mag zum Beyspiel dienen / wann er pag. 89.
von einem Mann erzehlt / der seiner Frauen / welche in
des
)( )(
)(
- 22 -
Vorrede.
des Herrn
Botschafters Quartier ihre Zuflucht genom⸗
men / nachgelauffen / und wegen dieser
Frechheit von
den Tuͤrcken in die Eisen
geschlagen / aber doch auf sein
Verlangen
dem Herrn Botschafter ausgeliefert worden.
Gewiß! ich weiß von allen diesen
nichts / ist auch in
meiner Lateinischen
Erzehlung nicht mit einem Wort da⸗
von gedacht worden; solte er es aber von
einem andern
haben erzehlen hören / so
wäre es nöthig gewesen / wann
er
dergleichen hie und da zusammen geraftes Zeug dem
Leser communiciren wollen / den Titul
ganz anders
einzurichten / und meinen
Namen dabey zu menagiren.
Daß er aber seine Gedanken allzufrey herum spatzieren
lassen / beweiß ich daher / weil er z. E.
wo ich des Orts
Jenihaan gedacht / und
angemerckt / daß man es auch
Novihaan
nenne / er gleich die Derivation aus dem La⸗
teinischen genommen / und gemeinet,
dieses Wort seye
aus Novi und Haan
zusammen gesetzt / und müͤsse so viel
bedeuten / als das neu⸗gebaute Han/ da ich doch mit
bessern Recht dafür halte / man müsse die
Bedeutung
eines solchen Worts von der
Landes⸗ und nicht der Rö⸗
mer Sprach herfüͤhren. Doch habe ich mich in meiner
Beschreibung unbekuͤmmert gelassen / wo
das Wort
Jenihaan seinen Ursprung her hat
/ kan auch nicht ei⸗
gentlich sagen / wann es nach seiner Art Jinehan ge⸗
schrieben wird / ob man alsdenn mit der
Etymologie
vird zurecht kommen können. Er
pflegt sich aber der⸗
glei⸗
- 23 -
Vorrede.
gleichen Freyheit / welche ich ihm zwar
nicht mißgönne /
in Benennung der Wöͤrter
hin und wieder zu gebrauchen /
und Wusta
Bassa Palankese / Sarebrud / Serembe rc.
zu schreiben / wo ich mich ganz anderer Namen bedie⸗
net; allein / wann er dieses thun / und
sich für einen so
guten Kenner der
Tuͤrkischen Namen darthun wollen /
hätte
er sich / da er hin und wieder so weit von meinem
lateinischen Original abgewiechen / nicht
für einen Uber⸗
setzer desselben ausgeben sollen. Von dergleichen
Schrot und Korn ist es auch / wann er
vorgibt / die
Bulgarischen Weibs⸗Personen
müsten in dem ersten
Jahr ihres
Eh⸗Standes / das von dem Bräutigam für
sie erlegte Geld an ihrem Leib tragen / da sie es doch
freywillig thun / und für eine
sonderbahre Zierde hal⸗
ten / wann sie viel anhaͤngen köͤnnen / angesehen nach
deren Menge ihre Schoͤnheit und Stand estimiret wird.
Jedoch ich erinnere mich / daß ich mit niemand zu con⸗
trovertiren/ sondern nur mich zu defendiren /
und ande⸗
rer Leute
Fehler von mir zu decliniren habe; daß aber
welche in meine eigene Arbeit
eingeschlichen / wird
nachfolgendes
Register zeichen / so zum theil die Eilfer⸗
tigkeit des Druckers verursacht / und der
geneigte Leser
auser einigen andern hier
nicht angezeigten / nach
seiner
Höflichkeit vor Durchlesung dieses Werks
corrigiren wird;
Vorrede.
Am Blat 89. Linie 1. ließ: für und; liesen. lin. 10. ließ: Princeßin des
Kaisers rc. am Bl. 96. lin. 25. ließ: für gaben; geben. am Bl. 99. lin.
30. ließ: Donau. am Bl. 102. lin. lezt ohn eine l. der die Mühle. am
Bl. 103. lin. 13. l. diesen. am Bl. 104. lin 23. u. 24. l. Jenihaan einen.
am Bl. 105. lin. 10. l. zärter. am Bl. 112. lin. 25. l. für ziehen; nehmen.
am Bl. 124. lin. 22. l. Verschnittenen. am Bl. 129. lin. 26. l. nicht.
am Bl. 161. lin. 16. l. Jaour. lin. 19. l. Fasten. am Bl. 170 lin. 33. l. aus
ihren Landen. am Bl. 208. lin. 7. l. gegen das End. am Bl. 215. lin. 11.
l. für auch; uͤber. am Bl. 220. lin. 27. l. Ordens⸗Tracht. am Bl. 228.
lin. 20. Quarantaine. am Bl. 239. lin. 30. l. nach. am Bl. 242. lin. 15.
setz ein (,) am Bl. 290. lin. 32.l. haben alsobald. lin. 33. bleibt haben weg.
am Bl. 297. lin. 14. l. Vetter. am Bl. 304. lin. 20. l. Quarantaine am
Bl. 346. lin. 12. l. kommen. am Bl. 473. lin. 6. nochmaln.
Anbey habe dem geehrten Leser den rechten und vollständigen Ti⸗
tul desjenigen Buchs communiciren wollen, dessen der Patriarch zu
Jerusalem gedacht, als einige von den Unsrigen zu Sophia mit ihm ge⸗
sprochen (siehe p. 450.), damit diejenige, so Liebhaber von dergleichen
Nachricht sind, eigentlich wissen mögen, wovon solches handele, und
wann es zum erstenmal edirt worden, weil aus angefüͤhrten Patriar⸗
chens Worten nichts zuverlässiges hiervon kan geschlossen werden.
Es ist demnach derselbige folgendes Innhalts:
Synodus Jerosalymi⸗
tana adversus Calvinistas haereticos, orientalem Ecclesiam de DEO
rebusque divinis haeretice, ut sentiunt ipsi, sentire mentientes, pro reali
potissimum Praesentia, Anno M. DC LXXII. sub Patriarcha Jerosolymo⸗
rum Dosithaeo celebrata. Interprete Domno M. F. è Congregatione
Sancti Mauri, Ordinis Sancti Benedicti. Parisiis M. DC. LXXVIII.
Hier⸗
aus ist nun so viel zu sehen, wider wem eigentlich die Schrift gerichtet,
was darinnen tractirt wird, und daß nicht vor ungefehr 20. biß 30. son⸗
dern vielmehr vor länger als 40. Jahren dieselbe von gedachten Pa⸗
triarchen, wie aus der Vorrede des Buchs zu sehen, dem Frantzösischen
Gesandten zu Constantinopel dasselbige zugestellt, und zum Druck re⸗
commendirt, auch endlich 1676, das erstemal, wegen seiner häͤuffigen
Druckfehler aber bald darauf, nemlich 1678. noch einmal in Griechi⸗
scher und Lateinischer Sprach aufgelegt worden. So viel mag auch
hievon für diesesmal genug seyn. Der geehrte Leser lasse sich meine
Arbeit gefallen, und bleibe gewogen
Dem Auctor.
Historische Nachricht
Von der
Röm. Kaiserl. Groß⸗Botschaft
nach Constantinopel.
Erstes Buch.
Erste Abtheilung.
ALs die von Jhro Röm. Kaiserl. Majestät
angesetzte Zeit zu dem sehr prächtigen Einzug
Jhro Excellenz Grafen von Virmonds /
Kaiserl. Groß⸗Botschafters an die Otto⸗
mannische Pforte/ herbey gekommen, und
vorhero alle benöthigte Anstalten auf das sorg⸗
fältigste gemacht worden, hat der Herr Botschafter den 26.
Der Ein⸗
zug der
Kaiserl.
Groß⸗Bot⸗
schaft in
die Stadt
und nacher
Hof.
April, 1719. an einem Mitwochen solchen durch die Stadt nach
der Burg auf das prächtigste gehalten. Alles hat sich üͤber densel⸗
bigen verwundert, und wird man auch wol, so lang Wien stehet
davon reden.
Es haben die
Wol⸗Ehrwüͤrdigen Patres, Augustiner⸗Or
⸗
dens / nahe
bey Wien, in der Vorstadt, auf der Land⸗Strassen
nach Ungarn, einen Garten, wohin sich
der Herr Botschafter
in aller Frühe mit seinem gantzen
Adel, Bedienten, Edel⸗Knaben /
Knechten, Heyducken, und allen
übrigen, so diesen Einzug zieren
helfen solten, begeben; woselbst sich
auch viele Freunde und Clien
⸗
A
ten
- 28 -
2
Erstes Buch / Erste Abtheilung
/
ten von Jhm
eingefunden, bey demselbigen ihr Compliment abzu
⸗
legen, und ihre Reverenz zu bezeugen. Hierauf wurde ohngefehr
um 10. Uhr/ nachdem
einem jeden sein Platz, welchen er in dem
Zug halten muste,
angewiesen worden, zu dem voͤlligen Einzug der
Die Stadt⸗Garde
und derer
Führer.
Anfang gemacht. Den
Vorzug hatten sechzig Mann von der
Stadt⸗Garde, unter
Anführung des Herrn Stadt⸗ und Kaiserl.
Führer.
Leib⸗Garde⸗Hauptmanns, Jacob Victor von
Picky, und Herrn
Hauptmann,
Wacht⸗Meister Lieutenant von Rosenfeld, welchen
vier Leibschützen: 12.
Hautboisten, Fagotisten und Wald
⸗
hornisten, ein Pfeiffer und vier Trommelschläger aber den Fuß
⸗
Der Vor
⸗
laufer. Knechten vorgiengen. Diesen folgte ein
Vorlaufer / Christian
Kraft, dessen
wir uns nachgehends auf der Reise statt eines Quar
⸗
Die Kai
⸗
serl. Cour
⸗
riers.tier⸗Meisters bedienet haben. Hierauf kamen zwey Kaiserl. Orien
⸗
talische Courriers, Jsaac de Luna
[1],
und Johann Georg Jorkowitz,
Die Stall
⸗
Knechte.in schöͤnen rothen mit Gold bortirten
Kleidern zu Pferd. Her
⸗
nach ritte ganz allein des Herrn
Groß⸗Botschafters Stallmeister,
Johannes Brinckmann, auf einen mit silbernen Zeug
schoͤn aufge
⸗
butzten
Rappen: deme vier Reit⸗Knechte paar und paar in des
Die Hand
⸗
Pferde.
Herrn
Groß⸗Botschafters Livrée folgten. Diesen wurden zwölf
von Seiner Excellenz
eigenen Hand⸗Pferden, welche mit
roth⸗sammeten und
etlichmal mit breiten guͤldenen Borten ver
⸗
bremmten
Decken aufs kostbarste gezieret waren, von eben so viel
Die Trom
⸗
peter und
Paucker.Reit⸗Knechten nachgeführet. Alsdann kamen acht Trompeter
Paucker, und ein
Paucker zu Pferd, deren Namen sind: Jacob Jaroch,
Franz Reichard, Joseph
Schmied, Andreas Rieß, Albrecht und
Augustin Sesler, Gebrüdere; Franz
Sondermar, Philipp Schab
⸗
schneider,
Anton Winkler, deren silberne Trompeten mit silbernen
und güldenen Quasten
gezieret, die Paucken aber gleichfalls von
Silber und mit einer
sehr reich von Gold und Silber gestickten Pau
⸗
cken Fahne behenkt waren, auf welcher letztern der Kaiserl. Adler, in
dessen Mitte aber das
Oesterreichische Ertz⸗Hertzogliche Wap
⸗
pen von Gold und Silber gestickt zu sehen gewesen. Alle erst erzehlte
Personen waren in roth⸗mit Gold und
Silber verbraͤmten gefluͤgel
⸗
ten Röcken,
gelb⸗sammeten mit Silber starck verbortirten Fut
⸗
ter⸗Hemdern, und weisen Federn auf den Huͤten, gekleidet.
Die Haus⸗
Officiers.Bald darauf zeigte sich der Hof⸗Meister, Johann Michael
Kern, mit noch funfzehen andern des Herrn Groß⸗Botschafters
Hauß⸗
- 29 -
3
Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
Hauß⸗Officiern, je drey und drey zu Pferd, in roth-ganz mit Gold
besetzter Kleidung; es sind aber selbige gewesen: Franz Jacob Zaun,
Paul Michael Zwenhof, beiderseits Cammer⸗Diener; Jgnatz A⸗
dam Mayer, Johann Gottlieb Haueisen, zwey Speiß⸗Meister;
Johann Baptist Cervi, Zuckerbecker; Johann Georg Wolfa⸗
rum, Kuchelmeister; Niclas Frankenberg, Apothecker: Anton
Morelli, Feldscheerer; Johann Semler und Joseph Ernst Schmied,
zwey Mahler; Bertrand Dierna, Canzelist; Swibert Holzbauer,
Capell⸗Meister; Johann Bernhard Meyer, Adam Meyers Bru⸗
der / Johann Henrich Heckmann / Gerhard Cornel von den Driesch,
des Herrn Groß⸗Botschafters Secretarien: hierzu kom⸗
men noch die zwey Leib⸗Aertzte Hr. Andreas Dorscheus, und Daniel
Lambert von Hulin, wovon der erste diesen Einzug zwar nicht mit
beygewohnet, weil er aber nachgehends bey allen andern Ein⸗ und
Auszügen diesen Platz bekleidet, haben wir seiner nirgend füͤglicher
als hier gedenken koͤnnen. Denen jetztgedachten folgten in reicher
teutscher Kleidung, von unterschiedenen Farben, sechs neu⸗ ange⸗
nommene und drey alte in Tuͤrckischer Tracht gekleidete Kaiserl.
Sprach⸗Knaben, davon die ersten sechse heisen: Johann Latour, Die Orien⸗
talische
Sprach⸗Knaben.
Ludwig Toutsaint, Anton Seleskowitz, Franz Joseph Meyer,
Carl Ludwig Momartz, Heinrich Christoph Penkler; die drey letz⸗
tern aber: Carl Momartz, des vorigen Bruderl, Johann Petro⸗
witz, und Johann Götz. Zu diesen stoßten diejenige, welche der Die Can⸗
zellisten
und übrige
vom Hof⸗Kriegs⸗Rath.
Hof⸗Kriegs⸗Rath zu des Herrn Botschafters Diensten mitgeschi⸗
cket hat, als: Urban Holtzbauer, Uhrmacher; Ferdinand Eurich,
Franz Xavier Kemmeter, Johann Christoph Kastner, Canzelisten;
Hermann Paul Cramer, Cassirer; ingleichen die zwey Kaiserl.
Die Doll⸗
metsch.Dolmetschen der Orientalischen Sprachen: Johann Henrich Vor⸗
ner von Sonnenhold, dies Orts anwesender Aeltere zur rechten,
und der erst neulich darzu erwehlte Johann Godschalk, zur linken,
auf Türckisch gezierten Pferden, zwischen ihren auf Tüͤrckisch ge⸗
kleideten Dienern zu Fuß: zu welchen beiden zu Belgrad noch der
dritte, Namens Niclas Theyls, angenommen worden, der vor
diesem den Holländern in dergleichen Verrichtung lang gedienet,
und derowegen zu vermuthen war, er muͤsse eine grosse Erkäͤnntnis
in den Tuͤrckischen Affairen erlangt haben. Nicht lang hernach
⸗
Der Hof⸗Marschalk.præsentirte sich der Hof⸗Marschalk, Herr Carl Ludwig, Baron
von
A 2
- 30 -
Erstes Buch / Erste Abtheilung.
4
von Seebach, Obrist⸗Wachtmeister unter dem Graf Virmondti⸗
schen Regiment, und zwar ganz allein zu Pferd, in einem überaus
reich mit Gold verbräͤmten rothen Kleid, dessen zwey eigene Die⸗
Die La⸗
quayen der
Edelleute. ner neben dem Pferd hergiengen. Nechst diesem erschienen der
Edelleute Laquayen zu Fuß, je drey und drey neben einander, alle
in gelben Futter⸗Hemden / und rothen reich bordirten Röcken ge⸗
Die Edel⸗
leute.kleidet; und hierauf der zweyte Adel selbst, wiederum drey und
drey, nemlich die Herrn: Ferdinand von Schopen, Anton
Joseph von Weipler, Anton Jgnatz Jmhof von Schillsberg und
Schwambach, Jacob Mattoni / Ferdinand Steger, Ferdinand
Preitenacher von Preitenau, Theodor Managetta von Lerchen⸗
au, Michael Sautermeister, Johann Ludwig Camber, Philipp
Wilhelm Franken, Franz Christoph Joseph von Demerath, Her⸗
mann Adolph Aussem, Christian Philipp Freyherr von Glimberg,
Adam Friederich Freyherr von Studenitz, und Adam Dominicus
Freyherr Locherer von Lindenheim.
Diese Zahl wurde erstlich zu Wien noch vermehret durch Abel
von Wettstein, zu Preßburg aber von Franz Anton Freyherrn von
Schmiddegg, und letztlich zu Grichisch⸗Weisenburg von Otho
Friederich von Obschelwitz / Kaiserl. Ingenieur-Hauptmann, alle
in den kostbarsten Kleidern und reichsten Pferd⸗Zeug. Der Mit⸗
lere in der ersten Linie füͤhrte an einem roth⸗sammeten und mit Gold
Die Fahn
und der
Fähndrich
der Edel⸗
leute.rings um besetzten Pandalier eine roth⸗seidene und von Gold be⸗
schwehrte Standart, so auf der einen Seiten des Hn. Groß⸗Bot⸗
schafters Stamm⸗Wappen præsentirte, auf der andern aber war
eine durch die Wolken herfuͤrbrechende Sonne zu sehen, und in der
Luft zeigten sich zwey in einander geschlossene Hände, unter wel⸗
chen ein Lorbeer⸗Cranz gemahlt war, welcher auf der Welt⸗Kugel
ruhete, mit dieser Beyschrifft: Mutuis officiis, durch wechsels⸗
weise Freundschaft; davon die Bedeutung unschwehr zu erra⸗
then, als welche um des gemeinen Volkes willen in so leichten Wor⸗
ten verfasset war, und anzeigte, daß, gleichwie die Sonne nach
vertriebenen Wolken klärer herfür scheinet, und denen untern Ge⸗
schöpfen ihren Einfluß kräftiger mittheilet: also auch nicht zu zwei⸗
feln sey, es werde nach beygelegter Kriegs⸗Unruhe die nunmehro
glänzende Friedens⸗Sonne denen Menschen bessere Zeiten verschaf⸗
fen, und die Gemüther der beiden Kaisere dermassen vereinigen,
daß
- 31 -
5
Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
daß Sie anjetzo mit noch einmal so fester Freundschaft einander zu⸗
gethan seyn werden, als sie vorhero in Feindschaft wider einander
gestanden, woraus dann nicht geringer Nutzen so wol füͤr ihre eige⸗
ne Person, als auch für ihre Länder zu hoffen stehet.
Aber wiederum auf die Haupt⸗Sache zu kommen, so praesenDer Secre⸗
tair von der
Botschaft.
⸗
tiret sich auf das neue Hr. Joseph von Dierling, des Heil. Röm.
Reichs Ritter, und dermaln Legations-Secretair, auf einen schön
gezierten und wol gewachsenen Pferd / in einem roth⸗weislecht mit
Gold reich gesticktem Kleid. Dieser trug, nachdem der Herr Groß⸗
Botschafter von Jhro Röm. Kaiserl. Majestät die Ab⸗
schieds⸗Audienz genommen, und gnädigst entlassen worden, oͤffent⸗
lich in der rechten Hand Jhro Majestät Credenz⸗Schreiben in
einem weiß gewöͤlkten mit Gold schoͤn ausgestickten Umschlag, so wol
da wir zu Jhro Majestät der regierenden Kaiserin / und
beiden verwittibten Kaiserl. Höfen / als zu letzt durch die Stadt
zuruck kehrten. Gleich auf selbigem folgte die Geistlichkeit, oder die Die Geist⸗
lichkeit.
Ehrwürdigen Väter, und Hr. Joseph Lovina, aus der Gesell⸗
schaft Jesu; Robert Leeb, aus der Abtey vom H. Creutz im Wie⸗
nerwald; Johann Adam Müller, aus dem Stift Borken in West⸗
phalen; und Stringarius de Nano, welche alle Geistliche bey der
Gesandtschaft waren; ingleichen der Hochwürdigste, Hoch⸗ und
Wolgebohrne Graf Ernst von Schrattenbach / Benedictiner Or⸗
dens⸗Abt zu Domben, Prälat bey der Gesandtschaft, und Seiner
Eminenz des Hn. Cardinal⸗Priesters Hanibal Graf von Schrat⸗
tenbach, wie auch Bischoffen zu Olmütz Herr Bruder, und Seiner
Ertz⸗Bischöflichen Gnaden von Salzburg Franz Anton Grafen
von Harrach geheimder Rath: jene zierte die geistliche Eingezogen⸗
heit besser, als Sammet und Purpur: der Herr Prälat aber liesse sich
anbey in einem seidenen vielfaͤrbigen Kleid, und langen Mantel mit ei⸗
nem auf der Brust herab hangenden kostbaren Creutz, und grüner
seidener Schnur auf dem Hut sehen. Zu Grichisch⸗Weißenburg
kam noch ein anderer Priester aus der Gesellschaft Jesu darzu, mit
Namen Miroslawitz; und schon zu Wien fanden sich noch zwey
andere ein, die zwar nicht bey dem Einritt, jedoch aber bey dem
Kaiserl. allergnädigsten Hand⸗Kuß gewesen, aus dem Orden der
PP. Trinitarier, nemlich Josephus a Jesu Maria, und Andreas a S.
Ger⸗
A 3
- 32 -
Erstes Buch / Erste Abtheilung /
6
Gertrude, denen ein Lay⸗Bruder, Dionysius, mit gegeben wurde,
welcher ihnen auf der Reise Handreichung thun solte. Nebst die⸗
sen war auch ein Armenianischer Priester aus der Grichischen Kir⸗
che zugegen, samt noch einem andern aus dem Orden des H. Fran⸗
cisci, welcher Capistranus geheissen, und aus Päbstlichen Befehl
forthin sich als Missionarius in Orient um der daselbst befindlichen
Catholischen willen aufhalten wird.
Die La⸗
quayen des
ersten Adels Nach diesen nun kamen 13. Laquayen des Adels vom ersten
Rang je drey und drey zum Vorschein, welche an Kostbarkeit der
Livrée die von dem zweyten Rang uͤbertroffen. Kurz hierauf folg⸗
ten die Herrn Cavaliers selbsten, deren einer Jhro Röͤm. Kai⸗
serl. und Cathol. Majestät würklicher Cammer⸗Herr, die
andern aber unterschiedliche vornehme Ordens⸗Ritter, Obrist⸗Lieu⸗
tenants, Rittmeistere, Hauptleute, und alle von Haus aus gebohr⸗
ne Grafen und Freyherrn aus denen vornehmsten und aͤltisten Ge⸗
schlechten waren. Es sind aber solche gewesen: Graf Olaguer Se⸗
bastida, Graf Franz Bertram Arnold von Neßelrode und Rei⸗
chenstein, Emanuel Graf von Kollovrath, Freyherr Otto von
Rhomberg, Bertram Ludwig Freyherr von Zweifel, Georg Jo⸗
hann Raban Gottlob Freyherr von Hörte, Philipp Joseph Jo⸗
hann Leopold Graf von Königl, Michael Victor Graf von Bielins⸗
ki, Maximilian Graf von Scherffenberg, Michael Graf von
Thierheim, Michael Emanuel Graf von Althan, Carl Graf von
Bathyani, und Johann Marggraf von Besora. Diesen fügte sich
noch vor unserer Abreiß aus Ungarn bey Graf Norbert von Kollo⸗
Die Fahn
und der
Fähndrich
des ersten
Adels. vrath, obgedachten Emanuels Hr. Bruder. Absonderlich machten
des H. Röm. Reichs Graf Franz Bertram Arnold von Neßel⸗
rode und Reichenstein, einem nahen Anverwandten des Hn. Groß⸗
Botschafters / welcher der mittelste in der ersten Ordnung gewe⸗
sen, seine holdselige Gebehrden, und die Jhm und Seinem Ge⸗
schlecht angebohrne Annehmlichkeit und edelste Sitten nicht weniger
Ansehen, als seine kostbahre vom rothen Tuch mit Gold gestickte
Kleidung. Das Pferd, worauf er gesessen, ware schwarz⸗braun⸗
lecht, muthig, und reich aufgebutzt; uber die linke Schulter hienge
Jhm ein von weisem Sammet mit Gold reich gestickter und rings
mit schwehren guldenen Franzen besetzter Bandelier: auf dem Kopf
hatte
- 33 -
Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
7
hatte Er eine ganz weise Parucke und einen mit Gold reich besetzten
Feder⸗Hut; in der rechten fuͤhrte Er ein auf weisen Atlas mit Gold
und Silber / wie auch allerhand lebhaften Farben gestickte und mit
guldenen Quasten behenkte Reuter⸗Fahne, so auf einer Seite die un⸗
befleckte Empfangnis der allerreinesten Jungfrau und Mutter GOt⸗
tes, auf der andern aber das Erz⸗Herzogliche Stamm⸗Wap⸗
pen deren Oesterreichischen Kaisere mit einem weisen Balken in
einem rothen Feld vorstellte: Die Beyschrifft war aus dem hohen
Lied genommen: Et macula non est in te, zu teutsch: und kein
Mackel ist in dir. Der uͤbrigen Kleidung war nach eines jeden
Gefallen eingerichtet, und einige davon mit Gold oder Silber ge⸗
stickt, andere mit Spanisch⸗oder Französischen Borten aufs reich⸗
ste besetzt, denen die kostbarsten Pferde mit ihren fuͤrtreflichen
Schmuck noch ein schoͤneres Ansehen gegeben. Bald darauf folgten Des Groß⸗
Botschaf⸗
ters La⸗
quayen.
des Hn. Groß⸗Botschafters eigene Laquayen, welche an der Zahl
dreisig ausmachten, und zu Fuß in ihren gelben mit Silber ausge⸗
machten Futter⸗Hemdern, rothen mit guldenen Borten besetzten
Röcken, weisen Federn auf den Hüten und Haar⸗Beuteln verse⸗
hen einher tratten.
Endlich sahe man auf einem hohen und stolz⸗trabenden Pferd Der Groß⸗Botschaf⸗
ter.
Jhro Excellenz den Herrn Groß⸗Botschafter selbst in eigener
Person herankommen. An Kostbarkeit der Kleidung und uͤbrigen
Schmuck übertraf er die andern alle. Ein Spanisches Mantel⸗
Kleid, welches auf neue Art und von dem reichsten guldenen Zeug
verfertiget war, aus welchem mehrerer Annehmlichkeit halber zwi⸗
schen dem Gold die hohe rothe Feuerfarb ein wenig hervorblickte,
und mit mehr den Hand⸗breit silbernen Spitzen rings herum Falten
weis belegt war / zierete seinen Leib. Der Mantel, von gleichem
Zeug und auf gleiche Weise behenkt, ware inwendig mit Purpur⸗
Seiten belegt; der Umschlag aber mit gleich reichen und breiten
Spitzen besetzt. Auf seinem Haupt stutzte ein in grader Hoͤhe stehen⸗
der grosser weiser Feder⸗Busch, dessen Spitzen roth gefaͤrbt, er selbst
aber von einer sehr kostbarn Diamantenen Schlinge zusammen ge⸗
halten wurde. Das Pferd, welchem an Muth, Ansehen und Kunst
ohne dem keines gleich, machten die guldene mit schwehren Crepinen
gezierte Decken oder Waldrappen, die Trensen, Mähn⸗Flecht und
Schnal⸗
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8
Erstes Buch / Erste Abtheilung /
Schnallen von gleicher Kostbarkeit, noch eine bessere Parade. Es
liesse sich führen, regieren, und wenden, wie es seinem vornehmen
Bereiter beliebte. Bald machte es niedrige, bald hohe Sprünge, wie
es das Schul⸗Recht mit sich brachte, und stolzierte mit seinem Herrn so
gravitätisch daher, gleich als ob es wüste, weme es zu tragen die Ehre
hätte. Neben dem Steigbügel gingen linker Hand zu Fuß der Hr.
Der Berei⸗
ter.Bereiter Daniel Zeckmann, Fähndrich unter dem Virmondtischen
Regiment, in Gold verbräͤmter Kleidung, hinter ihm zwey wol auf⸗
gebutzte dem Hn. Botschafter zugehörige Stall⸗Knechte, deren ei⸗
ner eine roth⸗sammete mit goldenen Borten besetzte Pferd⸗Decke auf
Die Hey⸗
ducken.der Achsel nach trug. An statt der Trabanten gingen zu beiden
Seiten zwölf grose auserlesene Heyducken, welche mit einem bis auf
die Hüfte kurz⸗gelben Wammes, und langen rothen mit Silber aus⸗
gemachten Mantel bekleidet waren, deren Kostbarkeit die von Sil⸗
ber gegossene Knoͤpfe und Blatten, wie auch die mit des Herrn Bot⸗
schafters Wappen gezeichnete Taschen, mit Silber beschlagene
Wehrgehenk, Schwerdter⸗Hefte und Scheiden verdoppelten; wo⸗
bey sie in der Hand einen silbernen Pusikan oder Streit⸗Kolben mit
einem schwehren Knopf führten. Auf dem Kopf trugen sie roth⸗
sammete Hauben mit Silber umfasset, denen die weiß und schwarz
vermischte in die Hoͤhe stehende Straussen⸗Federn noch ein besseres
Ansehen gaben.
Zu nechst hinter dem Herrn Botschafter riete der Ober⸗
Der Ober⸗
Stallmei⸗
ster.Stall⸗Meister Sixtus Anton Ostmann, Freyherr von Leyh in ei⸗
nem Silber⸗reichen Kleid. Auf diesen folgten unmittelbar 14. Edel⸗
Die Edel⸗Knaben. Knaben / deren Ober⸗Röcke von Scharlach mit Gold⸗durchbroche⸗
nen Borten reichlich besetzt, die Unter⸗Kleider aber von Silber⸗
Stücken mit seidenen Blumen waren: auf den Huten spielten weise
mit Gold gezierte Federn / und führten roth⸗sammete stark mit Gold
verbrämte Pferdes⸗Decken. Jhre Namen sind folgende: Leopold
Anton Pernöber, Johann Baptist Kempf, Johann Plum, Wil⸗
helm Rieß, Christoph Kimling, Franz Joseph Pfoder, Adam Ru⸗
pert, Caspar Drit, Franz Alexander Holz⸗Bauer, Johann Fer⸗
dinand Altmann, Max. Vrinz, Joseph Neveu, Joseph Freyherr
Die Leib⸗
wacht.von Tiefenbach, und Joseph Freyherr von Rueßenstein. Dann
zeigte sich des Herrn Groß⸗Botschafters Leib⸗Wacht, welche aus
dreisig Granadierern bestunde, in gleicher Ordnung und einerley
Klei⸗
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Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
9
Kleidung, die von zweyen Rottmeistern oder Corporaln und einem Die Offi⸗
ciers der
Leib⸗
wacht.
Feldwaibel geführet, und von Hn. Carl Joseph von Melzern / vor⸗
maln gewesenen Obrist Wachtmeistern, commandiret wurde, unter
welchem Herr Friederich Anton Schötteler als Fähndrich stunde.
Jhre Kleider waren von Scharlach, und mit Silber praͤchtig aus⸗
gemacht; über die Schultern hinge eine schwehre silberne Schnur
herab, der Guͤrtel war von gleichem Werth und Gattung, die La⸗
dungs⸗Tasche zum Pulver und Bley schoͤn von Silber gestickt, das
Degen⸗Gehang von gelben Sammet und gleicher Kostbarkeit: auf
dem Kopf sasse eine rare von Bären⸗Peltz zugerichtete Haube, wor⸗
an sich vorne ein üͤbersilberter Adler zeigte, von hinten aber der
schöne lange Schweif herunter hinge. An der Seiten hatte ein je⸗
der seinen Degen, in der rechten Hand aber entweder die Fahnen⸗
Spitze, oder eine scharf geladene Flinte mit aufgeflanztem kurzen
Seiten⸗Gewehr; in welcher Positur auch alle Unter⸗Officiers un⸗
ter ihnen zu sehen waren. Vorher gingen zwey Hautboisten, zwey Die Musi⸗
canten der
Leibwacht.
Fagotisten, und zwey Waldhornisten, ein Pfeiffer und Trommel⸗
schläger mit einer messingen Trommel: diese alle waren mit schoͤnen
neuen Kleidern, von rothen und gelben Tuch, mit Gold und Sil⸗
ber verbrämt, mundirt, und mit schwarz⸗ und gelben Federn auf den
Hüten versehen: der uͤbrigen Granadiere Schilde bestunden aus
Massiv⸗Silber, worzu noch die Patron⸗Taschen mit silbernen Bor⸗
ten reichlich besetzt gewesen. Die vorgetragene Fahne zeigte zu beiDeren
Fahne.
⸗
den Seiten im Obern⸗Theil die unzertheilte H. Dreyfaltigkeit /
im unteren einen doppelten Adler mit den gluͤckseeligsten Anfangs⸗
Buchstaben des Glorwuͤrdigsten Namens Seiner Römisch⸗
Kaiserl. und Königl. Majestät / C. VI. bemerket. Der
Mannschaft, die gewiß die auserlesenste ware, hatten die borsteten
Hauben, so ihren Kopf bedeckte, ein noch heroischeres Ansehen ge⸗
macht. Weiter kamen acht ausbüͤndig geschmuckte Maul⸗Thiere, Die Maul⸗Thiere.
welche mit schönen Reiger⸗Federn aufgebutzt, und mit roth⸗samme⸗
ten mit Gold verbortirten Decken, gleich den Hand⸗Pferden, belegt
waren; am Hals hiengen ihnen an einer aus Gold und Seiden ge⸗
würkten Schnur und Quasten verguldete Gloͤcklein, anbey waren
sie mit roth⸗sammeten, von Gold gestickten Maul⸗Köͤrben versehen.
Dieser Aufbutz hat denen sonst niedertraͤchtigen Thieren gleichsam
B
einen
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10
Erstes Buch / Erste Abtheilung /
einen neuen Geist und Muth mitgetheilet, welches sie mit ihren stol⸗
zen und hochtrabenden Gang gar merklich angezeiget. Sie wur⸗
den von dreyen darzu gehörigen Knechten gefuͤhret, deren schoͤne
Livrée mit dem obbeschriebnen uͤbereinkame; der erste aber von ih⸗
Der Fal⸗
ken⸗Mei⸗
ster.nen ist auf einen absonderlichen Maul⸗Thier voran geritten. Zu
letzt kam noch ein Falken⸗Meister, Jacob Brooms, zu Pferd, auf
Jäger⸗Art angekleidet / mit einem Hirsch⸗Fänger an der Seite, und
einer grün⸗sammeten mit goldenen Borten besetzten Falkner⸗Taschen;
Die Ober⸗Köche. deme noch vier Ober⸗oder Meister Köche Claudius Page, Michael
Zecha, Christian Groß⸗Mejer, und Johann Pichard in der Ord⸗
Stadt⸗Garde. nung folgten. Den völligen Aufzug aber beschlossen abermal unter
An⸗ und Aufführung des Hn. Stadt⸗Garde⸗Lieutenants, Martin
Minkowitz / 40 Fuß⸗Knechte von der hiesigen Stadt⸗Militz.
Nun in dieser Ordnung, wie sie von mir jetzt beschrieben wor⸗
Der Zug
nach der
Burg.den, sind wir aus oben bemeldten Garten zum Stuben⸗Thor hin⸗
ein, um den Bischofs⸗Hof über den Graben und Kohlmark die Mi⸗
chaeler Kirchen vorbey zwischen der Reichs⸗Canzley, dem Dietrich⸗
steinischen Haus und Minoriten⸗Closter durch das nechst daran
stossende offene Thor auf den Burg⸗Platz unter Trompeten⸗ und Pau⸗
cken⸗Schall auch übrigen klingenden Spiel, mit fliegenden Fahnen und
erhöheten Standarten eingeritten, wobey uns jederzeit eine unbe⸗
schreibliche Menge Volkes begleitete / welche so wol die Weege der
Vorstadt, als auch alle Gassen und Ringmauern der Stadt, ja so
gar die Fenster in den Haͤußern eingenommen und angefuͤllt, so daß
es nicht anders ließ, als wann alle Einwohner vors Thor hinaus ge⸗
lauffen / an statt ihrer aber anders woher Leute bey tausenden in die
Stadt gebracht worden wären.
Ankunft
auf den
Burg⸗Platz. Bey Anlangung auf den grossen Burg⸗Platz stellte der Mar⸗
schalk die, so in der Livrée waren, in schöͤnste Ordnung, die uͤbrige
aber ritten fast bis zu der Brücken der innern Burg, stiegen daselbst
ab, und begleiteten so dann den Hn. Groß⸗Botschafter / der nun
allein ritte, zu Fuß über besagte Brücke in die innere Burg, allwo
derselbige gleichfalls abstieg, und mit Vorhergehung aller Vorbe⸗
nannten die grosse Stiegen hinauf gieng, da immittelst die Ubrigen
von dem Gefolg in der von dem Marschalk gestellten Ordnung bis
zu des Herrn Groß⸗Botschafters Zuruckkunft auf dem grosen
Burg⸗Platz stehend geblieben, und die ganze Zeit hindurch mit der
im
- 37 -
Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
11
im Gewehr stehenden Stadt⸗Militz ihre Musicanten sich tapfer höͤren
lassen. Jm Hinauf und Vorbeygehen der Trabanten und Hatschie⸗
ren, welche beiderseits im Gewehr stunden, wurde der Herr Groß⸗
Botschafter von allen den Seinigen bis an die Ritter⸗Stuben, wo
die Pagen, Haus Bedienten, und üͤbrige Canzley⸗Verwandte bis
zu Seiner Ruckkehr auf Jhn warteten, von den Edelleuten aber
bis in die erste Anti-Chambre, in welchem selbige gleichfalls stehend
geblieben, und von dem ersten Adel bis in die zweyte Anti-Chambre
begleitet. Daselbst ist der Herr Groß⸗Botschafter von Einfüh⸗
rung zur
Audienz.
Jhro Röm. Kaiserl. und Cathol. Majestät würklich
geheimen Rath / Obrist⸗Cammerern und Rittern des gul⸗
denen Vlieses / Hn. Rudolph Sigismund / des Heil. Rom.
Reichs Erb⸗Schatz⸗Meister / Grafen von Sinzendorf /
empfangen, bald auch hernach bey Sr. Kaiserl. Majestät
durch denselbigen angemeldet, auch auf so gleich allergnädigst ertheilte
Bewilligung in die Raths⸗Stuben zur Audienz eingeführt worden;
daselbst von Seiner Kaiserl. Majestät der Hr. Groß⸗Bot⸗
schafter das an den Groß⸗Sultan gestellte Creditiv-Schrei⸗
ben, welches auf weiß Pergament mit guldenen Buchstaben ge⸗
schrieben, und von der Kaiserl. geheimen Hof⸗Kriegs⸗Canzley ge⸗
wöhnlicher massen ausgefertiget war, eigenhaͤndig empfangen, und
von Seiner Röm. Kaiserl. und Catholischen Majestät
sich beurlaubet, so dann bey dem verstatteten Kaiserl. Hand⸗Kuß
die allerhöchste Gnade sich ausgebetten, daß Seine Kaiserl.
Majestät allergnädigst geruhen moͤgte, dem ersten und zweyten
Adel, wie auch übrigen Vornehmern seines Gefolgs den Kaiserl.
Hand⸗Kuß gleichfalls zu verstatten, welches auch Jhro Kaiserl.
Majestät allergnädigst verwilliget: worauf vor Se. Kaiserl.
Majestät welche in einem schwarzen Mantel⸗Kleid vor einem
mit einem roth-sammeten Teppich bedeckten Tisch gestanden, alle
nach der Ordnung zum Hand⸗Kuß gelassen worden. Jndem aber
dieses vorging, stunde zu Jhro Kaiserl. Majestät linker Hand
der Herr Groß⸗Botschafter / welcher bisweilen mit dem Finger
andeutete, was für ein Amt ein jeglicher bey der Botschaft verwaltete.
Von
B 2
- 38 -
12
Erstes Buch / Erste Abtheilung /
Von Seiner Römisch⸗Kaiserl. Majestät begab sich
der Hr. Groß⸗Botschafter mit seinem Gefolg zu Jhro Ma⸗
jestät / der regierenden Römischen Kaiserin Elisabetha
Christina: von dar zu der Kaiserl. Frau Mutter / der ver⸗
wittibten Römischen Kaiserin Eleonora Magdalena, wie
auch zu der gleichfalls verwittibten Römischen Kaiserin Ama⸗
lia Wilhelmina / weiland Sr. Majestät / Kaiser Josephs /
Glorwürdigsten Andenkens / hinterlassene Kaiserl. Frau Ge⸗
mahlin; folgends zu der regierenden Kaiserl. Majestäten
Durchlauchtigsten Erz⸗Herzoginnen Maria Theresia /
und Maria Anna / so fort auch zu denen weyland Kaiserl.
Majestäten Joseph und Leopold Glorwürdigster Gedächt⸗
nis hinterlassenen Durchläuchtigsten Erz⸗Herzoginnen / Ma⸗
ria Josepha, Seiner Durchlaucht des Chur⸗Prinzens
von Sachsen nunmehro Durchlauchtigsten Gemahlin, und
Maria Amalia / des Chur⸗Prinzen aus Bayern gleichfalls
Durchlauchtigsten Gemahlin / wie auch Maria Elisabeth
und Maria Magdalena / um von Jhnen ebener massen die Ur⸗
laubs⸗Audienz zu nehmen. Zu denen verwittibten Roͤmischen
Kaiserinnen / und vier letzt gedachten Erz⸗Herzoginnen sind
wir durch deren Obrist⸗Hof⸗Meistere und Kaiserl. Geheime
Räthe und Cammerer die Hochgebohrne Herren Joseph
Folk des H. R. Reichs Fürst von Cardona, Max. Guidobald
des H. R. Reichs Graf von Martinitz / Joseph Jgnatz
des H. R. Reichs Graf von Paar / Gundacker Poppo des
H. R. Reichs Graf von Dietrichstein / Gotthard Helfried
des H. R. Reichs Graf von Weltz / zu denen zwey erst ge⸗
nannten Erz⸗Herzoginnen aber von deren Frau Aya Anna
Dorothea des Heil. Röm. Reichs verwittibter Gräfin
von Thurn und Valsaßina / gebohrnen Gräfin Ratuit
von Suches, welche auch im Namen Jhrer Durchlauchten
wegen deren noch zartesten Alters bey dem Hand⸗Kuß die Abschieds⸗
Complimenten empfangen, und beantwortet. So sind auch von der
regierend⸗ und denen verwittibten Kaiserinnen allergnädigst,
und
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Von des Hn. Groß⸗Botschafters Einzug in Wien.
13
und von sämtlichen Durchlauchtigsten Erz⸗Herzoginnen / in Ge⸗
genwart allerseits Hof⸗Damen gnädigst zum Hand⸗Kuß gelassen
worden nicht nur der Kaiserl. Herr Groß⸗Botschafter bey der
gehabten Audienz, sondern auch dessen Cavaliers, Edelleute, in⸗
gleichen die Hauß⸗Officier und übrige andern alle.
Indeme wir nun so beehrt und begluͤckt entlassen worden, hat
ein jeder wider seine vorige Stelle eingenommen, und sich üͤber die
Brücke bey der Schweitzer⸗Wache nach seinem Pferd begeben, wel⸗
che durch das lange Ausruhen noch muthiger worden: der Herr
Groß⸗Botschafter aber hielte so lang auf der Brucken auser der
Schweitzer Wacht, und sahe seine Suite vorbey gehen, bis die Hey⸗
ducken eintrafen, da dann Derselbige in seinen vorigen Platz sich ver⸗
fügte, und in derselbigen Ordnung unter Trompeten⸗ und Paucken⸗
Schall und klingenden Spiel fort ritte; wobey Er das allerhöch⸗
ste Glück gehabt, dem gröͤsten Monarchen auf Erden zum
zweytenmal das angenehmste Spectacul zu machen; wie dieser
Monarch dann Sein allergnädigstes Belieben an Seines MiniDes Kai⸗
sers Ver⸗
gnügen.
⸗
sters und Botschafters Aufzug gar merklich bezeiget, da Er
Sich allergnädigst gefallen lassen, von der Tafel aufzustehen, und
mit Seiner Kaiserl. Gemahlin zum zweytenmal zuzuschauen:
hat Sich auch in vieler Gegenwart ausdruͤcklich allergnädigst ver⸗
nehmen lassen, wie Er heute in allen, und mehr als Er gehoffet,
vergnügt worden.
Anjetzo halte ich unnoͤthig zu seyn in der Beschreibung des Ruck⸗
wegs mich aufzuhalten, angesehen solcher mit dem Anzug vollig uͤber⸗
einkommt, auser daß wir dabey einige Oerter vorbey marchiret, wel⸗
che wir anfangs nicht beruͤhret, und also den Weg etwas anders,
als zu erst, ausgetheilet; sintemaln wir durch das obere Burg⸗
Thor zwischen dem Ball⸗Hauß und Kayserl. Hof⸗Cammer zum zwey⸗
tenmal über den Kohlmarck, aber von dar durch das Pailer⸗Thor
bey den Tuch⸗Läden und Schranen oder Stadt⸗Gericht vorbey und
den Hohen⸗Markt hinunter gezogen, von dar wir uns nach der
Obern⸗Becker⸗Strassen durch den Schwibbogen über der untern
Jesuiter⸗Kirche nach dem Stuben⸗Thor, und so dann nach anfangs
bemeldten Augustiner⸗Garten auf die Land Strassen gewendet, wo⸗
bey wir dann gleiche Ordnung mit der ersten gehalten, und in Be⸗
B 3
gleitung
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14
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
gleitung einer unbeschreiblichen Menge Volkes, so uns fast den Weg
verlegt, daselbst gluͤcklich wiederum angekommen.
Gastierung
der Bot⸗
schaft.Hierauf wurde nun die ganze Botschaft, samt noch einigen
andern / so aus der Stadt darzu gekommen von dem Herrn
Groß⸗Botschafter aufs herrlichste und köͤstlichste tractiret. Un⸗
ter wehrender Tafel haben sich die Trompeter und Paucker, wie in⸗
gleichen die üͤbrigen Musicanten, sonderlich bey dem Gesundheit⸗
Trinken, lustig hören lassen, so daß sich endlich diese ganze Ceremo⸗
nie mit einem propren und freudigen Gastmal in aller zulässigen Er⸗
götzlichkeit geendiget, und grosse Hofnung hinterlassen, es werde
das Ende mit dem so vergnuͤgten Anfang nach Wunsch uͤberein⸗
stimmen: wie dann solches der Erfolg nachmaln genugsam bezeiget,
wann man aus Orient von nichts anders als den sonderbaren praͤch⸗
tigen dem Herrn Groß⸗Botschafter erwiesenen Ehren Bezeigun⸗
gen gehöret, dergleichen von der Ottomannischen Pforten vorhero
keinem erwiesen worden.
Zweyte Abtheilung.
NUnmehro wird es Zeit seyn die Reise nach Constantinopel
selbsten mit unserer historischen Feder zu entwerfen. Wir
machen uns demnach auf den Weg / zugleich aber den An⸗
fang unserer Erzehlung mit der Abreiß aus Wien. Es ist sonst ge⸗
bräuchlich, daß die völlige Abreise, nicht lang nach dem Einzug
aufgeschoben werde, weswegen auch der Herr Botschafter
gänzlich dafür gehalten, Er werde nun in wenig Tagen die Reise
antretten koͤnnen; nichts destoweniger sind einige Hindernuͤssen dar⸗
zwischen gekommen, so Jhn wider Verhoffen länger als gebräuch⸗
lich in der Kaiserlichen Residenz arêtirt, wie man uns denn nach
diesem drey und mehr Wochen noch in Wien herum gehen sehen.
Indem aber gleichwol inzwischen alle Anstalten zu einer so weiten
und beschwehrlichen Reise vorgekehret, und die darzu benoͤthigten
Sachen unterdessen in die Schiffe gebracht wurden, erhielte man
unvermuthete Nachricht, daß der Türkische nach unserm Hof be⸗
stimmte Botschafter mit einer grossen Anzahl Tüͤrken auf dem Her⸗
weg begriffen, und schon nicht weit mehr von der Gräͤnze seye, wo⸗
selbst
- 41 -
15
Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
selbst er unsere Ankunft abwartete. Weshalben unser Herr Bot⸗
schafter seine Geschäffte folgends in aller Eil expedirte, und end⸗
lich den 17. Maji um vier Uhr nach Mittag mit allen den Seinigen
zu Schiffe gieng, und kurz hernach vom Lande abstossen liesse. Hier
war nun fast die ganze Wien⸗Stadt wieder auf, davon einige ihre
Curiosité zu vergnuͤgen suchten: andere aber ihre nach der Tüͤrkey
abgehende Freunde nochmaln sprechen, und ihren wolmeinenden
Glückwunsch bey ihnen ablegen wolten, welcher um so viel herzli⸗
cher war, je leichter sie vermuthen kunten/ daß sie nicht alle wiederum
zuruck kommen duͤrften; begleiteten indessen diejenige mit dem Ge⸗
müth, bey welchen sie dem Leib nach nicht mehr zugegen seyn kunten.
Hier waren nun abermal beide Ufer der Donau von Leuten Zulauf des
Volks.
unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Standes häͤufig besetzt.
Was man nur immer in der Stadt von Kobel⸗Wäͤgen und Pfer⸗
den hat zusammen bringen können, das wurde heute alles aufge⸗
sucht und um gut Geld bezahlt, welche uns zum Theil bis nach
Preßburg begleiteten. Der mehreste und vornehmste Adel/ ja so
gar die Durchlauchtigsten Josephinischen Erz⸗HerzoginErz⸗Herzo⸗
ginnen
Gegen⸗
wart in
Prater.
⸗
nen selbst, als die nur allein in der Stadt Wien waren, sintemaln
die Leopoldinische samt der Aller Durchlauchtigsten Kaiserli⸗
chen Frau Mutter Sich dazumal zu Baden aufhielten. Hat⸗
ten sich nach dem nechst uͤber der Donau bey der Stadt liegenden
und bey dermaligen Früͤhlings⸗Zeit angenehmen Prater⸗Wald er⸗
hoben, allwo Sie aus einem Kaiserlichen Lust⸗Hauß die in schoͤn⸗
ster Ordnung rangirten Schiffe vorbey streichen sahen, wovon der
grösten an der Zahl zwey und siebenzig, und alle oben bedeckt, auch Anzahl der
Schiffe.
nicht nur zu der aufhabenden Nothwendig⸗ sondern auch Gemäch⸗
lichkeit von dem Kaiserlichen Schiff⸗Lieutenant zu Wien sehr wol
verfertiget waren; worzu die Kähne nicht gerechnet sind, deren viele
an die grossen Schiffe angebunden und auf des Herrn Bot⸗
schafters Befehl zur Zufuhr der Victualien und Ubersetzung der
Leute von einem in das andere Schiffe verordnet waren.
Unter allen præsentirte sich das Leib⸗Schiff, so den Herrn Leib⸗Schif⸗
fes Be⸗
schaffen⸗
heit.
Groß⸗Botschafter führte ungemein wol, als welches mit man⸗
cherley Farben und Gold ausgeziehret auf dem hintern Theil einen
Adler mit dem guldenen Vlies umgeben, auf dem Vorder⸗Theil
aber
- 42 -
16
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
aber den Jupiter auf einem Adler führete der in der linken Hand
einen Oel⸗Zweig, als das Zeichen des Friedens, darreichte: der Ad⸗
ler aber, als der Koͤnig unter den Voͤgeln, præsentirte sich auf ei⸗
ner verguldeten Erd⸗Kugel, üͤber welche er seinen Kopf aus dem Schiff
über das Wasser streckte, und in der einen Klauen den Blitz hielte,
auf seinen Rucken aber den mit Lorbeer gekröͤnten und zwischen
zweyen Meer⸗Fräulein befindlichen Götter⸗Vater Jupiter aufhatte,
welcher durch seine ganze Kleidung und dieser Nymphen suͤssen Ge⸗
sang, oder vielmehr derselben wunderbahren Harmonie, welche sie
durch ihre in den Häͤnden haltende Noten zu verstehen gaben, den
gestiftete Frieden anzeigten. Das Ansehen dieses Schiffes ver⸗
mehreten die vierzehen schwarz⸗ und gelb⸗seidene auf lange Stangen
aufgesteckte Fahnen / als der Occidentalischen Kaisere gewöhn⸗
liche Farbe, auf deren einer Seite der doppelte Adler / auf der
andern aber das Durchlauchtigste Oesterreichisch⸗Erz⸗Her⸗
zogliche Wappen gemahlt stunde; von welchen auf den übrigen
Schiffe nur eine, oder auf denen vornehmern, zwey aufgesteckt wa⸗
ren. Die zwischen jene herum gestellte Musicanten belustigten die
Ohren auf mancherley Weise, worzu auch die zwölf auf Schiffs⸗
Manier gleich gekleidete Boots Knechte, mit ihren gewöhnlichen
Schiffer⸗Gesang das Jhrige mit beygetragen, welche mit ihren
schwarz⸗ und gelb⸗angestrichenen und hiemit von den andern Schiffen
distinguirten Rudern das Schiff fort getrieben.
Favorables
Wetter. Das an dem Tage unserer Abreise so schöne heitere Wetter
prognosticirte alsobald eine vom Himmel beglüͤckte Schiffarth, welches
auch den ganzen Tag durch getauert, und erst dazumal, als wir bereits
in Sicherheit und zu Fischament angelangt waren, sich in ein mit
Blitz und Wetterleuchten vermengten Regen verwandelt hatte.
Fischa⸗
ments Ge⸗
legenheit.Es ist aber Fischament ein von Wien ohngefehr drey Meil ent⸗
fernter und an dem Donau⸗Strand gelegener Ort, deme eine nicht
unangenehme Jnsul gegen über lieget, worinnen sich bey dieser
Frühlings⸗Zeit die Nachtigalln und andere Vögel uͤberaus an⸗
muthig hören lassen.
Bis dahin hatten die Hochgräfliche Fräulein Maria
Des Herrn
Botschaf⸗
ters beider
Fräulein
Töchter
Abschied.
Louisa / und Maria Anna ihren allerliebsten Herrn Vater / de⸗
me Sie beide an Sitten und Verstand, die Juͤngere aber auch an
der Gestalt ganz ähnlich, begleitet; von daraus sie, nach herzlichem
Wunsch
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
17
Wunsch zur glücklichen Reise und empfangenen vätterlichen See⸗
gen, mit bethränten Augen ans Land gestiegen, und noch selbigen
Abend mit der Post nacher Wien zuruck gekehrt: und dieses war
zugleich die erste Nacht, welche wir auf dem Wasser in den Schiffen
zugebracht.
Des andern Tages sind wir gleich früͤhe nach angehöͤrter MesAbreise
nach Preß⸗
burg.
⸗
se, als worzu uns vor allen der eingefallene Himmelfarths⸗Tag un⸗
sers Heylandes obligirte, bey gegebenen Zeichen aus den Trompe⸗
ten, welche Gewohnheit nachgehends beständig so wol zu Wasser als
Land gehalten wurde, unter stillem Wind nach Preßburg/ der
Haupt⸗Stadt in Ober⸗Ungarn abgefahren; wohin die Freyherrn
von Locher und Studenitz in aller frühe mit einem Jagd⸗Schiff
voraus geschickt worden, damit sie die Ankunft des Herrn GroßNachricht
von des
Herrn Bot⸗
schafters
Ankunft an
dem Köni⸗
glichen
Stadthal⸗
ter zu Preß⸗
burg.
⸗
Botschafters dem Königl. Stadthalter, den die Ungarn Pa⸗
latin nennen, ankündigen solten, wir selbst aber sind um den Mit⸗
tag allda angelangt, nachdem die im Gewehr stehende Burger⸗
schaft samt der Besatzung schon drey Tag auf uns gewartet hatte.
So bald das Leib⸗Schiff vom Schloß aus kunte gesehen und von
den andern recht deutlich unterschieden werden, wurden die Cano⸗
nen rings herum dreymal abgefeuert, welchem die an dem Ufer steDessen Be⸗
willkom⸗
mung.
⸗
hende Büͤrger und Soldaten mit ihrem Gewehr eben so oft geant⸗
wortet: und da dieses noch nicht vollig aufgehöͤret, und von unserer
Flotte die Helfte kaum angeländet, da zeigte sich schon der Koͤnig⸗
liche Stadthalter / der Hochgebohrne Graf Niclas Palfi /
in einem mit sechs Pferden bespannten Wagen, welcher von unter⸗
schiedlichen Ungarischen Bischöffen / dem Königlichen Obrist⸗
Richter / und noch mehr andern vornehmen Stäͤnden des Köͤnig⸗
reichs, die eben dazumal dem jäͤhrlich⸗gewöͤhnlichen Land⸗Tag da⸗
selbst beywohneten, nebst verschiedenen vornehmen Graͤfinen und
Frauen vom ersten Rang, wie auch dem Stadt⸗Rath mit ihrem
Burger⸗Meister begleitet war, und alle dem Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter im Namen des ganzen Adels in der Stadt die Bewillkom⸗
mungs⸗Complimenten machten. Nachdem sie hierauf eine zeit⸗
lang von unterschiedlichen Sachen mit einander gesprochen, und des
Herrn Groß⸗Botschafters prächtige Logirung auf dem Schiff
genugsam betrachtet, ist derselbige von dem Graf Palfi in seinen
Wagen zu tretten ersucht, und darauf nach der Stadt gefüͤhret wor⸗
den,
C
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Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
18
den, wohin dessen Hoch⸗Gräfliche Frau Gemahlin unter Be⸗
gleitung des vornehmsten Adelichen Frauen⸗Zimmers in einem gleich⸗
falls mit sechs Pferden bespannten Wagen gefolget. Mehr andere
mit zwey und vier Pferden bespannte Wägen brachten ebenermas⸗
sen den übrigen Adel in des Herrn Stadthalters Behausung,
woselbst eine für einen so hohen Gast und vornehmen Gefehrten
prächtig zubereitete Tafel fertig stunde, auf welcher die Menge der
Speisen mit denen kostbar⸗ und netten Geschirren sehr wol überein
kamen. So fehlte es auch nicht an Musicalischen Jnstrumenten,
womit das Knallen der losgebrannten Canonen bey dem Gesund⸗
heit⸗Trinken beständig abwechselte / und den Appetit zu denen ohne dem
sehr delicaten Gerichten noch mehr reitzten.
Nachdem die Tafel endlich aufgehoben worden, sind schon die
Wägen wiederum bereit gestanden, die vornehmen Gäste nach dem
nah gelegenen Berg zu füͤhren, und auf denselben das gleichsam über
die Stadt hangende Schloß etwas eigentlicher zu betrachten, wobey
man ihnen zugleich den Thurn gezeigt, worinnen die Königl. Cron
mit vielen Schloͤssern verwahrt und aufbehalten wird. Nach die⸗
sem hat man sich in den ohn weit der Stadt gelegenen Lust⸗Garten
des Herrn Stadthalters begeben, allda der angenehme Früh⸗
lings⸗Luft und anderer Bequemlichkeiten zu geniesen. Bey der Zu⸗
ruckkunft hat man sich wieder zu Schiffe begeben, um daselbst, wie
die vorige Nacht, das Nacht⸗Lager zu halten, auser etlichen weni⸗
gen, welche von ihren Freunden eingeladen worden, und deswegen
ihr Quartier die Nacht über in der Stadt genommen.
Den Tag darauf, als den 20ten dieses Monats, ist die
Des Herrn
Botschaf⸗
ters Frau
Gemahlin
Abschied
von ihrem
Herrn.Hoch⸗ und Wol⸗gebohrne Frau Maria Elisabeth / Freyin
von Burscheid / Seiner Excellenz wehrteste Gemahlin / wel⸗
che Jhren innig geliebtesten Ehe⸗Herrn bis hieher begleitet, nach
wechsels⸗weisen Abschieds⸗Complimenten und zärtlichster Umhal⸗
sung, um 9. Uhr Vormittag, nicht ohne innerliche Gemüͤths⸗Be⸗
wegung mit der Post wiederum nacher Wien abgegangen, wir aber
haben hierauf unter abermaliger Loßbrennung der Canonen unsere
Reise weiter fortgesetzet.
Ehe ich mich aber von Preßburg weg begebe, muß ich noch
etwas, das ich daselbst beobachtet, mit wenigen anmerken; ob ich
schon
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
19
schon nicht zweifle, daß einige von den Lesern solches bereits gehöͤret,
aber doch nicht mit Augen gesehen haben:
Jn der Grafschaft Comorn auf des Graf Zichi Gütern, in Zwillinge /
so an ein⸗
ander ge⸗
wachsen.
dem Dorf Szany, sind von eines Bauern Eh⸗Weib, welche, da
ich dieses schreibe, mit ihrem Mann noch bis auf diese Stunde lebet,
im Jahr 1701. den 26. des Weinmonats, Zwillinge weibliches
Geschlechts gebohren worden, welche mit dem Ruckgrad an einan⸗
der gewachsen, also daß eine der andern, wo sie sich hinwendet, fol⸗
gen muß, sonst aber nicht haͤßlich wäͤren, wann sie nur diese Zusam⸗
menwachsung nicht entsetzlich und ungestalt machte. Sie haben bei⸗
de zwey Hände, so viel Füsse, eine jede ihren besondern Kopf und
Leib, können beiderseits ihre Glieder gebrauchen, und fehlt ihnen
auch im geringsten nicht an Verstand, so daß, wann man sie nur
sitzen siehet, und keine weitere Nachricht von ihnen hat / nichts un⸗
gestaltes an ihnen zu bemerken ist. Die Aeltere, so drey Stund eher
gebohren, nennet sich Helena, die Juͤngere Juditha, welche vor
ohngefehr drey Jahren von einem Schlag⸗Fluß gerührt worden
wodurch sie an der Sprach und Vernunft Schaden gelitten, und
dahero anjetzo etwas einfältig scheinet. Die Aeltere aber, so allezeit
ihre gesunde Vernunft behalten, ist an Gesicht und Sitten wol be⸗
schaffen, und bewegt billig jederman zum herzlichen Mitleiden, weil
sie bey vollkommener Gesundheit und Vernunft, ihre Schwester
bruͤnstig liebet, den Stand, in welchen sie ist, wol erkennet, und auf
solche Weise doppelt elend zu nennen, angesehen sie an ihrem und der
Schwester Unfall Theil nimmt. Sie sind noch in ihrer Kindheit
von einem Ungarischen Arzt, Namens Csuszi, mit der Eltern Er⸗
laubnis, welchen er ein Stuck Geld dafuͤr bezahlet, um ihm die Kin⸗
der auf eine gewisse Zeit zu überlassen, durch unterschiedliche König⸗
reiche und Länder / nemlich durch Teutschland, Engelland, Frank⸗
reich, Welschland, Pohlen, Bajern, Oesterreich, Mähren und Ungarn
geführet worden; wie sie dann auch noch Teutsch, Französisch und
Ungarisch reden koͤnnen, die uͤbrigen aber haben sie aus Mangel der
Ubung und wegen ihrer damaln noch zarten Jugend, wiederum ver⸗
gessen. Es hat aber gleichwol Jhro Eminenz und Durchlaucht
der Cardinal Augustus von Sachsen⸗Zeitz und Erz⸗Bi⸗
schof zu Gran / den seine Beständigkeit im Glauben, Furcht Got⸗
tes, und Liebe des Nechsten genugsam bekannt gemacht, das ge⸗
C 2
dunge⸗
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20
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
dungene Geld dem Arzt zuruck zahlen, und die Kinder von ihm wieder
abfordern lassen, weil Er besorgt, es moͤgte das lange Umziehen dieser
Mägdlein ihnen einen schlechten Vorrath an guten Sitten zu wegen
bringen, vielmehr aber ihre Unschuld, wie es gemeiniglich bey der⸗
gleichen Gelegenheit zu geschehen pflegt, dardurch verlohren gehen;
damit nun aber solche in bessere Sicherheit gestellt wäre, ist Er dem
besorgten Ubel noch bey Zeiten vorgekommen, hat sie besagtem Arzt
noch in einem Alter von neun Jahren abgenommen, und denen Ur⸗
selinern zu Preßburg mit Vorstreckung der hierzu nothwendigen Un⸗
kosten zu weiterer Erziehung übergeben; von denen sie erst Lesen
und Schreiben gelernet, und in der Religion, wie auch unterschiedli⸗
cher Hand⸗Arbeit, als Sticken, Spitzen glöckeln rc. unterrichtet
worden. Jch habe etwas von ihrer Arbeit gesehen, welches für ein
Meister⸗Stück passiren kunte.
Sie sind in dieses Closter im 1710ten Jahr den 21. Merz auf⸗
genommen, nunmehro bis in das eilfte Jahr erhalten, und anjetzo zu
dem zwanzigsten ihres Alters gebracht worden. Von der Zeit an,
da sie in dieses GOttes⸗Hauß gekommen, sind sie beständig darin⸗
nen geblieben; wie man ihnen dann auch eine geistliche Jungfrau
zugegeben, welche immer um sie seyn, sie uͤberall hinfüͤhren und auf
ihr Thun und Lassen Achtung geben, auch von solchem auf Befra⸗
gen Rechenschaft geben muß. Von dieser habe ich in Abwesenheit
anderer alles dasjenige, was ich in diesem Punct zu wissen verlangt
erfahren; weil sie nach der Warheit dafuͤr gehalten, daß meine so
genaue Nachfrag nicht aus Vorwitz, sondern Amts halben und dem
gemeinen Wesen zum Nutzen geschehe; wie ich dann zu dem Ende
alle andere weg gehen heisen, damit sie, wann niemand als ich allein
zugegen mit gröͤsserer Freyheit mir dasjenige erzehlen moͤgte, wovon
sie sonst durch die Schamhaftigkeit wegen der Gegenwart junger
Leute würde seyn abgehalten worden.
Habe demnach von ihr vernommen, daß jene die Theile des Lei⸗
bes, welche Scham und Erbarkeit zu nennen verbiethen, und
durch welche Speiß und Trank, nebst dem uͤbrigen s. v. Wust und
Unflat abgeführet wird, nicht an den gewöͤhnlichen Orten stehen,
sondern daselbst, wo es andere Menschen haben, alles verschlossen
ist; hingegen von unten, wo die Zusammenwachsung anhebt, sind
ihnen diese Theil des Leibes gemein / jedoch also, daß gleichwol,
wann
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
21
wann z. E. eine dasjenige, was sie incommodiret, von sich zu
schaffen benöthiget ist, die andere darum eben nicht so fort desglei⸗
chen thun darf, sondern eine jedwede absonderlich von der Natur
deswegen erinnert wird, so daß, wann sich eine von den verdauten
Speisen entlediget, die andere bisweilen nur die Blase von der
überflüssigen Feuchtigkeit reiniget. Jhre monatliche Reinigung
stellt sich auch nicht zu gleicher Zeit bey ihnen ein, sondern manquirt
oft um acht und mehr Täge von der andern. Es kommt wol, daß
wann eine schlaͤfft, die andere wachet; und wann diese arbeitet, die
andere ruhet. Es isset wol eine, wann die andere trinket, oder was
anders vor hat: Hingegen sitzen, stehen, gehen und liegen sie allezeit
zusammen mit groser Beschwehrnis, weil die Zusammenfuͤgung der
Cörper es nicht anders zu lässet. Wann sie mit einander reden
wenden sie einander mit gebogenen Häͤlsen das Gesicht zu. Sie kuͤs⸗
sen sich zusammen aus Liebe, schlagen sich aber auch tapfer mit Fäͤu⸗
sten, wann sie boͤß sind. Wann ein Streit zu der Zeit, da sie beider⸗
seits noch bey guten Kräften gewesen, zwischen ihnen entstanden,
hat diejenige, welche sich stärker zu seyn glaubte, die andere üͤber die
Achsel genommen und davon getragen: jedoch sind sie vielmehr eines
stillen und sanftmuͤthigen Wesens, als daß sie sich oft erzürnen sol⸗
ten, und tragen ihr gemeines von GOTT aufgelegtes Creutz mit
Christlicher Gelassenheit.
Als vor drey Jahren die Jüngere gefährlich erkrankte, wovon
oben schon etwas gemeldet worden, hat man die Aeltere gleichfalls zu
einem seligen Tod bereitet, und durch einen Priester Christ⸗Catho⸗
lischen Gebrauch nach mit allen Sacramenten versehen lassen, weil
die meisten Medici dafür gehalten, daß die eine nach Absterben der
andern nicht lang mehr werde leben koͤnnen: welches sie auch hier⸗
aus behaupten wollen, weil, so oft sich eine nicht wol befunden, die
andere ebenermassen, ob sie schon mit gleicher Krankheit nicht behaf⸗
tet war, einige Unruhe in dem Gemuth, Schwachheit der Sinnen
und unordentliche Bewegungen der innern Theile des Leibes verspuͤh⸗
ret. Gleichwol aber ist nicht zu zweifeln, daß diese so wunderlich
gestaltete Cörper von zweyen Seelen begeistert werden: dann wir
moͤgen gleich das Herz oder das Haupt fur den Sitz und eigentlichen
Wohn⸗Platz der Seelen angeben, so wird doch keines von beiden
unsere Meinung umstossen, absonderlich da noch so vielerley unter⸗
C 3
schie⸗
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22
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
schiedene Verrichtungen, einander zu wider laufende Gedanken, und
mancherley Gemüths⸗Bewegungen hiebey zu schulden kommen.
Noch eines habe ich zu melden vergessen, daß nemlich nach dieser so
wunderwuͤrdigen und schwehren Geburth die Mutter gleichwol von
eben diesen Vater noch andere Kinder gebohren, die aber alle gesund
und wolgestaltet sind, und nichts unnatuͤrliches an sich haben.
Allein ich muß nun wiederum nach dem Strom zu eilen, wo
Reise nach
Comorn.
ich nicht noch einmal die Flotte versäumen, und in einem andern
Schiff derselbigen kümmerlich folgen will, wie mir dazumal würk⸗
lich geschehen / da ich mich mit gedachter Jungfräulichen Zucht⸗
Meisterin in ein so weitläuftiges Gespräch wegen ihrer seltsamen
Untergebenen eingelassen. Auf diesem aber schwimmet die völlige Flot⸗
te schon Anker loß herum, und nimmt ihren Lauf gerades Wegs nach
Comorn zu / allwo wir doch erst den 21ten May Nachmittag an⸗
gelangt, nachdem wir den vorigen Tag unser Nacht⸗Lager in der
Gegend der Jnsul Schütt zu Avazar auf den Fluß gehalten.
Allenthalben, wo wir vorbey fuhren, stunde das Volk Haufen⸗weis
Mühl⸗Knechte
springen
ins Wasser.am Ufer; so sprangen auch einige Müͤhl⸗Knechte, die selbst halbe
Schif⸗Leute waren, vom freyen Stücken ganz nackend ins Wasser,
und schwamen dem Leib⸗Schiff zu, um ein Trank⸗Geld davon zu
tragen. Wir indessen haben heute so wol, als gestern / auf dem
Schiffe gespeiset, und, um keine Zeit zu verliehren, unter beständi⸗
Die von
Comorn
⸗
entgegen⸗
geschickte
Schiffe. gen Fortfahren das Mittag⸗Mal eingenommen. Da wir noch bey
drey Stunden von Comorn entfernet waren, kamen uns schon
viere von ihren Schiffen entgegen, so die Ungarn Tschaicken nen⸗
nen, und theils 16. theils 14. Ruder führen, welche die neu an⸗
kommenden Gäͤste mit ihren aufhabenden Stucken und Doppelha⸗
cken lustig bewillkommeten, sich so dann vor das Leib⸗Schiff setzten,
und den Herrn Botschafter bis an die Stadt bekleideten. Der⸗
jenige, so selbige commandirte, hatte Denselbigen im Namen
des Commendanten complimentirt: dessen Schiff mit wol exer⸗
cirten Kaiserlichen Soldaten, die übrigen aber nur mit Land⸗Volk
Ankunft
vor Co⸗
morn. besetzt waren. Da wir aber noch nicht völlig vor den Stadt⸗Mau⸗
ern angelangt, kunten wir schon das Donnern der Carthaunen höͤ⸗
ren, welches auch nicht eher nachließ, bis die ganze Flotte einge⸗
lauffen.
Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
23
Bald hierauf kame der Commendant von der Vestung
Herr Graf von Welz / in eigener Person, mit einigen Hand⸗
Pferden versehen, und von seinen Bedienten und unterschiedlichen
Officiern aus der Besatzung begleitet / deme so gleich die Vornehm⸗
sten aus der Grafschaft, der Stadt⸗Rath und etliche Geistliche aus
der Gesellschaft Jesu folgten / welche letzten dem Herrn Groß⸗
Botschafter theils in ihrem, theils anderer Namen mit folgender
in Eil entworfenen, aber in Lateinischer Sprach verfaßten Rede, zu
seiner glüͤcklichen Ankunft gratulirten:
Da Eu. Excellenz, Jhro Römisch⸗Kaiserlich⸗ auch in
Teutschland, Spanien, Ungarn und Böheim Königlichen
Rede der
Priester
aus der
Gesellschaft
Jesu.
Majestät / des an Tugend⸗ und Thaten warhaftig grossen
CARLS des VI. Geheimer Rath, General-Feld⸗Mareschal, und
Groß⸗Botschafter nach der Pforten, an unserm Gestad glüͤck⸗
lich angelanget/ lege ich im Namen der Loͤblichen Ge⸗
spanschaft von Comorn, deren Herrn Prælaten, Ständen,
Freyherrn und Adels dieser Academie, wie ingleichen der Stadt,
und letzlich auch unserer geringsten Gesellschaft Jesu mei⸗
nem ergebensten Wunsch darzu ab. Der Höchste lasse
Eu. Excellenz wie bisher / also auch noch ferner Dero Rei⸗
se nach Wunsch fortsetzen / und das Constantinopolita⸗
nische Ufer gluͤcklich erreichen; Er segne Dero hohe Ver⸗
richtungen/ damit derjenige Friede / welcher durch Euer
Excellenz das vorige Jahr zu Passarowitz nach aller Ver⸗
gnuͤgen geschlossen worden/ anjetzo zu Constantinopel noch
mehrers befestiget werde; und gebe/ daß alles zuvoͤrderst
zu Seines allerheiligsten Namens Ehre, und dann zu des Al⸗
ler Durchlauchtigsten Oesterreichischen Hauses beständi⸗
gen Sicherheit des H. Röm. Reichs unverbesserlichen Nu⸗
tzen / der ganzen Christenheit höchst⸗erwünschten Wachs⸗
thum / nicht weniger auch zu aller Seiner Kaiserlichen
Majestät getreuen Vasallen Trost und Zufriedenheit aus⸗
schlage. Jch finde auch an glücklicher Erfüllung meines
so wolgemeinten Wunsches so viel weniger Ursach zu
zweifeln / je mehr ich solche an Euer Excellenz Schiff sol⸗
che
- 50 -
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Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
che bereits abgeschildert sehe. Dann was will der Lö⸗
wen⸗Kopf auf dem Vorder⸗Theil des Schiffes anders
anzeigen / als die Stärke? was solte man sich wol na⸗
türlichers durch die Welt⸗Kugel vorstellen können / als
die Beständigkeit? was könnte uns der auf dem Römi⸗
schen Adler sitzende Jupiter mit seinem in der linken Hand
führenden aber mit Lorbeer gecrönten Blitz / und welcher
mit der rechten denen Meer⸗Fräulein ein Zeichen zum sin⸗
gen gibt/ sicheres Versprechen / als einen nach aller
Wunsch bestättigten Frieden? Daß nun demselben Euer
Excellenz sieg⸗prangend zurück bringen und bestättigen
auch hoͤchst beglüͤckt nach denen Oesterreichischen Erb⸗Landen
umkehren und zugleich den best⸗verdienten Lohn Jhrer so
grosen Bemuͤhung empfangen moͤgen / wuͤnsche Euer Ex⸗
cellenz in Namen dieser Löblichen Gespanschaft, Academie,
Stadt / und unserer geringsten Gesellschaft mit ergeben⸗
sten Gemüth / Dero Gnade und Gewogenheit Sie aller⸗
seits demüthig empfehlend.
Beschrei⸗
bung der
Vestung
Comorn. Nach diesem haben wir den übrigen Theil des Tags in Be⸗
schauung der noch nie eroberten Stadt und Vestung zugebracht;
wobey wir auf Befehl des Commendanten von einem daselbst in
Besatzung liegenden, und in Kriegs⸗Sachen und andern passirten
Dingen nicht unerfahrnen Soldaten über die Stadt⸗Mauern durch
die Werker, Wälle und Gräben, Fläche und Abschnitte geführet
worden, welche wir alle mit guter Bequemlichkeit observiret haben.
Am merkwuͤrdigsten schiene uns eine in Stein gehauene Amazonin,
welche ihrer Feinde spottete, und in der linken Hand das gewoͤhnli⸗
che Sieges⸗Zeichen, nemlich einen Lorbeer⸗Cranz hielte, wordurch
die Nachkommen solten erinnert werden, daß diese Stadt, so ehedem
vom Kaiser Ferdinand dem I. erbauet worden, bishero
von denen Türken nicht habe köͤnnen eingenommen werden. Sie
liegt vortreflich wol auf einem Huͤgel, so daß man ihr nicht leicht
beykommen kan, und wird auf beiden Seiten von der Donau und
der Wage umgeben; wo sie aber ans feste Land stosset, ist sie mit
vielen Gräben, Morast und Werkern versehen, so daß es schwehr
fallen wuͤrde, wann man daselbst Minen anlegen wolte, wie man
dann
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
25
dann auch ohne die gröste Mühe keine Stüͤcke zum beschiessen da⸗
hin bringen kan. Man gibt vor, als ob die Vestung ihren Namen
daher bekommen, weil, da sie einsmals vom Feind aufgefordert
worden, der Commendant, welcher ein Teutscher war / ihme, so
oft er angefragt, zur Antwort gegeben: Komm Morgen; wo⸗
mit er so lang angehalten / bis der Feind aus Verdruß seinen Ab⸗
schied wieder genommen, und die Belägerung aufgehebt. GOtt
und alle Schutz⸗Heiligen von ganz Ungarn geben, daß ich ein glück⸗
seliger Prophet seye, und nachgesetztes zu einer guten Stund
schreibe:
Es wird diese Vestung allezeit ihrer Köͤnige sicherster
Schirm und Verthaidigung / hingegen der Feinde Schre⸗
cken seyn / wann anderst ihre Commendanten nicht da⸗
durch sicher werden / weil sie wissen / daß wir durch wie⸗
der eroberte oder erst in Botmaͤßigkeit gebrachte Läͤnder
auch zugleich neue Vestungen dem Koͤnigreich zugebracht;
sondern die eingegangene Werker fleißig repariren / alle
Nothwendigkeiten anschaffen / und nichts / was zu einer
tapfern Gegenwehr erfordert wird / unterlassen / und die⸗
ses eben so fleißig / als wann es die äusserste Gränz⸗Ve⸗
stung und letzte Zuflucht waͤre.
Des andern Tages sind wir bey anbrechender Morgen⸗Röͤthe
Gran.
unter mehrmaliger Abfeurung des Geschuͤtzes nacher Gran/ wel⸗
che Vestung ihren Namen von dem vorbey laufenden Fluß hat, ab⸗
gefahren, allwo wir mit aller gewöhnlichen Ehren Bezeugung aber⸗
mal empfangen worden; wie dann hernach allezeit zu Ofen / PeEhren⸗Be⸗
zeugungen
der Gesand⸗
schaft in
Städten
und Ve⸗
stungen.
⸗
terwardein / Belgrad und allen übrigen Städten, so wol bey
unserer Ankunft als auch bey unsern Aufbruch die Stüͤcke gelöͤset
worden. Es kamen uns hier, wie gestern bey Comorn/ noch un⸗
ter weges einige Tschaicken entgegen, worauf wiederum die Loß⸗
brennung des Geschüͤtzes, die Ankunft des Commendanten Ba⸗
ron von Kuchenländer, und eine von den Herrn Jesuiten der
gestrigen nicht ungleiche Lob⸗Rede erfolgte.
Beschrei⸗
bung der
Vestung
Gran.Die ungestuͤmmen Wellen verhinderten uns an fernerer Fortse⸗
tzung unserer Reise, und gaben mir zugleich Gelegenheit, mit den an⸗
dern ans Land zu steigen, und meinen Gebrauch nach mich umzuse⸗
hen, ob mir nichts sehens⸗ oder merkwürdiges aufstossen werde;
wes⸗
D
- 52 -
26
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung.
weswegen ich diesesmal mit einigen von unsern Leuten nach dem
Schloß hinauf gieng, welches mehr durch die Natur als Kunst be⸗
Die Kirche
zu Gran. festiget ist. Jn der Mitten desselben stunde eine sehr alte verwüͤste⸗
te Kirche, von welcher die noch hier und da übergebliebenen alte
Mauren und Stücke von dem Gebäͤu zeigen, daß deren Eingang /
die Mauren, Säulen, Bilder, Porten, ja die ganze Kirche von
gehauenen Marmor, so nur zwey Stunden von dar soll gegraben
werden, aufgeführet gewesen: So zeigen sich auch gleich bey dem
Eingang die Bildnüͤsse der Heil. Propheten altes Testaments und
kan man noch die aus der Heil. Schrifft beygefügte Sprüͤche lesen
welche die Bilder desto erkaͤnntlicher machen, daß billig zu muthmas⸗
sen, diese Kirche seye von den Christen zu erst erbauet, und dem
Heil. Adalberto geweihet worden, nach der Zeit aber und durch den
Krieg samt der Stadt und dem Schloß in der Tüͤrken Hände gekom⸗
men, welche diesen alten Erz⸗Bischöflichen Sitz verwuͤstet, die Hei⸗
ligthümer zerstört, die Bilder, wie es ihr Gesetz mit sich bringt, so
weit sie reichen koͤnnen, zerstuͤmmelt und ausgekratzt, und den Platz
zu einer Moschee gemacht; weil sie aber etwan durch die Kaiserliche
Sieg⸗reiche Waffen einesmals aus dem Feld geschlagen, oder mit
einer scharfen Belagerung heimgesucht worden, und dahero dieselbe
sich nicht läͤnger zu behaupten getrauet, haben sie muthmaßlich den
grösten Theil davon verbrannt: wie dann von einem so prächtigen
Gebäu unter einem so grossen Stein⸗Hauffen nichts mehr uͤbrig ge⸗
blieben, als eine kleine Capell, deren anfangs sieben sollen gewesen
seyn / ohne das Schiff, oder den mittlern innern Theil, die bedeckten
Gänge, Vorgebäue, Eingang und Sacristey. Diese Capell hat
ein Erz⸗Bischoff aus dem Geschlecht der Grafen Esterhasi aus
einer Türkischen Moschee zur Kirche des wahren GOttes wiederum
geweihet; der grose Kirchen⸗Fürst aber und Cardinal Thomas
Bakacs / ein naher Befreunder der Grafen Erdödi / aus son⸗
derbarer Freygebigkeit mit einem kupfernen Dach bedecken und noch
darzu viele Kostbarkeiten zur Auszierung reichen lassen. Dieser Kir⸗
che stehet etwas zur rechten ein gleichfalls sehr altes Gebäu auf ei⸗
nem Felsen, welches von dem Pfarrer dieses Orts bewohnet wird;
in demselbigen soll jenes Gemach anzutreffen seyn, worinnen der
Des Heil.
Stephani
Geburts⸗
Ort.H. Stephan König in Ungarn / dem gemeinen Ruff nach, ge⸗
bohren worden. Uber dem Schloß liegt noch ein anderer Berg,
von
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Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
27
von der Kirche des Heil. Thomas, so dieser Orten gar sehr verehrt
wird, und welche darauf gebauet ist, der Thomas⸗Berg genannt.
Man findet so wol in der Stadt als herum liegenden Gegend noch
von vorigen Zeiten her viele traurige Merkmale der Türkischen
Grausamkeit, welche, woferne Ungarn nicht ein so gesegnetes Land
wäre, schwehrlich wiederum hergestellt werden koͤnnten. So siehet
man auch da herum wenig Haͤuser, welche zierlich und nach der
Kunst gebauet, sondern entweder nur von Leimen und Holz, oder
ungehauenen Steinen ohne einige Ordnung aufgefuͤhret sind. Es
hat aber nunmehr die gesegnete Jesuiter Gesellschaft, die bekanntli⸗
cher massen auf ihres Nechsten Wolfarth und die Unterweisung der
Jugend jederzeit eifrig bedacht ist, auf ein neues und schoͤnes Gebäͤu
gedacht, welches weit ansehnlicher als das vorige seyn und zu ihrer
Bewohnung und einer bequemen Schule füͤr ihre anvertraute Ju⸗
gend dienen wird; und wann dasselbige seine Vollkommenheit er⸗
reicht, und der Höchste neue Wolthäter und Goͤnner erwecket, wor⸗
zu sie grosse Hofnung haben, werden sie auch um die Auferbauung
einer Kirche besorgt seyn, wordurch alsdann die Stadt ein besseres
Ansehen bekommen duͤrfte. Als wir von dem Berg zurüͤck gekom⸗
men, haben wir mit denen andern das Mittagmal eingenommen,
wovon wir uns bishero durch unsere Curiositè abhalten lassen. Den
Nachmittag passirten einige mit Spatzieren gehen, andere mit Ja⸗
gen, bis endlich Abends gegen sechs Uhr der Wind sich gelegt, und
die Donau stiller worden; weswegen man die, so sich etwas weit
entfernet, durch den Schall der Trompeten von dem Feld ab und zu
den Schiffen geruffen, zu welchen sie sich auch in aller Eil verfüͤgt;
worauf wir unter Abfeurung des kleinen und grosen Geschüͤtzes noch
zwey Stunde selbigen Tags zuruͤck gelegt, auch nach der Sonnen
Untergang zu Zopp angelanget sind. Allhier verehrte die Bauerschaft Geschenk
der Bauern
an den Hn.
Groß⸗Bot⸗
schafter.
dem Herrn Groß⸗Botschafter ein Lamm, mit welchem einfäl⸗
tigen Thier sie ihre eigene Einfalt an den Tag gelegt; doch wurde
es gleichwol mit einem solchen Herzen angenommen, mit welchen es
gegeben worden.
Des andern Tags nahme gleich bey anbrechenden Morgen die
Flotte ihren Lauf gegen Waitzen zu; welche Stadt im vorigen
Waitzen.
Jahr⸗hundert der Kirchen wiederum restituiret worden / und durch
die Niederlag des Königs in Polen / Johannes / der dem von
D 2
Wien
- 54 -
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
28
Wien flüchtigen Feind allzu hitzig nachgesetzet, genugsam bekannt
ist; welchen Verlust aber auch der Herzog Carl von Lothrin⸗
gen bey Parkan an ihnen nachdruͤcklich gerochen. Es liegt bemeld⸗
te Stadt zur linken an der Donau, an einem bequemen und frucht⸗
baren Ort, ist aber durch den Krieg und Türkische Grausamkeit
lange Zeit geplagt, öfters verbrannt, und ihr selbst dardurch ganz
unehnlich worden, so daß sie nun rechtmäͤssige Ursach hat, ihren
vorigen Glanz, den sie unter ihren ersten Bischöffen gehabt, unter
wehmüthigsten Seufzen wiederum zurück zu fordern. Jndem wir
aber die Stadt Waitzen kaum aus unsern Gesicht verlohren, wur⸗
den wir durch einen neu entstandenen Sturm⸗Wind genöthiget, oh⸗
ne Verzug abermal das Ufer zu suchen, und unsere Schiffleute we⸗
gen so lang daurenden Ungewitters zwey ganzer Stunde ausruhen
zu lassen. Nachdem endlich der Sturm etwas nachgelassen, und
man auf den Fluß wieder fort kommen kunte, sind wir durch das
scharfe Rudern, wiewol nicht ohne Gefahr wegen der an einander
stossenden Schiffe, erstlich zu Alt⸗hernach zu Neu⸗Ofen Nachmit⸗
tag zeitlich angelangt.
Empfang
der Groß⸗
Botschaft
von dem
Stadthal⸗
ter und
Rath zu
Ofen.Hier nun kame ohne langen Verzug aus dem Schloß des Ge⸗
neral Löffelholz / Commendanten zu Ofen / Herr Sohn /
welchen der Herr Vater abgeschickt, weil er selbst wegen heftigen
Schmerzen vom Podagra schon lange Zeit des Betts hüten muste;
weswegen auch der Herr Groß⸗Botschafter seine beiden Aerzte,
die Herren Hulin und Dorschæus, schon den vorigen Tag durch
ein Jagd⸗Schiff abgeschickt hatte, dem Herrn General mit guten
Rath und Hülfs⸗Mitteln an die Hand zu gehen. Jndessen legte der
Sohn im Namen des Herrn Vaters die Begrüͤssungs⸗Complimen⸗
ten ab, und führte den Herrn Botschafter samt allen ihn mit
gegebenen Adel auf drey mit sechs Pferden bespannten Wäͤgen den
Berg nach der Vestung hinauf zum Nachtessen; dabey man sich
dann recht lustig und vergnuͤgt bezeugt, worzu aber die alte Freund⸗
schaft des Herrn Botschafters mit dem Herrn Stadthalter
das meiste beygetragen. Nach aufgehobner Tafel sind die vorigen
Wägen schon wiederum in Bereitschaft gestanden, diejenige, wel⸗
che wiederum nach ihren Schiffen wolten, dahin zu bringen; da
hingegen andere zu den Jesuitern sich begeben, welche von ihnen tref⸗
lich bewürthet worden: wieder andere liessen sich belieben, nach
Pest
- 55 -
Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
29
Pest, einer Vestung an der Donau, über zufahren, allda ihre
Freunde und Verwandten / die sie zum Theil wol noch nie gesehen
hatten, auch vielleicht nicht wieder sehen duͤrften, zu besuchen. Kaum
aber, als noch vorher der Herr Botschafter an das Land gestie⸗
gen, und noch keinen Fuß in die Stadt gesetzet / machte der Bur⸗
germeister mit dem Stadt⸗Rath seine Aufwartung, und com⸗
plimentirte ihn mit folgenden Worten:
Wann bey Eu. Excellenz glüͤcklichen Anfurth das
aus hiesiger Vestung donnerende Geschütz dem grosen
GOTT das gebührende Lob dafür abgestattet / und das
Gloria in excelsis (Ehre sey GOTT in der Höhe /) deswe⸗
gen angestimmet / fügen wir billig die bekannten Worte
darzu: Et in terra pax hominibus (und den Menschen Frie⸗
de auf Erden); sintemaln wir nunmehro des Friedens
können versichert seyn / welchen vielleicht diejenige noch
für zweifelhaftig, oder wol gar noch weit entfernet
halten / die den Erz⸗Herzoglichen Hauß Oesterreich
nicht gewogen sind. Wir erfreuen uns demnach hier⸗
über in dem HErrn / gratuliren aber Eu. Excellenz mit
demuthigsten Respect; weil Sie / die durch ihren unver⸗
drossenen Fleiß / ungemeinen Klugheit / und ganz auser⸗
ordentlichen Bemuͤhungen den Frieden uns zu wegen ge⸗
bracht / solchen auch durch die auf Sich genommene ho⸗
he Gesandtschaft zu befestigen die wol verdiente Ehre ha⸗
ben. Der Höchste verleihe indessen die benöthigten Kräf⸗
ten darzu / und setze denenselbigen noch mehrere bey / da⸗
mit / was durch die bereits angetrettene mühsame Reise
angefangen ist / durch erwuͤnschten Fortgang noch meh⸗
rers beglückt / und der Hoch Gräflichen Virmondtischen Fa⸗
milie best⸗verdienter Ruhm und Name / von Abend / wo
Sie ihren Ursprung hat / bis gegen Morgen / nebst Eu.
Excellenz eigenen hohen Person ruͤhmlichst bekannt werde /
und beide Reiche anfülle; anbey auch denen unter den
Türkischen Joch seufzenden Christen zu sonderbaren Trost /
denen Ungläubigen aber darzu dienen möge / daß sie er⸗
kennen / wie sie an En. Excellenz denjenigen zu betrach⸗
ten
D 3
- 56 -
30
Erstes Buch / Zweyte Abtheilung /
ten haben / welcher von der Oesterreichischen Sonne
dem Türkischen Mond so viel Glanz mittheilet / als dessen
Unterthanen noͤthig haben werden / in der Finsternis ih⸗
res Aberglaubens / in welcher sie bishero ganz hochmü⸗
thig herum gedappet / das wahre Glaubens⸗Licht und
Christliche Sanftmuth zu erkennen / als die von der un⸗
vergleichlichen Gütigkeit des siegenden Carls nunmehro
den Frieden geniesen. Jndem wir nun um unseres Wun⸗
sches kräftige Erfüllung den grosen GOTT eifrigst anfle⸗
hen, thun in Eu. Excellenz hohen Gnade wir uns in tief⸗
ster Unterthänigkeit empfehlen.
Ofen.Uber dieses / was andere Scribenten schon vor mir von der
so beruffenen ehmaligen Königlich⸗Ungarischen Residenz⸗
Stadt / und ihrer Gelegenheit, Alter, Fruchtbarkeit des Erd⸗
reichs, Menge der Früchten, Güte des Weins und dessen Uber⸗
fluß, temperirten Himmel, gesunden Luft, vortreflichen und ihrer
Würkung wegen allenthalben berüͤhmten Bäder, der treflich forti⸗
ficirten Vestung rc. angemerket, finde ich noch zu berichten, daß
der Commendant ein so prächtiges Hauß aufbauen lasse, in wel⸗
chem zu residiren sich die alten Ungarischen Koͤnige / wann sie
aus der andern Welt wieder zurück kommen solten / oder auch wol
die heutigen, wo Jhnen die Oesterreichischen Erb⸗Lande nicht
noch mehr beliebten, Sich nicht schämen duͤrften. Die unter-irrdi⸗
sche in Felsen gehauene Hölen, worinnen das Pulver und andere
Amunition aufbehalten wird, versichert dasselbige vor aller Feuers⸗
Gefahr. Das Gießhaus, so unten an der Donau liegt / ist also
beschaffen, daß es die ganze Kaiserliche Armee mit genugsamen Stuͤ⸗
cken versehen kan. Eine schwehre eiserne Kette, welche vormals in
Kriegs⸗Zeiten von Ofen bis nach Pest über die Donau gezogen
worden, die Türkische auf diesen Fluß getriebene Rauberey dar⸗
durch zu verhindern, haͤnget um die aͤusere Mauern des Zeughauses,
und gibt durch dieses ihr muͤssiges Wesen nicht undeutlich zu verste⸗
hen, daß man, nachdem die Feinde von den Gräͤnzen abgetrieben,
und man ihrentwegen nunmehro in guter Sicherheit leben kan, der⸗
selben nun nicht sonderlich mehr noͤthig habe.
Den - 57 -
Reise von Wien bis nach Ofen und Lora.
31
Den Namen dieser Stadt wollen einige von dem Buda, des
Hunnischen Königes Attila Bruder / herführen, als von wel⸗
chem dieselbige soll erbauet, nachgehends aber von Ovus, welcher
in Ungarn zu Zeiten Kaiser Heinrichs des III. regieret hatte,
mit dem Teutschen Namen Ofen belegt worden seyn. Die vorBibliothec
der Corvi⸗
ner da⸗
selbst.
⸗
mals in der ganzen Welt so sehr beruͤhmte Corvinische Bibliothec,
welche zu Busbecs Zeiten noch beysammen und unzerstreuet war /
befindet sich nicht mehr daselbst, sondern hat, wie ich muthmasse,
ihr Quartier in Wien aufgeschlagen. Allhier haben wir unterschied⸗
liche Weine und andere auf der Reise zu Land benoͤthigte Sachen,
welche uns noch abgiengen, eingehandelt; und nachdem solche zu
Schiffe gebracht worden, sind wir den 23. darauf unter mehrmali⸗
ger Lösung der Canonen, mit welchen der Herr Stadthalter die⸗
ser Provinz, General Löffelholz / seinen nach der Türkey ge⸗
henden Freund, den Kaiserlichen Herrn Groß⸗Botschafter /
nochmaln beehrte, nach Lora verreiset. Dieses Lora ist ein
Dorf, zu Ende der Margarethen Jnsul / so die Ungarn in ihMargare⸗
then⸗In⸗
sul.
⸗
rer Sprach den Ratzen Markt nennen, gelegen, und welche dem
Durchlauchtigsten Prinzen Eugenius von Savoyen zu stäͤn⸗
dig ist. Diese Jnsul begreift in ihrem Umkreiß ungefehr 20. Meiln,
nemlich sieben in der Lange, und drey in der Breite, welcher zur
rechten der Donau Adon lieget. Daselbst hatte uns zwar das schoͤ⸗
ne Früͤhlings⸗Wetter, der heitere Himmel und angenehme Luft zur
Jagd einen Lust machen sollen; allein die schuldige Ehrerbietung,
mit welcher wir einem so grosen Prinzen verbunden waren, und
die sonderbare Hochschäͤtzung seiner Tugenden und Verdienste, hiel⸗
ten uns billig davon ab; und wann es uns gleich sonsten wäͤre er⸗
laubt gewesen, würden wir doch lieber unserer Ergötzlichkeit etwas
abgebrochen, als die Seinige im geringsten damit verstöͤret haben;
angesehen dieser Prinz ein sonderbarer Liebhaber von denen mit
Wild angefüllten Wäldern ist: haben uns demnach füͤr diesesmal
an der anmuthigen Lage dieser Landschaft und dem Anschauen der so
schöͤn bemahlten Wiesen und Feldern vergnuͤgt, und unsere
Lust auf eine andere Zeit und Gelegenheit
verschoben.
32
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
Dritte Abtheilung.
Empfang
der Groß⸗Botschaft
vom Cardi⸗
nal Czacki.
NUn hat sich der achte Tag unserer Abreise von Wien ein⸗
gestellet, da wir den Weeg bis über Födwar / oder, wie
einige schreiben, Fintuar, welches wir vorbey gefahren,
zuruck gelegt, und nunmehro an dem Gestad der Bathiensischen
Gespanschaft angelangt, von dar der Herr Groß⸗Botschafter
von sieben mit sechs Pferden bespannten Wägen, nebst einer Wurst,
nacher Colocza in des Cardinal Czacki sein Schloß abgeholet wor⸗
den, welches nicht gar eine Meil von der Donau entlegen war. Er
wurde von dem Adel der Botschaft dahin begleitet und von dem
Cardinal auf der Stiegen empfangen, hernach in den innern Pal⸗
last zu einem recht Fürstlichen Gastmal hinein geführet. Unter
wehrender Tafel liesen sich die Trompeten und Paucken lustig hören,
und eine angenehme Tafel⸗Music ergötzte zugleich die Ohren der An⸗
wesenden auf eine sehr anmuthige Art; nebst diesem wurde der Tag
und ein zimlicher Theil von der Nacht mit andern Lustbarkeiten zu⸗
gebracht; und damit auch die Augen ihre Vergnügung haben mög⸗
ten, wurden allerhand Luft⸗ und Freuden⸗Feuer angezündet. Je⸗
doch wie immerzu die Freude mit einiger Widerwäͤrtigkeit begleitet
wird, so gieng es auch hier nicht leer ab, sintemaln der zur Frölich⸗
keit bestimmte Tag mit einem traurigen Todschlag noch müͤssen be⸗
Drey kläg⸗
liche Fälle.sudelt werden. Dann da das Festin bereits seine völlige Endschaft
erreichet, und der Herr Botschafter samt den Seinigen schon
wiederum in die Wagen gestiegen, um sich gegen 2. Uhr in der Nacht
unter Begleitung der Windlichter nach den Schiffen zu begeben,
kommt einer von der Herren Grafen Laquayen, und versucht zum
öftern auf einen Wagen zu springen, wird aber durch eines andern
Feld⸗Pagen, welcher eher darauf gestanden, etlichmal davon abge⸗
halten, es mag nun seyn, daß der Wagen so viele Personen nicht er⸗
tragen konte, als welcher ohnedem in und ausen beladen war, oder
daß der im Kopf gestiegene Wein die vielleicht schon ehmals gehägte
Feindschaft wiederum erneuert; weswegen es Anfangs unter ihnen
zum Worten und endlich zum Fäusten gekommen, wobey sie die
Schimpf⸗Worte so wenig gesparet, daß dieser von dem Wagen ge⸗
sprungen, den Laquayen in die Enge hinter das Rad getrieben, und
mit
- 59 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
33
mit dem Degen so gefaͤhrlich verwundet, daß er kurz darauf den
Geist aufgeben müssen. So ist auch dieser Tag noch für einen an⸗
dern unglücklich gewesen: Es gieng nemlich der Falkner mit seiner
Flinten auf das Feld an die Teiche und Moräste, des Vorhabens,
wilde Enden zu schiessen, welche daselbst nicht rar waren; er mag
aber vielleicht stärker geladen haben, als es sein Gewehr vertragen
können, weswegen die Flinten bey deren Loßbrennung ihm in den
Händen zersprungen, und die linke Hand also zerschmettert und auf⸗
gerissen, daß man auf Gutbefinden des wolerfahrnen Feldscheerers
Morelli ihm noch denselbigen Abend den voͤlligen Arm herab neh⸗
men muste, wolte er anders sein Leben retten / welches aber erst,
nachdem er gebeichtet, und mit allen Heil. Sacramenten versehen
worden, geschehen ist. Es hat auch noch einem andern, nemlich ei⸗
nen von des Herrn Botschafers Heyducken, diesen Tag eine Fa⸗
talité betroffen; dann weil dieser von dem Ungarischen Wein mehr,
als er vertragen koͤnnen, zu sich genommen, und auf dem Schiff ein⸗
geschlaffen, ist ihm der Kopf zu schwehr worden, und er also be⸗
trunken und schlaffend bey der Nacht ins Wasser gefallen, woraus
ihn jedoch, wiewol kümmerlich die Schiffleute wieder gezogen
haben, welches er der Wachsamkeit des Freyherrn von Locher zu
danken, der den Fall vernommen, und die Boots⸗Knechte eilend
vom Schlaff aufgeweckt, um den mit den Wellen ringenden Hey⸗
ducken beyzuspringen. Und also wäͤren wir bey nahe in einem Tag
um drey Personen gekommen, wovon jedoch zwey wiederum durch
der Aerzte Sorgfalt und anderer Bemuͤhung erhalten worden.
Aber warum halte ich den Leser mit traurigen Erzehlungen so
lang auf? wir wollen viel lieber den von Jhro Eminenz zuruck
kommenden Herrn Botschafter begleiten, welcher die zwey fol⸗
gende Täge bey Tolna / Baja und Mohacz / welcher Ort von
Mohacz.
der Niederlag des Ungarischen Koͤnigs Ludwig, und hernach
durch den von Herzog Carl aus Lothringen wider den Erb⸗
Feind in vorigen Krieg ansehnlich erfochtenen Sieg nicht wenig be⸗
kannt ist, ferner die Moͤnchen und Brigitten⸗Insul schleunigst vor⸗
bey gefahren, und auf Monastor/ von dar aber nach Peter⸗
wardein fort geeilt. Die Hofnung, daß wir vielleicht das Heil.
Pfingst⸗Fest zu Peterwardein werden begehen koͤnnen, hat ver⸗
E
ursa⸗
- 60 -
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
34
ursachet, daß die Boots⸗Knechte bis in die Nacht um zehen Uhr
und noch länger frisch darauf gerudet, und die Nacht bey nahe zum
Tag gemacht, und duͤrften wir auch wol daselbst um bestimmte Zeit
eingetroffen haben, wann nicht den 27. May ein so starkes Unge⸗
witter und unverhoft entstandener Nord⸗Wind uns zum Anländen
obligirt hätte; wie wir uns dann bemuͤssiget sahen, in der Insul /
Bettler⸗Graben.welche man den Bettlers⸗Graben nennet, schon zum zweytenmal in
aller frühe ans Land zu steigen. Es wird aber besagte Jnsul darum
also genannt, weilen sich allda eine Menge Strassen⸗Räuber und
Mörder aufhalten, so sich Haufen weiß zusammen rotten, und die
Reisenden anfallen und ausplündern, wann sie ihrer mächtig wer⸗
den können. Als vor eben noch nicht gar vielen Jahren der Wol⸗
geborne Freyherr von Nehm / Kaiserlicher General-Feld⸗
Zeugmeister / und neulich gewesener Commendant der Vestung
Peterwardein, alldort von ungefehr vorbey reisete, haben ihn 60.
von dergleichen Gesindel hinterlistig angefallen, und so gar verwun⸗
det, ob er schon 50. Mann in seiner Suite hatte. Als der Him⸗
mel Nachmittag wieder heiter wurde, und der Nord⸗Wind sich
gelegt hatte, nahmen die Boots⸗Knechte ihre Arbeit aufs neue vor die
Hand, worauf wir unsern Cours weiter nach Zunta genommen
wo ohnfern davon sich die Drau in die Donau ergießt / und dem
Sclavo⸗
niens An⸗
fang.Königreich Slavonien den Anfang machet, darauf wir abends
um 8. Uhr zu Erdöd ankommen, woselbst auf einem Berg das
Stamm⸗Haus der ältesten und Hochgebohrnen Grafen Er⸗
dödi und Palfi zu sehen, so aber in vorigen Zeiten durch die geführ⸗
ten Kriege also zugerichtet ist, daß es anjetzo eher zur Wohnung der
Nacht⸗Eulen und anderer Raub⸗Vögel als der Menschen dienen
kan.
Jch habe aber nicht ohne Ursach
gemeldet, daß Erdöd so wol
Stamm⸗
Haus der
Grafen Er⸗
dödi und
Palfi. ein Stamm⸗Haus deren Grafen
Palfi, als Erdödi sey / weilen
das
Palfische Haus von dem Erdödischen herstammet, und gegen⸗
wärtig zweyer Geschlechte
Sprossen aus einer Wurzel grünen.
Dann da einer aus den Erdödischen Grafen zwey Söͤhne hatte,
davon der eine Petrus/ der andere
Paulus hiese, ist des letztern
Sohn
nachgehends Palfi genennet worden / welches eben so viel,
als wann wir in unserer Mutter⸗Sprach
sagten, der Sohn des
Pau⸗
- 61 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
35
Pauli (Pál Fi, Pauli Filius) [2]; und ist hernach dieser Name
den
Nachkömmlingen geblieben, und zu
einem neuen Stamm ge⸗
diehen.
Das Schloß liegt zur linken der Donau, auf einem hohen
vorn abgebrochenen Felsen, worzu man fast keinen Weeg fin⸗
den kan; dahero es auch ehmals seiner Feinde vergeblichen Dro⸗
hungen nur spotten kunte, anjetzo aber bey Erinnerung der vorigen
Beschaffenheit seinen Ruin und gänzlichen Untergang beklagen muß. Der Sla⸗
vonischen
Gebäude
Beschaffen⸗
heit.
Auf dem Berg liegt ein Dorf / welches mit dem Schloß gleichen
Namen führet, dessen meiste Häͤuser, wie durch ganz Slavonien,
unter der Erden stehen, und nur mit dem Dach herfür reichen, al⸗
so daß sie den Hoͤlen der wilden Thiere nicht gar ungleich kommen;
im übrigen aber von Baum Aesten oder Stroh⸗Halmen zusammen
geflochten sind. So bald wir hier angefahren, wurde uns befoh⸗
len, den morgenden Tag noch vor der Sonnen Aufgang zum Ge⸗
dächtnis der sichtbarlichen Sendung des Heil. Geistes Messe zu
halten, als dessen Jahrs Tag wir Morgen begehen würden. Nach
gehaltener Messe sind wir den 28. May als am Pfingst⸗Tag unter
guten Wind wiederum abgefahren, und in kurzem zu Bokovar, wel⸗
ches im Ungarischen so viel als die Stadt Boka (vár arx, civitas)
heißt, und an der Donau liegt, angekommen, woselbst wegen des
heiligen Tags noch mehr Messen gelesen wurden, und deren zwar
so viel / als Priester bey uns waren, welche diesen Tag noch keine
gelesen hatten.
Jndem wir nun Christlichen Gebrauch nach dem Gebot der
Kirchen nachlebten, und GOTT in unserm Glauben durch das H.
Meß⸗Opfer verehrten, kam unvermuthet ein Kaiserlicher Courier
von Constantinopel / welcher nach Wien eilte, und dem Herrn Kaiserl.
Courier
von Con⸗
stantinopel.
Botschafter die Nachricht gab, daß sich der Tüͤrkische Gesandte
schon 40. Tage zu Nissa aufhalte, und unserer Ankunft daselbst mit
Schmerzen abwarte; weswegen wir nach abgefertigtem Courier die
ein wenig unterbrochene Reise mit neuem Muth fortgesetzt, im vor⸗
bey fahren auf der rechten Seiten der Donau Jllok, einen vorneh
Jllok
⸗
men Flecken beobachtet, und denselbigen Tag erst nach der Sonnen
Untergang Futak erreicht, und daselbst uͤbernachtet haben. Allhier ist
Futak.
ein Kaiserliches Proviant-Haus, und die bequemste Ebene / ein
Kriegs⸗Heer darauf zu versammlen; wie dann auch in vorigen Krie⸗
E 2
gen
- 62 -
36
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
gen wegen des nahen Stroms, der vielen Wiesen, und Uberfluß der
Sachen, so man hier besser als anderwerts haben kan, unsere Sol⸗
daten ihr erstes Lager allda auszustecken gewohnt waren.
Peterwar⸗
dein.
Den 29. besagten Monats
haben wir uns mit nicht geringerer
Eilfertigkeit nach Peterwardein, der
Haupt⸗Stadt des Herzog⸗
thums Syrmien und Sclavonien begeben / aber auch daselbst
nicht lang verweilet, sondern uns,
nachdem wir bey dem Herrn
Obrist Tiller und anderer Orten das
Früh⸗Stüͤck eingenom⸗
men, kaum so viel Zeit genommen, diejenige Stadt, welche
einen Zeugen von der im 1716. Jahr den 5. Augusti über die Tür⸗
ken so
merkwürdig erhaltenen Victorie abgegeben, etwas ge⸗
nau zu besehen. Dann da wir nur erst
noch auf den Pasteyen wa⸗
ren, und auf derjenigen Seiten stunden, wo anjetzo ein
unerhörtes
festes Werk aufgeführet
wird, welches vielleicht die alles verzehren⸗
de Zeit selbst trutzen düͤrfte /
zugleich aber denjenigen Ort betrachte⸗
ten, wo der an Mannschaft uns weit
überlegene Feind unsere erst
über das
Wasser setzende Trouppen erwartete, anbey uns verwun⸗
derten, daß, ob sie schon
ganz eingeschlossen und noch darzu tiefer
und an einen weit gefährlichern Ort, als jene, stunden, sie
doch
gleichwol es auf ihre Tapferkeit
und die Anführung des noch nie
überwundenen Heldenmüthigen Prinzen
Eugenii ankom⸗
men liessen, und also denen mit ausgebreiteten Fahnen herzu
eileten
und zum Treffen begierigen
Türken mit ungemeiner Standhaftigkeit
entgegen giengen, siehe / da wurden wir durch öfftere Canonen⸗
Schüsse
ermahnet, uns eiligst zu den Schiffen zu begeben, und un⸗
sere Reise weiter fort
zusetzen: musten aber einen Uhrmacher⸗Ge⸗
sellen, der
denen Pagen zur Bedienung übergeben war, zuruck lassen,
weil er sich wegen beständig
anhaltender Krankheit nicht im Stand
sahe, weiter zu folgen, wie er dann auch bald nach unserer Abreise
daselbst gestorben ist. Jndem wir nun
vom Ufer abgestossen, und
uns in den
Strom begeben, præsentirte sich in derselbigen Gegend
Capell zu
Carlowitz. zur rechten der Donau eine
Capell der allerseeligsten Jungfrau Ma⸗
ria, welche den Namen vom Frieden
führet, weil solche auf Kai⸗
serlichen Befehl nach dem
Carlowitzischen Frieden an eben das
Ort erbauet worden, wo das grosse Gezelt gestanden, unter wel⸗
chem bey
Ausgang des vorigen Seculi der fünf und zwanzig⸗jährige
Stillstand mit dem Türken seine
Richtigkeit erhalten. Zur linken
Hand
- 63 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
37
Hand siehet man Kobila / Titel
/ und diejenige sumpfichte Oerter,
durch welche die Theiß ihr schleimichtes Wasser in die Donau er⸗
gieset. Um
diese Zeit wurde ein Kaiserlicher Courier nach BelKaiserl.
Courier
nach Bel⸗
grad abge⸗
fertiget.
⸗
grad an den Grafen von Oduyer, dasiger Vestung
Commen⸗
danten, und der in dem Koͤnigreich Servien stehenden Kaiserli⸗
chen Miliz
Gränz⸗Generaln abgefertiget, mit der Nachricht,
daß die Kaiserliche Groß⸗Botschaft im Anzug seye, und im
kurzen sich allda einfinden werde,
weswegen er sich moͤgte belieben
lassen, dasjenige ohne Zeit Verlust anzuschaffen, was zur Reise über
Land nöthig seyn würde. Wir indessen
sind bey Salankement
Salanke⸗
ment.
angefahren, welches Ort die Alten
Acumincum genennet, und an⸗
jetzo durch die vielen Kriege vollig
verheert und in der Asche liegt,
auch
wegen des 1681. den 19. Augusti von dem
fuͤrtreflichen Feld⸗
Herrn seiner Zeit, Prinz
Ludwig von Baden / über die Türken Die
Schlacht
daselbst.
erhaltenen Siegs nicht unbekannt ist,
welche Victorie, weil sie an⸗
fangs lang zweifelhaftig gewesen, uns
nicht weniger, als jenen
gekostet
hat: wiewol es endlich doch darzu gekommen, daß nach ei⸗
nem Verlust von
sechs⸗tausend Mann der Unsrigen die Feinde eine
notable Niederlag erlitten, wobey der Groß⸗Vezier, ein Sohn
des
grossen Kiuperli selbst
geblieben, welcher nur darinnen allein unglüͤck⸗
licher als der Vater gewesen, daß er
durch der Feinde Schwerdt
umkommen,
da dieser nach einer langen und glüͤcklichen Regierung
auf dem Bette sein Leben geendiget,
welches sonst wenigen seines
Standes
zu Theil worden.[3]
Der Berg, auf welchen die Schlacht gehalten worden, hat Calvarie⸗Berg.
von den vielen darauf gelegten Menschen⸗Koͤpfen den Namen Cal⸗
varie⸗Berg bekommen, wie dann noch bey Anbauung der Aecker
viel Gebeine von menschlichen Coͤrpern alldort gefunden werden.
Sonst ist dieser Berg daher noch merkwuͤrdig, daß er bey dem Car⸗
lowitzischen Friedens⸗Schluß zur Gränze gesetzt worden; daher es
gekommen, daß, wann etwan aus Nachlässigkeit der Hirten das
Raitzische Viehe über die Gränze nach der andern Seite auf die Wai⸗
de gelauffen, und nicht alsobald zuruck getrieben wurde, man dassel⸗
bige entweder allezeit loͤsen, oder einen jäͤhrlichen Tribut dafür bezah⸗
len müssen.
So bald wir ans Land gestiegen, begab sich der Herr Bot⸗
schafter auf den Berg, diejenige Gegend zu besehen, durch welche
E 3
Er
- 64 -
38
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
Er zu Zeiten der Ungarischen Unruhe die Kaiserliche Armée zum
öftern gefüͤhret hatte. Nachdem Er nun etlichemal daselbst auf und
ab spatziret, ist Er wieder zuruck nach seinem Schiff gekehret, wohin Er
sich einen Grichischen Pfaffen ruffen lassen, verschiedenes von ihrer
Religion und Sitten aus ihm zu erfahren; welcher sich auch also⸗
bald unter Begleitung einiger Ehrwürdigen alten Männer einge⸗
stellt, die ich vor Rechts⸗Gelehrte oder Vorstehere und Richter un⸗
ter dem Volk angesehen, und ihme vermuthlich zu dem Ende beyge⸗
sellet waren, damit ihre grauen Haare diesen jungen aber dabey
scil. gelehrten und verstäͤndigen Mann ein desto mehreres Ansehen
geben moͤgten. Hierzu fanden sich auch zwey aus dem ersten Adel
ein, nemlich die Grafen Bathyani, ein Ungar, und Bielinski/ ein
Polack, welche der Sprach dieses Landes kundig, und sich glüͤcklich
schätzten, daß diese Leute ihnen aufgestossen, von welchen sie eben so
wol vieles zu lernen hoften, als ich, der ich mir gleichfalls flattirte,
daß ihre Gegenwart mir nicht geringen Nutzen schaffen wuͤrde. Wir
sind aber leider in unserer Hofnung schaͤndlich betrogen worden, an⸗
Unwissen⸗
heit der
Grichischen
Priester. gesehen wir an diesem Mann einen so grossen Ignoranten vor uns
hatten, als man uns jederzeit die Grichische Priester, so von den
ihrigen πάππας genennt werden, beschrieben hat, wovon auch, wel⸗
ches höchstens zu bewundern, und schmerzlich zu betauren, die Bi⸗
schöffe und Kirchen⸗Vorsteher selbsten nicht ausgeschlossen sind, wie
wir nachmals aus der Erfahrung und vielen Umgang mit ihnen wol
innen worden.
Endlich sind wir den 30. May nach vierzehen⸗tägiger Reise zu
Belgrad.
Belgrad glüͤcklich angelangt, welche Vestung wir erst im letzten
Krieg von dem Erb⸗Feind wiederum erobert haben. Sie liegt auf
einem Berg zwischen der Sau und Donau, und hat unterschiedli⸗
che dort herum liegende und in das weite Feld sich ausbreitende
Städte unter sich. Auf derjenigen Seiten, auf welcher sie die un⸗
sern angegriffen, wird ein neues Werk verfertiget, damit sie vor de⸗
nen feindlichen Anfällen desto besser gesichert seyn könne. Es ist
nicht nur aller in der letzten Belägerung zugefügter Schaden wieder⸗
um repariret, sondern auch mit neu⸗ angelegten gefütterten Horn⸗
werken, ingleichen mit Cortinen oder Flächen zwischen denen Pa⸗
steyen, Gräben und Wällen also befestiget, daß die Vestung nun
wol dreymal stärker, als sie zuvor gewesen: und wann die Tuͤrken, unter
an⸗
- 65 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
39
andern auch diejenige, welche sich bey der Gesandtschaft nach dem
Römisch⸗Kaiserlichen Hof befinden, und vielleicht ehmals all⸗
da gewohnt, solche wiedersehen / werden sie sich kaum einbilden koͤn⸗
nen, daß sie in ihrem alten Grichisch⸗Weisenburg seyn, sondern duͤrften
wol eher dafür halten, man füͤhre sie durch eine unuͤberwindliche
Vestung, so gar wenig mehr hat sie von ihrer vorigen Gestalt an
sich. Unweit von demjenigen Thurn / in welchem eine Feuer⸗Kugel
das Pulver angezuͤndet, und dadurch die untere Stadt vollig üͤber ei⸗
nen Haufen geworfen, ist anjetzo zu mehrerer Sicherheit dieses schäd⸗
lichen Elements eine doppelte Gruft in einen harten lebendigen Fel⸗
sen gehauen, und durch ihres Commendanten Grafen Oduyers
ungemeine Klugheit, grosse Sorgfalt und unermudeten Fleiß in ei⸗
nen so vollkommenen Stand gesetzet / daß, wo anders GOttes
Wille dabey ist, diese Vestung hinfort jederzeit ihrer Feinde Nach⸗
stellungen wird großmüthig verlachen und vor aller Gefahr sicher
seyn können.
Es schiene unsere Ankunft jederman höͤchst⸗angenehm zu seyn,
wiewol auch solche einem Feuerwerker oder Constabels der BesaUnglück
eines Con⸗
stabels.
⸗
tzung zum Nachtheil ausschlug, welcher, weil das kurz vorhero loß⸗
gebrannte Stuck weder genug erkaltet, noch gebuͤhrender massen
ausgewischt und gereinigt war, von dem zur neuen Ladung hinein⸗
geschütteten aber auch zugleich entzuͤndeten Pulver üͤber den Wall
bis an das Ufer disseits der Sau geschmissen, und halb verbrannt
auch ihm noch darzu beide Häͤnde vom Leib geschlagen worden. Doch Empfang
der Kaiserl.
Groß⸗Bot⸗
schaft zu
Belgrad.
gleichwol hat dieser traurige Casus die uͤbrigen angestellten Lustbar⸗
keiten nicht unterbrochen, und wurde zu dem Mittagmal, welche die
ganze Zeit unsers Aufenthalts zu Belgrad für den ganzen Adel auf
das köstlichste und prächtigste zu bereitet war, durch sechs kleine Stuͤ⸗
cke, so in dem Garten gepflanzt stunden, und deren oft wiederholte Loß⸗
brennung, das Zeichen gegeben, wodurch die ganze Nachbarschaft
zugleich versichert worden, daß die Kaiserliche Groß⸗Botschaft
nunmehro angelangt, welche der Herr Commendant von jederman
wolte geehret wissen. Zu diesem nun hat den Herrn Groß⸗Bot⸗
schafter / welcher gleich bey Seiner Ankunft um besserer Gemächlich⸗
keit willen das Schiff verlassen, besagter Commendant in einem mit
sechs Pferden bespannten Wagen in seine Behausung gefüͤhrt, all⸗
wo Seine Excellenz von einer in Gewehr stehenden Compagnie
Grana⸗
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40
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
Granadierer empfangen worden, die auch daselbst zur Leib⸗Wacht
verordnet waren. Alle Ergötzlichkeiten, welche gegenwärtige Jahrs⸗
Zeit und dasigen Orts Gelegenheit nur erlaubte, liese der Graf
Oduyer anstellen, den Herrn Groß⸗Botschafter und die uͤbrigen
Gäste damit zu beehren; welche unter andern in angestellten Gesell⸗
schaften, Tänzen und Spielen, die mehrentheils bis in die spate
Nacht tauerten, wie auch Comoͤdien bestunden, so die Soldaten in
Teutsch⸗ und Welscher Sprach agirten, und in welchen der Herr
Groß⸗Botschafter bey Seinem Eintritt alter Gewonheit nach
allezeit mit einer Music beneventirt wurde; welches alles dann der
geneigte Leser ohne Zweifel für solche Sachen halten wird, bey wel⸗
chen sich die Zeit auf das vergnüͤgste passiren laͤsset.
Jndeme wir uns nun zu Belgrad aufhielten, und etwas
zu gut thäten, damit wir zur küͤnftigen Reiß desto geschickter seyn
möchten, anbey uns allerhand erlaubten Kurzweil bedienten, wur⸗
den nichts destoweniger die Kaiserlichen Geschäfte eifrig getrieben,
und von dem Herrn Groß⸗Botschafter und Grafen Oduyer
mit aller Treue und Sorgfalt ausgeführet, so daß die Verweilung
hiesiges Orts kein muͤssiger Aufenthalt, sondern die groͤste Bemü⸗
hung zu nennen war, worinnen sich diese zwey grosse Kriegs⸗Män⸗
ner in Vollziehung der Kaiserlichen Befehle jedesmal finden las⸗
Absendung
eines Kai⸗
serl. Cou⸗
riers nach Nissa.sen. Man fertigte einen Kaiserlichen Courier nach Nissa ab,
welcher den Tuͤrkischen nach Wien bestimmten Botschafter unse⸗
re Ankunft bedeutete; auf der Gränz suchte man sich einen Platz
aus, wo die Auswechslung geschehen solte; das Lager wurde ausge⸗
stochen, und Zeichen aufgerichtet / üͤber welche die Soldaten nicht
schreiten durften; man bemuͤhet sich mit Einrichtung des Ceremo⸗
niels, wie es nemlich bey der Auswechslung solte gehalten werden,
welches auch nach einigen hin und her schicken mit beider Theile Ver⸗
gnügen zum Stande gekommen; die zur Fortschaffung unserer Perso⸗
nen und Sachen benoͤthigte Wägen wurden vom Land herein ver⸗
schrieben, Küsten und Kasten aufgepackt, das Proviant herbey ge⸗
schafft, und aus unterschiedenen Regimentern Dragoner, Curassiers
und leicht bewafnete Reuter, so die Ungarn Husarn nennen bis
1500. zusammen gezogen, worzu noch 200. Granadierer zu Fuß ge⸗
stossen, so uns begleiten, auch im Fall es nöͤthig wäre, zu unserer
Defens⸗
- 67 -
Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
41
Defension dienen solten, anbey die bevorstehende Reise ordentlich
eingerichtet.
Da nun dieses alles von andern aufs beste versehen worden, bin
ich eintzig und allein darauf bedacht gewesen, wie ich dasjenige, was
hier merkwuͤrdiges zu betrachten, oder auf einige Weiß zu unsers
Großmächtigsten Kaisers und unüberwindlichen Prin⸗
zens mehrern Ruhm gereichen, und unsere Historie vermehren koͤn⸗
te, aufsuchen möͤgte. Zu dem Ende habe ich mich den 2. Junii
auf dasselbige Feld begeben, wo vor wenig Jahren diejenige
Schlacht gehalten worden, welche der ganzen Sache den Ausschlag
geben muste, aber, wie bekannt, vor die Tuͤrken gar ungluͤcklich aus⸗
gefallen ist. Es lag daselbst alles noch voller Toden⸗Beine / welche die
Türken unbegraben hingeworfen oder vielmehr zuruͤck gelassen, und
die der Erden eingeprägte Merkmale erzehlten die Victorien eines
solchen Feldherrns, dessen Tapferkeit die mit Schaden klug gemach⸗
te Feinde furchtsam, uns aber voller Verwunderung darüber ge⸗
macht; von welchen auch nicht leicht jemand anders als mit groͤster
Ehrerbietung und allen Respect reden wird: wie man Jhm dann
auch zu seinem unsterblichen Ruhm wird nachsagen muͤssen, daß er
die schon zweymal verfallene und beynahe verlohrne Sache der
Christenheit ganz allein voͤllig wieder hergestellet. Die von der Do⸗
nau bis an die Sau gefüͤhrte Linie, mit welcher sich unsere Ar⸗
mee zur Zeit der Belagerung vor dem aus allen Theilen der Welt
hertringenden Feind bedecket, ist mit einem breiten und hohen Wall,
aus Erd gemachten Schanz⸗Körben und unterschiedlichen hin und
wieder angelegten Werkern versehen, und siehet einer neuen Ve⸗
stung nicht unähnlich, so daß man anjetzo weder dem Schloß noch
der Stadt beykommen kan, es sey dann, daß uns der Feind vorher
aus diesen Linien vertrieben: und also haben die Kaiserliche Läͤn⸗
der nunmehr eine gedoppelte Vormauer, wo die Tuͤrken vorhero nur
eine einfache gehabt. Es ist nicht ohne innerliche Gemuͤths⸗Bewe⸗
gung anzusehen, wie diejenige Stadt, so vor kurzem vom Tüͤrki⸗
schen Aberglauben angefüllt, und des Mahomets vornehmster
Wohn⸗Platz in diesen Ländern war nunmehro dem Dienst des
wahren GOttes und den Glauben ihrer Christlichen Vorfahren
wiederum offen stehet; wie diejenigen Kirchen, spreche ich worin⸗
nen zwar Anfangs der rechte GOttes⸗Dienst floriret, aber nachge⸗
F
hends
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42
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
hends schäͤndlich entheiliget und zu Gotts⸗vergessenen Huren⸗Häu⸗
sern gemacht worden, nun auf das neue ihre vorige Heiligkeit wieder
erlanget; und da sie vorher zu des unverschäͤmtesten Bubens und
Erz⸗Betrügers Gottlosigkeit dienen müssen: zu des Dreyeinigen
GOttes Ehren von der glaubigen Gemeine anjetzo abermal besucht
werden. Hievon kunte man den 4. Junii, als am Fest der Hoch⸗
heiligen Dreyfaltigkeit ein erbauliches Exempel sehen, da das
Heiligen Römischen Reichs Graf Ernst von Schratten⸗
bach / infulirter Abt zu Domben, und Prälat bey dieser Groß⸗
Botschaft, in dem GOttes⸗Hauß der Trinitarier in Beyseyn des
Herrn Botschafters dessen ganzen Hofstatt, und des gesamten all⸗
dorten befindlichen Adels, ein hohes Kirchen⸗Amt hielte, wobey
unsere Musicanten mit allen ihren Instrumenten eine schoͤne und an⸗
genehme Music machten. Auf dieses hohe Amt folgte eine zierliche
Rede, welche ein Priester aus der Gesellschaft Jesu zum Volk hiel⸗
te, und auf die Besserung des Lebens, und andächtigere Begehung
dieses heiligen Festes zielete.
Türkischer
Mönch. Als ich den 5. Junj ungefehr um die Stadt spatzirte, begegnete
mir ein Türkischer Monch, so sie Dervichs auf ihre Sprach nennen,
und eine Art von ihren Geistlichen ist, deren meiste Ubung im hin⸗
und herwenden bestehet. Er gieng halb nackend, und wohnte in kei⸗
nem Hauß, sondern lag unter freyen Himmel bey Regen und Unge⸗
witter; seine Speise war nichts anders als Kräͤuter und Wurzel, so
er sich selbst zusammen suchte, und mit nichts als dem puren Wasser
abkochte, auch einig und allein mit dem frischen Wasser seinen
Durst löschte. Er sahe niemand an, redete auch mit keinem Men⸗
schen; doch gieng er in der Stadt herum, und wann ihn jemand
freywillig was schenken wolte, so nahme er es mit Dank an, begehr⸗
te aber von niemand etwas. Nicht ferne von der Vestung lage er
in den Grüͤnen unter den Disteln, und rauchte Tobac, oder kochte
sich etwas auf den Mittag, oder verrichtete sein tägliches Gebet,
Rosen⸗Cränze der
Türken. führte auch beständig seinen Rosen⸗Cranz in der Hand, welcher den
unsern nicht gar ungleich, nur daß die Coralln daran um ein merk⸗
liches dicker, und auch an der Zahl die unsrigen zu uͤbertreffen schei⸗
nen. An diesem Tag ließ der Graf Oduyer die zweyte Comoͤdie,
Jphigenia genannt, spielen, da Er schon vorher einmal die Bereni⸗
ce agiren lassen; in welcher der Herr Botschafter abermal stracks
bey
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Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
43
bey seinem Eintritt mit einer Music beehret worden: nach derselbi⸗
gen wurde ein Danz in des Graf Oduyers Behausung gehalten,
so bis in die späte Nacht gedauert hatte, welches nachgehends noch
öfters geschehen. Worauf den 6ten der Kaiserliche Ingenieur⸗
Hauptmann Hr. Oebschelwitz mit demjenigen Tüͤrken, welcher
Ceremo⸗
nie in Auf⸗
richtung
der Säulen.
von Nissa aus zur Einrichtung des Ceremoniels an uns gesendet wor⸗
den, nach der Gränz abgereißt, die Aufrichtung der Saͤulen daselbst
zu besorgen, und unsers Kaisers Nutzen dabey zu beobachten. Wo
die Mittlere stehen solte, da musten die Erden auszugraben, und die
Säule aufzurichten und zu befestigen, von einer Parthey so viel Ar⸗
beiter, als von der andern, genommen werden: da hingegen bey
Aufrichtung der äussern einem jeden frey stunde, wie viel er von sei⸗
nen Leuten dazu nehmen wolte. Den 7ten und 8ten Junj kamen
die Wagen an, welche unsere Sachen fort bringen solten, die man
auch in gleiche Theil getheilet, und das meiste davon an Me⸗
dardi Tag nach Krotzka voraus geschickt. So gieng auch der
Hofmeister nebst einigen von Adel mit der Post ab damit jener
die Wohnung in Augenschein nehmen, und den Herrn Botschaf⸗
ter samt dessen Gefolg bequem logiren, diese aber einige Zeit zum
ausrasten gewinnen moͤgten.
Als der 9te Tag des Monats Junii eingebrochen, und das Die Abrei⸗
se der Bot⸗
schaft von
Belgrad.
Mittagmal bey dem Graf Oduyer eingenommen war, ist der
Herr Botschafter mit wenig andern wieder zu Schiff gegangen,
ohnerachtet es den ganzen vorigen Tag und die Nacht, auch selbigen
Vormittag mit Wind und Regen beständig angehalten / woraus uns
die Bauers⸗Leute eine lang⸗daurende Näͤsse prognosticirten, wie⸗
wol es sich Nachmittag wieder ein wenig ausgekläret. Die meisten
von den Unsrigen haben sich zu Land nach Krotzka begeben wollen,
Krotzka.
sind aber nicht alle, wie wir wol glaubten, dahin gekommen, son⸗
dern zum Theil durch die eingefallene Nacht von der rechten Stras⸗
sen abgeführt, theils durch andere Zufälle verhindert worden,
daß sie diesen Abend nicht mehr, sondern erst den folgenden Tag bey
aufgehender Sonne / als wir eben schon wieder reißfertig stunden,
angelanget, da sie die Nacht vorher in dem Wald ausdauren
müssen. Zu bemeldtem Krotzka hat der Graf Oduyer laͤnger
F 2
denn
- 70 -
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
44
denn eine Stunde auf den Herrn Botschafter gewartet, weil er
zu Land den Weeg geschwinder zuruck gelegt. Allhier haben wir
Pferde von den Regimentern bekommen, deren wir uns bis an die
Gränzen bedienen konten.
Den 10ten sind wir nacher Kollar aufgebrochen, wohin die
Kollar.Kaiserlichen Soldaten / die dem Herrn Botschafter mit seinem
Comitat zur Begleitung und Defension dienen solten, theils voran⸗
gegangen, theils aber Demselbigen gefolget. Jn diesem vorzeiten so
ansehnlichen Flecken sind so wol, als in dem ganzen Königreich
wenig Häuser mehr unter den zerstöͤrten Gebäͤuen anzutreffen, wel⸗
che man bewohnen könte. Nicht gar eine halbe Stunde davon zur
linken Hand lieget eine Wiese, worauf ein mit dem hellsten Wasser
angefüͤllter Brunne, wobey sich nach der erst neulich bey Belgrad
gehaltenen Schlacht viel fluͤchtige Tuͤrken niedergelassen, ihre ermat⸗
teten Kräften etwas wieder zu erholen, sind aber von den Unsrigen
eingeholt und alle zusammen nieder gehauen worden. Den 11ten
Haßan
Bascha
Pallanka
haben wir wiederum Kollar verlassen, das Früͤh⸗Stuck zu Haßan
Bascha Palanka, oder in der von Haßan Bascha erbauten
Vestung (sintemaln Palanka eine Vestung bedeutet,) eingenommen,
Potischina
und uns weiter nach Potitschina begeben, wohin aber auser dem
Herrn Botschafter die wenigsten gekommen / so wol wegen des
bösen Wetters / als auch weilen die Brucken auf dem Weeg zerbro⸗
chen war / sondern abermal in dem Wald pernoctiren muͤssen:
von dar wir ferner den andern Tag über Devibakerdane nach
Morava
Palanka.
Jagodina / und den 13ten nach Morava Palanka / drey
Stunde über Jagodina hinaus / gerucket; nach welchem Ort der
General Oduyer schon den Tag vorher abgegangen, da wir kaum
zu Jagodina angelangt, aber heute gegen die Nacht erst kurz vor
dem Abend⸗Essen wiederum zu uns gekommen, damit Er die üͤber
Die Brücke
über die
Morava. die Morava geschlagene Brücke in Augenschein nehmen mögte.
Als wir daselbst angekommen, haben wir länger als drey Stunde
auf dieser Seite des Ufers warten müssen, ehe wir über den Fluß
kommen koͤnnen, weil die erst neu⸗verfertigte Brüͤcke selbige Nacht
durch die Gewalt des Wassers, und der in dem Strom schwim⸗
menden Baͤumen an dreyen Orten Schaden genommen. Nachdem
nun aber solcher in aller Eil repariret ward, und wir üͤber den Fluß
gesetzt, haben wir auf der andern Seiten zwischen zweyen Wassern
aber⸗
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Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl.
45
abermal still halten muͤssen, weil üͤber die Ravenitz gleichfalls eine
Brucke muste geschlagen werden. In dem ersten Strom, welcher Merkmal
der alten
Brücken
über die
Morava.
viel breiter, als dieser letztere, reichen noch aus dem Wasser einige
Stein⸗Haufen von der vorigen Brüͤcke herfüͤr, welche die Tuͤrken
bey ihrer letzten Flucht von Belgrad nach Nissa, als die aͤusser⸗
ste Retirade an der Gräͤnz, hinter sich abgeworfen, damit die Teut⸗
schen durch den Fluß von weitern Nachsetzen abgehalten wuͤrden.
Dieser Brucken⸗Bau aber ist nicht ohne Ungluͤck abgangen; dann Ein Hand⸗
werks⸗
mann er⸗
sauft.
als einer von den Handwerks⸗Leuten, ein Teutscher, und guter ehr⸗
licher Mann, wie ihm diejenige, die ihn kannten, nachruͤhmten, die
ruinirte Brücke ausbesserte, und einen neuen Balken an den Ort, wo
sie aus einander stunde, mit allen Leibes⸗Kraͤften hinein stossen wolte,
damit solcher nicht weiter als die andern herfuͤr gehen solte, hat er
das Tempo verfehlt, und ist von der Brüͤcke in das Wasser hinab
gestürzet, und von dem Wuͤrbel fort gerissen worden, so daß er im
Angesicht vieler, die ihme gerne zu Hüͤlf gekommen waͤren, wann sie
nur eine Möͤglichkeit vor sich gesehen, ersaufen muͤssen.
Hierauf sind die mehristen von uns noch denselbigen Abend nach
Parakin.
Parakin kommen, auser etlichen wenigen, welche mit den schwehr
beladenen Bagage-Waͤgen gefahren, und wegen immer anhaltenden
Regen und schlimmen Weeg an den ohnedem sumpfichten und mo⸗
sichten Oertern nicht fort kommen koͤnnen, und dahero erst den an⸗
dern Tag ganz beregnet und naß zu uns gestossen. Hier hat uns
abermal, wie zu Jagodina, die Moschee zum Speiß⸗Zimmer und
zugleich zur Nacht⸗Herberg dienen müssen, und wurde dem Bac⸗
chus und der Ceres ein Altar allda aufgerichtet, wo vor kurzem der
gottlose Betrieger Mahomet seine Kirche hatte. Den 14ten haben
wir zu Parakin Rast⸗Tag gehalten und zur Auswechslung uns
fertig gemacht; an welchem Tag gegen acht Uhr der neulich nach
Wien abgeschickte Aga mit dem Herrn Schmiedt/ Kaiserli⸗
chen Dolmetsch der Orientalischen Sprachen, von dar wieder zu⸗
ruck kam, den Türkischen Botschafter durch Ungarn und Oe⸗
sterreich nach der Kaiserlichen Residenz⸗Stadt zu begleiten:
welcher auch vor unsern Herrn Botschafter gefüͤhrt worden; und
so bald er seine aufhabende Commission abgelegt, hat er sich eilends
nach Nissa zur bemeldten Türkischen Botschaft begeben. Nach⸗
mittag um fuͤnf Uhr wurde ein anderer Tüͤrkischer Aga vom Seras⸗
F 3
kier
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46
Erstes Buch / Dritte Abtheilung /
Ein von
Seraskier
abgeschick⸗
ter Both. kier Abdola Bascha / Commendanten der Gränz und Vestung
Nissa, mit 20. Reutern abgeschickt, welcher einen auf Pergament
geschriebenen und mit einem seidenen rothen und mit Gold gestickten
Umschlag versehenen Brief, dergleichen sie sich an vornehme Perso⸗
Beschaf⸗
fenheit der
Türkischen
Briefe.nen, leinene oder wuͤllene aber an einen Unterthanen oder ihres glei⸗
chen bedienen, an den Graf Oduyer mit brachte; den der besagte
Graf durch seinen Dolmetsch, so er nur nebst dem Uberbringer al⸗
lein bey sich im Zimmer gelassen, da die andern indessen bey der Thuͤr
die angekommene Spahi vorwitzig betrachteten, auf alle Puncten
kurze Antwort ertheilte. Der Jnhalt des Briefs aber bestunde
vornemlich darinnen: wie ein und anders in dem Aufsatz des Cere⸗
moniels absonderlich aber dieses zu verstehen wäre, wann wir prae⸗
tendirten, daß man uns unter Paucken⸗ und Trompeten⸗Schall und
mit fliegenden Fahnen durch die Gränz⸗Vestung führen solle? wel⸗
ches ihre Dolmetschen, wie es schiene, nicht recht capirt haͤtten.
Nachdem nun deswegen genugsamer Bericht ertheilt, und zum Zei⸗
chen guter Verständnis und Freundschaft der gewoͤhnliche Caffé
nebst eingemachten Fruͤchten, als eine den Tuͤrken gar angenehme
Sache, vorgesetzt worden, ist er, wie solches verzehrt war,
mit den Seinigen wieder nach Raschna / woher er gekommen
zuruck gekehrt; welchen der Graf Oduyer bey seinem Abschied
aufgetragen, seinem Herrn Botschafter in seinem Namen das
Compliment zu machen, und ihn zu entschuldigen / wann er einen
solchen Gast, als er an Demselbigen bekommen wuͤrde, nicht nach
Wunsch logiren koͤnnte, weil die vornehmsten Haͤuser zu Belgrad
durch die letzte Belägerung ruinirt und in Asche gelegt worden, wel⸗
che bishero noch nicht völlig wiederum aufgebauet werden koͤnnen.
Weil es auch vielen von unsern Leuten sehr wahrscheinlich vorkam,
daß einige von diesen Spahi oder Tüͤrkischen Reutern, welche dieser
Aga bey sich hatte, nebst der Tüͤrkischen auch der Teutschen Sprach
kundig wären, auch solches einiger massen aus ihrem Thun und
Lassen abnehmen kunten, haben wir uns sorgfaͤltig gehuͤtet, daß wir
ja nichts redeten, welches ihnen einigen Verdruß verursachen moͤgte.
Eben dazumal wurden denen Pagen, Heyducken und Laquayen des
Herrn Botschafters, der Leib⸗Wacht und andern, die Kleider aus⸗
getheilt, in welchen sie des andern Tags erscheinen solten.
Je⸗
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Reise von Lora bis Belgr. und den Ort der Auswechsl. 47
Jedoch ehe ich in demjenigen fortfahre, was sich bey der Auswechs⸗
lung zugetragen, muß ich noch etwas erzehlen, so derselbigen vor⸗
her gegangen: Es sind die Tüͤrken, als ein sehr ehrgeitziges Volk, Ehrgeitz
der Türken.
jederzeit darauf bedacht gewesen, wie sie diese ihre Gesandtschaft an⸗
sehnlicher, als wir die Unsrige / machen möͤgten; weswegen, hierzu
etwas zu contribuiren, derjenige, welcher zu Belgrad Tüͤrkischer
Seits das Ceremoniel mit einrichten helfen, und ein Quartier⸗
Meister war, so sie Reczep Aga nennen, dem Graf Oduyer im
Namen des Seraskiers 50. Beutel, so bey nahe 10000. Ducaten
ausmachen, versprochen, wann er verschaffen wuͤrde, daß er nach
gethaner Auswechslung entweder die vordere Stelle oder rechte Hand
in der Zuruͤckkehr einnehmen duͤrfte, in Betrachtung, daß er ein
Bascha von drey Roß⸗Schweifen, und unter denen Beglerbey
und Viziren/ oder Stadthaltern deren Provinzen nicht der gering⸗
ste wäre, oder welches ohne dem noch niemaln nach dem letzten
Friedens⸗Schluß geschehen, zu verhindern belieben moͤgte, damit er
nicht nach des Herrn Groß⸗Botschafters Besuchung nöthig
hätte, seine Gegen⸗Visite bey ihm abzustatten. Weme nun des
Herrn Generals standhaftes und unbezwingliches Gemuͤth nebst
seiner Liebe zur Gerechtigkeit und unverfaͤlschte Treue bekannt, wird
leicht errathen, was für eine Antwort auf diesen unvermutheten
Vortrag gefallen ist. Wann mir, ließ Er sich darauf vernehmen,
die ganze Welt vom puren Gold angebotten wuͤrde, koͤnnte noch
dürfte ich dieses gleichwol, in Ansehung meiner öͤffentlichen Bedie⸗
nung, nicht verstatten, wann ich es schon als ein privat-Mann aus
sonderbarer Freundschaft zu lassen wolte. Was aber den Herrn
Groß⸗Botschafter betrifft, führt derselbige einen solchen Cha⸗
racter, daß Er in dessen Betrachtung niemand weichen kan; ist an⸗
bey von solcher Gemüͤths⸗Beschaffenheit und Wüͤrde, daß,
wann Er auch gleich Amts⸗halben nachgeben koͤnnte,
Er es doch nicht wuͤrde thun wollen.
Vier⸗
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Erstes Buch / Vierte Abtheilung /
48
Vierte Abtheilung.
SO sind wir nun, wie gemeldet, den 14. Junj zu Parakin
angelangt, und haben daselbst Rast⸗Tag gehalten; von
dar aber den andern Tag zu demjenigen Ort gekommen,
wo die Auswechslung würklich geschehen. Dieser liegt zwischen
Der Ort
der Aus⸗
wechs⸗
lung.
Parakin und Raschna / als woselbst sich eine lange Wiese befin⸗
det, welche ein kleiner Fluß, Schuppellia genannt, durchschnei⸗
det, und mit Bergen und Wäͤldern auf beiden Seiten umgeben ist:
allda haben wir uns von dem ordentlichen Weeg ab, und etwas auf
die rechte Seiten gewendet, weil dieser Platz am bequemsten war,
unsere Soldaten in Ordnung zu stellen, worauf wir auch in selbi⸗
ger Ebne etliche Stunden stehend geblieben; der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter aber hat sich indessen in dasjenige Zelt retirirt, welches der
An uns ab⸗
gefertigte
Türkischen
Bothen.
Graf Oduyer aufschlagen lassen. Als wir noch dahin unter Wee⸗
ges waren, kamen unterschiedliche Tuͤrken bey bemeldten Grafen an,
wegen eines und des andern Bericht einzuholen: und indem wir am
erst⸗besagten Ort campirten, kam auch ein Capigi Baschi / oder
Wechsels⸗
weiser
Gruß der
Herrn Bot⸗
schafter.Cammer⸗Herr bey denen Türken, unter einer Begleitung von 14.
Pferden zu unsern Herrn Groß⸗Botschafter / welcher Jhm
nach Contestirung öffentlicher Freundschaft in Namen seines Bot⸗
schafters das Compliment machte. Diesem wurde, so bald man
ihn noch von ferne wahrnehmen kunte, der Freyherr von Stu⸗
denitz entgegen gesandt, welcher das Gegen⸗Compliment ablegen
solte, wann er in Erfahrung bringen wuͤrde, daß jener um angezeigter
Ursach willen gekommen; wo er aber eine andere vermerken moͤgte,
könnte er sich nur auch anstellen, als ob er um einer ganz andern
Verrichtung wegen ausgeschickt wäre: angesehen der Herr Bot⸗
schafter dafür hielte, daß es seinem Character nicht zukomme, der⸗
gleichen Bewillkommungs⸗Compliment zu erst ablegen zu lassen;
jedoch aber solches anheut völlig oder über die Zeit zu verschieben
der Wohlstand gleichwol auch nicht erlauben wolle. Weil aber der
Baron seinen Weeg fortgesetzet, und nicht, wie er in Commission
hatte / im Fall der Capigi Baschi einer andern Ursach wegen sich
sehen liesse, wieder zurück gekommen, kunten wir leichtlich daraus
die wahre Beschaffenheit der Sache urtheilen. Es muste aber dersel⸗
bige
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Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna
49
bige an der Spitze unsers Lagers so lang warten, bis daß dessen An⸗
kunft dem Graf Waldeck, durch diesen aber dem Herrn Bot⸗
schafter selbst angezeigt, und er hernach durch des Herrn General
Oduyer seine Leute vorgefuͤhret wurde. Diesen Abgeordneten em⸗
pfienge der Herr Botschafter sitzend, da jener indessen vor ihm
stehend blieb; an statt dessen der Unsrige mit dem Tuͤrkischen Gesand⸗
ten auf der Sofaus, oder dem in dem Zelt auf der Erden liegenden
länglichten Polster, gesessen: und nechst den Weeg / wo der Türkische
Abgeordnete herkam, und wieder zuruck kehrte, stunde unsere Hof⸗
statt auf beiden Seiten rangirt, um ihren prächtigen Aufzug sehen
zu lassen. Aber laßt uns jetzo einmal, nach einem Aufenthalt von
dreyen Stunden auf vorgedachter Wiese, auch die Auswechslung
selbst ansehen.
Mitten auf der Wiese præsentirten sich in gleicher Linie hinter
einander drey steinerne viereckichte Säulen, welche oben zugespitzt Die Gränz⸗Säulen.
waren, und 20. Werk⸗Schuh weit von einander stunden. Bey der
Mittlern sind die beiden Herrn Groß⸗Botschafter einander zu
Fuß entgegen gegangen, und zu dem Ende fuͤnf Schritt vorher von
den Pferden abgestiegen; welche Saͤule auch ins kuͤnftige die Gräͤnz⸗
Scheidung machen wird, so daß disseits des Röͤmischen Kai⸗
sers Gebiet sich hinfuͤhro endigen, jenseits derselbigen aber das von
der Ottomannischen Pforte anfangen wird. Neben diesen
Säulen sind noch Stangen in ungleicher Weite aufgesteckt gewesen,
welche anzeigten, wo jedwede Parthey von ihren Pferden abstei⸗
gen solte. Bey der letztern, welche von der ersten 80. Schritt ab⸗
stunde, ließ sich unser Kriegs⸗Volk in den Waffen sehen, welches
kurz vorher mit dem Grafen Oduyer dahin abgegangen, unsern
Herrn Botschafter zu erwarten; die Ordnung aber, so dabey
gehalten wurde, ware folgende: In der Mitte stunden die zwey
Granadier⸗Compagnien vom Geschwindischen und Prinz Ale⸗
xanders von Wuͤrtenberg Regiment; diese hatten zu beiden
Seiten drey Esquadrons von Dragonern, davon die erste aus dem
Prinz Friedrich Wuͤrtembergischen, die zweyte von Bareu⸗
thischen / und die dritte vom Regiment de Batté gezogen war,
worzu noch zwey Haufen von den Carduanischen und Vasquezi⸗
schen Curassirern kamen, die beiden Fluͤgel aber formirten 500.
G
leicht
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50
Erstes Buch/ Vierte Abtheilung /
leicht gewafnete und zum Nachhauen versehene Hussaren vom Na⸗
dastischen und Babocsayischen Regiment, welche insgesamt der
Graf von Waldeck, Obrist⸗Lieutenant unter dem Bayreuthi⸗
schen Regiment unter Commando des Grafen von Oduyer
anführte. Vor dieser kleinen Armee wurden 6. kleine zwey Pfund
und vier loͤthige Kugeln fuͤhrende Stuͤcklein hergezogen / damit man
selbige nach geschehener Auswechslung zum Freuden⸗Schiessen, oder
auch, wo es noͤthig, zu unserer Defension, gebrauchen koͤnnte, wel⸗
che erst neulich zu diesem Ende in dem Zeug⸗Hauß zu Belgrad ge⸗
gossen worden. Auf der andern Seite sahe man die Tuͤrkische Cavalle⸗
rie, welche eben so stark, als die Unsrige, und von der Stange in
gleicher Weite entfernet, aber in keiner solchen Ordnung ausgethei⸗
let war, sondern bald hier, bald dort herum schwermete, jedoch nicht
Das Ge⸗
präng der
Auswechs⸗
lung.über die Gräͤnze noch Stange sich zu ruͤcken getrauete. Der hierzu
verordnete Graf Oduyer, wie auch der Seraskier / Gränz⸗
Commendant, sind bis zur mittlern Saͤulen vorangegangen, nach⸗
dem sie, wie nachgehends auch die Herrn Botschafter selbsten / ih⸗
re Pferde bey der letztern ihre Bediente aber bey der äusersten
Stangen stehen lassen. Allda haben sie sich gegen einander auf zwey
Stüͤhle ohne Lehnen niedergesetzt, welche, nebst noch andern zweyen
gleichfalls ohne Lehnen, der Graf Oduyer aus seinem Gezelt da⸗
hin geschaffet; und nachdem Sie eine zeitlang also mit einander ge⸗
redet, und dasjenige folgends ausgemacht, was in dem Ceremoniel
noch nicht völlig erörtert war, haben sie einander mit Caffé und
Chocolate, und eingemachten Fruͤchten, wie auch wolriechenden
Wassern und Beraͤucherung die gewöͤhnliche Ehre erwiesen.
Nicht lang hernach hat der Graf Oduyer unsern Hn. Groß⸗
Botschafter, der Seraskier aber dem Seinigen wissen lassen,
daß nunmehr die bestimmte Zeit zur Auswechslung herbey nahe;
worauf der Unsrige alsobald durch die Trompeter das Zeichen zum
Aufbruch geben ließ, und sich so fort aus des Grafen Oduyers
Zelt in der ohnläͤngst zu Wien gehaltenen Ordnung nach mehr be⸗
meldten Ort, so noch 1000. Schritt davon entfernet war, begeben.
Wie unser Herr Groß⸗Botschafter nun völlig hinzu kommen,
ist Er von dieser, wie der Türkische von jener Seiten, in gleichen
Schritten mit diesen / zur mittlern Säulen gegangen, doch mit dem
Unterschied, daß der Türkische den Erd⸗Boden eher als der Unsrige
betret⸗
- 77 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna.
51
betretten, weil dieser sich anstellte, als ob sein Pferd, welches Er Der Türki⸗
sche Bot⸗
schafter be⸗
tritt den
Erd⸗Bo⸗
den eher/
als der Un⸗
srige.
auf alle Seiten herum lenkte nicht zum Stillstehen zu bringen wä⸗
re, und bald gegen die Saͤule anfuͤhrte, bald unvermerkt wiederum
zuruck gehen machte, ohne daß jemand merken kunte, wie derglei⸗
chen mit Vorsatz von Jhm geschehe; und also stunde der Türk
schon auf der Erden, da unser Herr Groß⸗Botschafter / gleich
als hätte Er sich in die Riemen verwickelt, noch ober den Sattel
sich befand. Als Sie aber zur Säule gekommen, und dieser den
Kopf ein wenig geneigt, jener aber zum Zeichen der Freundschafft
die rechte Hand dreymal auf die Brust gedruckt, haben sie einander
ihrer hohen Principaln Befehl und dieser Botschaft eigentliches
Was unser
Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter sei⸗
nem hohen
Principal
und dem
Sultan für
Titul bey⸗
leget.
Absehen zu verstehen gegeben; wobey dieses absonderlich zu bemerken,
daß unser Herr Groß⸗Botschafter / damit Er sich desto deutli⸗
cher expliciren, anbey seinem hohen Principal nichts vergeben
moͤgte, den andern in Lateinischer Sprach angeredet und unter
dem Reden Jhro Römisch⸗Kaiserlichen Majestät den Ti⸗
tul Unuͤberwindlichster und Geheiligster Röͤmischer Kai⸗
ser / beygelegt / und solchen von heute an vindicirt, welches
beides sich sonsten die Tuͤrken, nachdem sie die Stadt Constanti⸗
nopel aus den Häͤnden der Grichischen Kaisere unbefugter Weise
entrissen, aus einem unertraͤglichen Hochmuth allein zu eignen; da hin⸗
gegen / so oft des Sultans zu erwehnen noͤthig war, Er nur den
Titul Aller⸗Durchlauchtigst und Großmaͤchtigst gebraucht.
Es mag aber die Anrede ohngefehr in folgenden Worten bestan⸗
den haben:
Nachdem der zwischen Seiner Geheiligsten, UnuͤberDie Anre⸗
de des Hn.
Botschaf⸗
ters.
⸗
windlichsten / Aller⸗Durchlauchtigsten und Großmächtigsten
Römisch⸗Kaiserlichen / auch zu Spanien, Ungarn, Bö⸗
heim, Indien und Sicilien Königlichen Majestät CARL
dem VI. rc. rc. und dem Aller⸗Durchlauchtigsten, Groß⸗
mächtigsten Ottomannischen, Asiatischen und Grichischen
Kaiser Ahmed dem IV.
[4] zu Passarowitz neulich geschlossene
Friede durch zwey Groß⸗Botschaften alten Gebrauch nach
soll bestättiget werden / hat mich mein Geheiligster und
G 2
Aller⸗
- 78 -
Erstes Buch/ Vierte Abtheilung /
52
Allergnädigster Kaiser und König hierzu erwehlet / daß
ich nach der erleuchteten Pforte gehen/ und den Aller⸗
Durchlauchtigsten, Großmächtigsten Ottomannischen Kaiser
versichern solle / wie Seine Geheiligte Römische Kaiser⸗
liche Majestät alle in dem Frieden enthaltene Bedingun⸗
gen aufs genauste / und dem Buchstaben nach / auch in den
allergeringsten Stücken zu beobachten gesonnen / so
lang anderer Seits / welches Sie doch nicht hoffen wol⸗
len / denenselbigen nicht wird zu wider gehandelt wer⸗
den. Wie ich nun nicht zweifle / daß Eu. Excellenz in⸗
gleichem Absehen zu Sr. Römisch⸗Kaiserlichen Geheilig⸗
sten Majestät nacher Wien abgefertiget worden: als wer⸗
den sie auch daselbst ein angenehmer Gast seyn; wie ich
dann gleichfalls hoffe / daß meine Ankunft zu Constantinopel
jederman erfreulich seyn werde.
Nachdem nun auf erst beschriebene Weise die erste Zusammen
Auffüh⸗
rung bey
der ersten
Zusammen⸗
kunft.
⸗
kunft nach geschlossenen Frieden geschehen, haben sich die beide
Herrn Botschaftere samt ihren Führern bald anfangs auf die ge⸗
setzte 4. Stüͤhle in solcher Positur nieder gelassen, daß einer dem an⸗
dern ins Gesicht sehen kunte, und ein jedweder von den Füͤhrern sei⸗
nem Botschafter zur linken Hand sasse. Allhier unterhielten die
Herrn Botschafter einander eine zeitlang vermittelst ihrer Dol⸗
metschen mit freundlichem Gespraͤch und andern Zeichen einer guten
Verständnis, da indessen das Reiß⸗Geräth auf andere Wägen, de⸗
ren an der Zahl 370. waren, gebracht, und folgends nach einem an⸗
dern Lager geführet wurde. Bey dieser solennen Unterredung ist
nur der erste Adel, welcher bis zur andern 15. Schritt weit von der
mittlern Säule entfernten Stange reuten durfte, im uͤbrigen aber
dem Herrn Botschafter zu Fuß folgte, nebst vier Laquayen, so
das Pferd führten, zugegen gewesen, da die übrigen von der Bot⸗
schaft nicht weit davon auf ihren Pferden zur rechten Seiten hielten:
zwölf aber von dem Adel und Hauß⸗Bedienten des Grafen
Oduyer, samt dessen Stall⸗ und Hof⸗Meister, 4. Pagen, 8. Hey⸗
ducken und 20. Laquayen in rothen Scharlacken mit silbernen Bor⸗
ten besetzten Kleidern, ohne anderes Gewehr, als mit ihren Degen
an
- 79 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna.
53
an der Seiten zur linken Hand stunden, und den Ausgang der Forschung /
ob der Tür⸗
kis. Gesand⸗
te Briefe
an Seine
Durchl.
den Prin⸗
zen Euge⸗
nium habe.
Auswechslung erwarteten. Bey dieser Gelegenheit unterließ unser
Herr Groß⸗Botschafter keineswegs, etwas, so er von dem Tür⸗
kischen gerne wissen wolte, auf eine solche Weise heraus zulocken,
nach welcher Er sich keineswegs merken ließ, als ob Er mit Fleiß
darnach fragte, oder Jhme solches zu wissen daran gelegen wäre,
sondern nur seinen Discurs gleich als von ungefehr dahin richtete,
wann er sagte: es gereiche gleichwol zu beider Kaiserlichen Ma⸗
jestäten nicht geringen Splendeur, wann Sie zum Zeichen
wechsels⸗weiser Gewogenheit einander Briefe zu schickten, als auch
zum höchsten Ruhm und Ansehen des Prinzen Eugenii, und des
Groß⸗Vizirs / wann Sie mit Kaiserlichen Schreiben beehret
wuͤrden: Er seines Theils häͤtte noch mehr Briefe an unterschiedli⸗
che Personen bey sich, und zweifle nicht / Jhro Excellenz wuͤrden
mit dergleichen nicht weniger versehen seyn; und dieses thate der
Herr Botschafter nur darum, damit Er erfahren moͤgte, ob je⸗
ner nicht auch von seinem Groß⸗Vizir Briefe an Jhro Durch⸗
laucht den Prinzen Eugenium, als eines Löbl. Hof⸗Kriegs⸗
Raths⸗Præsidenten bey sich führe, welches die Türken, als ein
sehr hochmüthiges Volk, bisher allezeit unterlassen hatten, aber doch
des Prinzen gleicher Character, und der Teutschen rechtmaͤssige
Ehr⸗Begierde / vornemlich aber der letztere Sieg, nunmehro erfor⸗
derte, daß solches ins künftige geschehe, worüber auch schon zu
Wien lang und viel berathschlaget worden: Es gabe auch Seine
Excellenz sich nicht eher zu frieden, bis Sie durch die hin und her
geführten Discurs bereits zum drittenmal deutlich versichert worden,
daß jener dergleichen Briefe bey sich habe. Man muß auch hier Die Kai⸗
serl. Bot⸗
schafter
müssen
Briefe an
den Groß⸗Vizier ha⸗
ben.
zum Voraus wissen, daß kein Botschafter ohne dergleichen Schrei⸗
ben zu Constantinopel bey der Pforten etwas handeln kan.
Dann weiln dem Groß⸗Vizir die Aufsicht üͤber das ganze Reich
anvertrauet ist, und er dahero aller ausländischen Potentaten, als
des Kaisers / der Könige und Fürsten Geschäfte, welche das
gemeine Wol betreffen, allein und mit so unumschräͤnkter Gewalt,
als der Sultan selbst, tractiret, also daß dieser alles gutheißt, was
jener dißfalls vorgenommen, so wird keiner füͤr einen Minister von ei⸗
nem offentlichen Character gehalten, der nicht vorhero vor den
Groß⸗
G 3
- 80 -
54
Erstes Buch / Vierte Abtheilung /
Groß⸗Vizir gelassen worden, bey welchem aber der Zutritt ohne
dergleichen Schreiben nicht verstattet wird. Wann demnach der
Botschafter, dessen Namen heißt: Vizir Mückerem Rurnili
Valasi Bajesile Taja Sade Jbrahim Bascha / dergleichen
Brief nicht gehabt hätte, wie er doch so wol an den Prinzen, als
selbst den General Oduyer zu bestellen hatte / würden Seine Ex⸗
cellenz sich Jhn zu persuadiren bemuͤhet haben, daß er sich derglei⸗
chen durch einen nach Orient zurüͤck geschickten Courier, es koste
auch was es wolle, verschaffen solte, wann er anders bey unsern Hof
angenehm und vieler Verdruͤßlichkeiten uͤberhoben seyn wolte. Wä⸗
re aber diese Vorstellung auch nicht nach Wunsch ausgeschlagen,
war der Herr Groß⸗Botschafter entschlossen, dieses aͤusserste und
sicherste Mittel zu ergreiffen, und seine Briefe zwar bey dem Groß⸗
Vizir abzugeben, damit durch deren Zurückhaltung Jhrer Rö⸗
misch⸗Kaiserlichen Majestät Geschäften keine Hindernüsse
im Weeg gelegt wuͤrde, jedoch zugleich zu protestiren, daß diese un⸗
terlassene Schuldigkeit ins künftige zu keiner Nachfolge oder Gesetz
dienen solle.
Dieser Affaire kommt diejenige bey,
deren sich der Herr Groß⸗
Botschafter
schon vorhero zu Passarowitz zum
allerersten unter⸗
nommen hat: Es kamen nemlich die zwey Bevollmaͤchtigte aus der
Des Herrn Botschaf⸗
ters Zumu⸗
then an die
Türkische
Gevoll⸗
mächtigte
Passaro⸗
witz.Türckey dahin, den Frieden zu schliessen, waren
aber mit keiner an⸗
dern Vollmacht versehen, als welche der Groß⸗Vizir allein unter⸗
schrieben und gesiegelt hatte: als
sie nun dieselbige den Englischen
und Holläͤndischen Gesandten, als Mediateurs des Friedens, üͤber⸗
geben, solche
nach Gewohnheit unsern Gevollmächtigten einzuzu⸗
händigen, wolten Seine Excellenz mit
ihnen in keine Conferenz
tretten, es
sey dann, daß sie eine andere und von Sultans eigener
Hand
unterschriebene Vollmacht aufzeigten; und wo sie keine bey
sich hätten, solten sie alsobald nach
Constantinopel jemand abschi⸗
cken, der
ihnen solche üͤberbrächte. Sie solten gedenken, daß sie da
wären, den Frieden als Uberwundene zu
begehren, nicht aber selbi⸗
gen zu ertheilen; es schickte sich
nicht, von denen Gesetze anzuneh⸗
men, welchen man als Uberwundenen
nach allem Kriegs⸗Recht selbst
Gesetze geben könnte; so käme es auch der Hoheit seines Aller⸗
gnäͤdigsten
Kaisers und Herrn nicht zu, mit
andern tractiren
zu
- 81 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna.
55
zu lassen, als welche gleichfalls mit
Kaiserlicher Vollmacht verse⸗
hen wären: wo sie nun ihrer ohnedem
sehr verfallenen Sache mit
Nachdruck
rathen wolten, solten sie andere Credentialien, die des
Kaisers Hand selbst unterschrieben,
geschwind herbey schaf⸗
fen. Ob nun gleich der Englische und Holländische Gesandte,
der
Ritter Robert Sutton und Graf
Colyer, alle Müͤhe angewen⸗
det, den Streit beyzulegen, und die
Vorstellung gethan, daß die⸗
ses die Gewonheit also mit sich
bringe, und bey allen freyen Nationen
für güͤltig erkandt worden, wann der Groß⸗Vizir was unterschrie⸗
ben habe, so war doch nichts
auszurichten; und wolten sie den Frie⸗
den haben, mogten sie sich gefallen
lassen, nach Constantinopel
zu senden, und des Sultans eigene
Vollmacht sich anzuschaf⸗
fen.
Aber was halte ich mich jetzo lang zu Passarowitz auf, wo der
Friede schon längst geschlossen ist; ich wende mich vielmehr wiederum
zu der an der Gräͤnze stehenden Groß⸗Gesandtschaft. Daselbst Auswechs⸗
lung der
Gesandten.
faßte nach einer halb⸗stuͤndigen Unterredung der Seraskier Beig⸗
lerbey, oder wie sein ganzer Name lautet, Rurnili Beiglerbey
Abdola Bascha Dusum Sade / Stadthalter in Thracien, sei⸗
nen Botschafter bey der Hand, und uͤbergab ihn dem Grafen
Oduyer in seine rechte Hand; desgleichen der Graf Oduyer mit
unserm Herrn Botschafter that, und ihme dem Seraskier bey
dessen Ubergebung gar nachdrüͤcklich anbefahl. Nach solcher Ein⸗
händigung sind sie mit ihren Führern und ganzer Suite über die
Gränze gangen, der Graf Oduyer und der Seraskier aber blie⸗
ben auf ihren Gräͤnzen stehen. Hiebey ist nicht auszusprechen, mit
was für Freudens⸗Bezeugungen, als mit ihrem gewöͤhnlichen Ge⸗
schrey, dessen sie sich bey An⸗ oder Abzug ihrer Befehlshabere oder einer
anderer grossen Lustbarkeit insgemein zu bedienen pflegen, mit Hand⸗
Klatschen und Fuß⸗Stampfen, die Türken diese geschehene Auswechs⸗
lung bekleidet haben; worzu noch ihre seltsame musicalische Instru⸗
menten, als Cymbeln, Pfeiffen, kleine und grosse Trommeln, wel⸗
che ihnen gar schön uns aber zu bäurisch geklungen, gekom⸗
men sind, deme sie noch die Abfeurung ihres kleinen und grossen Ge⸗
schützes beygefügt; wobey die Unsrige zwar auch nicht still geschwie⸗
gen, sondern ihr bey sich habendes grobes und kleines Geschuͤtz ta⸗
pfer hören lassen, aber doch ihr unordentliches Geplerr nicht nach⸗
machen
- 82 -
Erstes Buch / Vierte Abtheilung.
56
machen wollen, dafuͤr aber unsere Trompeter und Paucker samt den
andern Musicanten so lustig und anmuthig intonirt, daß die Tüͤrken
daruͤber ganz erstaunt schienen, und es nicht genug bewundern kun⸗
ten: da wir hingegen weder uͤber ihre Waffen noch Pferde, deren
sie 700. bey sich hatten, worunter gewiß einige von ausbündiger
Schönheit waren, noch auch über ihre Medische und Arabische Ca⸗
meel, so sich bis 200. beliefen, und andere Sachen, grosse Verwunde⸗
rung bezeigten, damit wir dieses ohne dem hochmuͤthige Volk da⸗
dadurch nicht noch hochmuͤthiger machten; jedoch sind wir ihnen
im Vorbeyfahren mit aller Höflichkeit und Wolgewogenheit
begegnet.
Der Herrn
Bot⸗
schafter
Abzug. Nachdem sich nun jetzt beschriebene Ceremonien geendiget,
und beide Herrn Botschaftere von einander nochmaln Abschied
genommen und eine glückliche Reise angewünschet, auch unterschied⸗
liche Begrüssungen an gute Freunde einander aufgetragen haben, ist
der Türkische mit dem Herrn Graf Oduyer nach Belgrad/ un⸗
ser Herr Groß⸗Botschafter aber mit dem Seraskier, oder,
welches eines ist, den auf den Granzen commandirende Feld⸗Her⸗
ren, nach Nissa abgegangen.
Eines hätte ich bey nahe hier zu melden vergessen, daß / als un⸗
ser Herr Botschafter einen Gruß an seine Frau Gemahlin in
Wien dem Tuͤrckischen aufgetragen, dieser nur daruͤber gelächelt,
und es mit Stillschweigen beantwortet, vermuthlich weil er sich nicht
getrauet, Jhme mit dergleichen wieder an seine Gemahlin zu
Constantinopel zu beladen; indem bekannt, daß die Tüͤrken ihr
Frauenzimmer in einen gar engen Arrest halten, und sie nicht leicht⸗
lich vor jemand sehen lassen, angesehen sie, wie es scheinet, alle andere
Völker nach ihren ungezähmten Begierden urtheilen.
Auf dem Hinzug giengen zwey hundert Janitscharn, oder von
Die Ord⸗
nung der
Reise nach
der Aus⸗
wechs⸗
lung. der Leib⸗Garde zu Fuß, voran, denen unser Adel samt den Be⸗
dienten des Herrn Botschafters folgten. Jn der Mitte befand
sich der Herr Groß⸗Botschafter, den Seraskier zu Nissa
zur Linken habend, auf dessen beiden Seiten die Laquayen, von hinten
zu aber die Pagen und Beschnittene rangirt waren, worauf die
Spahi / ein Volk ohne Ordnung und Disciplin, den Schluß
Türkische
Kuchen. machten. So bald wir nun den Tüͤrkischen Boden betretten, haben
sich gleich eine grosse Menge Leute eingefunden, welche auf messingen
mit
- 83 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna
57
mit Zin uͤberzogenen Platten eine gewisse Art Tüͤrkischer Kuchen
verkauften, so denen Holländischen Buchwaitzen⸗ oder Westphali⸗
schen Gersten⸗Kuchen nicht viel ungleich waren, wiewol sie derglei⸗
chen Geschmack nicht haben, und uͤber dieß sehr unverdaulich sind;
nichts destoweniger assen solche die Tuͤrken mit guten Appetit, als
welche anderer Delicatessen nicht gewohnt, und der meiste Theil
aus ihnen sich derselben nebst denen Fruͤchten zur täͤglichen Nahrung
gebrauchet; wir aber liessen uns gar gerne mit dem Zuschauen ab⸗
speisen.
Jch habe vorher schon etwas von ihrer Gewohnheit gedacht / der Ba⸗
schen
Music
nach welcher ihre Stadthalter oder andere vornehme Personen, wann
sie über Feld ziehen, beständig ihre Music bey sich haben, die vor ih⸗
nen her gehet, und wann sie schon zu gewisser Zeit, nemlich betens
wegen, am Tage still halten, sich nichts destoweniger immer fort hoͤ⸗
ren lässet. Diese Gewonheit ist uns, so lang der Seraskier bey
dem Herrn Groß⸗Botschafer war, ohne Aufhören beschwehr⸗
lich gewesen, als durch welche unsere an die anmuthige Teutsche und
Jtaliänische Music gewöhnte Ohren mehr verletzt als ergötzt worden;
und wann erst noch das entsetzliche Geschrey der Laquayen und BeFreuden⸗Geschrey.
⸗
dienten darzu kame, mit welchen sie ihre Herrn / Patronen und
fremden Gäste so wol bey ihrer Ankunft als Abzug beehrten, so
hatte unser Verdruß den höͤchsten Grad erreicht. Sie wolten aber
gleichwol damit vermuthlich den alten Roͤmischen Soldaten nachah⸗
men, welche ihren Kaisern und Feld⸗Herrn zu ruften/ daß Jhr
Vorhaben glüͤcklich und zur guten Stund (feliciter, faustisque omi⸗
nibus) geschehen moͤge, und auf solche Weise Jhnen alles Glück
und Seegen auf den Weeg anwuͤnschten. Was uns anbelangt, Ein Adler
zeigt den
Weeg nach
Constanti⸗
nopel.
machte uns ein Adler, der, so bald die Auswechslung geschehen, be⸗
ständig vor uns herflog, und uns gleichsam den Weeg zeigte, keine
geringe Hofnung, daß wir unsere Reise glüͤcklich wuͤrden zuruͤck le⸗
gen; wie er uns dann auch nicht eher verlassen, als bis wir denje⸗
nigen Hügel erreicht, über welchen wir von dem Seraskier gefuͤh⸗
ret worden, von hieran aber haben wir ihn nicht mehr gesehen, da
ich solchen vorher vielen von unserer Gesellschaft gewiesen habe. Wir
können es indessen für ein gutes Zeichen annehmen, daß wir noch
einmal Constantinopel wieder in unsere Häͤnde bekommen werden,
und dieser das Römisch⸗Kaiserliche Wappen zierende Vogel
H
uns
- 84 -
58
Erstes Buch / Vierte Abtheilung /
uns den Weeg habe zeigen wollen, durch welchen wir dahin gelangen
sollen. Daß auch unsers Herrn Groß⸗Botschafters Ankunft
denen Tüͤrken nicht wenig Vergnuͤgen muͤsse gebracht haben, laͤsset
Der Se⸗
raskier er⸗
längert sei⸗
ne Beglei⸗
tung.sich unter andern auch daraus schliessen, daß der Seraskier oder
Commendant der ersten Gränz⸗Vestung, wie auch Stadthalter in
Thracien, welche Stadthalterschaft bey denen Türken in Europa
die vornehmste ist, im ganzen Reich aber den dritten Rang hat,
denselbigen fünf viertel Stund, und also eine viertel Stund laͤnger,
als in dem Vertrag bestimmt war, begleitet hatte. Worbey er es
aber nicht allein gelassen, sondern Jhn noch uͤber das, nebst bestäͤn⸗
diger Uberlassung der rechten Seite, auf dem nechst gelegenen
Berg in ein zwar kleines doch prächtig zu bereitetes Gezelt gefüͤhrt,
und allda aufs kostbarste bewüͤrthet; woselbst der Herr Botschaf⸗
ter gestifelt üͤber Tüͤrkische mit Gold gestickte Teppichte gegangen,
Türkische
Schuhe.so sie sonst nicht eher betretten, als bis sie andere Schuhe, die sie
Paposchen nennen, angezogen: allda hat Er wiederum den obern
Platz auf einem mit eben solchen Kuͤßen belegten Lehn⸗Sessel einge⸗
Türkische
Polster. nommen, deme der Seraskier auf einem Polster, den sie Sofaus
nennen, zur linken Hand sasse. Es sind aber diese Sofaus läng⸗
lichte mit Cameel⸗Haaren oder Wolle angefüllte Polster, und
moͤgen wol den Namen von Sophi, den Persischen Köͤnigen, ha⸗
ben, wie dann diese Weise zu sitzen von den Persern ihren Ursprung
hat.
Weil hier so oft des Vorsitzes gedacht wird, muͤssen wir auch
Die linke
Hand bey
den Türken
die vor⸗
nehmste.
erinnern, daß zwar, nach Zeugnis Busbeck und Rigaut, die lin⸗
ke Hand bey den Turken die vornehmste ist, sie behauptet aber diesen
Rang nur allein in Kriegs⸗Zeiten bey denen Soldaten; bey denen
Staats⸗Männern und Freunden aber hat sie zu Friedens⸗Zeit dieses
Ansehen nicht; wie dann Busbeck nicht uͤbel urtheilet, wann er
dafür hält, daß diese Gewonheit daher komme, weil derjenige, so
auf der linken Hand ist, zugleich des andern auf dieser Seite gegüͤr⸗
teten Degen in seiner Gewalt, er selbst hingegen solchen zu seinem
Gebrauch frey hat.
Nachdem nun hier der Caffé getrunken, und die eingemachte
Früchte genossen waren, wobey man denen beiden Herrn kostbare
Schnuptücher, an statt der Servietten, über die Schooß gebreitet,
wur⸗
- 85 -
Von Parakin und dem Ort der Ausw. bis gen Raschna.
59
wurde eine grosse überguͤldete silberne Platte, welche sonsten nur Gastmal in
des Seras⸗
kier Zelt.
von Holz ist, an statt eines Tisches von zweyen Bedienten aufgestel⸗
let, und hierauf die Speisen, deren bey funfzig waren, zum Mit⸗
tagmal gesetzt. Man trug, ihren Gebrauch nach, nur eine nach der
andern in silbernen und fein Porcellanen Geschirren auf, deren letz⸗
tern Gattung sie sich darum gar vielfäͤltig zu bedienen pflegen, weil
sie glauben, daß selbiges keinen Gift leiden könne. Die meisten
Speisen waren nicht übel zu bereitet, wie der Herr Botschafter
bey unserer Zuruͤckkunft von dem Ort, wo wir gleichfalls speissten,
uns solches zu sagen die Guͤtigkeit hatte; wie Er dann auch dem Se⸗
raskier durch den Dolmetsch versicherte, daß Er sie alle gekostet ha⸗
be, wordurch Er zu verstehen geben wolte, wie Er dieses Tracta⸗
ment mit eben solchen Gemuͤth angenommen/ als es ihm vorgesetzt
worden. Zu gedachten Speisen wurden eben so viel laͤnglichte von
Schild⸗Krot oder Helfen⸗Bein verfertigte Löͤffel aufgelegt, deren
Stiele auf eine ganz neue Façon mit Seiden, Gold und Silber um⸗
wunden waren. Dann die Tuͤrken bedienen sich der Messer und
Gabeln fast niemaln, und lassen die Speisen nicht anders, als ganz
klein zerschnitten, zu Tische bringen, daß sie also derselbigen auch nicht
nöthig haben; und so ja etwas kleiner gemacht werden muͤste, zerrei⸗
sen sie solches mit den Fingern. Bey dieser Malzeit fehlte es an
nichts, als an Wein, dessen Stelle das liebe Brunnen⸗Wasser verDer Türken
Geträͤnk.
⸗
sehen muste; welche aber den Scherbeth trinken mogten, kunten des⸗
selbigen nach Belieben haben, wiewol dieses Getrank, das sie aus
Honig, Gewürz, und dem Saft aus Fruͤchten machen, weder mei⸗
nem Geschmack, noch meiner Gesundheit anstehen wolte; und wäͤre
mir eine einige Maß Wein viel lieber, als das grosse Heidelbergische
Vaß mit Scherbeth.
Nach aufgehobener Tafel, und denen mit wolriechenden Was⸗
sern und Rauchwerk verrichteten Ceremonien, hielte sich der Herr
Botschafter noch in etwas auf, und discurirte von ihren sonder⸗
baren Gebräuchen, Einrichtung ihres Regiments, sonderbarer Art
zu sitzen, Kriegs⸗Disciplin und andern Dingen; da es sich dann zu Des Herrn
Botschaf⸗
ters Ge⸗
spräch von
dem Gra⸗
fen Oduyer.
trug, daß sie von ungefehr unsers Gränz⸗Generalen, des Grafen
Oduyer, gedachten, bey welcher Gelegenheit der Seraskier un⸗
terschiedliches von dessen Lebens⸗Art, Sitten und Kriegs⸗Disciplin
wissen wollen, vermuthlich aus keiner andern Ursach, als weil es
ihm
H 2
- 86 -
60
Erstes Buch / Vierte Abtheilung /
ihm schmerzte, daß er an Jhm einen solchen Mann gefunden, wel⸗
cher in Kriegs⸗Wesen wol erfahren war, auf jenes Vornehmen wol
Achtung gab, Seines Kaisers Nuzen zu befördern sich sehr angele⸗
gen seyn ließ, dem Aller Durchlauchtigsten Oesterreichischen
Haus getreu diente, und mit keinem Geld kunte bestochen werden.
Hierauf rühmte der Herr Groß⸗Botschafter Jhm nach Ver⸗
dienst, und ließ sich gefallen, seinen Lebens⸗Wandel von Anfang her
zu erzehlen: Er brachte darbey vor, wie er von Jugend auf im Krieg
erzogen, sich allezeit wol gehalten, bey allen Actionen tapfer und
vorsichtig erwiesen, und nach und nach zu so hoher Charge gestie⸗
Soldaten
Verbre⸗
chen.gen seye. Diese Erzehlung kame dem Seraskier unglaublich vor,
als welche diesem Kriegs⸗Mann vom allen Versehen frey zehlete,
welcher doch eben so wol ein Mensch und folglich des Fallens unter⸗
worfen wäre; hat aber vielleicht an das bekannte alte Sprichwort
nicht gedacht, daß es nemlich nicht erlaubt sey, zweymal im Krieg ei⸗
nen groben Fehler zu begehen: weswegen der Herr Botschafter
ihm seine Meynung dardurch zu benehmen suchte, wann Er ihm vor⸗
stellte, daß es mit dem Versehen im Krieg öfters eine solche Be⸗
schaffenheit habe, daß daraus dem gemeinen Wesen ein unersetzlicher
Schade zuwachse, bey welchem man sich, wann absonderlich die
Schuld noch darzu kommt, wenig Gnade zu versehen, sondern ins⸗
gemein Ehre, Leib und Leben darüber verlohren gehe: wo dasselbige
aber von geringer Wichtigkeit, und sich noch darzu wol gar wieder
Vermuthen zu getragen, wuͤrde die Straffe nach dem Verbrechen ein⸗
gerichtet, und daure auch nicht länger, als das Verbrechen selbst;
es werde aber gleichwol keiner promovirt, so lang er solches an sich
merken lasse: er muͤsse dasjenige, worinnen er es versehen, noch einmal
vornehmen; und wann er es alsdann verbessert, stehe ihm die Thüͤre
zur Ehre so wol, als andern, offen. Und hierinnen sind wir in der
That von denen Türken unterschieden, als welche auf alle Verbre⸗
chen fast einerley und wol gar die Todes Straffe setzen, absonderlich
wann solches den Staat und das gemeine Wesen betrifft. Diesen
geführten Discours hörte der Bascha zu Nissa aufmerksam und
wol bedaͤchtlich zu, und wann er meinte/ daß etwas seinen Beyfall
verdiente / gab er solches mit Nückung des Haupts zu verstehen;
schiene auch sonsten ein Mann von guten Verstand zu seyn, nur
daß er in den Mahometischen Aberglauben verwickelt war.
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa. 61
Fünfte Abtheilung.
NJcht lang hernach hat der Herr Groß⸗Botschafter sei⸗
nen Abschied genommen, fuͤr das höͤfliche Traitement sich
bedanket, und durch den Dolmetschen sagen lassen / daß er
verhoffe, ihn im kurzen wiederum zu Nissa zu sprechen, wohin der
Seraskier anjetzo voraus gienge. Hierauf ist er nach dem ohnweit
von dannen geschlagenen Lager gekehret, und sind ihm 200. Spahi
zu seiner Bedeckung mit gegeben worden. Als wir auf den ohngeErstes La⸗
ger in der
Türkey.
⸗
fehr eine halbe Stund von dar liegenden Berg gekommen, und uns
von dem Weeg nach Raschna zur linken Hand etwas abgewendet,
kunten wir schon das völlig aufgeschlagene Läger sehen; worinnen
wir diesen und den folgenden ganzen Tag zu bringen muͤssen, bis die
schwehren Bagage-Wagen wegen des schlimmen Wegs und nassen Das einge⸗
fallene Re⸗
genwetter
halten die
Türken für
glücklich.
Wetters endlich wieder zu uns gekommen sind: welche grosse Ver⸗
änderung des Wetters die Tuͤrken gleichwol für ein gutes Anzeichen
gehalten, weil es eben zu der Zeit eingefallen / da die Auswechslung
geschehen / ob schon vorher den ganzen Tag der Himmel ganz heiter
gewesen; dann eben dazumal entstunde ein so entsetzliches Ungewit⸗
ter, daß es schiene, als ob Himmel und Erden daruͤber zu Grund
gehen wolte. Sie nahmen aber ihre Muthmassung daher, weil es
ein sicheres Kennzeichen einer glücklichen Ehe wäre, wann es am
Hochzeit Tag regnete: Nun aber hätte die Auswechslung der
Herrn Botschafter einige Verwandnuͤß mit der ehligen Verbin⸗
dung; Ergò wäre viel glückliches daraus zu vermuthen.
Den 16. Junj blieben wir also, wie gemeldet, in diesem Lager
stehen, nicht nur allein um erst angefuͤhrter Urfachen willen, sondern
auch, damit wir desto bequemer in einem Zug nach Nissa kommen
mögten, und denen Hussaren ihre Pferde / deren wir uns noch zur
Zeit allein bedienet, wieder zuruͤck gesandt werden koͤnnten, weiln ins
künftige die Türken die zur Reiß benöthigten Sachen allein anschaf⸗
fen musten. Allhier hat sich früͤhe zwischen 8. und 9. Uhr zweymal Erdbeben.
ein so heftiges Erdbeben spuͤhren lassen, daß von dem einen die schwehr
beladene Wägen von der Stelle geruckt worden.
H 3
Was
- 88 -
62
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
Was indessen der Türken Sitten und üͤbrige Lebens⸗Art be⸗
Der Türken
Beschaffen⸗
heit.trifft, habe ich sie nicht so unertraͤglich befunden, als man sie vor
alters beschrieben hat, so daß es scheinet, als ob sie durch so viele er⸗
littene Niederlagen viel tractabler worden, als sie sonst gewesen sind
und wäͤren noch wol eines bessern Glüͤcks und eines gelindern Regi⸗
ments wuͤrdig, wo sie nur ihren Aberglauben mit der wahren Reli⸗
Zum Krieg
tüchtig. gion vertauschen wolten. Die mehresten unter ihnen sind Leute,
von ungemeiner Leibs⸗Stärke, wolgestalten Leibe / gutem Ansehen,
die viel vertragen koͤnnen, und von solchen Krankheiten nichts wis⸗
sen, welche von uͤbermaͤssigen Essen und Trinken entstehen; kurz zu
sagen: in Betrachtung ihrer Stärke und Leibes⸗Kraften sind sie zum
Krieg sehr geschickt, wann sie nur nicht so ungestümm angefuͤhrt,
sondern in guter Kriegs Disciplin und Gehorsam erhalten wuͤrden;
wiewol es nicht zu wuͤnschen, daß sie solches von den Christen eher
erlernen moͤgten, bevorab sie sich durch den Glauben mit ihnen ver⸗
einiget haben. Sie gewöhnen sich schon von Jugend auf zum
Krieg, und sonderlich lassen sich der Vornehmsten ihre Kinder fast
alle darzu gebrauchen, weil sie dieses für die gröͤste Ehre halten,
welche durch tapfere Thaten in dem Krieg erworben wird. Jch ha⸗
be selbst zu Nissa und anderer Orten mit Verwunderung gesehen,
wie vierjäͤhrige Knaben, als schon wol exercirte Soldaten mit Waf⸗
fen, die schwehrer als sie selbst waren, nebst ihren andern Camera⸗
den mit den Janitscharn, den Kern der Tüͤrkischen Miliz, herum ge⸗
lauffen, und damit sie desto fertiger darzu wäͤren, sind sie eben wie
diese mit einem kurzen Wammes ohne Ermel, weiten ober den Wa⸗
den gebundenen Hosen, rothen oder grüͤnen mit ungebleichter Lein⸗
wand umwundenen Kappel versehen gewesen, den Leib haben sie um⸗
guͤrtet, die Brust nebst Armen und Fuͤssen blos, oder an diesen nur
leichte rothe Schuhe, so sie Gemenni nennen, gehabt: und dieses
alles zu dem Ende, damit sie desto hurtiger in denen Waffen und von
Ungehor⸗
sam der Ja⸗
nitscharen.Jugend auf der Arbeit gewohnt wuͤrden. So habe ich auch unter de⸗
nen Janitscharn alte ausgediente Leute gesehen, die wider das aus⸗
drückliche Verboth ihrer Officier mit Wissen und Willen gehandelt,
und ihr Schulter⸗Gewehr auf der Strassen zum öftern los gebrannt;
und ob sie schon noch uͤber dieses von einem Chiausen auf des Se⸗
raskiers Befehl nochmaln davon abgemahnet wurden, fehlte es
doch so weit, daß sie solchen hätten pariren sollen, daß sie vielmehr
des⸗
- 89 -
Reise von dem Laͤger gegen Raschna bis nach Nissa.
63
desselbigen nur gespottet, und in dessen Gegenwart noch stäͤrker ge⸗
schossen, so daß es ihre Officiers mit vielen guten Worten kaum dahin
bringen koͤnnen, daß sie es unterlassen haben.
Chiausen
oder Bo⸗
then.
Jndem wir aber hier des Chiausen gedacht, ist zu wissen, daß
dieses Leute sind, welche die Zeitungen und Briefe hin und wieder
tragen; sie haben in ihrer Hand kleine mit Silber beschlagene, bis⸗
weilen auch wol ganz silberne Stecken, die denenjenigen gleich sehen,
deren sich ehedessen die Friedens⸗Bothen bedienet; an den obern
Theil hängen 4. 6. bis 8. oder auch mehr silberne Kugeln an eben so
viel Kettlein: wann diese Staͤblein völlig mit Silber uͤberzogen sind,
nennen sie solche Theugian / die andern aber Topous; dieser be⸗
dienen sich nur die Gemeine, jener aber die Vornehmern, als der
Baschen / Stadthaltere und der Vizir Chiausen. Alles vorerzehl⸗
te aber bestättiget meine Meinung, daß die Tuͤrken keine schlimme
Soldaten abgeben wuͤrden, wann sie nur besser im Gehorsam koͤnn⸗
ten gehalten werden.
Den 17. bekamen wir Alexintza zu sehen, nachdem wir Rasch
Alexintza.
⸗
na und den Bach Toppolnitz waren vorbey gezogen; daselbst sa⸗
he man auch die Morava / welche aber hier zu Land Banaraioa /
in Bulgarien und Servien aber nach denselbigen Landschaften ge⸗
nennet wird. Und weil diesen Tag viele Sachen durch Nachläͤssig⸗
keit unserer Fuhrleute verlohren gangen, oder wol von ihnen selbst
heimlich weg practicirt worden, haben wir uns bey der Janitscharn
Odabaschi darüber beklagt, welcher versprach, daß alles wieder
herbey geschafft, und ins kuͤnftige nichts mehr vermißt werden solte;
es war aber nichts wenigers, als dieses, und ist insonderheit unserm
Teutschen Gewehr sehr nachgestellet worden, welches wir zwar nicht
so wol den Tüͤrken, als den Grichen und Armenianern schuld geben
kunten; dann jene haben von Natur einen Abscheu vor dem Steh⸗
len, und vermaledeyen dasselbige im höchsten Grad, ausgenommen
bey entstandener Feuers⸗Brunst, wo die Janitscharn alles füͤr erlaubt
halten, und ärger als andere zu greiffen: diese hingegen machen gleich⸗
sam eine Profession vom Lügen, Betrüͤgen und andern schlimmen
Händeln, und muß ihnen diese schäͤndliche Kunst öͤfters an statt der
Waffen dienen: sie verkauffen aber gleichwol hernach dasjenige, was
sie uns gestohlen, denen Türken auf gut Treu und Glauben. Es Teutsches
Gewehr
lieben die
Türken.
ist ihnen auch unser Gewehr lieber, als alles andere, und ist kaum ein
vor⸗
- 90 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
64
vornehmer Janitschar, der nicht mit dergleichen solte versehen seyn.
Nur ist einiger Catholischen Christen Unverstand zu beklagen, die
aus liederlicher Gewinnsucht solches Gewehr an diese Barbarn
verkaufen, da sie doch, wann sie klug wären, leichtlich wuͤrden er⸗
achten können, daß solches nachgehends wieder sie selbsten solte ge⸗
braucht werden.
Damit wir aber nichts übergehen, müssen wir, ehe wir in un⸗
serer Erzehlung fortfahren, vorher gedenken, wer die obbemeldten
Obabaschi
wer sie
seyn.Odabaschi seyn. Sie sind nemlich Vorstehere dererjenigen Zim⸗
mern, so sie Oda nennen, dergleichen auch die Spahi haben, in
welchen die Janitscharn, die in dem ganzen Reich ausgesandt sind, er⸗
zogen werden, und wo ein jedweder des Tags dreymal, nemlich des
Morgens vor der Sonnen Aufgang, zu Mittag, und auf den
Abend dasjenige bekommt, was er zu seines Leibes Unterhalt benö⸗
thiget ist.
Den 18ten sind wir von Alexintza wieder aufgebrochen, und
in einer zwey Stund vor Nissa zwischen denen Bergen und Wäl⸗
dern liegenden Wuͤsten still gestanden, um uns zu dem am folgenden
Das Quar⸗
tier in der
Stadt Nis⸗
sa wird ab⸗
geschlagen. Tag bevorstehenden Einzug in Nissa zu schicken. Auf dem Weeg ist
zu uns ein von Seraskier abgefertigter Bothe gekommen, welcher
dem Herrn Botschafter Briefe überbrachte, worinnen gemeldet
wurde, daß wir in Nissa nicht logiren koͤnnten, welches uns doch
bey Accordirung des Ceremoniels versprochen worden; es muste
aber zur Entschuldigung dienen, daß die Pest daselbst grassire, und
die vornehmsten Häuser davon angesteckt waren, weswegen man so
liebe Gäͤste nicht zu bewuͤrthen vermoͤgte. Wir glaubten aber vielmehr,
wie wir auch nachgehends versichert worden, daß es deswegen gesche⸗
he, weil man sich einer Aufruhr von denen Janitscharn besorgte, in⸗
dem ihnen die gefassten Grillen von der verwichenen Schlacht noch
nicht aus dem Kopf wolten; und weil sie ohnedem geschwohrne Fein⸗
de des Friedens sind, und kaum erst mit grosser Noth befriediget
worden, hätten sie leicht treulos werden / und uns, wann wir in den
Stadt⸗Mauern eingeschlossen wären, unvermuthet üͤberfallen düͤrfen.
Andere muthmaßten gleichfalls nicht uneben, daß wir darum nicht ein⸗
gelassen wuͤrden, weil die Tuͤrken nicht haben wolten, daß dieser
Platz, den sie künftig befestigen und mit neuen Werkern versehen
wolten / von uns allzu genau in Augenschein genommen wüͤrde, an⸗
- 91 -
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa.
65
gesehen es die Gränz⸗Vestung, und derjenige Platz ist, deme es
bey einem neu entstehenden Krieg am ersten gelten duͤrfte. Es hat Wird wie⸗
der ange⸗
tragen.
sich aber der Herr Groß⸗Botschafter nicht eher befriedigen las⸗
sen, bis es Jhm der Seraskier in sein freyes Belieben gestellt
hatte / ob er in der Stadt wohnen wolte; welches Er alsdann höͤf⸗
lich abgeschlagen, und sich also unter die Vestung gelegt, daß er von
den Stucken kunte defendirt werden. Unsere Ankunft aber wurde
dem Seraskier durch den Ingenieur-Hauptmann Hn. Oebschel
Herr von
Oebschel⸗
witz nach
Nissa abge⸗
schickt.
⸗
witz angedeutet, und dieses darum, damit er bey solcher Gelegenheit
die Stadt und den Vestungs⸗Bau desto besser observiren und ent⸗
werfen könte.
Dem darauf folgenden Tag, als dem 19. Junj / da wir die
schwehren Bagage-Wägen bereits voraus geschickt, welche vor der
Stadt bis zu unserer Ankunft halten musten, sind wir zu Pferd in
derjenigen Ordnung, wie zu Wien, der Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter aber in einem schoͤn verguldeten Parißer⸗Wagen in die Stadt
eingezogen, und von denen Wäͤllen mit allen Stücken dreymal be⸗
gruͤßt worden. Wir haben uns jedoch nicht lang darinnen aufgehal⸗
ten, sondern wieder heraus zwischen die Vestung und des Se⸗
raskiers Läger begeben, so daß wir dieses zur rechten, jene aber zur
linken Hand hatten.
Es ist aber Nissa ein vornehmer und von den Tuͤrken sehr be
Nissa.
⸗
wohnter Ort, von mittelmaͤssiger Groͤsse, und die obere und untere
Vestung zusammen gerechnet mag in ihren Umfang etwas mehr aus⸗
tragen, als das Schloß zu Belgrad; und lauft die Nissa, von
welcher die Stadt den Namen füͤhrt, mitten hindurch: sie hat ei⸗
nen hohen Wall, so hin und wieder, vornemlich aber auf der
Wasser⸗Seiten, in dem Graben selbst, mit Ziegeln und alten
Mauerwerk ausgefüttert ist. Um besagten Wall ist gedoppelte Gla⸗
cis oder Anhöhe des bedeckten Weegs, so zugleich den Wall also
bedecken, daß man weder von demselben, noch von der ganzen Stadt,
auser einigen Thuͤrnen von den Tuͤrkischen Moscheen, deren etliche
mit Kupfer bedeckt sind, nebst der Cron von der Brustwehr und
Batterien auf den Spitzen sehen kan. Zwischen dem hohen Wall
und beiden verdeckten Weegen befinden sich trockene Gräͤben gleich
unter ohne Böͤschung ausgegraben. Auf der Seite gegen der Bul⸗
garey zu ist üͤber die Nissava eine Brüͤcke geschlagen, unter welcher
J
eine
- 92 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
66
eine grosse Wasser⸗Müͤhle liegt, die mit einem Horn⸗Werk bedeckt
ist, um welches durch den Graben erst besagter Fluß laͤuft. Dieser
Graben ist gleichfalls, wie die andern, ohne Boͤschung ausgeholen
und nicht gefüttert; doch reichen unten an den Fuß des Walls, so
hoch als die Nissava ist, aus dem Fluß dicke Pfäle heraus, so die
Gewalt des Wassers abhalten. Um die auf bemeldten Seiten lie⸗
gende Vorstadt ist eine Linie mit einem Banquette oder Schemel der
Brust⸗Wehr gezogen, drey Schuh und also noch einmal so hoch /
als sonst gebräuchlich, und ein Graben von 8. bis 10. Schuhe breit,
in welchem die Nissava gleichermassen herum fliesset. Die Defen⸗
sion der Linie bestehet in rund herum angelegten kleinen Pasteyen
mit Leisten und Flanquen, und nicht in halben Redouten der Schan⸗
zen, wie ein gewisser Autor dafür halten wollen. Die Länge der
Fläche von einem Käl⸗Punct bis zum andern hat bey die 150.
Schritte. Es kan auch durch das Muͤhlwerk an der Brüͤcke, und
in denen Graͤben obgedachter Werker der Nissava⸗Fluß zwar ge⸗
schwellt, und so wol die Vorstadt, als auch deren aͤusseres Erdreich,
welches niedriger, dann das disseitige ist, gar leicht unter Wasser ge⸗
setzt, doch diese Uberschwemmung durch guten Fleiß und Arbeit auch
wieder abgeleitet werden. Um die ganze Stadt herum ist eine gleiche
Ebene, und wuͤrden der Vestung die in rechter Weite herum liegen⸗
de Berge nichts hindern, wann nicht üͤber selbige zur Zeit der Be⸗
lägerung eine Linie so leicht als vortheilhaftig köͤnnte gefuͤhret wer⸗
den. Nach jetziger Beschaffenheit der Stadt und deren Befestigung
wüͤrde solche nach Eröfnung der Lauf⸗Gräben, wann man sie mit
Gewalt angreifen wolte, ob sie gleich mit allen Behöͤrigen wol und
genugsam versehen wäre, nichts destoweniger in einer Zeit von sechs
Wochen gar leicht zur Ubergab zu bringen seyn.
Es darf sich niemand verwundern, daß ich mich in Beschrei⸗
Nissa die
äusserste
Vestung
gegen Con⸗
stantinopel
bung dieser Granz⸗Vestung laͤnger aufgehalten, als ich bey denen
künftigen vorkommenden Oertern thun werde; sintemaln es derjeni⸗
ge Platz, welcher noch allein zu erobern, und wornach der Weeg
nach Constantinopel voͤllig offen stehet: so ist mir auch des unver⸗
gleichlichen Herrn von Oebschelwitz Arbeit in Beschreibung dieser
Vestung gar wol zu statten kommen, und hat mich der eigenen Mü⸗
he uberhoben. Man darf aber dabey nicht gedenken, als ob von dar
der
- 93 -
Reise von dem Laͤger gegen Raschna bis nach Nissa.
67
der Weeg nach Constantinopel so eben, daß man nur gerades
Fusses dahin lauffen könne, angesehen man noch viel Beschwehrlich⸗
keiten darauf finden wuͤrde; sondern ich verstehe nur damit so viel/
daß man nach dieser Eroberung alsdann keine Vestung mehr zu oc⸗
cupiren uͤbrig habe, welche etwan denen siegreichen Waffen verhin⸗
derlich seyn dürften. Die Häuser daselbst sind, wie in allen andern Türkische
Häuser.
Türkischen Städten, gar klein, und von Leimen und Holz zusam⸗
men gesetzt, deren mehreste Taͤcher man mit der Hand erreichen kan.
Jn der obern Stadt sind die Häͤuser naͤher an einander gebauet, und
mehr bewohnt, als in der Vorstadt, wiewol man auch in selbiger an
vielen Orten zu bauen angefangen, wordurch der Weeg und Gassen
also verlegt worden, daß billig zu befuͤrchten wo ein Feuer auskom⸗
men solte, es duͤrfte die ganze Stadt darauf gehen, ehe man zu Hüͤlf
kommen könnte. Als bey unsern Durchzug das Geschüͤtz los geUnord⸗
nung der
Tuͤrken.
⸗
brannt worden, hat man deutlich gemerket, daß diese Leute nichts
ohne Unordnung thun koͤnnen, indem man bald eine, bald zwey, bald
drey, auch wol noch mehrere Stüͤcke auf einmal abfeuren höͤren.
Und wann auch sonst nicht bekannt wäre, was grosse Noth die Mangel
an groben
Geschütz.
Türken nach den zwey auf einander verlohrnen Schlachten an gro⸗
ben Geschuͤtz leiden, wuͤrde man solches allhier zu Nissa mehr als zu
wol verspüͤhret haben. Keine einzige Carthaune war da zu hören
gewesen, sondern nur kleine Feld⸗Stücklein, wie die Armeen uͤberall
mit sich zu fuͤhren pflegen, worunter das groͤste kaum zwoͤlf Pfund
geschossen. Dieses aber ist gleichwol merkwürdig / daß man uns Stärke ei⸗
nes Man⸗
nes.
berichtet, wie ein Soldat aus der Besatzung von solcher Leibes
Stärke gewesen, daß er dergleichen Stuck aus dem Gestell genom⸗
lmen, in seinen Arm gelegt, und es in demselbigen ohne Bedenken
[l]os gebrannt habe; und wo ich nicht irre, haben mich einige von
den Unsrigen versichert, daß sie es mit ihren Augen gesehen
hätten.
Jm wehrenden Durch⸗March stunden die Janitscharn auf beiHaß der
Janit⸗
scharn ge⸗
gen die
Teutsche.
⸗
den Seiten im Gewehr, dem Herrn Groß⸗Botschafter damit die
gebuͤhrende Ehre zu bezeugen, welchen sie auch hernach in das Lager be⸗
gleitet haben. Es wolte fast scheinen, als wann denen guten Leuten die
Galle zimlich daruͤber aufgestiegen, da sie den Schall der Trompe⸗
ten vernommen, und die fliegende Fahnen nebst denen Granadie⸗
rern, als des Herrn Groß⸗Botschafters Leib⸗Wacht, in der letz⸗
J 2
ten
- 94 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
68
ten Ordnung ankommen sehen. Diese, sagten sie, sind die garsti⸗
ge Hunde und Feuer speyende Drachen, welche, indem wir uns mit
den andern herum schlagen, nichts anders thun, als mit Feuer
und Schwefel auf uns los werfen. Sie haben auch ihren Haß so
wenig verbergen koͤnnen, daß sie vielmehr mit heftigen Fluchen und
Vermaledeyen uns alles Unglüͤck üͤber den Hals gewuͤnscht, welches
sie uns zwar nur durch ein heimliches Murmeln, wann ihre Officier
ihnen nicht auf der Hauben gewesen, zu verstehen gegeben / wir aber
gleichwol nicht gar undeutlich hören können. Man kunte auch ihrer
leichtfertigen Schmach Reden nicht muͤssig gehen, wann einer von
den Unsrigen allein, oder auch in Gesellschaft anderer herum gienge/
ob wir gleich als Freunde zugegen waren, dann da hieß es gleich:
Der Tür⸗
ken ge⸗
wöhnliche Schmach⸗
Rede.
Ana sen sictim Jaours; ich habe mit deiner Mutter zu thun
gehabt / du Unglaubiger / welche Schmaͤh⸗Worte sie jederzeit
im Munde führen, wann sie einem aus Zorn schäͤnden wollen, oder
sonst nicht güͤnstig sind.
Allhier kamen dem Herrn Groß⸗Botschafter die meisten
Der Spahi
und ande⸗
rer Zu⸗
spruch bey
dem Herrn
Botschaf⸗
ter.
Spahi, und Vornehmsten von der Militz und aus der Stadt mit
ihren grossen Bünden entgegen, deren sie sich nur bedienen, wann
sie gegen jemand ihre sonderbare Hochachtung bezeigen wollen. Die
Weiber, so in den Winkel⸗Gassen uns nur von den Fenstern und
Kleidung
der Wei⸗
ber.Dächern betrachten durften, hatten lange Röͤcke an, welche ihnen bis
über die Füsse herunter hiengen, und unter denselbigen Hosen, die
aber nicht so weit als der Männer ihre, und unten daran die Schu⸗
he angehefftet waren: den Kopf, Mund, die Nase, Wangen
Stirn / und das ganze Gesicht hatten sie vermoͤg ihrer Gesetze mit
weisen Tüchern also verhüllet, daß nur eine kleine Oefnung übrig
bliebe / wordurch sie sehen und frischen Luft schoͤpfen kunten.
Als kurz vor unserer Ankunft dem Seraskier / welcher, wie
Nachricht
an dem Se⸗
raskier von
unserer An⸗
kunft. ich vor schon gemeldet, um mehrerer Sicherheit wegen sein Läger
nicht weit von dem Unsrigen aufgeschlagen, da er auser diesem bey der⸗
gleichen Begebenheit sonst in der Stadt zu bleiben gewohnt war,
durch des Herrn Botschafters
Hof⸗Marschalk Freyherrn von
Seebach und vier Edelleuten die Herren von Weipeler/ Glim⸗
berg, Wettstein und Demerath wissend gemacht wurde, hat
derselbige alsobald durch seine Dolmetschen sein Compliment wegen
Geschenk
des Seras⸗
kiers.glücklicher Ankunft machen auch unterschiedliches Obst und Garten⸗
Ge⸗
- 95 -
Reise von dem Laͤger gegen Raschna bis nach Nissa.
69
Gewächs überbringen lassen; der Janitscharn Aga hingegen Des Janit⸗
scharn Aga.
wolte seine Freundschaft auf eine andere Weise bezeugen: Es hatte
nemlich derselbige einen jungen Edelmann, von Geburt ein Venetia⸗
ner mit Namen Stephan Ottoni, der eine Hauptmanns⸗Char⸗
ge bekleidet, aber im letzten Tüͤrkischen Krieg in Morea von dem
Feind gefangen worden; denselbigen haben die Tuͤrken, nachdem sie
die völlige Insul wieder erobert, auf mancherley Weise zu ihren
Glauben zu bringen gesucht, aber doch weder durch Bedrohung
noch Schmeicheley bey ihm was ausrichten köͤnnen, weswegen sie
Gewalt gebraucht, und ihm 500 Streich auf die Fuß⸗Solen geben
lassen, welche er alle mit zu GOTT gerichtetem Gemuͤth aus Liebe
zur wahren Religion, standhaft und gedultig ausgehalten, und dabey
doch nicht weniger als vorhero seinem Herrn, deme er im Krieg zu
Theil worden, redlich gedient; ohnerachtet vorhero zwey Priester,
aus einer gewissen geistlichen Gemeinschaft, da sie kaum 15. Strei⸗
che empfangen, wegen Zärtlichkeit des Fleisches von dem Glauben
abgefallen. Hierauf ist er nach Constantinopel gebracht, und
an einen Herrn zu Adrianopel verkauft worden, bey welchen er ei⸗
ne zeitlang gedienet, von diesem aber dem Janitscharn Aga zu
Nissa überlassen worden. Bey diesem hat sich zu getragen, daß die Treue eines
Sclaven
gegen sei⸗
nem Herrn.
Besatzung rebellirt, wobey er Gelegenheit hatte, seinen Herrn vor
der Soldaten Muthwillen zu schüͤtzen, indem er selbige auf der Stie⸗
gen mit gewafneter Hand von dem Zimmer so lang abhielt, bis jener
aus dem Fenster spruͤngen und durch ein kleines Thuͤrlein sich salvi⸗
ren köͤnnen. Für diesen grossen Dienst hat sein Herr ihn nicht nur Des Herrn
Dankbar⸗
keit dafür.
der Sclaverey entlassen, und in seinen Schutz genommen, sondern
ihme auch seine einige Tochter zur Ehe und alle seine Güter angebot⸗
ten, wann er zu dem Mahometanischen Glauben tretten wolte.
Weil er sich aber auch dardurch nicht zum Fall kunte bewegen lassen,
und den wahren GOTT höher als den Mammon geschätzet, hat
sein Herr ihn gleichwol bey seiner ihm einmal ertheilten Freyheit ge⸗
lassen, und noch darzu versprochen, ihn mit Kleidern, Pferden,
Decken, Geld, und aller Nothwendigkeit zu versehen, wann er ent⸗
weder wieder in sein Vaterland zurück kehren, oder anders wohin rei⸗
sen wolte, welches er nachmals redlich gehalten. Damit aber die
Türken dieses Vorhaben nicht merken solten, als vor welchen ermeld⸗
ter Sclav wegen des Vorgelaufenen sich noch immer zu hüͤten hatte,
faßte
J 3
- 96 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
70
faßte der Aga die Resolution, ihn so lang bey sich zu behalten, bis
der Römisch⸗Kaiserliche Groß⸗Botschafter von Wien an⸗
kommen wuͤrde, deme er solchen anbiethen und selbigen in seinen
Schutz zu nehmen ersuchen wolte, welches auch anjetzo ge⸗
schehen.
Janit⸗
scharn in⸗
tendirte
Aufruhr.Dieser hat mir auch erzehlet, daß sich einige aus dem Janit⸗
scharn zusammen verbunden / bey unserer Ankunft eine neue Auf⸗
ruhr zu erwecken, und damit sie dieses ihr ungerechtes Vorhaben de⸗
sto hitziger hinaus führen mögten, haben sie sich im Wein vollge⸗
trunken; aber durch des Aga Sorgfalt seye dieser Anschlag zu
Wasser worden, angesehen er auf alle Gassen und Ecken der Stadt
Wachten ausgetheilet, so auf diese unruhige Köpfe fleissig acht ha⸗
Die Janit⸗
scharn zu
Nissa zur
Aufruhr
vor andern
geneigt. ben solten. Der Geringste unter ihnen findet leichtlich einen An⸗
hang, so ihm nicht bald gewehrt wird, und sollen sie in dem Nisse⸗
nischen Gebieth viel geneigter, als anderswo, zur Aufruhr seyn;
und mag auch dieses wol den vorigen Seraskier bewogen haben,
denen Janitscharn den Scherbeth schlechterdings zu verbiethen, wel⸗
chen auch dieser ihnen gar selten erlaubt/ ob sie solchen gleich an an⸗
Janit⸗
scharn ha⸗
ben zu Frie⸗
dens⸗Zei⸗
ten kein
Gewehr.dern Orten gar wol trinken darfen. Welches auch vermuthlich die
Ursach ist, warum denen Janitscharn in Friedens⸗Zeiten weder Ge⸗
wehr noch Pulver und Bley zugelassen wird, und die Commendan⸗
ten mehrentheils vor der Stadt unter den Zelten in Laͤgern sich auf⸗
halten, und sich daselbst lieber etlichen tausend Spahi, als denen
Jhre Ur⸗
theil von
der Dauer⸗
haftigkeit
des neuli⸗
chen Frie⸗
dens.wankelmuͤthigen Janitscharn anvertrauen. Sie scheuen sich nicht,
offentlich zu sagen, daß der neulich geschlossene Friede von schlechter
Dauerhaftigkeit seyn werde, und wofern in sieben oder acht Jahren
anderwerts nicht was vorfallen werde, wuͤrden ihn wenigst die be⸗
nachtbarten Janitscharn selbst brechen. Die neuliche, wie auch die
Urheber
der Auf⸗
ruhr. letztere Aufruhr haben nur gemeine Leute erreget, welche noch immer
in der Stadt frey herum gehen, und nichts wenigers befüͤrchten, als
daß sie deswegen zur Straffe solten gezogen werden: daher auch die
grosse Freyheit / welche dieses Volk genieset, Ursach ist, daß man sie
mehr fürchtet / als daß sie andere füͤrchten solten. Sie essen und
trinken, was sie selbst moͤgen, ohne ein Absehen auf ihr Gesetz zu
haben; und wann ihre Officiers nicht um sie sind, so schlagen sie zu
auf wen sie wollen, ohne daß sie sich deswegen etwas Widerwärti⸗
ges
- 97 -
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa.
71
ges befürchten. Jch habe gleich von dem ersten Tag an, da wir in Janit⸗
scharn sind
Wein⸗Saufer.
ihre Gränzen gekommen, beobachtet, daß, wann sie Gelegenheit ha⸗
ben, sie sich alle mit Wein also anfüͤllen / daß sie auf keinen Fuß ste⸗
hen köͤnnen. So groß aber die Freyheit ist, die man diesen Leuten
gestattet, so schwehr ist hingegen die Dienstbarkeit, mit welcher an⸗
dere Unterthanen gedruckt werden. Es befindet sich zu Nissa ein
Bürger, welcher im vorigen Krieg in einer Besatzung gefangen, und
von dar in des Graf Philipps von Diederichstein Hauß ge⸗
bracht worden, woselbst er uͤber fuͤnf Jahr als ein Sclav gedienet;
nachdem aber der Fried wieder erfolgt ist, hat man ihn auch frey
und nach Hauß gelassen. Dieser kunte nicht genug aussagen, wie
grausam die Türken mit ihren Unterthanen verfahren; er versicherte, Scharfes
Traite⸗
ment der
Türkischen
Untertha⸗
nen.
daß bey uns die Dienstbarkeit viel leichter, als bey ihnen die Freyheit
sey, welche ihnen so viel Befehlshaber, als sie uͤber sich haͤtten, mehr
als zu schwehr machten: er wolle lieber hundert Jahr unter den
Christen, als eines unter den Tuͤrken leben; es waͤren betruͤgerische
Leute, denen nicht weiter zu trauen, als man sehen koͤnne; er hielte
es für sein gröstes Unglüͤck, daß er unter diesen Woͤlfen gebohren
und erzogen seye, sein Haußwesen unter ihnen habe, und auch ins
künftige sein Leben unter ihnen zu bringen muͤsse.
Den 20. Junj gaben Seine Excellenz der Herr GroßDes Herrn
Botschaf⸗
ters Visite
bey dem
Seraskier.
⸗
Botschafter mit seinem ganzen Comitat dem Seraskier die Visi⸗
te, wobey Er eben diejenige Ordnung hielt, welche Er beobachtet,
als Er zu Wien nach der Kaiserlichen Burg geritten, auser daß
die Musicanten nebst der Leib⸗Wacht im Lager zuruͤck blieben. Der
Seraskier schickte hierzu gleich Morgens früͤhe Pferde ab, deren
wir uns bedienen solten; so stellten sich auch seine Chiausen, Diener,
Hauß⸗ und unterschiedliche Kriegs⸗Officier ein, den Herrn Groß⸗
Botschafter Ehrenthalben zu begleiten: Die Janitscharn giengen Der Janit⸗
scharn
Tracht und
Ursprung.
zu beiden Seiten vorher, mit langen Roͤcken von unterschiedlichen
Farben angethan, die rings herum aufgeguͤrtet waren, wobey zu mer⸗
ken, daß sie nicht, wie es bey uns gebräuchlich, gewohnt sind, in ei⸗
nerley Regimenter auch die Muntur von einerley Farbe zu tragen;
auf den Kopf hatten sie ihre feyertägliche Ordens⸗Hauben / welche
sie Ketche nennen: auf deren vordern Seite gegen die Stirne ein
Stuck vom geschlagenen und mit unterschiedlichen Figuren gezierten
Kupfer fest gemacht ist, so einer Messer⸗Scheide nicht ungleich sie⸗
het;
- 98 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung /
72
het; über den Rucken und Schultern aber hanget ein langer weiser
Filtz herab. Die Manier sich also zu kleiden haben die Janitscharn
daher bekommen: Es hat ein unter den Türken gar beruͤhmter
Mann, Namens Bechtasch, als er nun sterben wolte, einen Er⸗
mel von seinem Rock abgeschnitten, und solchen einem von seinen
Nachfolgern auf dem Kopf gelegt, also daß das End davon über
den Rücken hinab gehangen, worzu er noch diese Worte gebraucht:
Du soltst hinfüro ein Janitschar / oder ein Mit⸗Glied der
neuen Militz seyn; von da an ist ihr Orden entstanden, zu des⸗
sen Zeichen sie sich dieser Ketche bedienen. Bey gegenwäͤrtigen
Seras⸗
kiers Zelt.Aufzug hatten sie auch Stecken in Händen, mit welchen sie das an⸗
tringende Volk abhielten. So bald sie an das Zelt gekommen, hiel⸗
ten sie still / und liessen uns zwischen sie durchgehen. Dieses Gezelt
ließ sehr propre, und war nach Türkischer Art verfertiget, dessen Stan⸗
gen⸗Knöpfe verguldet, der Boden aber mit Persianischen Teppichen
belegt; vor denselbigen sahe man an dreyen Stangen eben so viel
Tug oder Roß⸗Schweife aufgestecket, welches eines von den groͤ⸗
sten Ehren⸗Zeichen dieser Völker ist, und oben daran gleichfalls
grosse vergüldete Knöpfe. Und dieses hat der Bascha
von Nissa / wie auch ehmals der von Ofen und Belgrad,
vor den andern besonders, daß er drey Roß⸗Schweife in denen
Provinzen, welchen er vorgesetzt/ wann es ihm beliebt, vortragen
lassen darf, da denen andern nur ein einiger erlaubt ist, so daß kei⸗
ner im ganzen Reich, auser dem Groß⸗Vizir, dem Stadthalter
von Babylon / und dem zu Algier, solchen Vorzug praetendi⸗
ren darf, als der diesem ersten Bascha nur allein gebuͤhret. Vor
dem ersten Gezelt, dergleichen noch mehr waren, und die des Seras⸗
kiers Wohnung ganz umringt und eingeschlossen hielten, stieg ein
Empfang
des Herrn
Botschaf⸗
ters in
demselbi⸗
gen.jeder von seinem Pferd; der Herr Botschafter aber ritte nicht
nur durch den Eingang, sondern durch das ganze vordere Zelt, und
wurde von dem Bascha bey dem Eingang des andern / das um eine
Staffel mehr erhöͤhet war, empfangen, welches die Tüͤrken gar füͤr
eine besondere Ehre hielten, angesehen dieser Beiglerbey keinem
Bascha in diesen Landen, wer er auch immer sey, sondern nur allein
dem Sultan und Groß⸗Vizir/ aufstehet. Die rechte Hand be⸗
hielte der Herr Groß⸗Botschafter / und sasse fast auf gleiche
Weise,
- 99 -
Reise von dem Lager gegen Raschna bis nach Nissa.
73
Weise, wie neulich nach der Auswechslung, neben dem Seras⸗
kier auf der Sofaus.
Als Jhro Excellenz bey Jhm durch den Dollmetsch seinen Anrede an
den Seras⸗
kier.
Gruß abgelegt, verlangte er kurz darauf im Namen Seiner Rö⸗
misch⸗Kaiserlichen Majestät / daß er die nun wiederum herge⸗
stellte Freundschaft auf der Gränz durch seine Gewalt und Autho⸗
rität zu erhalten sich moͤgte belieben lassen, anbey den Kauf⸗Handel
allen Vorschub thun, die gemeine Bothen schuͤtzen, und den übrigen
Umgang unserer Leute mit den Jhrigen auf alle Weise in Sicherheit
stellen. Es sey auch Gegentheils Seiner Römisch⸗Kaiserli⸗
chen und Catholischen Majestät / Seines Allergnädigsten
Kaisers und Herrns ausdrücklicher Wille, der auch allen auf der
Gränz sich aufhaltenden Officiers hinterbracht worden, daß die
mit der Ottomannischen Pforten neu⸗aufgerichtete Freundschaft un⸗
verbrüchlich solle gehalten, und welche darwider zu handelen sich un⸗
terstehen wuͤrden, auf das schäͤrfste gestrafft werden. Es lasse sehr
wol, wann freye Völker, als wie die Teutschen und Tuͤrken wäͤren,
welche vor kurzen wegen neu-entstandener, oder vielmehr von an⸗
dern gestifteten Uneinigkeit mit einander in Krieg verfallen, nun⸗
mehro nach wieder aufgerichteter Freundschaft und gemachten Frie⸗
den einander doppelt so viel Gewogenheit erweiseten, als sie vorher
Feindseeligkeit gegen einander gehägt hätten. Es gefiel Jhm an de⸗
nen Muselmännern vor andern, daß sie ihrem Herrn in Krieg⸗
und Friedens⸗Zeiten alle Treue und Gehorsam erzeigten, und sie
gleichsam wie Göͤtter verehrten. Ach wann wir Teutschen
doch dieses von denen Barbarn lernen wolten / wir wür⸗
den uns gewiß dardurch unuͤberwindlich machen. Nach dem Uberrei⸗
chung des
Prinz Eu⸗
genius
Schreiben
von dem
Freyherrn
von Locher.
der Herr Groß⸗Botschafter auf diese Weise ungefehr seine An⸗
sprach gehalten, hat Er dem Seraskier des Prinz Eugenii Brief
durch den Freyherrn von Locher uͤberreichen lassen, welcher ab⸗
sonderlich zu dieser Verrichtung um der sonderbahren Verdienste
willen seines Seel. Herrn Vatters aus ersehen worden. Dann dieser
hat das Königreich Ungarn zur Zeit der entstandenen Unruhe durch
seine kluge Rathschläge von dem ausersten Verderben und unver⸗
meidlichen Untergang erhalten, die von andern zwar öͤfters aber ver⸗
geblich gesuchte Einigkeit wieder hergestellet, und durch die dem
K
Kai⸗
- 100 -
Erstes Buch, Fünfte Abtheilung /
74.
Kaiser und Vaterland getreue Dienste sich den grösten Ruhm
und ein unauslöschliches Andenken zu wegen gebracht.
Bey Uberreichung des Briefs ließ sich der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter vernehmen, wie der Prinz nicht weniger dahin werde be⸗
dacht seyn, daß hierinnen Seiner Römisch⸗Kaiserlichen und
Catholischen Majestät ernstlicher Wille in allen Stüͤcken er⸗
füllet werde. Er trage auch keinen Zweifel, es werden diese Briefe,
welche von einem solchen Herzog herkommen, der in aller Welt
so berühmt ist, gar angenehm seyn. Nach Endigung dieser Rede
überreichte der Freyherr von Locher das Schreiben, worüber der
Bascha ein ungemeines Vergnügen bezeigte.
Bald darauf gab er seinen Leuten ein Zeichen, daß sie Caffé herein
Des Herrn
Botschaf⸗
ters und
der Seini⸗
gen Bewür⸗
thung von
dem Seras⸗
kier.bringen und das Mittagmal für den Hn. Botschafter zu richten, wie
auch den Adel und übrige Suite in andere Zelte füͤhren solten. Da⸗
selbst sind wir hernach tractirt worden, wie es bey diesen Leuten der
Gebrauch mit sich brachte. An Speisen war da kein Mangel / aber
die meisten davon mit duͤnnen suͤssen Brüͤhen zugerichtet; die uͤbri⸗
Speisen
der Tür⸗
ken.gen Trachten bestunden in Reiß, Mehl, Zucker, kleinen Weinbeern,
Mandeln, Brunellen, Oliven, Aepfeln, Birn und mehr andern
Der Janit⸗
scharn Aga
besucht mit
andern den
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ter.Früchten. Jnzwischen kam der Janitscharn⸗Aga und einige andere
mit ihm, worunter der Zeugmeister und einige Officiers von der
Leib⸗Wacht zu Fuß dem Bericht nach sollen gewesen seyn, welche
den Herrn Groß⸗Botschafter zu sehen verlangten. Diese aber
stiegen vor dem äussersten Zelt von ihren Pferden ab, und begaben
sich zu jener Staffel, bey welcher Se. Excellenz von dem Se⸗
raskier zuvor empfangen worden, als er kaum zwey Schritt von
Respect ge⸗
gen dem
Seraskier. dem Ort, wo er abgestiegen, fort gegangen war; daselbst aber blie⸗
ben sie stehen, nachdem sie auf Türkische Manier mit gebogenen
Leib und auf die Brust gedruckten Hand ihr Compliment gema⸗
chet. Der Aga aber gieng so gleich darauf die Staffeln gar hinauf,
neigte sich mit dem Haupt bis fast zur Erde und küßte auf das
demüthigste den Saum von des Bascha Rock, wie auch seine Hand,
welcher bey diesem allen gleich einer unbeweglichen Statuen auf sei⸗
ner Sofaus sitzen blieb. Hierauf verfügte sich der Aga wieder zu
denen andern, so bey der Staffel stehend geblieben, und fieng gegen
dem
- 101 -
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa.
75
dem Herrn Groß⸗Botschafter zu reden an. Fürs erste gab er Rede des
Janit⸗
scharn Aga
zum Hn.
Botschaf⸗
ter.
zu verstehen, wie er laͤngstens gewuͤnscht, demjenigen Mann, von
welchem allenthalben so viel ruͤhmliches gesagt wuͤrde, in dessen Ge⸗
genwart seinen Respect zu bezeugen; nachdem er aber nunmehro
dieser Ehre theilhaftig worden, hätte er es billig vor sein groͤstes
Glück zu achten / das ihm jemaln begegnen koͤnnen. Hierauf legte
der Herr Botschafter seinen Gegen⸗Gruß ab, und dankte so wol
für seine geleistete Dienste, als auch für den gestriges Tages uͤber⸗
schickten Venetianer / rühmte seine Höflichkeit und gute Neigung
gegen die Christen, wuͤnschte anbey Gelegenheit, einen solchen Chri⸗
sten⸗Freund wiederum etwas angenehmes zu erweisen; worauf der
Aga nach wenig hinzu gesetzten Worten, auf eben die Art, wie er
gekommen, vom Seraskier seinen Abschied genommen.
Mehr gedachter Feld⸗Herr hat eine so grosse Gewalt üͤber dieDes Se⸗
raskiers
Gewalt
und Anse⸗
hen.
⸗
ses Volk, als nicht leicht einer seines gleichen, wann er auch schon,
wie er drey Roß⸗Schweif führet. Er darf ganze Dörfer und
Land⸗Güter nach Gefallen verschenken, welche auch diejenige, so es
bekommen, (doch nur auf ihre Lebens⸗Zeit, und ohne daß es andere
von ihnen erben koͤnnen,) wiederum an wen es beliebt/ uͤberlassen
darfen. Es versicherte auch des Herrn Groß⸗Botschafters
Hoffart der
Tüͤrken.
Dolmetsch, deme der Gebrauch in diesen Läͤndern sehr wol bekannt
ist, daß dieser hochmuͤthige Tuͤrk lieber wuͤrde einen Verlust von
16000. Thalern oder 5000. Ducaten, und mehr verschmerzen, als
vor einen Christen aufstehen, und ihme so weit entgegen gehen. Jm Des Se⸗
raskiers
Geschenk
an den Hn.
Botschaf⸗
ter und des⸗
sen Suite.
Weggehen wurden unter uns 25. Uber⸗Kleider, so sie Caftans
nennen, ausgetheilt, und ließ sich anbey entschuldigen, daß er vor
diesesmal mit mehrern nicht versehen waͤre, sonst wolte er gerne einem
jedweden eines haben reichen lassen/ wann er nur so viel, als hierzu
nöthig gewesen, auf der Gränz finden köͤnnen; da doch sonst unter
der andern Hn. Botschafter Comitat nicht mehr als zum hoͤchsten 15.
ausgetheilt worden. Dem Herrn Groß⸗Botschafter verehrte
er ein vortrefliches Babylonisches Pferd, von Kästen⸗brauner Cou⸗
leur, als welche Farb von ihnen vor andern æstimirt wird. Das
Pferd war über dieses mit dem kostbarsten Türkischen Zeug aufge⸗
butzt, hatte zur Seiten an dem Sattel einen Damascenirten mit
Schmelz⸗Werk zierlich ausgemachten Säͤbel hangend, welches gleich⸗
falls für ein sonderbares Ehren⸗Zeichen bey ihnen gehalten wird.
Hier⸗
K 2
- 102 -
Erstes Buch / Fünfte Abtheilung.
76
Hierzu kam noch ein roth⸗gewässerter und mit Zobel gefütterter
Caftan / den aber der Herr Botschafter, ehe er noch das ihm
verehrte Pferd bestiegen, wiederum ablegte, und hierauf in voriger
Ordnung und Kleidung, in welcher Er gekommen, in sein Gezelt
zuruck kehrte; wobey die Türken ihr gewöhnliches Geschrey aber⸗
mal, wie bey unserer Ankunft, erschallen liessen, wir aber in unse⸗
rer neuen Kleidung einen recht seltsamen und laͤcherlichen Aufzug
machten.
Caftans
Beschrei⸗
bung.Es ist aber dieses Kleid eine Art von einem langen Rock, so
bis auf die Füß hanget, an welchem zwar Flügel aber keine Ermel
angemacht sind, mehrentheils von weiser Farb, und etwas groben
Faden, dabey sich zwischen dem Weisen gelbe Figuren und einige ganz
dünne Züge von Silber præsentiren. Für einen jedweden derselbi⸗
gen zahlet der Sultan eilf Ducaten, wiewol sie es nicht werth sind;
den Profit aber ziehen die Juden, als welche nur allein damit ihren
Handel treiben. Dann weil niemand vor den Sultan ohne der⸗
gleichen Aufzug gelassen, und solches Kleid auch allen ankommenden
vornehmen Gaͤsten ausgetheilt wird, so laufen die Juden in allen Lä⸗
gern und Städten herum, um deren einige loß zu werden; dahero
es auch kommen kan / daß einem in einem Jahr eben dasjenige
Kleid, welches er bereits schon gebraucht, noch öfters zu Handen
kommt. Als wir kaum in unserm Läger wieder angelangt, hatte
der Janitscharn Aga dem Herrn Botschafter einen Rappen,
welcher dem Babylonier an Schoͤnheit nichts nachgab, nur daß die⸗
ser nicht mit so schoͤnen Pferd⸗Zeug versehen war, zu einer Vereh⸗
rung gesendet; worgegen der Herr Botschafter ihm eine Flinten
mit einem doppelten Lauf nebst ein paar nett ausgearbeiteten Pistoh⸗
len zum Gegen⸗Præsent überschicket. Nach des Herrn Groß⸗
Botschafters Rückkehr von dem Seraskier haben sich die Tüͤrken
nach dem Divan, oder Gericht, verfüͤgt, worzu mit der Trommel
ein Zeichen gegeben worden, und hierauf sich die Pfeiffen und uͤbri⸗
ge Musicanten hören lassen, welches bis auf den späten Abend
gedauret. Mitten in der Nacht entstund ein entsetzliches mit Blitz
und Regen vermengtes Ungewitter, wordurch die Zelter aus der Er⸗
den gerissen, und in der Luft hin und her geführet worden. Zu
gleicher Zeit sahe man im Lager ein gewisses Feuer, welches sich bald
zeigte, bald wieder verlohre, so daß es um dieser Ursach willen einige
für
- 103 -
Reise von dem Läger gegen Raschna bis nach Nissa.
77
für ein Jrrlicht gehalten haben; andere aber urtheilten ihren Aber⸗
glauben gemaͤß, und hielten es für die Pest, welche sich in Gestalt
einer Flamme nach des Poͤbels Meinung, sehen laͤsset; daß aber das
erstere wahr gewesen, hat sich im Ausgang gezeugt.
Den 21. gabe der Seraskier dem Herrn Groß⸗Botschaf
Seras⸗
kiers Visite
bey dem
Hn. Bot⸗
schafter.
⸗
ter um den Mittag die Gegen⸗Visite, weswegen ihm der Hof⸗
Marschalk, Freyherr von Seebach / mit noch vier Edelleuten,
als den Freyherrn von Locher / Schopen / Jmhof und Stu⸗
denitz / entgegen geschickt wurde, damit sie denselbigen aus seinem
bis in unser Lager begleiten solten. Indessen wurden von dem er⸗
sten Gezelt des Herrn Groß⸗Botschafters bis an das andere
hundert Schritt weit zu beiden Seiten in doppelter Linie der Adel,
die Hauß⸗Bediente, Pagen, Laquayen, und übrige, so bey der Bot⸗
schaft waren, gestellet, und zwar also, daß immer die Vornehmern
dem Gezelt des Herrn Botschafters am nechsten stunden. Der
Marggraf Besora / und Graf Bathyani / wurden beordert,
den ankommenden Gast bey dem grossen Gezelt zu empfangen. Jm Dessen
Comitat.
Herzug giengen die mit leichten Waffen versehene Spahi voran /
blieben aber vor unserm Lager stehend; denen folgten einige Chiau⸗
sen, auf Türkische Manier gekleidet, kurz darauf kamen unterschied⸗
liche Officier von der Militz, nechst diesen des Bascha Hauß⸗Be⸗
dienten in weisen Kleidern, zwischen welchen Er selbst in einem Pur⸗
pur⸗farben Kleid geritten ist, wovon aber viere dessen Pferd regier⸗
ten und ihre Hände zum Theil auf des Pferdes Ruͤcken, theils aber
an den Zaum gelegt hatten: auf beiden Seiten giengen zwey hundert
Janitscharn, welche an statt der Waffen Stecken in den Häͤnden
trugen; gegen denselbigen uͤber bey des Hn. Groß⸗Botschafters
innern Zelt stunde Sr. Excell. Leib⸗Wacht mit aufgepflanzten kur⸗
zen Gewehr in der Hand; hinter ihm aber wurde ein Hand⸗Pferd
geführet, und zu letzt folgten die Troß⸗Buben und Stall⸗Knechte.
Die zu Pferd waren, stiegen alle vor dem ersten Zelt ab; der Se⸗
raskier aber allein ist erst bey dem Eingang des andern abgestiegen,
dessen übrige Leute ihm nur zu Fuß begleitet haben. Hierauf hat Empfang
von dem
Groß⸗Bot⸗
schafter.
der Herr Groß⸗Botschafter ihn bey dem Eingang seines Gezel⸗
tes empfangen, und bey der Hand, doch mit bedecktem Haupt, hin⸗
ein geführt, und auf den ihn bereiteten Sessel angewiesen, und mit
Chocolate und eingemachten Fruͤchten tractiret; dabey des Herrn
Groß⸗
K 3
- 104 -
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
78.
Groß⸗Botschafters Sessel gerad gegen dem Bascha zur rechten
Ruckkehr. Hand gesetzt war. Als sie nun mit einander von unterschiedlichen
Sachen eine zeitlang geredet, ist der Seraskier nach weitläuftiger
Dank⸗Abstattung für die ihme erwiesene Ehr⸗Bezeugung wiederum
nach seinem Lager zuruck gekehrt: worauf sich der Herr Botschaf⸗
ter entschuldigt, daß er, als ein Reisender, einen so vornehmen
Gast nicht nach Wüͤrden bedienen köͤnnen, deme Er noch bey dem
Kaiserl. Ge⸗
schenke an
dem Se⸗
raskier. /Abschied einen höflichen Wunsch beygefügt. So bald er nun wie⸗
der im Lager angelangt, folgten ihm die Kaiserliche Geschenke
auf dem Fuß nach, welche durch den Herrn von Melzern, Obrist⸗
Vorstehern der Leib⸗Wacht; Herrn Cramer / Cassierer bey dieser
Groß⸗Botschaft; Herrn Holzmann / Uhrmachern, und Herrn
Vorner / Kaiserlichen Ober⸗Dolmetsch dahin gebracht worden.
Diesen liese der Seraskier drey neue Caftan / welche die vorigen
an Schönheit und Kostbarkeit übertroffen, dem vierten aber ein
Stuck rothes Tuch und etliche Eln Atlas reichen; deme den Nach⸗
mittag ein Pferd nebst einem Beutel mit Gold nachgeschicket wor⸗
den, davon das erstere dem Kaiserlichen Cassierer, der Beutel
aber dem Dolmetsch zu theil worden.
Sechste Abtheilung.
ENdlich sind wir den 22. Junj, an Paulini⸗Tag, wieder von
Abschied
an densel⸗
bigen.
Nissa aufgebrochen, als vorher der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter den Hof⸗Marschalk mit zwey Edelleuten, Herrn
Stetzer und Mattoni abgeschickt, von dem Beiglerbey in sei⸗
nem Namen Abschied zu nehmen, und füͤr alle erwiesene Höͤflich⸗
keit den gebüͤhrenden Dank abzustatten. Wann ich aber den Se⸗
raskier, wie schon öfters geschehen, Beiglerbey nenne, geschiehet
solches darum, weil dieses der gemeine Name ist, da hingegen Se⸗
raskier etwas besonders und zwar einen solchen Kaiserlichen Stadt⸗
halter der Landschaften und Köͤnigreiche anzeigt, welcher von den
übrigen Baschen und Sangiaken, so gleichfalls gewissen Grafschaf⸗
ten und Plätzen vorstehen, auch ein oder zwey Roß⸗Schweif füh⸗
ren, damit unterschieden wird. Selbigen Tag kamen wir nicht
weiter als zwey Meilen, an den Fluß Kutinska / wo wir das Dorf
Kori⸗
- 105 -
Abbildung:
Türkisches Bad
- 106 -
- 107 -
Reise von Nissa bis nach Sophia.
79
Koritniac zur linken Hand hatten, und zwar darum, weil noch
heute Courier nach Wien muste abgefertiget werden, Jhro Roͤ⸗
misch⸗Kaiserlichen und Catholischen Majestät von allem
diese Zeit über passirten umständliche Nachricht zu ertheilen. Von
dem Tag an, da wir von Belgrad abgereißt, haben wir noch bis
auf diese Stunde kein schoͤnes Wetter gehabt, sondern sind immerzu
von Wind und Schnee haͤßlich vexirt worden.
Suha⸗Ge⸗
bürg.Den 23. Junj hatten wir einen gar uͤblen Weeg zwischen dem
Suha⸗Gebürg und dem Nissava⸗Fluß. Dieser Orten gibt es viel
warme Bäder von dem schweflichten und mineralischen Wasser, so
aus den Bergen heraus springet. Der rothe Sand und Steine
verursachen, daß das Wasser ganz gefärbt davon wird. Auf dem Nah bey⸗
sammen
liegende
Bäder von
unterschied⸗
licher Art.
⸗
halben Weeg nach Mustapha Bascha Palanka habe ich etwas
curiöses angemerkt: Man findet nemlich am Fuß des Berges ein
Bad, darzu ein viereckichter Stein ausgehauen ist, desselbigen Quel⸗
le, welche Manns dick heraus dringet, ist weder warm noch kalt,
sondern laulicht; wann man aber 60. Schritt weiter gehet, findet
man in eben diesen Thal eine andere Quelle, die ganz hell und klar
und noch darzu Eiß kalt ist; beide führen Salpeter und Schwefel
mit sich, wie es der Geruch gleich anzeigt. Dieses sind diejenige
Berge, die Servien und Bulgarien von einander entscheiden, Gräͤnzen
von Ser⸗
vien und
von Bulgarien.
welches letzte man ehedessen Volgaria nennete, von dem Scythischen
Fluß Volgo / wohin sich die Scythen gefluͤchtet hatten, und
welchen die Völker daselbst Volgari genennet worden; dahero die⸗
jenige Geographischen Scribenten irren, welche Mustapha Ba⸗
scha noch in Servien setzen. Wir hatten unser Lager nicht weiter
als nur einen Canonen Schuß von diesem Ort zwischen der Nissa⸗
va und Luschnitza / und vor uns disseits das Zerniwirer / jen⸗
Luschnitza⸗
Fluß.seits aber das Ulanitzer Gebürg. Die Luschnitza entspringt in
dem Gebuͤrg, zur rechten der Palanka; und nachdem sie ein Dorf
gleiches Namens und die obere Palanka schnell und mit grossem Ge⸗
räusch vorbey geflossen, ergiesset sie sich in die Nissava. Auf die⸗
Orden des
H. Basilii.
sen Bergen ist ein Closter, worinnen sich Moͤnche von dem Orden
des H. Basilii aufhalten, und nach der Regel ihres Stifters als Ein⸗
siedler leben. Es ist solches der ansehnlichste Orden in der Grichi⸗
schen Kirche, dessen Geistliche durch das ganze Reich des Sultans
aus⸗
- 108 -
80
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
ausgebreitet sind, ihre Clöͤster noch, wie zu Zeiten der Grichischen
Mustapha
Bascha Pa⸗
lanka. Kaisere, bewohnen, und ein sehr strenges Leben führen. Diese Pa⸗
lanka ist ganz anders als die uͤbrigen angelegt: Jhre Befestigungs⸗
Werker sind nur von Bäumen, gespitzten und vorn abgebrannten
Pfälen aufgeführt, und mit Queer-Stangen etlichmal versehen:
Sie ist mit einer vierfachen Mauer von Quater⸗Stüͤcken umgeben/
die von acht in gleicher Weite entlegenen Thüͤrnen vertheidiget
wird. Zu dieser Zeit war keine Besatzung darinnen; wie sie dann
auch wegen der nechst anstossenden Bergen und Felsen nicht im
Stande wäre, weder eine Armee aufzuhalten, noch sich vor einem
Anfall zu wehren, weil sie daraus nur mit kleinem Gewehr ruinirt
Haan oder
öffentliche
Herberge
der Tür⸗
ken.werden könnte. Gegen der Palanka über liegt eine offentliche Her⸗
berge, so die Türken Haan, die Asiatischen Völker aber Cara⸗
vansarai nennen, welche in diesen Landen so gemein, daß kaum
ein Dörflein oder auch wol nur etliche Haͤuser, vornemlich an der
Land⸗Strassen, anzutreffen, dabey nicht dergleichen Wohnung zur
Gemächlichkeit und Aufenthalt der Reisenden gebauet ist. Es kehrt
daselbst ein, wer nur will, und kamen auch ohne einige Bezahlung
darinnen üͤbernachten, dann die Türken halten es für ein Liebes⸗
und GOtt⸗gefälliges Werk, dergleichen Häuser, wovon sie keinen
Nutzen haben / aufzubauen, weil sie denenjenigen dienen, welche we⸗
der ein eigenes Dach, noch Geld haben: So wende sie auch nicht
leicht auf etwas so viel, als wie auf dergleichen Gebäͤue, theils
weil deren die Nachkommen unfehlbar geniessen, als eine Sache,
woran man sich nicht vergreifen darf; da sie im Gegentheil wegen
ihrer uͤbrigen Verlassenschaft nicht sicher genug sind / dessen gröͤsten
Theil der Sultan zum öftern ohne angezeigte Ursach zu sich nimmt,
und seine Schatz⸗Kammer damit bereichert: theils, weiln sie nicht
zweifeln, daß man GOtt für diejenige beständig anflehe, durch de⸗
ren Freygebigkeit dergleichen Herberge aufgeführet sind, als wor⸗
durch denen Nothleidenden Hüͤlfe geschiehet, und ihre benöͤthigte
Nacht⸗Ruhe befördert wird. Das Gebäu an sich selber ist zimlich
groß, und durchgehends von Steinen aufgefuͤhrt, welches die Tüͤr⸗
ken sonst nicht gewohnt sind, als die mehrentheils alles von Holz
bauen; es ist etwas länger als breiter, ins gemein mit Kupfer oder
Bley bedeckt: keine Zimmer findet man darinnen, es sey dann,
daß bisweilen ein kleines für die Bascha mit angebauet ist, wann
sie
- 109 -
81
Reise von Nissa bis nach Sophia.
sie darinnen logiren wollen. Im Vorhof ist gemeiniglich ein Brun⸗
nen, zum Waschen und andern Nothwendigkeiten; in der Mitte
aber ein grosser leerer Platz, die Bagage dahin zu bringen, und die
Cameel, Maulthiere, Pferde, Ochsen und anderes Vieh darein zu
stellen. Um die vier Seiten des Gebäͤues ist rings herum eine an⸗
dere Mauer angehenkt so in der Hoͤhe drey, in der Breite aber
bisweilen einen einigen Schuh mehr austrägt: diese ist oben ganz
gleich, durch die Haupt⸗Mauer des Gebäͤues
aber sind unterschiedli⸗
[che] Rauchfänge geführt. Erst bemeldte angehenckte Mauer dienet de⸗
nen, welche allhier einkehren, zum Schlaff Zimmer / Speiß Saal,
Tisch, Bett und allem andern, sind auch nur allein durch die Brei⸗
te dieser Mauer von ihrem Vieh abgesondert, welches so gar bis⸗
weilen an den Fuß dieser Mauer in solcher Positur angebunden ist,
daß es mit dem Kopf uͤberhin schauet / und ihren Herrn, welche et⸗
wan bey dem Feuer oder Tisch sitzen, eine kleine Visite gibt, wofüͤr
sie auch zu Zeiten mit einem Stuck Brod oder Ruͤben regalirt wer⸗
den. An statt des Betts breiten sich die Reisende einen Teppich
auf, den sie zu dem Ende hinten auf dem Sattel gebunden mit fuͤh⸗
ren, auf diesen legen sie statt des Unter⸗Betts ihren Regen⸗Man⸗
tel, der Sattel dient ihnen zum Haupt⸗Kuͤssen / und ihr langer mit
Pelz gefütterter Rock, mit dem sie sich bey Tag begleiten, muß ih⸗
nen hier bey der Nacht das Deck⸗Bett abgeben; und wann ihnen
noch darzu die Ausdampfung ihres Viehes die kalte Nacht⸗Luft er⸗
wärmet, so schläͤft mancher dabey ruhiger, als die Koͤnigin Pro⸗
serpina in ihrem Königlichen Bette.[5] Hier kan man nichts heim⸗
lich verrichten, und durch nichts als die Nacht den Augen der An⸗
wesenden in etwas entzogen werden. An einige stossen Bäder, Kir⸗
chen, Kaufmanns⸗Läden und Werkstätte, so daß die Reisende sich
waschen, ihr Gebet verrichten, das Vieh in die Traͤnke fuͤhren, und
was ihnen sonst etwan abgehet, fuͤr baares Geld haben koͤnnen. Jn
einigen
dergleichen
Herbergen
hat man
die Kost
umsonst.
Asien gibt es welche, die mit so reichen Einkuͤnften versehen, daß Jn
man den Reisenden auch die Kost umsonst reicht, welche in ein we⸗
nig Kraut, einer Schuͤssel Gersten oder Reiß, der oft mehr ge⸗
brannt als gekocht ist, einem darauf gelegten Stuͤcklein Fleisch und
rings um die Schuͤssel gelegten Brod, bestehet, worzu bisweilen
noch ein wenig Hoͤnig kommt, dabey man auch des Wassers nach
Vergnüͤgen umsonst trinken kan. Es wird aber dergleichen Kost nicht
etwan
L
- 110 -
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
82
etwan nur den Armen vorgesetzt, gleich als ob es denen Reichen und
Vornehmern nicht gut genug seyn duͤrfte, sondern es wird auch de⸗
nen Baschen und Sangiaken auf ihrer Reiß gereicht; dann
gleichwie diese Herbergen jederman offen stehen, und keinem das
Quartier versagt wird, er seye nun gleich ein Christ oder Tuͤrck, ein
Armenianer oder Jud, ein Römer oder ein Grich, reich oder arm:
also bringt es die Gewonheit mit sich, daß diese Speisen jederman
vorgesetzt werden, von welchem er, will er anders nicht für gar zu
delicat und unhöͤflich gehalten werden, wenigstens etwas kosten muß.
Allhier darf man sich drey Tage aufhalten, ohne daß einer was
bezahlt, aber nach deren Verfliessung muß man sich packen, und ein
ander Ort suchen. Wir haben uns für diesesmal in der Hinreisse
wegen der grossen Anzahl unserer Leute, und der dieser Orten gras⸗
sirten Pest solcher Gelegenheit nicht bedienen koͤnnen, ist auch zum
öftern der Pferde besser als unserer gepflegt worden, welche meisten⸗
theils unter den druckenen Daͤchern stunden, wann wir indessen unter
den leinern und Baumwollenen Gezeltern unser Nacht⸗Quartier
aufschlagen musten. Wir wollen aber nun einmal die Herbergen
verlassen, und wieder auf denjenigen Weeg kehren, von dem wir uns
eine zeitlang abgewendet haben.
Man kan nicht anderst, als nur durch einen einigen Weeg
Unbrauch⸗
barer Weg nach So⸗
phia.über Scharkioi nacher Sophia kommen / welcher aber wegen der
hohen Berge, grossen Wälder und vielen Lacken für eine Armee im⸗
passabel ist, sonderlich aber zur Früͤhlings⸗ und Herbst⸗Zeit, wann
der auf den Bergen liegende Schnee durch dem darzu kom̃enden Regen
die Thäler mit Wasser anfüllet: daselbst sind einige Oerter von
Natur also beschaffen, daß derjenige, so sie zu erst occupirt, mit
weniger Mannschaft eine ganze Armee abhalten kan. Durch diesen
Weeg sind wir mit grosser Beschwehrlichkeit marchirt, und nach ei⸗
ner Zeit von fuͤnf Stunden, am 24. Juni, als am Johannes⸗Tag,
Die Ve⸗
stung
Scharkioi.zu Scharkioi ankommen. Diese Stadt hat auf einem Berg, an
welchem die Nissava vorbey fleußt, und worein sich noch zwey ande⸗
re Flüsse, die Duschtina und Sredorek ergiesen, ein Schloß
gleiches Namens, vor welchen im vorigen Tüͤrken⸗Krieg unsere Sol⸗
daten 19. Tag gelegen[6]; allein der gegen überliegende Felsen verhin⸗
dert, daß man bey einer Belägerung die Stadt nicht mit Stucken
beschiessen kan: weil aber der Platz eng / würden die Bomben und
Gra⸗
- 111 -
83
Reise von Nissa bis nach Sophia.
Granaten ohne Zweifel eine desto gröͤssere Würkung thun. Aus
erst bemeldten Felsen quillet an unterschiedlichen Orten das hellste
Wasser herfür, welches durch geheime Röͤhren unter der Erden in
den Stadt⸗Graben und die Stadt selbst geleitet wird. Dann man Die schön⸗
sten Brun⸗
nen sind in
der Türkey.
muß wissen, daß, weil die Tuͤrken, vermoͤg ihres Gesetzes, keinen
Wein trinken, sie an keine Sache mehr Geld, als an Erbau⸗
ung der Brunnen wenden, weswegen auch in der That in ihrem
Lande die allerschoͤnsten anzutreffen sind, und dieses nicht allein in
Städten/ sondern auch auf dem Land und andern unbewohnten
Oertern, damit sich nemlich die Reisende, und diejenige, so auf dem
Feld arbeiten, bey grosser Hitze wieder erfrischen koͤnnen; so geschie⸗
het es auch wol zu Zeiten, daß das Wasser, wann es einen guten
Geschmack hat, viele Meilen mit den groͤsten Unkosten durch Röͤh⸗
ren in die Brunnen geleitet wird. Gemeldte Stadt ist in die Laͤnge ge⸗
bauet, und allenthalben mit Morast umgeben, weswegen man auch
die Land⸗Strassen mit Kieselsteinen pflastern muͤssen, weil ohne die⸗
ses die Wägen nicht wol wuͤrden fort zubringen seyn. Der Weeg
von Nissa her füͤhrt üͤber zwey Brüͤcken, deren eine uͤber die Dusch⸗
tina / die andere üͤber die Nissava geschlagen ist. Hundert Mann Ja⸗
nitscharn liegen darinnen in Besatzung; allein, wann auch gleich noch
mehr darinnen wären, wuͤrden sie doch den Feind an seinen March
nicht hindern, es sey dann, daß er sich selbst dafuͤr mit einer Belä⸗
gerung aufhalten wolte, weil sich der Weeg nach Sophia und Ha⸗
drianopel theilet, also daß sich eine Armee ohne einigen Nachtheil
zur Rechten gegen das Gebürg wenden könnte.
Als die Tüͤrken den Herrn Groß⸗Botschafter anrucken saDer Herr
Botschaf⸗
ter wird be⸗
schossen.
⸗
hen, haben sie ihre drey Stuͤcke, dann mehr hatten sie nicht, drey⸗
mal loß geschossen. Indem wir der Stadt naͤher kamen / beobach⸗
tete ich im Vorbey⸗March gegen das Schloß zu eine alte zerfallene
Kirche, die sie ehemals den Catholischen entzogen hatten, welche
unter ihren Ruin ihre Erretter gleichsam mit folgenden Worten an⸗
redete: Ach daß doch die Christlichen Füͤrsten alle Feindse⸗
ligkeiten unter einander moͤgten beyseits legen/ und in gu⸗
ter Verstäͤndnus mit einander leben/ hingegen die Waf⸗
fen / mit welchen sie sich selbst aufreiben, gegen den allge⸗
meinen Feind des Christlichen Namens kehrten, und die⸗
jenige Oerter/ welche er mit groͤstem Unrecht besitzet/
der
L 2
- 112 -
84
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
der Kirchen und ihren rechtmaͤßigen Herrn / welchen es
mit Gewalt entzogen worden / wieder zubraͤchten! Aber
Jhro Röm.
kais. Ma⸗
jestät Sie⸗
ge / durch
einen an⸗
dern Krieg
verhindert. du wuͤrdest ja wol schon gerochen seyn, und dieses Wunsches nicht
mehr nöthig haben, wo nicht der Aller⸗Christlichste und Gotts⸗
fürchtigste Kaiser durch eines Gotts⸗ und Ehr⸗vergeßnen Men⸗
schen böse Rathschläge, mitten im Frieden, ohne vorher angekündig⸗
ten Krieg / und noch darzu mit solchen Mitteln, die man unter
einem heiligen Vorwand aus den Kirchen⸗Gütern gezogen, in sei⸗
nen Ländern zu derjenigen Zeit wäre angegriffen worden, da Er in
einem andern und heiligen Krieg mit dem Türken war verwickelt
gewesen, wobey Er freylich einer längern Ruhe mit andern nöthig
gehabt hätte, wo nicht der glückliche Fortgang Seiner siegenden
Waffen mitten in ihren Lauf solte gehemmet werden; dann hätte
man Jhm nur noch eine kurze Zeit gegöͤnnet, wuͤrde Er Sich
durch die Göttliche Hüͤlfe bald in den Stand gesehen haben, den
Erb⸗Feind, welchen Er bereits von den Gränzen verjagt, ins kuͤnf⸗
Die Ein⸗
wohner der
Stadt und
Kauf⸗
mannschaft tige allein gewachsen zu seyn, und dessen Macht zu widerstehen Doch
wir erwarten nun die Erfüllung des gethanen Wunsches zur an⸗
dern Zeit, und wenden uns indessen zu den Einwohnern dieser
Stadt, welche gegenwaͤrtig, wie auch durchgehends in der Türkey,
von Musulmäͤnnern / Raitzen / Grichen und Armeniern be⸗
wohnt ist. Diese treiben Kaufmannschaft unter einander, befleissi⸗
gen sich aber dabey der Redlichkeit vielmehr, als die Christen selbst,
wann diese gleich von einerley Religion sind. Jhre Wahren beste⸗
hen nur in gemeinen und zur Küͤche und Kleidung gehöͤrigen Sachen:
und ihre Häuser sind um etwas weniges gröͤsser, als sonst hier zu
Land gewöhnlich ist.
Wir schlugen unser Lager in einer Ebne bey dem Fluß Sre⸗
doka auf, und waren noch immer mit Bergen umgeben, davon
dieser zur Rechten Baßurat / der zur Linken Widisch genennet
wird, welcher noch zwey andere Namen von zweyen Spitzen füh⸗
Fruchtbar⸗
keit des
Erdreichsret, nemlich Bassari und Deposchi. Seit dem wir über die Un⸗
garischen Gränzen kommen, haben wir noch kein fruchtbarer Erd⸗
reich als dieses gefunden, und das also angebauet gewesen ware; sin⸗
temaln die Erde vor Fetten ganz schwarz ist, auch Getraid und
Wein im grösten Uberfluß daselbst wächset. Hierbey ist wol zu
bemer⸗
- 113 -
85
Reise von Nissa bis nach Sophia.
bemerken / daß unter den Grichen oder Raitzen dieses Landes, und Unterschied
der Raitzen
dieser und
anderer Ge⸗
genden.
denen, welche anderswo wohnen, ein doppelter Unterschied seye: der
erstlich, haben sie den Gebrauch, daß, wann sie sich mit dem Heil.
Creutz bezeichnen, sie nach unserer Art die Hand von der linken zur
rechten Seiten fuͤhren, da hingegen die andern von der rechten zur
linken gehen, theils weil sie dafüͤr halten, daß der Heil. Geist vom
Vatter allein und nicht vom Sohn ausgehe; theils, weil insgemein,
und zwar sehr wahrscheinlich, gelehret wird, daß Christus die Ju⸗
den verworfen, und an deren statt die Heyden zu Jüngern ange⸗
nommen habe. Der andere Unterschied bestehet darinnen: daß sie
nach dem Exempel der alten Roͤmer, noch in Geschlechter ausgethei⸗
let sind, also zwar, daß, wann ein Sohn zu einem solchen Alter
kommt, worinnen er sich verheyrathen kan / er auf vätterlichen
Grund für sich und seine Braut ein Hauß aufbaue, wann er nicht
sonst schon ein leeres daselbst findet, und dieses geschiehet so vielmal,
als das väterliche Erb solches zu ertragen geschickt ist; wann aber selbi⸗
ges nicht mehr im Stand, was mehrers zu ertragen, muß er von
dar weichen, und sich eine andere Wohnung suchen. Bey den an⸗
dern Raitzen aber ist es grad umgekehrt, angesehen selbige, so bald
sie sich verheyrathen, mit einem Stuͤck Geld sich muͤssen wegrich⸗
ten lassen, und anders wohin ziehen, damit die gemeinschaftliche
Besitzung der Güter nicht, wie es mehrentheils geschiehet, Uneinig⸗
keit und unversöhnlichen Haß verursache.
Den 25. hielten wir Rast⸗Tag / weswegen der Herr Bot
Hn. Bot⸗
schafters
Einladung
von dem
Cadi zur
Fischerey.
⸗
schafter samt seinem Adel und unserm Füͤhrer dem Mehemet
Aga / von dem Cadi oder Richter dieses Orts in einen vor der
Stadt gelegenen Garten zu einer Fischerey eingeladen worden, da
sich unterdessen die andern mit der Jagd divertirten. Als ich die
grosse Zubereitung zur besagten Fischerey machen sahe, bildete ich mir
nicht ohne Ursach ein, es würde da nichts als Salmen, Forellen,
Platteise / Hechte und andere delicate Fische zum besten geben; wie
man aber darzu sahe, waren es zwey kleine Fischlein, welche diese
elende Fischer mit aller ihrer Zuruͤstung erwischt, und wuͤrden sie
auch diese nicht einmal davon gebracht haben, wann der Himmel
nicht gleichsam selbsten ein Mitleiden mit ihrem ungeschickten Wesen
gehabt, und sein helles Wetter, welches sonsten zum Fischfang
nicht wol dienlich ist, mit trüben Wolken verwechselt, und also
die⸗
L 3
- 114 -
86
Erstes Buch / Sechste Abtheilung /
diese vortrefliche Fischer im truͤben Fischen lassen, jedoch gleichwol;
Ein Vene⸗
tianischer
Soldat
nimmt seine
Zuflucht zu
uns.wegen ihrer Unerfahrenheit, mit schlechtem Vortheil. Unterdessen
kam ein Venetianischer Soldat, von Geburt ein Tyroler, zu
uns, welcher neulich in Morea gefangen worden, jetzt aber sei⸗
nem Herrn heimlich darvon gelaufen ware; dieser suchte seine Zu⸗
flucht bey der Botschaft, welche er auch gefunden, wiewol er sich
schon aus Furcht der Pein und Grösse der Schmerzen zum Abfall
bringen und beschneiden lassen, jedoch nichts destoweniger, seiner
Meinung nach / im Herzen noch ein guter Catholischer Christ ge⸗
blieben.
Der Türki⸗
schen Sol⸗
daten Geil⸗
heit und Muthwill. Die darauf folgende Nacht, nemlich zwischen den 25. und 26.
Junii, ist kein geringer Lermen in unserm Läger entstanden, daß wir
auch anfangs nicht gewust, was wir davon halten solten; endlich
aber fand sich, daß die Tüͤrkischen Soldaten bey der Nacht unge⸗
fehr zu einigen Bulgarischen Weibern gerathen, und sich ihrer, wie her⸗
nach erzehlt worden, durch Versprechen zu bedienen gesucht; weilen
aber diese sich beständig geweigert / haben sie Gewalt gebraucht: ob
sie sich aber durch ihr Geschrey aus den Häͤnden dieser leichtfertigen
Vögel errettet, haben wir so genau nicht erfahren, noch auch ihnen
in ihrer Noth wegen des darzwischen liegenden Wassers, beystehen
können. Sie haben auch schon dergleichen in dem Lager vor Nissa
tendirt, sind aber dabey noch ungluͤcklicher als hier gewesen; sin⸗
temaln gleich einige aus dem Adel mit dem Degen in der Hand den
Nothleidenden zu Hülf gekommen: wie dann sonderlich die zwey
Grafen von Kollovrath und der Graf von Scherfftenberg
alsobald bey der Hand gewesen, und weil sie nicht wußten, aus was
Ursach der Tumult entstanden, auch wol was gefaͤhrlichers muth⸗
maßten, mit entbloͤsstem Gewehr aus den Zelten gesprungen, ohne
daß sie sich Zeit genommen häͤtten, ihre Kleider anzuziehen, zu ei⸗
nem unverwerflichen Zeugnuͤß, wie sie sich jederzeit wuͤrden bereit
finden lassen, für die Ehre ihres Kaisers / und Sicherheit ihrer
Cameraden das Leben aufzusetzen.
Den 26. dito sind wir durch enge Thaͤler laͤngst der Nissava
Gelegen⸗
heit des
Ortes Sa⸗
ribrod.
fort marchirt, bis wir auf Saribrod gekommen, welcher Name
nach unserer Sprach so viel heißt, als des Kaisers Bart, und ein
an einem nicht gar hohen Berg hangendes Dorf ist. Gegen dem⸗
selbi⸗
- 115 -
Reise von Nissa bis nach Sophia.
87
selbigen über haben wir unser Läger geschlagen, und zur linken
das oben oͤde unten aber und in der Mitte sehr fruchtbare Stara⸗
plamina⸗Gebuͤrg im Gesicht gehabt, welches sich bis nach Widin
erstrecket: am Fuß des Berges ist ein crystallen heller Brunnen,
und zwey uͤber die Nissava geschlagene Brücken, davon die eine von
gehauenen Steinen, die andere aber von Eichen⸗Holz verfertiget ist.
Diese letztere ist viel breiter die erstere aber desto höher, ohne
Zweifel darum, damit im Kriegs⸗Zeiten im Fall der Noth eine Ar⸗
mee in gedoppelter Ordnung, zu Fuß und zu Pferd heruͤber gehen,
und dann auch die Reisende sich der steinernen Brüͤcken bedienen
konnen, wann etwan / wie es öfters geschiehet, und wir auch noch
im Vorbey⸗Zug Merkmal davon gefunden, durch den von Regen
und Schnee geschwellten Fluß das Land samt der hoͤlzernen Brüͤcke
unter Wasser gesetzt worden. Der Commendant dieses Orts ist
unserm Herrn Groß⸗Botschafter mit einigen Reutern entge⸗
gen kommen, hat seine Begruͤssung bey Jhm abgelegt, sich so dann
neben den Wagen verfuͤgt, und ist bis vor die Palanka darbey her
geritten. Diese Commendanten⸗Stelle aber ist ihm mit dieser
Bedingung uͤberlassen worden, daß er den Ort bevestigen solte, wel⸗
ches er auch vortreflich præstirt: Er hat nemlich einen aus Leimen
und Stroh aufgefüͤhrten Bauern Hof mit Pfäͤhlen umsetzt, selbige
mit Binzen zusammen flechten und natuͤrlich einen solchen Zaun da⸗
rum füͤhren lassen, wie bey uns diejenige aussehen, worinnen man
Schaafe und Ziegen auf der Waide gehen laͤsst; wordurch er gleich⸗
wol zu wegen gebracht, daß dieses Befestigungs⸗Werk mit dem Na⸗
men einer Palanka belegt wird, und sich die Fremden leichtlich
einen Concept von einer auserlesenen Vestung im Kopf setzen koͤn⸗
ten. Die Einwohner dieses Orts und deren Benachbarte sind von Der Ein⸗
wohner
Freyheit.
allem Tribut auf ewig befreyet, weilen sie im vorigen Krieg, da
Nissa noch in unsern Häͤnden war, unsere Soldaten, so unter An⸗
führung des Grafen Piccolomini bis nacher Sophia und Phi⸗
lippopoli gestreifet, und die herum liegende Landschaft mit Feuer
und Schwerdt verheeret, in einer Enge umgeben, und bey dem
Dorf Dragoman, als sie sichs am wenigsten versehen / mit Si⸗
chel und Hauen angefallen, und nicht wenig davon zu Schanden ge⸗
macht; den Wald aber / wo dieses vorgegangen, nennen die Tür⸗
ken Capi Dervent, das enge Thor: den üͤbrigen Tag haben wir
hier
- 116 -
88
Reise von Nissa bis nach Sophia.
Zwey Rin⸗
ger præsen⸗
tiren sich
vor dem
Hn. Bot⸗
schafter. hier gerastet. Des Nachmittags, da der Herr Botschafter noch
bey der Tafel saß, kamen vor sein Gezelt zwey ganz nackende und
mit Oel bestrichene Ringer / welche auf des Mehemets Befehl
Jhme ein angenehmes Schau⸗Spiel verursachten. Jch habe aber
die Aufführung solcher Leute bey ihrem Kampf ausführlich zu be⸗
schreiben verspahren wollen, bis wir auf den Canal des schwarzen
Meers in ein Kaiserl. Lust⸗Haus kommen, allwo wir auf Befehl
des Groß⸗Sultans in Gegenwart des Groß⸗Viziers Jbra⸗
him Bascha dergleichen Schau⸗Spiel ebenfalls mit angesehen
hatten.
Am 27. Juni haben wir uns durch das felsichte Gebuͤrg Je⸗
schewitz an der Nissava und dem zerfallenen Dorf Dragoman
vorbey, wo der Weeg nach Widin gehet, nacher Chalkali / oder
wie es andere von dem vorbey fliessenden Strom nennen, Slibni⸗
Ursprung
der Nissa⸗
va.ka begeben. Durch diesen Felsen fließt die Nissava, welche nicht
weit davon aus einem Berg zur rechten Hand gegen Sophia / 4.
Stund von dem vorigen Ort, entspringt, so schmal, daß man ganz
bequem daruͤber hinspringen kan. Weder in diesem Dorf noch in der
ganzen Gegend ist ein fruchtbarer Baum, wegen der Hitz und
schlechten Beschaffenheit des Erdreichs, anzutreffen. Als wir von
dar wieder aufgebrochen, kamen wir den 28. dito nach einer Reise
von sechs Stunden nach Obelia, von dar wir aus unserm Lager
Werbniza, so an dem Bach Philippovza liegt, und besser hin
Der Türken
Hoffarth
und Grob⸗
heit.
Jlianch sehen kunten. Jndem nun von daraus die Grafen Thier⸗
heim und Scherfftenberg in die Stadt Sophia giengen, haben
sie der Türken Hochmuth und ungeschliefenes Wesen zu erst em⸗
pfunden. Dann daselbst kamen sie in eines Bascha oder vornehmen
Mannes Hauß / der seine Freunde auf eine Abend⸗Malzeit zu sich gela⸗
den hatte, von deme sie so gleich zu den Bedienten gewiesen wurden,
bey welchen sie sich nach Gefallen lustig machen solten; weil sie sich aber
billig vor besser achteten, als dieser ihre Herrn selbst, welche vermuth⸗
lich von knechtischen Eltern gebohren, und auf knechtische Weise
tractirt worden, bedankten sie sich zum schoͤnsten füͤr so grosse Höͤf⸗
lichkeit, und nahmen, ohne eine andere Ursach zu melden, ihren Ab⸗
schied. Die Türken muthmaßten hieraus, wie die Sache an sich selb⸗
sten war, daß diese Herren von Adel seyn muͤsten, weil sie nicht mit
so
- 117 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
89
so erbarer Gesellschaft speisen wolten, und sie derowegen wieder zu⸗
ruck ruffen, invitirten sie zu sich räumten ihnen die Ober⸗Stelle
ein, bedienten sie mit Rauchwerk und tractirten sie im uͤbrigen auf
das höflichste. Es wurde auch selbigen Tag der Ingenieur-Haupt⸗
mann Herr von Oebschelwitz, noch in die Stadt geschickt, die
Quartier für uns zu bestellen; worauf wir von Obelia nacher So⸗
phia gangen sind.
Siebende Abtheilung.
DJese Stadt
Sophia ist vom Kaiser Justinianus erbauet, Erbauung
der
Stadt
Sophia.
nicht aber von einer jüngern Sophia und Prinzeßin von des
Kaisers Justini II.
Gemahlin
[7], welche mit jener gleichen Na⸗
men gefuͤhret haben soll, wie doch
die Tuͤrken, als welche in der Hi⸗
storie schlecht bewandert,
faͤlschlich vorgeben, und noch viel andere
fabelhafte Sachen von dieser Jungfrau, welche wol niemal in
re⸗
rum
natura gewesen, erzehlen. Dann da sagen sie, es seye dieselbi⸗
ge lange Zeit sehr krank
darnieder gelegen, weswegen sie auf Einra⸗
then der Leib⸗Aerzte sich einen
erhabenen Ort ausgesucht, wo sie ge⸗
sunde Luft und gutes Wasser
antreffen wuͤrde, und weil sie gefun⸗
den, daß sie in beiden Stücken
allhier vergnuͤgt worden, angesehen
in der ganzen Tuͤrkey kein besseres Wasser noch gesundere Luft, als
hier, zu finden, habe sie zur
Dankbarkeit an diesen Ort eine Stadt
und nachgehends auch eine Kirche aufbauen und nach ihrem Namen
nennen lassen. So wird nicht weniger
von ihr erzehlt, daß / als
sie vor
ihres Bruders Verfolgung sich in die Kirche retirirt,
und er
sie eben bey dem Eingang
derselbigen noch ergrieffen, auch ihr mit ei⸗
nem Messer / welches er bereits
schon gezuckt / einen tödtlichen
Stoß beybringen wollen, sie in der Kirchen⸗Thuͤr augenblicklich ver⸗
schwunden
seye.[8] Sie
wird auch deswegen noch für eine heilige Frau
von ihnen gehalten, welche GOTT wegen ihres frommen Lebens
nicht umbringen lassen, sondern von
der Gefahr erretten und schnur
stracks in den Himmel nehmen wollen; worzu sie noch setzen, daß
der Bruder nicht weit von hier ein
Schloß gehabt, wovon sie einem
noch
zur linken Hand, wann man von Nissa
kommt, am Ende der
Stadt die Mauern
weisen. Die Bojana / welche andere Jscha nen⸗
nen,
M
- 118 -
Erstes Buch, Siebende
Abtheilung /
90
Sophia ist
die Haupt⸗Stadt
in der
Bulga⸗
rey. nen, flieset
zum Theil neben der Stadt vorbey, an einigen Orten
aber auch mitten hindurch. Die Stadt
selbst ist zimlich groß und
Volkreich, woselbst die Bulgarischen Könige ihren Sitz gehabt,
hernach aber, wo ich nicht irre, die
so genannten Despoten des
Königreichs Servien, und dieses so lang, als jene Familie
gestan⸗
den, bis endlich Lazarus durch des
Sultans Amurath Waffen
erliegen muste. Nunmehr hat der
Stadthalter in Thracien seinen
Aufenthalt allhier, wann er im Lande ist, und nicht etwan wegen des
Kriegs oder anderer des Kaisers und
des Landes Affairen sich anders⸗
Der Stadt⸗
halter in
Thracien. wo aufhalten
muß. Anjetzo ist dem Türkischen
Botschafter, so sich ge⸗
genwärtig bey dem Wienerischen Hof
aufhält / diese Stadthalter⸗
schaft gegeben worden, ehe er seine
Reise nach Teutschland ange⸗
tretten, führt es aber mehr mit dem
Namen als mit der That, nur
damit
dieser Groß⸗Botschafter ein
groͤsseres Ansehen uͤberkä⸗
me, wann er seine drey Roß⸗Schweife
in besagter Kaiserlichen
Residenz
vor sich hertragen liesse; dahingegen der Seraskier von
Nissa den Namen mit der That
besitzet.
Die Häͤuser sind allhier weit schöͤner als an andern Orten,
worunter auch viele Palläste und Serrallien sind / doch alles nach
Gebäu der
Türkischen
Palläste.
Türkischer Art gebauet. Die Zimmer gehen oder henken vielmehr
oben in einander, so daß man durchs Gegitter von einem ins
andere sehen kan, welches vielleicht wegen der Weiber also einge⸗
richtet ist, damit die eifersuchtigen Mäͤnner auf all ihr Thun und
Lassen Achtung geben koͤnnen; sie sind zimlich klein, und in unter⸗
schiedliche Verschläge und Kästen eingetheilt. Der gröͤste Theil der
Bühne ist ein Werk⸗Schuh hoͤher, als der uͤbrige; weswegen, wann
man selbige besteigen will, man vor erst auf der vorhergehenden die
Schuhe ausziehet; dann man muß wissen, daß die Tüͤrken den Ge⸗
brauch haben, wie ich an einem andern Ort schon gemeldet, wann
sie in ein Zimmer gelassen werden, daß sie vorher die unreinen Schu⸗
he entweder bey der Thuͤr oder dieser Staffel abziehen, welches auch
Unter⸗
schiedliche
Gattungen
der Schuhe
bey den
Türken. die vornehmen Personen zu thun gewohnt sind: Zu dem Ende haben
sie zweyerley Gattung der Schuhe, davon die innere an die Hosen
geheftet, die äussern aber wie Stifeln gemacht sind, deren sie sich
zum Ausgehen bedienen; so ist auch noch eine dritte Art bey ihnen
gebraͤuchlich, die sie Paposchen nennen, und uͤber die innere anzie⸗
hen, wann sie die aͤussern abgelegt haben: Jener höͤhere Theil aber
ist
- 119 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
91
ist mit Persianischen, Babylonischen, Prusianischen oder SmyrZierde der
Türkischen
Zimmer.
⸗
nensischen Teppich belegt, nachdem es nemlich eines jedweden Gele⸗
genheit oder Beutel zu läßt. Die Türkische Polster, so auf wölle⸗
nen Matten der Lange nach auf dreyen Seiten herum liegen, formiren
ein eben so langes Bett, so sie Sofaus nennen, worauf sie fast Türkische
Weise zu
sitzen.
den ganzen Tag, wann ihnen sonst nichts daran verhinderlich ist,
müssig sitzen, ihre Fuͤsse, wie bey uns die Schneider / creutzweiß über
einander schlagen, und in solcher Positur geschäftig ihren Toback rau⸗
chen: sie empfangen allhier die Gaͤste, ihre Weiber verrichten ihre
Hand⸗Arbeit darauf, sie essen, schreiben und schlaffen daselbst.
Dann man trifft in den Zimmern der Tuͤrken weder Sessel, noch Türkische
Zimmer.
Bänke, noch einigen andern Haußrath an, als etwan zu Winters⸗
Zeit ein niedriges Geruͤst, das einen Tisch gleichet, und mit einem
dicken Tuch bis auf die Erde bedecket ist, worunter ein irrden mit
Feuer angefülltes Geschirr stehet; auf dem Land aber haben sie zu
weilen in ihren Lust⸗Gärten einen aus Marmel gehauenen Brunnen,
damit sie Wasser zum Waschen bey der Hand haben: in vielen
Zimmern stehet auch in der Mitten ein kleiner Rauchfang, der wie
ein Kegel gespitzt hinauf gehet, und etwas vorwäͤrts haͤngt, welcher
von Gips gemacht, auch zu Zeiten mit Farben angestrichen und mit
Gold ausgeziert ist. Das obere Getäfel nebst den Wäͤnden sind
von Schindeln oder vielmehr hoͤlzernen Leisten, mit Perlen⸗Mutter
eingelegt und mit Gold und Farben auf das zierlichste gemahlt, daß
also manchmal dergleichen Zimmer vor etliche tausend Ducaten zu
stehen kommt. Die Fenster⸗Scheiben sind in Gips oder Kalk gleichTürkische
Fenster.
⸗
wie bey uns mit Holz oder Bley, eingefaßt, und sehen den Fenstern
in denen alten Kirchen nicht ungleich, machen eine laͤnglichte Figur,
und sind oben entweder ganz oder laͤnglicht rund, auch mit Gold oder
Farben bemahlt und eingebrannt, durch welche die im Kalk oder
Gips formirte Buchstaben gesehen werden, sind auch manchesmal
doppelt gegen einander den Wind desto besser abzuhalten. Hier⸗
durch nun fället das Licht in die Zimmer, in den Bädern aber wird
solches von oben hinein geleitet; und diese stehen so hoch üͤber den ErdHöhe der⸗
selben.
⸗
Boden, als man mit der Hand reichen kan, damit ihre Weiber nicht
überall herum sehen können: wann aber ja zuweilen einige niedri⸗
ger stehen / sind solche entweder voͤllig mit Holz vermacht, oder doch
also mit Gittern verwahret, daß man zwar von innen hinaus aber
von
M 2
- 120 -
92
Erstes Buch / Siebende Abtheilung /
von ausen nicht hinein schauen kan, welches sie abermal um der Wei⸗
ber wegen thun, weil sie dafür halten, daß dieses Geschlecht nicht
genugsam verwahret werden könne; daher es auch kommt, daß sie
ihre Zimmer wol mit hundert Schlössern versperren, und die
Schlüssel darzu keinem Menschen anvertrauen, sondern selbst in ih⸗
Türkischer
Weiber
Verrich⸗
tung.rer Verwahrung behalten. Dann die Türkischen Weiber beküm⸗
mern sich nicht um das Haushalten, wie bey andern freyen Euro⸗
päischen Völkern, sondern verwenden ihre Zeit nur auf ihre Stü⸗
ckerey / und lassen sich keine andere Sorge anfechten, als wie sie ih⸗
re Schönheit erhalten moͤgen; die üͤbrige Hauß⸗Geschäfte überlas⸗
sen sie alle der Männern, welche auch aus Liebe zu ihren Weibern so
gar die Kuchen versehen. Doch ist dieses nur von denen Vorneh⸗
men und Reichen zu verstehen, da es hingegen mit denen Geringen
eine ganz andere Beschaffenheit hat; dann diese halten die Jhrigen
an einem Ort des Gartens verschlossen, wo ihnen so leicht keiner
beykommen kan, bedienen sich indessen ihrer Handreichung so gut als
Türkische
Weiber be⸗
dienen die
Beschnit⸗
tene.wir: Die Vornehmern aber gebrauchen zu dem Dienst ihrer Wei⸗
ber und Kebs⸗Weiber keine andere als Verschnittene, und zwar die
Ungestaltesten, als sie nur finden koͤnnen, zu was End, wird ein
jeder gar leicht selbst verstehen; durch diese lassen sie ihnen ihr
Essen, aber gleichwol nur durch ein hoͤlzernes Gitter, reichen, gleich
als bey unsern Closter⸗Jungfrauen gebräuchlich ist, wann ihnen von
ausen etwas zugebracht wird. Dieser Leute darfen sie sich ohne
Scheu zu ihren Bothen, zu ihren Dolmetschen, an ihre Freundin⸗
nen, zu ihren Zeitungs⸗Trägern und endlich gar zu ihren Hauß⸗Nar⸗
ren gebrauchen, wann sie sich nur dabey in acht nehmen, daß sie sich
nicht gemeiner mit ihnen machen, als ihre Männer oder Herrn ver⸗
tragen köͤnnen.
Jn der Mitte des obern Hauses ohnweit der von diesen jetzt⸗
beschriebenen Zimmern gelegenen Stiege ist gemeiniglich ein wei⸗
ter Gang oder Platz für die Bediente, gleichwie unten her für die
Pferd und andere Thiere. Dergleichen Pallast hatte auch der
Des Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafters
Logis zu
Sophia
Beschaf⸗
fenheit.
Herr Groß⸗Botschafter innen, welcher so groß war / daß zwey
Cüraßier⸗Regimenter samt Pferde und Wäͤgen, nebst aller Baga⸗
ge Platz genug darinn wüͤrden gehabt haben; nichts destoweniger
räumten sie uns noch mehr andere Häuser ein, damit wir unsere
Bequemlichkeit desto besser haben, und die bevorstehenden Strapaz⸗
zen
- 121 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
93
zen der noch vor uns habenden Reise desto leichter ertragen koͤnnten.
Der Groß⸗Sultan hat im letzten Krieg, als Belgrad von den
Unsrigen belagert gewesen, mit seiner ganzen Hofstadt hier logirt,
um den Verlauf der Belagerung allda abzuwarten Als der EngelDes Groß⸗
Sultans
Pallast zu
Sophia
wird dem
Engellän⸗
dischen und
Holländi⸗
schen Ge⸗
sandten ab⸗
geschlagen.
⸗
ländische und Holländische Gesandte von dem zu Passarowitz ge⸗
schlossenen Frieden wieder zurück gekommen, und nach Adriano⸗
pel wolten, haben sie allhier um diesen Pallast für sich und ihre
Suite Ansuchung gethan, aber nichts erhalten köͤnnen, weil nicht
leicht jemand in eine Kaiserliche Wohnung, wie diese ist, eingelas⸗
sen wird. Jn demjenigen Zimmer, allwo der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter Audienz zu ertheilen pflegte, sahe man zur rechten an der
Mauer ein Weyrauch⸗Vaß, als wann es an der obern Schwelle
Gesicht⸗
Wendung
der Türken
bey ihrem
Gebet.einer Thüͤr hienge, fast auf diejenige Art, wie zu Mecha oder Kib⸗
lach / nach ihrer Art zu reden, bey dem Grab Mahomets dieses
Zeichen vorhanden ist, also daß es zu muthmassen, es seye dieses
Zimmer eine Tuͤrkische Capelle gewesen, wo sie taͤglich ihre gewoͤhn⸗
liche Gebete verrichtet haben. Durch dieses Zeichen aber werden
die fremd ankommende Tuͤrken, welche die Gelegenheit des Orts
nicht recht innen haben, angewiesen, gegen welche Seiten sie sich
bey Verrichtung ihres Gebetes wenden sollen/ nemlich gegen dieje⸗
nige / welche, gegen Ciroccum schauet, und zwischen Orient und
Mittag lieget. Unter dem Weyrauch⸗Faß kunte man diese in Tüͤr⸗
kischer Sprach gesetzte Worte lesen: Bunung deruninde ki⸗
mesne bulunmaz ki hamdii senai chuda ve Resuli etmeje;
welche im Teutschen also lauten: Hier soll sich niemand einfin⸗
den / der das Lob GOttes und seines Propheten nicht aus⸗
spricht. Unsere Priester haben im nechsten Zimmer Messe gelesen,
und sind vielleicht die ersten gewesen, die dergleichen daselbst verrich⸗
tet, weil sonst niemaln eines Christlichen Füͤrsten Gesandter allda
beherberget worden. Aber was machen wir so lang in den Haͤusern,
laßt uns vielmehr wiederum unter freyen Himmel in die Stadt
kehren.
Allda florirt die Handlung gar sehr, welche mehrentheils in deKauf⸗Häu⸗
ser.
⸗
nen offentlichen Läden oder Kauf⸗Haͤusern, so sie Bezestene nen⸗
nen, und von puren Stein aufgefuͤhrt, gewoͤlbt und vor dem Feuer
wol verwahrt sind, in schoͤnster Ordnung getrieben wird. Eine jeg⸗
liche Sache hat ihren gewissen Platz; und der meiste Theil der
Kauf⸗
M 3
- 122 -
Erstes Buch / Siebende Abtheilung /
94
Kaufleute sind so wol hier, als zu Constantinopel und anderwerts
Grichen und Armenier, also daß bey nahe alle Sachen der Türken
Janit⸗
scharn trei⸗
ben Kauf⸗
mannschaftdurch Fremde geschlichtet und gehandelt werden. Dann gibt es auch
einige alte Janitscharn durch das ganze Reich, darunter aber viele
ihre Fahne niemal zu Gesicht bekommen, welche Vorkäuffer und
Krämer abgeben. Diese, nachdem sie von ihren Officiern, denen
sie doch niemaln ins Feld gefolgt, vermittelst eines Patrons, eine
Urkund erbettelt, oder solche mit einem Stüͤck Geld erkauft, wer⸗
den von allen Auflagen auf ewig frey gesprochen, hingegen andere
dardurch nur desto mehr beschwehret: es nennen die Tüͤrken solche
Leute Ostorakes / welches eben so viel als Leute, die den Sold und
die Freyheit der Soldaten geniesen, und doch nicht ins Feld ziehen,
so aber dem ersten Ursprung gerad entgegen laͤuft; dann dazu⸗
mal wurden solche Freyheiten denen allein gegeben, welche im Krieg
ihre gesunde Glieder verlohren, und nicht mehr dienen kunten: an⸗
jetzo aber siehet man eine erstaunliche Menge solcher muͤssigen Sol⸗
daten, von guter Gesundheit und Kräften, unter dem Namen der
Ostoraken herum schwermen, und den gemeinen Säͤckel erschöͤ⸗
pfen / anbey des Reichs Einkünften zu was ganz anders, als zu Un⸗
Nissa der
Stadt So⸗
phia sehr
nachthei⸗
lig.terdruckung der Feinde anwenden. Diejenige / welche vom Türki⸗
schen Policey⸗Wesen gute Erkänntnis haben, wollen schon zum
Voraus sehen, daß durch Wegnehmung der Vestung Belgrad
der Stadt Sophia völliger Ruin bevor stehe, und mit der Zeit
alle Handlung von dar nach Nissa werde gezogen werden; weil
es ganz natürlich, daß es einem Land mehr einträͤgt, wann lieber
der Gränz⸗Platz, als ein anderer / der tiefer im Land liegt, zur
Niederlag der Handelschaft gemacht wird, angesehen von daraus
die Wahren gleich genommen und auch mit geringern Unkosten durch
einen kuͤrzern Weeg wieder hinein gefuͤhrt werden koͤnnen.
Gebäu der
Stadt So⸗
phia.
Die Gassen dieser Stadt seynd sehr enge, ungleich, unflätig,
und nur zu beiden Seiten, wo man gehet, mit Kiesel⸗Steinen ge⸗
pflastert; man siehet auch viel Brunnen darinnen, welche aus der
gemeinen Cassa erbauet und auch daraus erhalten werden. Ein jeg⸗
liches Hauß hat fast seinen Garten, in welchem die Bäͤume und
Stauden in so grosser Menge stehen, daß man von ferne meinen
solte, man sehe in einen Wald, oder in eine mit einem Wald um⸗
gebene
- 123 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
95
gebene Stadt. An denen vielfäͤltigen Thuͤrnen auf den Moscheen Der Türken
Moscheen.
solte sich einer auch wol einen steinern Wald vorstellen koͤnnen; die⸗
se, wie auch die runde an die Kirche oft bey 50. angehenkte kleine
Gewölber, sind alle mit Bley bedeckt, die Zinnen darauf verguͤldet,
und machen damit der Stadt von weiten ein propres Ansehen; auf
welchen gedachten Zinnen ein wachsender Mond stehet, gleichwie
wir uns auf unsern Kirchen der Creutze bedienen. Jm uͤbrigen ist die
Stadt weder mit Mauern noch Wall umgeben, ob gleich die Gele⸗
genheit des Orts und Gleichheit des Erd⸗Bodens zu einer Vestung
sie nicht ungeschickt machte: man kan demnach zu Nachts so wol
als bey Tag hinein kommen: wann aber diese Stadt mit Mauern
versehen wäre, koͤnnte man wegen der mit Getrayd besäeten und
mit Weinreben besetzten weiten Feldern vielleicht von ihr sagen, was
jener von einer andern Stadt geurtheilet, daß Ceres und Bacchus
ihre Wohnungen in deren Ring⸗Mauern aufgeschlagen hätte. Der
Hazeln, Dohlen und Turtel⸗Tauben gibt es hier zu Lande so viel,
als bey uns der Fliegen in den warmen Sommer⸗Tägen; und sind
sie dabey durch die ganze Tuͤrkey so zahm, als wie bey uns die Huͤ⸗
ner, Pfauen Gänße und anderes zahme Gefluͤg, welches ohne
Zweifel, sonderlich in Ansehen der Turtel⸗Tauben, daher kommt,
weil die Türken diese vor heilig halten, und es als ein Verbrechen
anrechnen wuͤrden, wann man sie beleidigen wolte, weswegen sie
sich ohne Hindernis vermehren koͤnnen.
Unser Einzug in diese Stadt war, wie alle folgende, demjeniEinzug in
die Stadt
Sophia.
⸗
gen, welchen wir in die Stadt Nissa gehalten, ganz gleich: die
Trompeten wurden geblasen, die Paucken liesen sich hören, die
Fahnen flogen an ihren Stangen herum, und die nur mit weisen
Stecken versehene Janitscharn giengen vorher, das Volk abzuhalten.
Wie aber der Kaiserlichen Groß⸗Botschaft zu Ehren der völ⸗
lige Türkische Adel selbiger Provinz, nemlich die vornehmen Kriegs⸗
Officiers, Richter, Geistliche (dann von keinem andern Adel, als
der in dergleichen Bedienungen stehet, wissen die Tuͤrken was,) vor
Der Herr
Groß Bot⸗
schafter
laͤßt sich
anmelden.
die Stadt heraus ruckte: also schickte der Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter hinwieder zwey von seinen Edelleuten, den Herrn von Franken
und Managetta / samt einem Dolmetsch zum Landrichter, den sie
Molloch nennen, und zum Mußelim/ der des Seraskiers Stel⸗
le versiehet, im Namen des Herrn Groß⸗Botschafters sie zu
begrüs⸗
- 124 -
Erstes Buch / Siebende Abtheilung /
96
begrüͤssen, und Dessen Ankunft zu vermelden; worauf sich selbige
bald eingefunden und ihre Ergebenheit und Bereitwilligkeit zu allen
Geschenke
derer von
Sophia an
den Hn.
Groß⸗Bot⸗
schafter. Diensten und Gefäͤlligkeiten dem Herrn Groß⸗Botschafter of⸗
ferirt, und die gewoͤhnliche Geschenke von Blumen und Fruͤchten
durch ihre Leute überbringen lassen. Sie liessen es aber dabey nicht
bewenden, sondern haben Sr. Excellenz noch besondere Geschen⸗
ke gemacht mit einem Aschen⸗farben gesprenklichten Pferd von un⸗
gemeiner Schoͤnheit und Tugend; dann auch einem eisernen zur Reiß
Eiserner
Stuhl ein
wichtiges
Geschenk. nicht unbequemen Lehn⸗Stuhl, worauf ein Blut⸗rothes atlaßes mit
gelben Franzen umgebenes und eingefaßtes Küͤssen gelegen, mit wel⸗
chen sie nur die Vornehmsten des Reichs, als dem Groß⸗Sul⸗
tan / Groß⸗Vizir / Beiglerbey / Baschen / Sangiacbey /
und üͤbrigen Stadthaltere und Regenten zu beschenken pflegen. Aber
Kostbare
Geschenke
der Edel⸗
leute. die zwey abgeschickten Edelleute haͤtten sich wol nicht sollen traͤumen
lassen, mit was für einem besondern Praesent sie wuͤrden regalirt
werden; es bestunde aber selbiges in ein paar Taback⸗Pfeiffen, de⸗
ren Röhren mit blauer, Feuer⸗ und Rosen⸗rother, gelber, dunkel⸗
brauner, Aschen⸗ und Viol⸗färbiger duͤnner Seite, wie auch mit ge⸗
triebenen oder geschlagenen Metall etlichmal umwunden gewesen;
und was die Kostbarkeit vermehrt, war dieses, daß diesem Geschenk
ein artiges scheckigtes wol gemäͤstes Kaninchen erst das rechte Ge⸗
wicht und Ansehen geben muste, worein sie sich entweder alle beide
theilen oder darum losen mogten, wessen es seyn solte. Allein es ist
sich daruͤber nicht zu verwundern, angesehen die meisten Geschenke
der Türken von dieser Art sind, da gaben sie einem bald einen halb⸗
gebundenen Blumen⸗Strauß; bald ein halb⸗seidenes Schnuptuch,
davon das Dutzend, wol gerechnet, um ein paar Thaler zu stehen
kommt; einen Sack darein man Taback fassen kan, Käß, Milch, und
was dergleichen Schleckereyen noch mehr sind; und bey aller dieser
Filzigkeit wollen sie noch darzu für sehr freygebig angesehen seyn,
und verlangen, daß man sich verwundern soll, weil sie sich so sehr
Janit⸗
scharn⸗
Wacht.verunkostet haben. So oft einer aus dem Hauß gehen wolte, sich
etwas einzukaufen, oder sich sonsten umzusehen, nahm er zu seiner
Sicherheit einen Janitscharn mit sich, der den ungestuͤmmen Poͤbel
abhalten muste. Selbige hatten die Wacht vor des Herrn Groß⸗
Botschafters Wohnung / damit niemand anders, als der daselbst
was zu verrichten hatte, sich hinein tringen moͤchte; so wurden auch
in
- 125 -
Beschreibung der Stadt Sophia.
97
in die übrige Häuser Janitscharn verlegt, damit man sie bey der
Hand hätte, sich ihrer im Fall der Noth zu bedienen.
Den 30ten hielten wir zu Sophia still, und wurden indes⸗
sen die Wagen geändert, neue Vorspan ausgetheilt, und ein Both
nach Nissa mit Briefen geschickt, davon einer auch an dem Se⸗
Des Mol⸗
lochs Be⸗
such an den
Hn Bot⸗
schafter.raskier gerichtet war. Der Landrichter, oder Molloch/ kam
mit seinem fuͤnf oder sechs jäͤhrigen Sohn, dem Herrn Groß⸗
Botschafter eine Visite zu geben, welche beide einen Bund, der
etwas breiter war, als die Gemeinen zu tragen pflegen, auf den
Kopf hatten; und weil auch daran die gruͤne Farb zum Vorschein
kam, solte man daraus abnehmen, daß sie von Muhamet ab⸗
stammeten, weil niemand als dessen Geschlecht solche Farb an ih⸗
ren Bünden führen darf. Vor Zeiten hielte man sehr viel auf
diese Emir / oder Euladi Resuli / wie sie mit einem andern Na⸗
Emir / wer
sie seyn?
men genennt werden, absonderlich da dieses Reich noch in seinem
Anfang und an der Abstammung kein Zweifel war; heut zu Tag
aber ist es in solches Abnehmen und die Geschlechts⸗Linien in solche
Ungewißheit gerathen, daß in Egypten wenig Eseltreiber und
Stall⸗Knechte seyn / welche nicht aus selbigem herzustammen praeten⸗
diren; und wann die Welt nur noch wenige Secula stehen solte,
duͤrfte es wol darzu kommen, daß eben so wol alle Muselmäͤnner Mu⸗
hamets Enenkel genennt wuͤrden, als man uns ins gesamt Adams⸗
Kinder heißt: Und dieses so wol darum / weil dieses Geschlecht durch
die Männer und Weiber fortgepflanzt wird, und derjenige, der ei⸗
ne Mutter aus diesem Geschlecht gehabt, so wol füͤr einen Nach⸗
kommen Mahomets zu halten ist, als derjenige, dessen Vatter da⸗
von herstammet; als auch deswegen, weil sich taͤglich viele von dem
Nakib Eschrel / Vorsteher gedachten Ordens, diese Ehren⸗Zeichen
mit Geld erkaufen, der ihnen dafuͤr falsche Briefe ertheilet, worin⸗
nen er ihr altes Herkommen weitläͤuftig behauptet. Sie werden
aber hierzu desto begieriger gemacht, weil dieses Geschlecht unter Freyheit
der Emir.
ihnen vor heilig gehalten wird, und um eben dieser Ursach willen
von der weltlichen Obrigkeit ihnen grosse Freyheit zu erkannt wor⸗
den, wornach ihnen allen der Mund waͤssert, ob schon die wenig⸗
sten davon deutlich darthun köͤnnen, daß sie von Muhamet ab⸗
stammen. Unter andern Vorzug war dieser nicht der geringste, daß
kein anderer Türk um einiger Ursach willen, bey Verlust seiner
rech⸗
- 126 -
Erstes Buch / Siebende Abtheilung.
98.
rechten Hand, einen Emir mit Schlägen tractiren durfte; wann
aber dieser einen andern beleidiget hatte, muste man ihn bey ihrem
Vorsteher verklagen, welcher seine eigene Stadt⸗ und Henkers⸗
Knechte hat, und über ihr Leben und Tod wie ehmal, also auch
noch heutiges Tags, richten kan. Aber nunmehro ist diese Furcht,
einen Emir zu schlagen, völlig verschwunden: dann nachdem sie
vermerket, daß ihre Anzahl so wol als ihre Verwegenheit von Tag
zu Tag zu nehme, sintemaln der Nakib ihre Parthey hält, und
dabey solche Freyheiten einem jedweden seines Gefallens überläßt /
nur damit er seine Botmässigkeit desto weiter ausbreite, auch nie⸗
mand öffentlich straffet, damit dem Geschlecht nicht ein Schand⸗
Fleck angehenkt werde, haben sie endlich dieses Joch von sich gewor⸗
fen und hierinnen ihre Freyheit behauptet; wie dann auch
diejenige, welche eine subtilere Nase haben, und hinter die Streiche
dieser Emir gekommen, sich kein Bedenken machen, bey sich ereigne⸗
ten Fall sie mit druckenen Faͤusten oder andere Manier tapfer abzu⸗
schmieren; und damit sie gleichwol Respect vor den gruͤnen Bund
haben, nehmen sie ihnen denselbigen vorher mit aller Ehrerbietung
vom Kopf, und legen ihn mit einem Kuß vor sich hin. Einen an⸗
dern Vorzug aber behaupten sie noch heutiges Tages, daß, wann
der Sultan selbst zu Feld ziehet, oder bey einer öͤffentlichen Ver⸗
richtung sich sehen lässet, der andere Vorsteher ihres Geschlechts /
Alemdar genannt, Jhme die grüne Fahne des Muhamets vor⸗
trägt. Im übrigen köͤnnen sie sich zu allen Aemtern gebrauchen
lassen, wie es auch in der That geschiehet; doch haben die wenigsten
zur Kaufmannschaft ein Belieben, auser zu derjenigen, welche Esir⸗
gi genennet wird, und im Kauf⸗ und Verkaufen der Sclaven bestehet,
worzu sie alle von Natur geneigt sind / weilen dabey von der Auf⸗
nehmung und Behaltung der Christen in die Dienstbarkeit gehandelt
Geilheit
der Emir
wider die
Natur.
wird, welches sie für kein geringes verdienstliches Werk halten. Sie
sind anbey zu nichts so sehr als zur Sodomitischen Suͤnde geneigt,
und der Knaben⸗Liebe überaus ergeben, worinnen sie auch die Tar⸗
tarn selbst übertreffen.
Gespräch
des
Hn.
Botschaf⸗
ters mit
dem Mol⸗
loch.
Doch laßt uns wieder zu dem Herrn Botschafter kehren;
diesen treffen wir in einem
Gespraͤch mit dem Molloch oder Land⸗
richter von dem Glauben,
Gebraͤuchen und Sitten der Juden an,
wie sie, nachdem sie unsern Heyland / welchen die Türken selbsten
für
- 127 -
Beschreibung der
Stadt Sophia.
99
für einen grossen Propheten, der nur
dem Muhamet allein nach
zu setzen sey, danebst für einen
heiligen und vollkommenen Mann hal⸗
[t]en, zum Tod verurtheilet,
und an den schäͤndlichen Creutz⸗Galgen
gehenket, zur Straffe ihres begangenen Buben⸗Stuͤcks nunmehr
keinen beständigen Sitz und
Aufenthalt unter den Volkern mehr
finden, sondern allenthalben ohne eigenen Heerd und Fuͤhrer herum
irren / und bey nahe aus allen
Ländern verstossen sind: wie diese
gottlosen Leute auf nichts anders bedacht, als wie sie jederman mit
Betrug hinter gehen, und ihre Güter
an sich bringen moͤgen. Die⸗
sen Discours aber hat der Herr Botschafter um keiner andern
Ursach willen vorgenommen, als den
Landrichter allgemach dahin
zu disponiren, daß er ihm zur
Erledigung einer Christin, welche,
wie Er vernommen, von einem Juden in seinem Hause eingeschlos⸗
sen und gefangen
gehalten wuͤrde, desto willfaͤhriger, und mit weni⸗
gern Unkosten, verhelfen moͤgte.
Dann was für Zeit die Kaiserli⸗
che Geschäfte dem Herrn Groß⸗Botschafter noch uͤbrig lie⸗
sen, verwendete er auf
die Ausübung Christlicher Liebes⸗Werke,
hielte eine fleissige Nachfrag nach gefangenen Christen, und
suchte
sie wieder in ihre Freyheit
zu stellen. Er unterhielte mit grossen UnLiebe des
Hn. Groß⸗
Bot⸗schafters in
Erledigung
der Gefan⸗
genen.
⸗
kosten Leute / welche
die ganze Stadt durchlaufen und Jhme einen⸗
so unschuldigen Raub durch eine noch
heiligere Hinterlist verschaffen
musten. Und damit die Tuͤrken auf diejenige, welche Jhm dergleichen
zu weege brachten, keinen Argwohn
haben kunten, als welche sie son⸗
sten mit Schlägen grausam wuͤrden
tractirt haben, hat er solche Leu⸗
te durch eine hintere Thüͤr und
heimliche Stiegen zu sich bringen,
und durch eben dieselbige wiederum fort gehen lassen. Diese ange⸗
wendte Müͤhe
und Sorgfalt ist auch nicht vergeblich gewesen, sin⸗
temaln dardurch füͤnfe
ihre Freyheit erlanget, ohne daß jemand von
den Angebern wäre ausgekundschaftet worden; unter denen einer
ein Oestreicher, von Jps an der
D[o]nau gebüͤrtig, gewesen, und
vor fuͤnf Jahren von den Tüͤrken mit
Gewalt beschnitten worden,
aber sich
gleichwol zu ihrer Religion weder mit dem Herzen noch mit
dem Mund bekennet. Bey dieser
Gelegenheit hat der Herr Graf Hn. Grafen
von Thier⸗
heims
Großmuth
gegen eine
Gefange⸗
ne.
von Thierheim seine Großmüthigkeit und Christliche Liebe gegen
die Bedrangten gleichfalls erwiesen,
angesehen er eine gefangene Frau,
welche zu des Herrn Botschafters
Quartier seine Zuflucht genom⸗
men, 6. Türken aber selbige wieder
zuruck ziehen wolten, mit entbloͤ⸗
sten
- 128 -
Erstes Buch /
Siebende Abtheilung /
100
sten Degen von solcher
Gewaltthätigkeit errettet, und zugleich das
Völker⸗Recht vertheidiget, welches nicht will, daß eines
Botschaf⸗
ters Quartiers⸗Freyheit durch einige Gewaltthätigkeit solle verletzet
werden.
Nun wollen wir uns aus der Stadt in die Kirche begeben,
Kirche zu
Sophia.
welche ebenfalls von obgedachter Sophia / wie sie vorgeben / er⸗
bauet worden.[9] Darinnen soll ihr Sarg noch bis auf diese Stunde
in dem obern Theil mitten in einem Gewoͤlb aufgehalten werden, und
daraus ein sehr angenehmer Geruch, nach der Tüͤrken eigenen Geständ⸗
nis, herfür gehen; doch kan man denselbigen nicht mehr sehen,
weil er mit einer Mauern verbauet ist: sie halten dafür, daß etwas
Göttliches darinnen müsse verborgen seyn, weswegen sie auch zu Ver⸗
ehrung dieses Coͤrpers bewogen werden. Es zeiget so wol die Art des
Gebäues, als dessen Gestalt, Eintheilung Schiff, Sacristey und
anderes, daß dieselbige ehmaln denen Christen zu ihrem Gottesdienst
gedienet habe; jedoch ist nicht zu läugnen, daß der Thurn und die
Decken in
der Kirche. daran liegende Gewöͤlbe von den Tüͤrken aufgebauet worden. Die
ganze Kirche ist mit dem feinsten Matten oder Decken von Binzen
belegt, in derselbigen aber gegen Orient, wo unsere Vorfahren das
Allerheiligste aufbehalten hatten, ist das Grab des Erz⸗Betrügers
Muhamet zu sehen, und viele von desselben luͤgenhaften Schriff⸗
ten daselbst zu finden. Auf dem Esterrich liegen hin und wieder
Schaafs⸗Häute, deren sich verlebte und vornehme Personen bedie⸗
nen, damit sie nicht, wann sie mit uͤber einander geschlagenen Füͤssen
mit dem ganzen Leib auf der Erden liegen, von dem kalten Boden
und dessen heraus steigenden Dämpfen schaden nehmen. An einem
hohen Fest wird der ganze Boden mit Persianischen Teppichen be⸗
legt. Jch habe auch nachgehends in einer andern vornehmen Mo⸗
schee dieser Stadt, die von Mahumud Bascha erbauet wor⸗
den, und von dem sie auch gleichwie die Unsrigen von dem ihnen
gewiedmeten Heiligen, den Namen füͤhret, Decken gesehen, welche,
da sie auf des Herrn Botschafters bezeigten Verlangen ausge⸗
breitet worden, sechs Eln breit und so lang gewesen, daß sie von ei⸗
nem Ende der Kirchen bis zum andern gereichet hat; und versichert
uns derjenige Kirchen⸗Diener, welcher uns solche gezeigt wie
er von seinen Vorfahren verstanden, daß diese Decken schon laͤnger
als ein ganzes Sæculum von ihnen gebraucht worden, und wann
er
- 129 -
101
Beschreibung der Stadt Sophia.
er genau rechnen wolte, sie nunmehro schon 176. Jahr dieneten;
gleichwol waren sie nicht so abgenutzt, daß sie nicht noch viel laͤnger
solten dauern können: es ware das Geweb daran nicht nur sehr
dicht, sondern auch sehr schoͤn und fein.
Jn beiden Moscheen stunden zwey Predigt⸗Stuͤhle, von wel⸗
chen sie die gewoͤhnlichen Reden oder Predigten an das Volk halten:
davon der eine etwas niedrig, als dessen sie sich taͤglich bedienen, und
mit dem Alcoran, und dessen Auslegern, auch vielen andern Bet⸗Büͤ⸗
chern angefüllet ist: der andere aber erhabener, und oben mit einer
Cron bedeckt, auf welchen man durch viele Staffeln steiget; und
wie von jenen ihres luͤgenhaften Propheten Irrthuͤmer und falsche
Lehren verlesen werden: also muß dieser zu ihren predigen dienen.
Neben diesem Predigt⸗Stul war nur in der ersten Moschee ein mit
höͤlzernen Gegitter vermachtes Zimmer, welches um eine Staffel
höͤher als der uͤbrige Theil der Kirche, auch mit Tapezereyen behängt
und belegt, und zum Dienst des Groß⸗Vizirs, oder andern Ba⸗
schen, wann sie zugegen, ausersehen ist; in beiden aber ist ein Ver⸗
schlag für die Weiber gemacht. Jm übrigen wird man weder in die⸗
ser noch einiger andern Moschee etwas von Zierrath finden, ausser
etwan etliche in Gestalt eines Circuls in den Gewoͤlben herum haͤn⸗
gende Ampeln, deren oft mehr bey einander sind, und von Gläͤsern,
verguldeten Kugeln, Straussen⸗Eyern, Muscatnuͤssen von seltsamer
Grösse, unterschieden werden; einen Brunnen zum waschen, kupfer⸗
ne mit Wachs⸗Lichtern versehene Leuchter / des Muhamets auf
eine Tafel gemahltes Grab, wie es in der Mecha zu sehen; der
Weeg zum Paradeiß und zur Höllen; die Stauden, so der Erz⸗Be⸗
trüͤger gepflanzet haben, und nach der mehresten Tüͤrken Meinung
noch heut zu Tage grünen solle; und endlich auch des Ebbubecker / Ausleger
der Muha⸗
meitschen
Lehre.
Omar / Osman / Hali / als ihrer vier vornehmsten Lehrer Na⸗
men, oder einige aus dem Alcoran gezogene und mit Finger⸗ und
Ehlen⸗langen Buchstaben geschriebenen Stellen, welche die von mir
oben angezogene Stücke noch mehr erläͤutern. Dann nachdem
Muhamet einmal bey sich beschlossen, einen neuen Glauben und
Gesetz aufzurichten, welches zwar nach vieler Meinung von dem
Münch Sergius soll verfaßt worden seyn, hat er dabey überall den
HErrn Christum, als einem seinen Vorgeben nach groͤssern Prophe
Muhamet
des HErrn
Affe.
⸗
ten als Moyses und alle andere, aber doch kleinern als er selbst, Christi
zu
N 3
- 130 -
102
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
zu imitiren sich befliessen. Dannenhero wie nach unsers Heylands
Tode und Entziehung Seiner sichtbarlichen Gegenwart sich vier
Evangelisten gefunden, welche die Worte ihres Meisters, oder den
von Jhm gepredigten Glauben, in ein Buch eingetragen, und das
neue Gesetz solte genennet werden, davon das alte nur ein Schatten
und Vorbild war: also haben auf gleiche Weise die des Muhame⸗
tanischen Aberglaubens ergebene Leute diese vier Männer aufge⸗
bracht, über den von ihm erdichteten Glauben und neue Lehre ei⸗
ne Auslegung zu machen; und ob sie schon in vielen Stucken von
einander abgehen, werden doch nichts destoweniger ihre Meinungen
für recht und orthox gehalten. Es sind auch in diesen Moscheen
weder Bänke zum sitzen, noch Altäre, ausser zu Mecha, wo der⸗
selben viere anzutreffen, und GOtt für die Erhaltung dieser vier
Lehren und deren Nachfolger unaufhöͤrlich dabey angeruffen wird.
[10]So findet man auch keine Bilder daselbst, sintemaln solche von ihnen
entweder weggeschaft oder ausgekratzt worden; und schelten die Ca⸗
tholischen Christen deswegen für Götzen⸗Diener, weil sie in ihren
Kirchen Statuen oder gemahlte Bilder dulten, welche sie auf keine
Weise vertragen koͤnnen. Mich duͤnkt aber, die Tüͤrken haben sich
deswegen schlecht vorgesehen, indem sie die Bilder aus ihren Kir⸗
chen und von ihren Altären verbannet, und doch gleichwol die
Namen davon, welche eben dieselbige Wuͤrkung haben, und demje⸗
gen, der an sie gedenket, wiederum in das Gedaͤchtnis bringen, nicht
mit weg geschaffet.
Achte Abtheilung.
Christliche
Untertha⸗
nen zu
Grublian.
NAchdem wir nun zu Sophia ein paar Tag ausgeruhet,
sind wir den 1. Julj nacher Grublian aufgebrochen, wel⸗
cher Ort zwey Stund von dar, an dem Fluß Jokaro ge⸗
legen ist, über dessen zwey höͤlzerne Brüͤcken wir unsern Weeg ge⸗
nommen, und das Läger also aufgeschlagen, daß wir ein Dorf zur
rechten, eine anmuthige Wiese zur linken Hand, und gemeldten
Fluß, welcher weder breit noch tief, aber von einem sehr schnellen
Lauf ist, im Rucken hatten. Ein anderer Fluß, die Müh⸗
le im Dorf triebe, war von der grossen Hitze so ausgetrucknet, daß
er
- 131 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
103
er kaum die darinn liegende Steine bedeckte: der meiste Theil Un⸗
terthanen daselbst sind Raitzen, und auch der Raitzischen oder Gri⸗
chischen Religion zugethan, welche zu uͤben sie nur in ihren Haͤusern
zusammen kommen, nachdem ihre oͤffentliche Capelle von den Tuͤr⸗
ken schon laͤngst zerstoͤret worden, deren Ruin samt den entbloͤßten Al⸗
tären und Pfeilern, wie auch die ihrer heiligen Bilder beraubte Stel⸗
len nicht ohne Mitleiden angesehen werden koͤnnen, welche letztere/
wann sie reden koͤnnten/ ohne Zweifel ihre alte Oerter und vorige
Verehrungen wieder begehren wuͤrden. Die Haͤuser daselbst sind
noch kleiner, als man an andern Orten findet, und nur aus Rohr,
Halmen, Stroh und Holz zusammen gefüͤgt; doch ist das Wasser
daselbst so gesund, als fruchtbar der Erd⸗Boden sich zeiget: durch
diese blickte eine Art von Metall herfuͤr, so man Talk nennt, und
Kupfer hält, wie Herr Dorschaus, ein in der Chymie wol erfahr⸗
ner Mann, behaupten wolte. Noch ehe man hieher kommt, siehet
man etwas zur rechten Hand den Witoscha⸗Berg, von welchem Des Wito⸗
scha⸗Bergs
Merkwuͤr⸗
digkeiten.
etwas zu gedenken sich der Muͤhe wol verlohnet: Es erstreckt sich
seine Höhe bey vier Stunden, und hat gleich unten vier unter⸗
schiedliche warme Bäder, so dieser Orten sehr beruͤhmt sind, auch
etliche Döͤrfer, Aecker, Wiesen, und Weingärten / und dieselbige
nicht allein unten, sondern auch so gar zu oberst auf seinem Gipfel;
man kan aber auf solchen einen so grossen Unterschied der Luft
antreffen, daß man dabey alle vier Jahrs⸗Zeiten bemerken wird:
unten, wo man durch eine Ebene auf den Berg gehet, spuͤhret man
die gröste Hitze, so daß das Graß und die Erde von der Sonnen
ganz verbrannt oder doch völlig ausgetrocknet ist; auf den obern
Theil findet man den annehmlichen Frühling, wo die Narcissen,
Violen, und andere Blumen den lieblichsten Geruch von sich geben;
in den Wäͤldern trifft man die Fruchtbarkeit des Herbstes an; die
rauhe Winters⸗Zeit aber zwischen den Felsen und Stein⸗Klippen,
deren eine dermassen an die andere stosset, und auflieget, daß es schei⸗
net / es seye dieses kein Werk der Natur, sondern der Kunst, und
die poetische Fabel damit bekräftiget, als ob durch die Riesen der
Berg Oßa auf den Berg Pelius getragen worden. Zwischen die⸗
sen liegt der tiefste Schnee, welcher durch die Winter⸗Käͤlte also zu⸗
sammen gefrohren, daß er auch bey der gröͤsten Sommer⸗Hitz und
in den Hunds⸗Tägen niemaln ganz zergehet: die davon herab fallen⸗
de
- 132 -
Erstes Buch/ Achte Abtheilung /
104
de Bäche, so theils aus der Erden herfür dringen, theils von den
jähen Klippen mit grossem Getoͤß herunter stuͤrzen, verursachen auf
denen obern Wiesen grosse Lachen. Von den benachbarten Ackers⸗
leuten werden viele tausend Pferde und Schaafe dahin getrieben, de⸗
nen es gleichwol an Weide im geringsten nicht fehlet. Es befinden
sich auch Erz⸗Gruben auf diesem Berg, aus welchen Eisen in grosser
Menge gegraben wird; in der Hoͤhe aber gibt es den schoͤnsten Pro⸗
spect auf die unten herum liegende Felder.
Den 2. Julj kamen wir nach Jenihaan / oder Novihaan /
einem füͤnf Meil von Sophia entlegenen Flecken; von dannen wir
den 3ten weiter üͤber Wokerela nach Jchtiman oder Jhliman
giengen. Dieses Jchtiman mag seinen Namen vielleicht von ei⸗
nem daselbst geschlossenen Frieden bekommen haben, weil es auf
Teutsch eben so viel als ein Friedens⸗Bündnis bedeutet. Der rau⸗
he Weege und die täͤglich anwachsende Sonnen⸗Hitze hat unsere bis⸗
Reise bey
der Nacht. her bey Tag fortgesetzt⸗ als nachgehends bey der Nacht vorgenom⸗
mene Reise um ein merkliches verhindert; angesehen wir gemeinig⸗
lich zu Mittag, wann die Hitze am stärksten zu seyn pflegt, still ge⸗
legen, hingegen um vier, zwey, zwölf und auch zehen Uhr in der
Nacht aufgebrochen sind. Die Moscheen, Bäder und Brunnen ha⸗
be ich an bemeldten beiden Oertern eben also wie anderwäͤrts befun⸗
den: die Haanen oder gemeine Herbergen wurden auch mit gemei⸗
Gemeine
Herberge
zu Jeni⸗
haan.nen Geld erbauet und unterhalten; und habe ich zu Jenihaan ei⸗
ne dermassen grosse angetroffen, daß 900. bis 1000. Pferde oder
Joch⸗Ochsen gemächlich darinnen stehen können. Jndem wir hier
zu Jchteman einen Rast⸗Tag hielten, und andere auf die Jagd
ausgiengen, habe ich derweilen die maͤnnliche und weibliche Tracht
der Bulgarn, deren noch viele hierum unter den Tuͤrken wohnen,
Kleider der
Bulgari⸗
schen Män⸗
ner. etwas genauer untersucht: Die Mannsbilder tragen / wie die Rai⸗
tzen in Servien, ein kurzes wüllenes Wammes, mehrentheils von
blauen oder weisen groben Tuch, und lange Hosen von eben derglei⸗
chen Farb; an diese sind die Strumpfe genähet, über welche sie ein
Stück Fell oder Leder ziehen, so sie mit vielen Stricken fest binden,
und ihnen an statt der Schuhe, Stieffeln und allem andern dienet;
und wann sie durch morastige Felder oder unsaubere Weeg reisen,
machen sie solche an der Sonnen oder beym Feuer wieder trocken,
und
- 133 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
105
und ziehen sie alsdann von neuem an: an statt der Hauben haben
sie ein Stück Schaafs⸗Haut auf dem Kopf; die Haare sind ihnen
bis auf einen Zopf abgeschnitten, und in der Hand füͤhren sie einen
Stecken, woran ein gespitztes Eisen fest gemacht ist, dessen sie sich
bey ihrem Vieh an statt der Geisel bedienen, und sich auch im gehen
darauf lehnen. Jhre Weiber gehen nicht, wie die Türkischen, mit Kleider der
Bulgari⸗
schen Wei⸗
ber.
bedecktem Gesicht, haben auch keine Hosen an: ihr Rock gehet ih⸗
nen bis auf die Füsse, und siehet einem Hembd aͤhnlich, ausser wel⸗
chem sie fast zur Sommers⸗Zeit nichts anders anhaben: dessen Ma⸗
terie von eben nicht zart-gesponnener Wolle ist, als woraus wir in un⸗
sern Ländern Säcke zu machen pflegen, aber von vielfältiger Stüͤckerey
und Farben ganz bund und scheckicht aussiehet; woruͤber sie einen gleich
bunden von Cameel⸗Haaren oder Wolle gar seltsam geflochtenen
Gürtel legen. Jhr Schmuck bestehet in schwehren silbernen und verSchmuck
derselbi⸗
gen
⸗
guldeten Ohren⸗Gehaͤngen, und dergleichen Ringen, in Steinen,
Muscheln, gefärbten Glaß / Bildern, Blumen und allerley schlech⸗
ten Münze; damit nun zieren sie den Kopf, den Hals, die Haare,
Finger, Brust, und bilden sich darauf mehr ein, als die Königin
aus dem Reiche Arabien, oder die stolze Cleopatra selbsten. So Tracht der
Jung⸗
frauen.
lang sie noch Jungfrauen sind, gehen sie wenig aus, und lassen sich
auch selbst nicht viel sehen, haben ihre Haare gebunden und üͤber
den Rüͤcken herab hangend: so bald sie aber heyrathen, binden sie
dasselbige hinauf. Jhrer viele tragen einen ungeheuren grossen Hut, Weiber
Hüte.
dessen Breite über die Schultern herab hanget, die Höhe aber fast
eine Ele über den Kopf hinaus gehet, im übrigen auch denen
Unsrigen ganz ungleich, sintemaln das oberste Theil / oder dasjeni⸗
ge, was gegen den Himmel schauet, am breitesten ist, als wann er
mit Fleiß darzu gemacht wäre, nicht daß er den Regen abhalten,
Töchter
werden an
den Bräͤu⸗
tigam ver⸗
kauft.
sondern auffangen solte. Wann einer eine Tochter zur Ehe begehrt,
kauft er solche von den Eltern, und duͤnget, so genau er kan, wel⸗
ches Geld alsdann die jungen Ehe⸗Weiber statt ihres Heyrath⸗Guts
behalten, und im ersten Jahr ihrer Vermaͤhlung an ihrem Leib als
einen sonderlichen Schmuck tragen. Die Jungfrauen nehmen hierMünz ein
Schmuck
der Bulga⸗
rischen
Weibs⸗Bilder.
⸗
zu was sie gewinnen, oder geschenkt bekommen, womit sie oft so be⸗
laden sind, als die Esel, wann sie Säcke in die Muͤhl tragen, wie
sie dann auch ihre Schönheit und Stand nach der Menge sol⸗
cher Münzen æstimiren. Die Braut wird von ihren Verwandten
und
O
- 134 -
106
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
Uberfüh⸗
rung der
Braut zum
Bräuti⸗
gam.und Bluts⸗Freunden zu dem Bräutigam geführt, davon ein Theil
unterwegs weinet, der andere singet, der dritte trägt die Hochzeit⸗
Fackeln vor, der vierte flechtet der Braut die Haare, der fünfte
lößt sie wieder auf / und unter diesem Getändel kommen sie zum
Bräutigam; allwo sie 14. Tage hindurch verhüͤllet bleibt, und wann
in dieser Zeit der Mann die ehliche Pflicht von ihr begehret, welches
ihme doch nicht seines Gefallens, sondern nur zur bestimmten Zeit
erlaubt ist, legt sie deswegen den Schleyer doch nicht von sich, bis
sie endlich nach verflossener Zeit das Gesicht wiederum bloß gibt,
und hierauf mit ihrem Mann das Hauß⸗Wesen nach ihren besten
Vermögen versiehet. Und weil wir in so weit der Bulgarn Kleider⸗
Tracht genugsam besehen, so laßt uns wieder ins Lager zuruck
kehren.
Daselbst wäre uns noch diesen Tag bald ein grosses Unglück
Entsetzli⸗
ches Unge⸗
witter. durch ein unvermuthet entstandenes Wetter zu Handen gestossen.
Dann ob es gleich den ganzen Tag üͤber schoͤn heiter gewesen, hat sich
doch auf dem Abend ploͤtzlich ein solch grausam mit Donner, Blitz
und Regen vermischtes Ungewitter erhoben, daß man häͤtte meinen
sollen, die Welt wuͤrde daruͤber zu Grunde gehen, und der juͤngste
Tag kommen: die mehresten Zelten wurden aus der Erden gerissen
und durchs Läger in die Luft fort gefüͤhrt; diesem wurde der Hut,
einem andern die Parucke, dem dritten die Pantoffeln / und jenem
wieder was anders durch den Wind abgenommen: ja, was am mei⸗
sten zu verwundern, so wurden die schwehr beladene Wägen aus
ihrer Stelle bewegt, und in einen Graben getrieben, wo sie endlich
nicht weiter fort kommen kunten. Es blitzte so stark, daß man wie
beym Licht lesen kunte; und hatte es bey nahe das Ansehen, als ob
von dem herabfallenden haͤufigen Regen, welcher auch die Felder
überschwemte, eine andere Suͤndfluth oder doch gefäͤhrlicher Wol⸗
ken⸗Bruch zu besorgen stünde. Die Berge schützten uns vor dem
Wind so wenig, daß derselbige, wie gleichsam durch eine Röͤhre,
nur desto heftiger auf uns los stürmte. Wie aber selten ein Un⸗
Feuers⸗Gefahr.glück allein kommt, so geschahe es auch hier, sintemaln, da wir be⸗
reits von Luft und Wasser genugsam bestritten waren, das Feuer
seine Wut nicht weniger an uns ausüben wolte, worzu unserer
Fuhrleute Nachlässigkeit oder vielmehr Unbedachtsamkeit Gelegenheit
gegeben; dann diese hatten Feuer unter ihre Toͤpfe geschiert, und sol⸗
che
- 135 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
107
che an die Wagen⸗Deichsel gehangen, um sich darinnen was zu es⸗
sen zu kochen / oder auch wol bey der Nacht des Feuers zu ihrer Er⸗
wärmung zu bedienen: nachdem sie aber durch das Wetter von dar
weg getrieben worden, hat unterdessen dasselbige die Wäͤgen, wor⸗
auf die Kaiserliche nach Constantinopel bestimmte Geschenke gepackt
waren, ergriffen; und wo des Herrn von Wettsteins sonderbaDurch Hn.
von Wett⸗
stein abge⸗
wendet.
⸗
re Wachtsamkeit nicht das beste dabey gethan häͤtte, duͤrften wir ver⸗
muthlich einen unbeschreiblichen Schaden erlitten haben: dieser aber,
als er ein mehr denn gewoͤhnliches Feuer erblickt, und daraus nicht
unbillig was schlimmes muthmassete, ist alsobald im blosen Hembd
aus seinem Zelt gesprungen, hat sich mit dem Leib voͤllig auf die Er⸗
den gelegt, mit Händ und Füssen gedämpft, und dardurch diese gros⸗
se Gefahr glücklich abgewendet.
Den 5ten dito sind wir anderthalb Meil von Banga in einer
Ebene an der Maritz zu stehen gekommen; woselbst auch noch ein
anderer Fluß oder Bach, dessen Namen ich aber nicht erfahren koͤn⸗
nen, ohnerachtet ich durch die Dolmetschen die Tuͤrken deswegen fra⸗
gen lassen, welche solchen keinen andern Namen zu geben gewust, als
daß es ein Bächlein seye. Die Stadt Samcova hatten wir vor
uns mitten in den Bergen liegend, so wir aber nicht zu Gesicht be⸗
kommen; ruckwäͤrts lag ein Dorf / welches man auf ihre Sprach das
Vogel⸗Dorf nennet, und dieses, wie ich muthmasse, darum, weil Vogel⸗
Dorf.eine gewisse Art Bäume daselbst zu finden, die unsern Pappel⸗
Bäumen fast gleich, deren Blätter sich stäts bewegen, und damit
die Vögel abhalten, daß sich keiner darauf setzet noch nistet. Zur Berg Rho⸗
dope.
rechten sahen wir die Spitze des Bergs Rhodope / so noch mit
Schnee bedeckt war, und von den Benachbarten Rulla genennt
wird, aus deme die Maritz ihren Ursprung nimmt, wie solches
auch Ovidius und Plinius bezeugen. Zur linken zeigten sich die⸗
jenige Berge, welche die Bulgarey und Thracien von einander
entscheiden, und bis an den Haͤmus zwischen Sophia und Phi⸗
lippopel sich erstrecken. Sie fangen schon in dem Köͤnigreich Ser⸗
vien, ohnweit Raschna oder Sumantzio an, und lauffen immer
fort durch unterschiedliche Länder, bis sie aus Thracien an das
Thracien
oder die
Romanie.
schwarze Meer kommen. Dieses Thracien wird von den Tüͤrken
Rurnili / insgemein aber die Romanie genennt, und solches ohne
Zwei⸗
O 2
- 136 -
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
108
Zweifel darum, weil der Kaiser Constantinus aus dem alten Latio
Leute nach Grichenland üͤberfahren lassen, damit Er dem neuem
Rom auch ein neues Latium beyfügen, und die Nachwelt üͤberzei⸗
gen möͤgte, daß das neue Rom oder Constantinopel dem alten
gleich gewesen, wo nicht gar dasselbige uͤbertroffen habe. Ehe wir
aber in gedachte Ebene hinab gestiegen haben wir vorhero die so be⸗
kannte Pforte des Kaisers Trajani besehen.
Pforte des
Kaisers
Trajani.
Dieselbige liegt zur linken in den Bergen, deren gäͤhe Klippen
und sehr tiefe Abgründe kaum einen Zugang verstatten; weswegen
wir unsere Wägen und Bagage eine andere Strasse gehen lassen,
unsere Curiosité aber zu vergnuͤgen, uns unserer Pferde bedient, da⸗
mit wir gleichwol dasjenige selbst in Augenschein nehmen koͤnnten,
wovon wir bereits in so vielen Buͤchern gelesen haben. Es ist aber
dieses Werk weit nicht so wichtig, als der gemeine Ruff es gerne
machen will; die ganze Sache bestehet darinnen, daß zwey steinerne
Säulen neben einander aufgerichtet, und oben durch ein Gewoͤlb
an einander gehenckt sind, welche auf solche Weise eine grosse leere
Pforte vorstellen. Diese hat Kaiser Trajanus zum Gedächtnis
des von Jhm durch selbige Gegend geführten Kriegs⸗Heers aufge⸗
führet, da Er die Thracier und Teutsche zu bestreiten und seiner
Herrschaft zu unterwerfen im Anzug war, weil Er sich hierdurch ei⸗
nen Weeg gebahnet, da vorher keiner gewesen ist. Sie bestehet
theils aus Hau⸗Steinen, theils aus Ziegeln, welche letztere aber viel
breiter und fester sind, als diejenige, deren wir uns heutiges Tags be⸗
dienen: es spaltet sich aber dieselbige schon an vielen Orten, und
dürfte die meiste Zeit gedauert haben, absonderlich da sie dem
Wind und Regen sehr exponirt ist; wie dann auch der Herr von
Dierling / welcher schon einmal mit der vorigen Groß⸗Botschaft
unter dem Grafen von Oettingen allda gewesen, und anjetzo bey
gegenwärtiger als Secretair stehet, mich versichert, daß sie von sel⸗
biger Zeit an merklich zusammen gefallen seye. Es ist aber diese
Pforte auch noch einer andern Verhaͤngnis unterworfen, da nem⸗
lich die Anbeter des lieben Alterthums mit Gewalt Steine aus der⸗
selbigen brechen, um solche mit in ihr Vaterland zu fuͤhren, und in
ihrer Studier⸗Stube oder Kunst⸗Kammer als ein geheiligtes Bild
der Göttin Pallas, und aus dem Trojanischen Brand gerettete
Hauß⸗
- 137 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
109
Hauß⸗Götter zur sondern Zierde oben anzustellen. Jch habe nicht Excess in
der Liebe
zur Anti⸗
quität.
wenig über diejenige unter uns lachen muͤssen/ die doch Wunder
meinten, wie sie in der Antiquität beschlagen waͤren, daß sie aus
grosser Inclination zu derselbigen gemeldte Steine begierig zusam⸗
men gesucht, und ihre Schub⸗Säcke dicht damit angefüllt;
warum haben die guten Leute nicht lieber von dem nechst anliegenden
Felsen Steine herunter geschlagen und mit sich geschleppt, welcher
ohne Zweifel älter als diese Pforte gewesen ist. Ein sehr curiöser Geist⸗
licher / aus einem gewissen Orden, von welchem man nicht anders
als mit der groͤsten Behutsamkeit reden muß, wann man sich keine
Miß⸗Gunst zu ziehen will, weil er sich den Ruhm der Gelehrsamkeit
nach Verdienst erworben hat / bezeigte eine ungemeine Sorgfalt füͤr
diese steinerne Denkmale; dann nachdem einer unterwegs dergleichen
Steine als eine unnöthige Last von sich geschmissen, hub es jener
mit sonderbahrer Veneration und nicht geringem Frohlocken wieder
auf, verschlosse es in seine Kuͤsten, und zweifelte nicht, daß die ge⸗
lehrte Welt eine ganz ausserordentliche Obligation deswegen vor
ihn haben müͤste, weil er dergleichen Kostbarkeit von dem augen⸗
scheinlichen Untergang gerettet. So hat sich auch einer unter mei⸗
nen Landsleuten, ein sonst gar verständiger und dienstfertiger
Mensch, gefunden, welcher bey seiner Ruckkunft einem seiner ver⸗
trautesten Freunde, so um einer mir unbekannten Ursach willen
nicht mit reisen können, eine zimliche Quantität von diesem Traja⸗
nischen Schatz mitgetheilet, in der sichern Meinung, er koͤnnte sein
ergebenstes Gemüth gegen Jhm nicht besser an den Tag legen, als
wann er ihn mit demjenigen so reichlich beschenkte, welches er vor
das kostbarste unter allen seinen Raritäten hielte. Wann demnach Die allzu
grosse Cu⸗
riosité darf
wol hinter⸗
gangen
werden.
sich ja einer finden solte, der dergleichen Stein nicht zu sich genom⸗
men und deswegen von andern als ein Verachter der Antiquität duͤrfte durchgelassen werden, dem will ich wolmeinend rathen, wo⸗
ferne er anders keine solche Suͤnde zu begehen vermeinet, welche aus⸗
zusöhnen ganz Latien und Grichenland mit allen ihren Steinen nicht
capable wären, daß er so gleich bey seiner Ruckkunft nach Wien
auf den Kahlen⸗Berg gehe, und von dar einen so grossen Stein mit
sich nach Hauß trage / als er unter seine Freunde auszutheilen ge⸗
nugsam zu seyn glaubt, welche gewiß eben so gute Würkung als
jene Trajanische haben werden, womit er gleichwol den Namen ei⸗
nes
O 3 - 138 -
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
110
nes Liebhabers und Kenners der Antiquität behaupten, dabey aber
auch zugleich doppeltes Lob verdienen wird, eines theils, daß er an⸗
derer Leute Thorheit so artig zu hintergehen gewust; andern theils aber,
daß er der wahrhaftigen Antiquität damit nichts entzogen, welche
durch anderer unnuͤtze Curiosité nur mehr und mehr verstuͤmmelt
und ihr gaͤnzlicher Ruin nur desto eher befoͤrdert wird: dann so weit
diese vorwitzige Hände haben reichen koͤnnen, ist dieses rare Denkmal
von ihnen zerstuͤmmelt und bey nahe ganz ausgehoͤlet worden. Das
Gewölb ist ohnedem schon ganz zerspalten, und nicht zu verwun⸗
dern, wann es nechstens uͤber einen Haufen faͤllet. In der linken
Säulen, nach demjenigen Weeg gerechnet, welchen wir dahin ge⸗
kommen, kunte man unten einen grossen Stein von weisen aber nicht
nach heutiger Art polirten Marmel eingemauert sehen, auf welchem
ein blaufarbigtes Quater⸗Stüͤck lieget, in deme einige lateinische
Sprüche eingehauen gewesen, so man aber wegen des daruͤber gestri⸗
chenen Kalchs und in die Mauern hinein geschobenen Theils, auch
der noch uͤbrigen durch den vielfäͤltigen Regen ausgelöͤschten Buchsta⸗
ben ohnmöglich mehr lesen kan. Allein es wolten einige aus der in
die Höͤhe oder gegen dem Himmel gerichteten Schrifft urtheilen, daß
dieser Stein eigentlich nicht zu dem Werk selbsten gehöͤre, sondern
von ungefehr in diese Pforten versetzt und vielleicht damit ausgeflickt,
von den Reisenden aber zu einem Denkmal ihrer ehmaligen Gegenwart
also gezeichnet, hingegen von Regen und Schnee und Laͤnge der Zeit
wiederum ausgeloͤscht worden. Wann ich meine Meinung davon
sagen darf, so kommt es mir vor, daß unter andern auch um eben
dieser Ursach willen, weil die Schrifft gegen dem Himmel schauet,
und halben Theil mit Kalch überstrichen ist, es eine alte Schrifft muͤs⸗
se gewesen seyn, damit bey einmal erfolgender Niederreissung dieser
Pforten die Nachwelt in Erfahrung bringen moͤgte, wer solche auf⸗
geführet, und was ihm darzu Anlaß gegeben; welches die Alten
gar sehr in Gebrauch gehabt, wie wir aus ihren ruinirten Gräͤbern,
Särgen, Kirchen und andern aufgerichteten Denkmaln versichert
sind, daran man vor ihrer Destruction dergleichen nicht merken
kunte, was man nachgehends beobachtet, auch noch heut zu Tage
an grossen vornehmen Gebaͤuen wahrnehmen kan. Jn diesen Bergen,
über welche wir nach bemeldter Pforte gehen müssen, wird viel
Eisen⸗Bergwer⸗
ke.Eisen gegraben, und zu gerichtet, wie wir dann im Ruckweeg verschiedene
damit
- 139 -
111
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
damit beladene Wägen angetroffen; so ist uns auch eben daselbst Warmer
Brunnen.
ein warmer Brunnen aufgestossen, dessen Wasser immerzu so stark
heraus siedet, als wann es etliche Stunden bey dem Feuer gestan⸗
den, so daß man Eyer und andere leichte Speisen gar leicht darin⸗
nen kochen koͤnnte. Unten am Berg, nicht weit von unserm Lager Zerstörte
Kirche.
stunde wiederum eine alte zerstoͤrte Kirche, in welcher jetzt die Raben
und Turtel⸗Tauben ihre Wohnung aufgeschlagen: der Regen fie⸗
le zu allen Seiten hinein, und war mit keinem Dach mehr bedecket;
auf der Mauern wuchs das Gras, die Baͤume und Stauten schaue⸗
ten zum Fenster heraus, so, daß es recht erbaͤrmlich anzusehen, wie
dasjenige durch der Barbarn Verwüͤstung nunmehro zu einem Sitz
der Vögel worden, welches ehedessen ein Wohnhauß des Aller⸗
höͤchsten gewesen.
Als wir den 6ten dito über hohe gaͤhe Stein⸗Klippen, zwischen
welchen die Maritz mit grossem Geraͤusch durchflieset, unsern Weeg
fort gesetzet, sind wir über Jabrowitz und Kiskoi nacher
Seranweg / so ebenermassen zwischen den Bergen liegt / noch
bey guter Zeit gekommen. Der Name Kiskoi bedeutet so viel als
Jungfrauen⸗Dorf, und hat seinen Namen von denen Weibs⸗Bil⸗
dern, deren wir nirgends mehr als hier angetroffen. Zu Serhan
Eine Men⸗
ge Reiger
und
Schwal⸗
ben.
⸗
weg haben wir eine grosse Menge weiser Reiger und unbeschreibli⸗
che Anzahl Schwalben gesehen, welche so gar, wo sie hingeflogen, die
Luft verdunkelt, so heiter auch das Wetter dazumal gewesen ist. Auf
der Ebene gegen Serhanweg ist ein Bach / welcher ganz mit
Krebsen angefüllt, und sich in die Maritz ergieset. Gestern erUnsicher⸗
heit dieser
Gegend.
⸗
innerten uns unsere Janitscharn, daß keiner von der gemeinen Land⸗
Strassen auch nur im geringsten abgehen solle, noch vielweniger die⸗
sen Tag sich allein auf dem Weeg begeben, weil sich dieser Orten
sehr viel Strassen⸗Räuber und Möͤrder aufhalten, welche Rott⸗
weise die Reisende anfielen, und wo diese sich nicht zusammen hielten,
noch unter einem starken Geleit mit gewafneter Hand ihnen wider⸗
stünden, wären sie in Gefahr, durch sie auf allerley hinterlistige
Weise in Schaden zu kommen; weswegen auch an verschiedenen Or⸗
ten die Spahi Wacht hielten, damit wir desto sicherer waͤren, und sie
uns im Nothfall zu Hülf kommen könnten. An diesen Tag haben
wir zu erst Thracien betretten, da wir uns bishero noch immer
mit den Bulgarischen Bergen schleppen muͤssen; nachdem wir aber
nun⸗
- 140 -
112
Erstes Buch, Achte Abtheilung /
nunmehro diese zuruck gelegt, werden wir forthin bis nach Con⸗
stantinopel einen ebenen Weeg haben. Ehe wir diese Landschaft
gar verlassen, wollen wir erst ein wenig untersuchen, womit sich die
Unterthanen in der Bulgarey und in dem Koͤnigreich Servien
nehren, und mit was für Gaben und Dienste sie der Pforten ver⸗
bunden sind.
Die mehreste aus ihnen sind so wol als andere in dem ganzen
Der Unter⸗
thanen
Auflagen
in der
Bulgarey
und Ser⸗
vien.Reich schuldig und mit Eid verbunden, sich so oft im Krieg gebrau⸗
chen zu lassen, als oft solches die Noth und der gemeine Nutz erfor⸗
dert, wovon auch so gar Juͤnglinge und Kinder nicht ausgeschlos⸗
sen, sondern nur allein die verlebten Personen und welche einen
Leibs⸗Schaden oder sonst nicht Kraͤffte genug haben, dieser Pflicht
überhoben sind. Doch ist ihnen dabey gleichwol erlaubt, Handel⸗
schaft zu treiben, so lang sie daheim in Frieden sitzen / wie sich dann
auch die mehresten damit ernehren. Die Bauern und Ackers⸗Leute
zahlen der Pforten jährlich zehen Löwen⸗Thaler / dafür stehet ihnen
hernach frey zu pflanzen, saen, Ernden, und allerhand ihnen gefäl⸗
lige Handthierung zu treiben. Derjenige, welcher zwey Joch⸗Och⸗
sen oder Pferde hat, muß eines davon sechs Monat zu des Sul⸗
tans Diensten gebrauchen, welche Zeit sie gemeiniglich von unserer
Ostern bis auf Michaelis zu rechnen pflegen, weil in solcher die
Türkische Armee gegen dem Feind im Felde stehet, als deren Cam⸗
pirung wegen des weiten Weegs, so ihre aus allerhand Nationen zu⸗
sammen geraffte Soldaten wieder nach ihrer Heimat in die Winter⸗
Quartier ziehen muͤssen, nicht leicht laͤnger dauert. Füͤr diese Zeit
nun des halben Jahrs zahlt man ihnen nichts, und sind sie gezwun⸗
gen, sich und ihr Vieh selbst zu verkosten. Wann es des Sultans
Interesse erfordert, muͤssen sie aus einem Land in das andere ziehen,
ohne daß deren Stadthaltere sauer darzu sehen noch deswegen in Un⸗
fried mit einander leben darfen, wie es leider oftmals zum höͤchsten
Nachtheil des obersten Regenten und gemeinen Wesens bey uns ge⸗
schiehet. Es sind viele von denenjenigen Waͤgen, so uns von Nissa
aus Servien bis nach Sophia in die Bulgarey geführet, nicht
weit von dem schwarzen Meer aus Thracien herkommen, von
wannen sie Proviant, Kriegs⸗ und andern Werk⸗Zeug nach Nissa
gebracht haben.
Nach⸗
- 141 -
Reise von Sophia bis nach Philippopel.
113
Nachdem wir den 7ten dito etliche Stunden in einer grossen Die Stadt
Basard⸗
schik.
Ebene längst der Maritz fort gegangen / sind wir nach Basard⸗
schik, einer bey denen Tüͤrken beruͤhmten Stadt, gekommen: wo⸗
bey wir auf dem Weeg dahin etlichmal uͤber die Maritz gehen muͤs⸗
sen, doch meistens dieselbe zur linken Hand gehabt, welche noch bis⸗
her so seicht, daß man dadurch waten kan, ohnerachtet sich schon ei⸗
nige Fluͤsse in dieselbige ergossen haben; jedoch wann sie von Schnee
oder Regen aufgeschwellet ist, hat man einer Brüͤcken oder Schiffs
vonnoͤthen, wann man hinuͤber kommen will. Erst bemeldte Stadt
liegt an gedachtem Fluß, einem lustigen Ort, uͤber welchen eine hoͤlzer⸗
ne Brücke gebauet, darauf nach Lands⸗Gewohnheit viele Türki⸗
sche Bünde in Holz geschnitten stehen, womit solche abgetheilet
wird. Nebst diesem lauft noch ein anderes Wasser fast um die gan⸗
ze Stadt, und ergieset sich endlich gleichfalls in die Maritz. Die Die Be⸗
schaffen⸗
heit der
Häuser zu
Basard⸗
schik.
Häuser daselbst sind weit schöͤner, grösser und besser als zu Nissa /
Sophia und allen übrigen Orten. Die Vordächer oder
Lauben gehen an denselbigen so weit herfür, daß man gar gemächlich
darunter wohnen köͤnnte, wann nur Mauern hinauf geführet und
man zur Seiten bedeckt wäre. Es gibt viel Bäder allhier, auch wei⸗
tere und reinere Strassen, als in andern dergleichen Städten. Die
Kaufmannschaft wird mit grossem Vortheil der Stadt getrieben,
welche auch gar bequem darzu, nemlich mitten im Reich liegt, wes⸗
wegen eine jedwede Sache leichtlich verschlossen werden kan. Da⸗
selbst ist der Haan mit grossen Unkosten, denen Beduͤrftigen damit Haan da⸗
selbst.
an die Hand zu gehen, von puren Quater⸗Stuͤcken gebauet, in des⸗
sen Vorhof ein Brunnen⸗Kasten stehet, der zu mehrern Zierde in⸗
nen und aussen mit Bley belegt ist, in welchen das Wasser immer
zu rinnet, und wieder hinausflieset, und koͤnnen auch daraus 50.
Pferde zugleich getränckt werden. Jch habe bey dem Eingang Allmosen⸗Stock.
der Stadt einen Allmosen⸗Stock beobachtet, welcher zum Behuf
der Armen aufgerichtet ist, und davon ich mich nicht erinnere, daß
ich an einem Ort in der ganzen Tuͤrckey dergleichen gesehen haͤtte,
ohnerachtet die Tüͤrken alle andere Völker an Barmherzigkeit und
Liebe gegen den Nechsten übertreffen. Auf ihren Kirchhöfen ist eiKirchhöfe.
⸗
ne unbeschreibliche Menge von Grab⸗Steinen anzutreffen, sinte⸗
maln die Tüͤrken in dem Gebrauch haben, füͤr einen jeden Todten ein
besonders Grab zu machen, damit nicht einer den andern in demjenigen
Kampf
P
- 142 -
Erstes Buch / Achte Abtheilung /
114
Kampf, welchen sie, ihrem Glauben nach, mit dem böͤsen Geist nach
ihrem Tode haben, verhinderlich seyn möͤgte, wann sich mehr als
einer in einem Grab befinden solte: daher kommt es dann, daß
diese Kirch⸗Höfe grösser als die Städte selbsten sind, und man ge⸗
wiß von denen darauf befindlichen Steinen eine groͤssere Stadt, als
die dabey liegende hölzerne ist, würde aufrichten können. Diese
Grab⸗Steine sind zweyerley Gattung, einige sind rund, andere flach
und duͤnne, und ist an diesen letztern dasjenige Theil, so ober der Erden
stehet, viel breiter, als das untere, also daß man sich daran eine um⸗
gewendte Pyramide vorstellen kan; jene aber mit einem Türkischen
Bund gezieret: welche bey dem Kopf stehen, und allezeit zu gegen
sind; diese aber bey den Fuͤssen, und sich bey gar vielen nicht finden.
Beide sind mehrentheils von Marmel, mit Laub⸗Werk, Gold und
unterschiedlichen Farben, auch bisweilen mit Türkischen Buchstaben
gezieret. Diejenige, so es im Vermoͤgen haben, lassen sich noch dar⸗
zu einen länglicht⸗viereckigten Sarg von weisen Marmel, oder auch
ein Grabmal verfertigen, welches auf Säulen stehet / und mit ei⸗
nem Dach vor dem Regen und Ungewitter verwahrt ist. Uber die⸗
ses sind der Türken Gräber viel weitläuftiger als die Unsrige, und
Streit der
Türken
nach ihrem
Tod / mit
den bösen
Geistern.zwar eben um ob angefüͤhrter Ursach willen, damit sie nemlich, wann
sie darinnen, in Gesellschaft des guten Engels Gebrai oder Ga⸗
briel / mit den bösen Geistern Aruth und Maruth streiten / desto
besser um sich schmeissen koͤnnen; wie sie dann für ihren Gehüͤlfen,
den Gabriel / der ihnen bey diesem Kampf mit Rath und That an
die Hand gehet / ein kleines Zimmer darinnen zu richten lassen, sie
selbst auch in solcher Positur in das Grab gelegt werden, daß sie das
Gesicht nach der Mecha / dem Grab ihres Propheten, und fälsch⸗
lich eingebildeten Wohnsitz der Auserwehlten kehren. Ehe sie noch
Begräbnis
Ceremo⸗
nie der
Türken. dahin gebracht werden, wäscht man ihnen den Leib vielmaln ab,
setzt den Bart in Ordnung, und bestreicht sie mit wol riechenden
Sachen / damit sie fein recht gebutzt in dem Himmel erschienen.
Den 8ten dito blieben wir daselbst in der Stadt liegend, um
etwas aus zu ruhen, und zur noch uͤbrigen Reise uns desto geschickter
zu machen. Indessen brachten die Einwohner des Orts Blumen,
Früchte, Fladen, Kuchen, und allerhand Torten herbey, absonder⸗
lich aber ein Trink⸗Geschirr / das mit Nägelein und Graß sehr ar⸗
tig
- 143 -
115
Reise von Philippopel bis nach Adrianopel.
tig auf dem obern Theil bewachsen war, damit der darinnen enthal⸗
tene Trank desto kuͤhler verblieb/ mit welchen sie den Herrn Groß⸗
Botschafter zum Zeichen der Freundschaft und Hochachtung be⸗
beschenkten. Es hat auch derselbige in solcher Zeit vernommen, wie Erlösete
Gefangene
zu Basard⸗
schik.
daß viele gefangene Christen allda aufbehalten würden, weswegen Er
sich höchst angelegen seyn lassen, selbige los zu machen; durch wel⸗
ches Beyspiel der erste und zweyte Adel gleichfalls bewogen worden,
Geld zusammen zu schiessen, und ein paar gefangene Christen da⸗
für los zu kaufen: auf solche Weise wurden in dieser nicht gar
grossen Stadt deren viere aus ihrer Sclaverey erloͤset, darunter ei⸗
ner solche absonderlich fuͤhlen muͤssen, als welcher nicht allem mit
acht und zwanzig pfüͤndigen Fesseln sich taͤglich herum schleppen und
damit an die Arbeit gehen, sondern auch noch zu Nachts, wann er
sich schlaffen gelegt, binden lassen muͤssen. Nachdem wir nun
den 9ten in der Nacht unsere Waͤgen und Bagage voraus geschickt,
sind wir selber in aller früͤhe aufgebrochen, und noch denselbigen
Vormittag zu Philippopel ankommen.
Neunte Abtheilung.
DJese Stadt haben wir nur im Vorbeygehen gesehen, weil Pest zu
Philippo⸗
pel.
wir uns wegen der darinn grassirenden Pest, so täglich vie⸗
le Menschen hinweg gerissen, nicht lang daselbst aufhielten.
Als wir bey dem ungemeinen grossen Kirch Hof vorbey fuhren, ha⸗
ben wir neben dem Weeg viele Graͤber beobachtet, so noch mit fri⸗
scher Erden bedeckt gewesen, woraus man die Gewalt dieser Seuche
gar leicht beurtheilen kunte; weswegen scharf verbothen worden,
daß niemand nach der Stadt gehen, oder von daraus etwas mit sich
nehmen solte, damit dardurch die ganze Botschaft nicht in Gefahr
gesetzt würde. Sonst ware wol nicht zu zweifeln, daß wir daselbst
nicht solten viel merkwuͤrdiges angetroffen haben, worduch die maͤch⸗
tigen Victorien Philippi des Grossen/ Alexandri Magni
Vaters, auf die Nachwelt fortgeflanzt worden. Busbeck in seiLage dieser
Stadt.
⸗
nen Türkischen Sendschreiben berichtet von dieser Stadt, daß sie
auf einem von dem daselbst befindlichen dreyen Huͤgeln gelegen seye,
welches mir Anfangs nicht so vorkommen, indem ich geglaubt, daß
sie
P 2
- 144 -
116
Erstes Buch / Neunte Abtheilung /
sie auf alle drey gebauet wäͤre, habe es aber nachgehends anders be⸗
funden / indem ich nur durch einige Gebäͤue, welche üͤber solche han⸗
gen, betrogen worden; weswegen ich meine Meinung geändert, als
ich durch ein Perspectiv derselben Gelegenheit, Ab⸗ und Eintheilung
etwas genauer betrachtet, und dabey angemerket, daß die Stadt
zwar auf zwey Spitzen stehet, welche aber nur einen einigen Berg
ausmachen, da der andere vor Zeiten wol auch mit dergleichen
Ringmauern umgeben gewesen, die aber jetzt mehrentheils zerfallen
sind. So habe ich auch vier Hügel gefunden / wo Busbeck nur
drey will gesehen haben: und kan ich ihm darinnen nicht beyfallen,
Bedeu⸗
tung der
Erd⸗Hau⸗
fen.wann er meinet, das diejenige Erd⸗Haufen, die in dieser Gegend an zutreffen, Zeichen der in diesen Feldern gehaltenen Schlachten seyn
sollen, als worunter die Erschlagene begraben lagen; sintemaln durch
alle Landschaften des Sultans, die wir durch gezogen, dergleichen zu
sehen sind, worunter auch einige waren, so erst neulicher Zeit aufge⸗
worfen worden, von welchen man mich auf genaue Nachfrage be⸗
richtet, daß diese Gewohnheit schon vor alten Zeiten gewesen, und
zwar zu dem Ende eingeführet seye, damit die Armeen in Kriegs⸗
Zeiten wissen koͤnnten, welchen Weeg sie halten muͤsten. Auf einer von
denenjenigen Spitzen, auf welchen die Stadt stehet, siehet man ei⸗
nen viereckigten Thurn, welcher vor diesem zur Vertheidigung des
Orts statt einer Vestung gedienet; und damit solcher vor feindlichen
Anfällen desto sicherer seye, hat man keine oder doch wenig Haͤu⸗
ser dahin gebauet: es gebrauchen die Türken anjetzo denselbigen
für einen Wacht⸗Thurn, haben auch eine Uhr darauf gestellet. An
dem Fuß des ersten Bergs flieset die Maritz vorbey, und theilet
durch ihren Lauf die Stadt selbst von der untern Vorstadt ab, wel⸗
che beide aber durch eine Bruͤcke, uͤber welche man von einer zur an⸗
dern gehen kan, wiederum vereiniget werden. Wir sind nur durch
den letzten Theil der jenseit liegenden Vorstadt gekommen, und ha⸗
ben über 100. Schritt hinaus unser Lager aufgeschlagen. Auf den
zweyen andern Bergen, welche gleichfalls an der Maritz liegen, ist
im geringsten nichts von einigem Gebäu zu sehen; wovon uns aber
im Rückweeg ein Neapolitaner, so viele Jahre gefangen gewesen,
erzehlet, daß zu Zeiten Philippi des Grossen alle 4. Berge mit
Ring Mauern umgeben gewesen, wie die Türken von ihren Vor⸗
fahren berichtet wären, so ich aber nicht glauben kan, weil das ge⸗
ringste
- 145 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
117
ringste Wahrzeichen davon nicht zu finden. Diese Stadt ist so groß als
Sophia, ihre Häuser eben, wie daselbst, erbauet, die Gassen sind
gleichfalls also eingerichtet, und ist nur ihrem Lager nach von jener
unterschieden. Gleich bey dem Eingang faͤllt einem ein von gehaue⸗
nen Steinen und Ziegeln aufgefuͤhrter Thurn in das Gesicht, wie
auch ein Haan oder offentliches Wuͤrthshauß, welches von dem
letzten Ungewitter sehr beschäͤdiget worden; angesehen der Wind die
Schindel und das Bley von den Daͤchern theils hinweg gefüͤhrt,
theils sonst zu schanden gemacht, so daß der Regen nunmehr voͤllig
hinein schlagen kunte. Hier hat man die gewöͤhnliche Begrüͤssung
mit Stuck⸗Schiessen bey unserer Ankunft unterlassen, weil sie mit
dergleichen groben Geschuͤtz nicht versehen waren; doch ist uns gleich⸗
wol die Besatzung entgegen gangen, und hat den Herrn Botschaf⸗
ter bis ins Lager begleitet. Jn dieser Gegend waͤchset der Reiß, Reiß / wie
er waͤchst.
fast auf diejenige Art, wie bey uns der Waitzen, doch muß er ein
fettes Erdreich haben, weshalben man die Aecker oͤfters uͤberschwem⸗
met / damit sie fruchtbar werden/ und das Angesäete besser wurzeln
kan; in welchem Absehen man das Wasser in Graͤben und Lacken
auffängt, damit dasselbige im Fall der Noth von daraus üͤber die
Felder kan gefuͤhret werden, deren in dieser Ebene eine solche Men⸗
ge und von solcher Gröͤsse anzutreffen, daß sie etliche Stunden weit
und wie ein Garten in Better ausgetheilet sind, darauf mehr Reiß
wächset / als man in der ganzen Tüͤrkey verzehren kan. Von hier⸗
aus fängt die Maritz an Schiffreich zu werden, wie wir dann
Flöße und andere mit Getraid und Eisen beladene Fahrzeuge das
Wasser hinunter nach Adrianopel fahren sehen.
Den 10ten bekamen wir andere Pferde zum Reiten und Vor⸗
spann, und nahmen damit erstlich den Weeg an der Maritz vor⸗
bey, von dar aber durch eine grosse und morastige mit Rohr und
Binsen bewachsene Wiesen, welche wir mit Jagen durch gestrichen,
und uns alsdann hinter den Fluß Stannimocka gesetzt, wobey Stann⸗
mocka⸗Fluß.
sich ein Flecken gleiches Namens befindet, den wir aber nur durch
die Bäume zur rechten Hand liegen sahen. Dieser Fluß / welcher
seinen Ursprung in dem Berg Rupora nimmt, wird sehr schnell,
und reißt heftig fort, wann es viel regnet, oder der Schnee in den
Felsen zergehet, also daß die darüber geschlagene Brücke gar oft
repa⸗
P 3
- 146 -
Erstes Buch / Neunte Abtheilung /
118
reparirt werden muß; wie wir dann im vorbey reisen denjenigen
Schaden, der dardurch verursachet worden, mit Augen haben se⸗
hen koͤnnen, indem sich die Aecker davon noch voller Wasser zeigten,
und eine nieder geworfene steinerne Bruͤcke in ihrem Ruin praesen⸗
tirte, deren Bogen / worauf sie gestanden, noch aus dem Wasser
Closter der
Basilia⸗
ner⸗Mön⸗
che. herfür sahe. Auf dem Gipfel desjenigen Bergs, woraus dieser
Fluß entspringt, stehet ein Closter, in welchem eine zimliche Anzahl
Grichischer Mönche sich befinden, die nur von Wurzeln und Kräͤu⸗
tern zu leben gewohnt sind; von welchen ich vernommen, daß ehe⸗
dessen nicht so viel Wasser allda anzutreffen gewesen, womit sie nur
hätten den Durst loͤschen koͤnnen, nachgehends aber häͤtte sich das
Miraculö⸗
se Wasser⸗
Erfindung Bildnis der allerseeligsten Jungfrauen Maria gefunden, ohne daß
jemand gewust, wie es an solches Ort gekommen, und von der Zeit
an könne man das beste Wasser in Uberfluß daselbst haben.
Die dort herum wohnende Bauers⸗Leute haben die Gewohnheit, das
Einfalt der
Bauern.sie sich, so oft sie das Heil. Sacrament geniessen wollen, nicht allein
mit diesem Wasser waschen, sondern auch vor dessen Gebrauch des⸗
selbigen nach Genüͤge trinken, und solte diese liebe Einfalt wunder
meinen, was es füͤr eine grosse Suͤnde waͤre, wann sie dieses andaͤch⸗
tige oder gar heilige Werk unterliessen; worinnen aber gewißlich die
Grichische Pappas oder Mönche weit mehr als diese Bauern zu
schelten, als deren Gelehrsamkeit sich entweder nicht so weit erstreckt/
daß sie wissen, was sich bey solcher heiligen Handlung gezieme: oder
wann sie es wissen, einem so grossen Mißbrauch gleichwol durch die
Finger sehen, und ihrer Schuldigkeit nach eine so thörichte Einfalt nicht
nach Verdienst abstraffen. Jch war entschlossen, mit einigen aus
dem Adeln und dem Herrn Prælaten der Groß⸗Botschaft dort⸗
hin zu gehen, und dasjenige, was wir bisher nur gehöͤret hatten, mit
Augen anzusehen, allein die augenscheinliche Gefahr, in welche wir
alle insgesamt damit wuͤrden gesetzt haben, hat uns von unserm
Vornehmen billig abgehalten. Zu eben dieser Zeit kam aus mehr
gemeldter Gegend ein Bauer, den seine Curiosité antrieb, den
Herrn Groß⸗Botschafter zu sehen, und Jhm seine Bäuerische
Höflichkeit zu bezeugen: als diesen der Herr Botschafter fragte:
ob in dem Dorf, wo er herkame, die Pest auch regierte? hat er dar⸗
auf geantwortet, daß die Türken zwar darmit unvexirt blieben, allein
über die armen Bauern gienge es treflich her, und wuͤrden sie häͤufig
da⸗
- 147 -
119
Reise von Philippopel bis
Adrinopel
.
davon weg gerissen, doch hätten die wenigsten erwarten wollen, bis
die Reihe auch an sie gekommen, sondern sich mit der Flucht davon ge⸗
macht. Gewiß, dieses wäre den guten Leuten in Teutschland oder einem
andern wol bestelltem Reich nicht so ungerochen hingangen; weil
sie daselbst, wann sie bey so grosser Gefahr einer Seuch die Gräͤn⸗
zen überschriten, ohne die gewoͤhnliche Contumacie zu halten, ohne
Zweiffel an ihren besten Hals wären aufgehangen worden. DazuEin flüchti⸗
ger Sclav.
⸗
mal kam auch ein Sclav, welcher bey einem Juden in Dienstbarkeit
gewesen, der ihme die Freyheit öfters versprochen, aber niemaln ge⸗
halten, zu uns geflohen, und hat auch willig gefunden, was er so
ängstig gesucht: weil er aber in der Eil seines Herrn Eselin mit ge⸗
nommen, aus Furcht, wann er solche von sich liesse, er duͤrfte vor
der Zeit verrathen und wieder eingeholet werden, hat man jenem
sein lastbares Thier wieder zurüͤck geschickt, diesem aber die Freyheit
bestättiget.
Der uͤbrige Weeg bis nach Constantinopel war bey nahe eine
continuirliche Jagd gewesen, weil wir von hieraus bestäͤndig ebenen
Weeg hatten; wie dann auch unsere Fuͤhrer sich sehr angelegen seyn
liesen, dem Herrn Groß⸗Botschafter den Weeg angenehm zu
machen / weswegen sie ihn nicht nur in solche Oerter fuͤhrten, wo
sie das meiste Wild vermutheten, sondern Jhm uͤber dieses noch die
vortreflichsten Hunde zu wegen brachten, welche sie Jhm auch zum Geschwin⸗
digkeit der
Türkischen
Hunde.
Theil verehrten, davon ein jeder in einem Lauf drey bis vier Haasen
einholte, wie ich dann so gar einen gesehen, welcher den sechsten
nicht verfehlet hatte, worüber er sich aber auch so ermiedet,
daß man ihn auf einen Wagen bringen und mit fort fuͤhren muͤssen.
So weit aber diese Hunde die Unsrigen an Geschwindigkeit uͤbertref⸗
fen, so fix sind sie auch im Einholen / wann sie das Wild einmal auf⸗
getrieben haben; weswegen sie sich im Laufen bestäͤndig an der Er⸗
den halten, so daß sie schier mit dem Kopf und Bauch solche beruͤh⸗
ren: an statt daß die Unsrigen ihre Ohren spitzen, lassen diese sie herab⸗
haͤngen; sonst sind sie ihnen an der Gestalt nicht ungleich, haben einen
haarichten rauhen Schweif, sind langfüͤssigt, rahnig, und spitz⸗
köpfig.
Den 11ten haben wir den vorigen Weeg gehalten, und sind
Papasli.
längst der Maritz linker Hand fort gegangen, und endlich nach
Papasli kommen, allwo die vorige Botschaft uͤbernachtet, wir
aber
- 148 -
120
Erstes Buch / Neunte Abtheilung.
aber sind weiter bis nach Hali Aga Czeschma geruckt, welches
nach unserer Sprach so viel als des Hali Aga Brunnen bedeutet,
und eine Wiese ist, welche wegen der vielen Brunnen, so der Hali
Aga daselbst graben lassen, seinen Namen uͤberkommen, allwo wir
drey viertel Stunden von der Maritz weg uns gegen die rechte
Verände⸗
rung der
Wohnung
ganzer Ge⸗
schlechter.Seite gewendet haben. Auf dem Weeg sind uns viele Tüͤrkische
Wägen begegnet, mit welchen sich bisweilen ganze Türkische Fami⸗
lien samt Sack und Pack anders wohin fuͤhren lassen, entweder einen
bequemern Ort füͤr ihr Hauß⸗Wesen aufzusuchen, oder der stark gras⸗
sirenden Pest zu entfliehen. Diese Wagen kamen mir nicht anders
vor, als wie unserer Teutschen Bauern ihre Hüͤner⸗Wägen, in wel⸗
chen sie ihr Gefluͤg zu Markte bringen; dann sie haben ein niedri⸗
ges Dach, liegen völlig auf der Achs auf, und sind / wie jene, mit
Gattern versehen / auswendig mit Farben angestrichen, inwendig
aber Küssen gelegt, auf welchen sie wie die Hüner über den
Eyrn sitzen, dieselbige schleppen ein, zwey oder mehrere Pferde fort,
nachdem sie beladen sind; an die andern Fahr⸗Zeuge aber werden
Ochsen angespannet. Bey Papasli fliesen zwey Bäche vorbey,
deren ein jeder sich in die Maritz ergieset/ und alsdann gleichen
Namen führen.
Den 12. Julj sind wir über Cayali und Kuruczeschma
nach Semischeze / und zwar noch Vormittag kommen, auf wel⸗
chen Weeg wir viele Brunnen angetroffen haben, und die Banska
daselbst vorbey fliesen sehen; ehe wir aber noch hinzu kommen, hat
Des Ba⸗
scha von
Chaskoi
Beglei⸗
tung.sich der Stadthalter oder Bascha von Chaskoi / bey dem Herrn
Groß⸗Botschafter eingefunden, Jhn aus Ehrerbietung durch
seine Provinz zu begleiten, in welcher Zeit er Jhm beständig an der
Seiten geritten. Dieser Bascha ist so viel als General-Quartier⸗
Meister, und wann der Sultan zu Feld ziehet, wird er allezeit
mit dem ersten Roß⸗Schweif voraus geschickt, um solchen daselbst
aufzustecken, wo das Kaiserl. Lager soll geschlagen werden. Er ist dem
Herrn Botschafter drey Stund weit entgegen gekommen, und
hat Jhn nicht eher verlassen, bis Er in das Zelt hinein getretten.
Den Tag darauf hielten wir abermal Rast⸗Tag; und den nechst fol⸗
genden hat er aus Befehl des Groß⸗Vizirs den Herrn Groß⸗
Botschafter wiederum sechs Stund, nemlich bis auf die Gränzen
seiner Landschaft, begleitet; und weil er vernommen, daß er ein Lieb⸗
haber
- 149 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
121
haber der Jagd wäre, hat er Jhm durch unseres Führers des Me⸗
hemet Aga
Sohn ein unvergleichlich Wind⸗Spiel verehret, welVerehret
dem Hn.
Botschaf⸗
ter einen
Hund.
⸗
ches ganz allein etliche Haasen auf das hurtigste einholen kunte.
Diese Tage über wurden unsere Ohren wiederum mit einer Tuͤrki⸗
schen Music gequälet wegen Gegenwart des Bascha, als welche der⸗
gleichen allenthalben mit sich herum zu fuͤhren pflegen; und bestun⸗
de solche aus Seiten⸗Spiel und Pfeiffen, wie auch aus einigen run⸗
den hoͤlzernen nicht gar hohen und mit Pergament uͤberzogenen Rei⸗
fen, zwischen welchen an unterschiedlichen Orten kleine runde Plat⸗
ten hinein gesteckt und in der Mitte nur etwas weniges angeheftet
waren, die, wann man sie ruͤhrte/ einen Klang wie die Cymbeln
oder Schellen von sich gaben: Hierzu kamen noch fuͤnf grosse und
zwey kleine Trommeln, davon die letztern nur bisweilen mit einem
Stück Leder, die erstern fuͤnf aber mit einem Stecken, so an einem
Ende wie ein kleiner Koch⸗Loͤffel formirt war, immerzu mit einer
Hand an den obern Theil geschlagen worden, an dem untern Theil
aber wurden sie nur je zuweilen mit einem duͤnnen Ruͤtlein geruͤhret,
damit dieser Klang von dem erstern unterschieden wäre.
Den 13. besuchte der Herr
Groß⸗Botschafter in Begleitung
einiger aus dem Adel und seiner
Hauß⸗Bedienten den Bascha, wel
⸗
cher sich an
die Banska gelagert hatte; deme des Bascha Bothen
oder Chiausen in weiser Kleidung,
nebst dessen Trabanten, Pa
⸗
gen,
Hauß⸗Bedienten, und Knechten entgegen kamen, Jhn einzuho
⸗
len, so auch
nachmals alle in guter Ordnung vorher giengen: auf der
andern Seiten des Wassers empfienge
denselben der Mehemet
Aga unser Füͤhrer, und bey
dem Eingang des Zelts, welches mit weiß
und roth untermischten Teppichen und
gelben Polstern belegt war, der
Bascha
selbst. Allda sahe man zwischen Jhm und dem Mehemet
für
dem Herrn Botschafter einen Stul gesetzt, um welchen sie nebst un
⸗
serm Adel auf
denen Sofaus herum lagen; worauf Er mit der
gröͤsten Höͤflichkeit tractirt, und
alsobald die suͤssen Fruͤchte, Caffé,
Rosen⸗Wasser, Rauchwerk angeschafft,
und in der Runde herum
gelangt wurden: und weiln Se.
Excellenz vernommen, daß der Ba
⸗
scha
sich einige Tage üͤbel auf befunden, offerirte Er ihm seinen Leib
⸗
Arzt, für welches Anerbiethen aber sich der Bascha aufs höflichste be
⸗
dankte, und
zu verstehen gabe, daß er nunmehro desselben nicht mehr
nöthig hätte, nachdem er sich wieder
besser befände; dafür ersuchte
er
Q
- 150 -
Erstes Buch/ Neunte Abtheilung
/
122
er Jhm jedoch zum öftern gar sehr um
seinen hohen Vorspruch bey
der Pforte für ihn und einen seiner
Freunde, so ihm auch geneigt
versprochen und nicht weniger auch
redlich gehalten worden; wie er
dann dessen Nachdruck nicht lang
hernach erfahren, da er durch ein
Kaiserliches Rescript von dar ab und
zu Verwaltung einer gröͤssern
Provinz gefordert worden. Endlich
invitirte er den Herrn Bot
⸗
schafter auf den andern Tag zu einer Jagd, da er Jhn an ein be
⸗
quemes Ort
führen wolte, wo sie die Geschwindigkeit ihrer Hunde
auf die Prob stellen koͤnnten;
hierauf haben Se. Excell. ihm gegenseits
seinen Wagen angebotten, um Sie
beide dahin zu bringen, und nach bei
⸗
derseits
gegebenen Worten haben Sie sich wiederum zurüͤck nach dem
Lager und Zelt begeben. Nachmittag
kam seiner Gewohnheit nach der
Mehemet Aga
zu dem Herrn Botschafter / und weil er
ein in
seiner Lehr sehr geuͤbter Mann war,
hatte er sich oͤfters mit Dem
⸗
selben in ein
Gespraͤch von ihrer Religion eingelassen, welches aber
gar heimlich geschehen muste, weil
er sonst, wo es auskommen wäͤ
⸗
re, den Kopf
darüͤber hätte verliehren koͤnnen. Man wird aber gar
leicht abnehmen / wie tief dieses
Volk in dem Aberglauben
stecke, wann man betrachtet, daß mit
buͤndigen Schluͤssen bey ihnen
nicht aufzukommen; und wann man sie
gleich noch so sehr in die
Enge treibt, so daß sie nichts mehr
auf eines seine Vorstellungen zu
antworten wissen, sind sie gleichwol
nicht dahin zu bringen, daß sie
überwunden geben, sondern beruffen
sich auf ihre Buͤcher, worinnen
diese ihre Meinung enthalten wäͤre,
und damit muß ihr ganzer Streit
geschlichtet seyn: und ob es zwar an
dem, daß auch bey uns der
Glaube der Vernunft muß vorgezogen
werden, so ist doch unsere
Uberzeugung in Glaubens⸗Sachen also
beschaffen / daß wir be
⸗
finden, wie
der Glaube zwar über, aber nicht wieder die Ver
⸗
Mehemets
Discurs
vom Glau
⸗
ben. nunft sich erstrecke. Besagter Mehemet bediente sich indessen fol
⸗
gender
Erzehlung: es sey in ihren Buͤchern geschrieben, daß vor dem
jüngsten Tag oder Ende der Welt viel
Kriege und Uneinigkeiten ent
⸗
stehen
wuͤrden; in denselbigen wuͤrden die Tuͤrken anfangs die Ober
⸗
Hand haben
und ganz Europa / sonderlich aber Jtalien und Rom,
als das Haupt der Welt / unter ihre
Botmässigkeit bringen: als
⸗
dann solten
die Christen aus allen Orten sich versammlen, die Tüͤr
⸗
ken wieder
vertreiben, und Constantinopel selbst
einnehmen; wor
⸗
auf die
Türken nach Damascus fliehen, und,
nachdem sie sich
re
⸗
- 151 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel
123
recolligirt haben, ihren vorigen
Wohnsitz wieder zu erobern
trachten wuͤrden: hernach werde der
Teufel kommen, und die Men
⸗
schen mit
seiner Lehr und Kuͤnsten verfuͤhren, diesem aber werde sich
einer aus ihren Pfarrern, den sie
Emaum nennen, ein frommer,
heiliger und geistreicher Mann, aus
dem Geschlecht des Maho
⸗
mets
entsprossen, und zu eben diesem End erwecket, widersetzen,
seine falsche Lehr widerlegen, und
eine andere und bessere heraus ge
⸗
ben; er soll
auch von JESU unsern Seeligmacher einen Stecken
Des Hn.
Botschaf
⸗
ters Erklä
⸗
rung dar
⸗
über.
bekommen, mit welchem er den Teufel
todschlagen werde. Als der
Herr Botschafter ihm dieses zustunde, dabey aber zeigte, daß es
nicht bloß nach dem Buchstaben
muͤsse verstanden werden, sondern et
⸗
was anders
darunter verborgen seye, nemlich, daß die boͤse und
giftige Lehre des Menschen aus ihm
einen Teufel, oder noch wol,
wo es moͤglich, was aͤrgers mache:
durch den heiligen Mann aber
wuͤrden die Lehrer und Väter der
Kirchen verstanden / welche mit dem
verborgenen Stecken der neuen und
heiligen Lehre Christi dem bö
⸗
sen Geist
umbringen, das ist, das Gift seiner schädlichen Lehre mit
der Warheit vertreiben; hat der
Mehemet diese Auslegung
zwar für wahrscheinlicher gehalten,
aber doch allezeit wiederum darge
⸗
gen gesetzt,
daß es also, wie er es erzehlt häͤtte, in ihren Buͤchern
geschrieben stünde.
Zu einer andern Zeit, als er in des Herrn
Gedicht
der Türken
vom Dia
⸗
mant.
Botschafters Ring einen
Diamant beobachtet, hat ihn die Curiosité
angetrieben, nach dessen Namen zu
fragen, und da er solches ver
⸗
nommen,
ruͤhmte er zwar dessen Schoͤnheit / wolte aber doch dabey
behaupten, daß solcher Stein Gift
bey sich füͤhre. Weil aber der
Herr Botschafter ihn versicherte, daß er nur in so fern schäͤd
⸗
lich, wann
man denselbigen zu Pulver mache, und einem Menschen
beybringe, als in welchem Fall
solcher die Gedärme und das Ein
⸗
geweid
dermassen zerreisse, daß auf keine Weise mehr zu helfen stuͤn
⸗
de: hat
dieser dargegen gesetzt, wie er gelesen habe, daß der von sei
⸗
ner
Schöͤnheit aufgeblasene Diamant von GOtt gestrafft, und aus
dem schoͤnsten und kostbarsten
Edelstein in das schädlichste Gift seye
verwandelt dabey auch dem geringsten
Metall, dem Bley, die Kraft
ertheilt worden, daß es die Härte
des Diamants auflösen köͤnne.
Als nun hierauf der Herr Botschafter ihme zu verstehen gab
/
wie dieses auch Gleichnis weise, als
wie das vorige mit dem Stecken
müsse angenommen werden, da nemlich
GOTT der HERR oft
schlechte
Q 2
- 152 -
Erstes Buch / Neunte Abtheilung
/
124
schlechte und verworfene Geschöpfe
erwehle, um damit die Stär
⸗
kern zu
Schanden zu machen, indem ja in seinem eigentlichen Wort
⸗
Verstand
dieses nicht könne gesagt seyn / angesehen der Stein weder
Rede noch Vernunft habe: gabe der
Mehemed zwar gnugsam zu
verstehen, wie er an dieser Erklärung
nichts auszusetzen finde,
brachte aber immerzu seine alte
Einwendung dargegen für, daß es
Von Pfer
⸗
den.in ihren Büchern also geschrieben
stünde. Er erzehlte auch, daß
in Arabien noch Pferde aus
demjenigen Geschlechte anzutreffen, auf
welchen Mahomet geritten, welche
unter den Tüͤrken theuer ver
⸗
kaufft, und
wann sie noch in Mutter⸗Leib, drey, vier bis fuͤnf hun
⸗
dert Ducaten
füͤr eines gezahlt wuͤrde; von diesen Pferden behaupte
⸗
te er, daß
sie des Freytags nichts fressen; deme der Herr Bot
⸗
schafter
beyfüͤgte: er glaube, daß sie es auch des Sambstags nicht
thun würden, wann man ihnen nichts
gebe. Damit aber dieses
Mährlein noch einen mehrern Zusatz
bekäme, wolte er auch behaupten /
daß diese Pferde so gar beten
könnten / und führte zu dessen Beweiß
die vielfältigen und selzamen
Bewegungen des Haupts von dieser
auf jene Seiten an, wordurch sie
ihre Andacht zu verstehen geben
wolten; ja ich glaube, wann man ihme
dieses zugestanden/ er wuͤr
⸗
de ihnen gar
eine vernuͤnftige Seele und andere den Menschen zu
⸗
kommende
Eigenschaften beygelegt haben. Einsmals brachte der Herr
Botschafter den Mißbrauch der
Beschnittenen auf die Bahn, und
zeigte / wie es wieder das alte
Gesetz liefe, worauf sie doch gleichwol
selbsten viel zu halten pflegten,
indem es daselbsten hiese: Seyd
fruchtbar und mehret euch; auf
dieses muste er bekennen, daß
sich solches von ihrer Kaisere und
Fürsten argwöͤhnischen Geilheit her
⸗
schriebe, und
sie auch noch heutiges Tags ihrer Macht hierinnen
mißbrauchten. Dann die bösen
Potentaten, indem sie sich von al
⸗
len
menschlichen Gesetzen befreyet und uͤber dieselbe zu seyn glauben,
lassen es dabey nicht bewenden,
sondern greifen so gar GOtt dem
HERRN selbst nach seiner Gewalt, und
bezeigen sich als absolu
⸗
te Herrn über
der Menschen Leben, welches sich doch GOTT al
⸗
lein
vorbehalten. Es wird aber von der Tüͤrken Lehre und Aber
⸗
glauben schon
noch zur andern Zeit zu reden Gelegenheit geben,
weswegen wir uns jetzo nur immer
wieder auf den Weeg machen
wollen.
Wel⸗
- 153 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
125
Welchen wir auch den 14. dito ferner fortgesetzet, und nach⸗
dem die schwehr beladene Wägen in der Nacht voraus gegangen,
denselbigen Tag acht Stunde zurüͤck gelegt. Noch vor der Son⸗
nen Aufgang schickte der Herr Botschafter seinen Hof⸗Marschalk
Der Ba⸗
scha fäh⸗
ret mit dem
Hn. Groß⸗
Botschaf⸗
ter.
mit einigen aus dem zweyten Adel und den Hauß⸗Bedienten nach
dem Bascha, denselbigen zu invitiren, welcher sich auch bald darauf
mit den Seinigen eingestellt, in den Wagen gestiegen, und mit uns
fort marchirt ist. Allhier saß der Herr Botschafter abermal zur
rechten, zur linken der Bascha und gegen uͤber der Dolmetsch Herr
Theyls; unsere Trompeter giengen voran / und des Bascha Musi⸗
canten folgten, so ihre Instrumenten ohne Unterlaß hoͤren liessen;
die Chiausen machten ihr gewoͤhnliches Geschrey und wiederholten
dasselbige zum öftern, absonderlich aber wann sie bey einem Ort
vorbey kamen, damit nemlich die Bauern daselbst wissen möͤgten,
daß ein Bascha oder andere vornehme Person vorbey ziehe. Unter
solcher Kurzweil sind wir zu Usundschova noch gar fruͤhe, zu Har⸗
manli aber um den Mittag ankommen; an welchen beiden Orten
ein schöͤner Haan und Kirchen sich befinden, so aus lauter Quater⸗
Stücken aufgefüͤhret, die Flügel, Gewölber, Stiegen und Gaͤnge
aber alle mit Bley bedeckt sind. Unser Laͤger haben wir in einer nicht
gar grossen Ebene eine halbe Stunde von Harmanli aufgeschla⸗
gen, und zwar so, daß wir das Dorf Swrica, so mitten zwischen
zwey kleinen Bergen gelegen, zur rechten, die Maritz aber zur lin⸗
ken hatten. Dieser Fluß ist von Harmanli etwas entfernt, so daß
er nur von dem Berg herab kan gesehen werden; hingegen rinnet
die Oludera fast daran vorbey, über welche eine Brüͤcke geschlagen,
die mit einer Stiegen versehen, vermittelst deren man aus dem Was⸗
ser bis auf die Schwibböͤgen hinauf kommen kan. An diesem Tag
war mit der Jagd wenig zu thun, und haben wir uns wegen Ungele⸗
genheit der Oerter nicht damit bemuͤhen moͤgen.
Den 15ten sind wir über die Hepipcze gangen, an welcher
ein kleines Dörflein gleiches Namens liegt / aber weder einen
Haan, noch Brunnen oder Kirchen hat, und von dar nahmen wir
unsern Weeg nach Mustapha Bascha Kiupri, oder wie es an⸗
Schöne
Brüͤcke zu
Mustapha
Bascha
Kiupri.
dere nennen Tzgupri Cuprussi, welches Ort von der von
Mustapha Bascha dabey aufgerichteten ungemein schoͤnen Brü⸗
cke
Q 3
- 154 -
126
Erstes Buch / Neunte Abtheilung /
cke, dergleichen man in ganz Europa wenig sehen wird, seinen Na⸗
men bekommen. Es bestehet aber diese Brüͤcke aus 20. Jochen,
welche alle von den groͤsten Quater-Steinen verfertiget sind, mit wel⸗
chen auch ein langer Weeg hinaus diß⸗ und jenseits der Brüͤcke belegt
ist. Mitten auf derselben ist etwas aufgerichtet, das unsern Altä⸗
ren nicht ungleich siehet, und ein weiser Marmel⸗Stein bedecket,
worauf Türkische Buchstaben eingehauen, durch welche der Name
desjenigen, der es erbauen lassen, samt der Ursach, warum solches
geschehen, angezeiget wird. Es soll sich die Summa der darauf ge⸗
wandten Unkosten auf 400. Beutel oder 200000. Thaler erstrecken,
Merkwür⸗
digkeit da⸗
von. und erzehlen die Türken, daß der Sultan / nachdem sie völlig im
Stand war, dem Mustapha habe so viel wiederum angebotten,
als es ihm gekostet, wann er sie wieder verkauffen wolte, worauf er
sich einen Tag Bedenk⸗Zeit ausgebetten, aber noch in selbiger Nacht
Gift zu sich genommen, damit er sie dem Kaiser nicht wider seinen
Willen verkauffen duͤrfte, dabey aber gehoft, daß er sich durch die⸗
se That bey der Nachwelt einen ewigen Namen zu wegen bringen
würde.[11] Als dieses der Sultan vernommen, hat er denjenigen,
welcher zu erst üͤber bemeldte Brüͤcke gehet, mit unzehlichen Fluͤ⸗
chen belegt, ohne Zweifel darum, damit dieses Denkmal
um so viel weniger æstimirt wuͤrde, je wenigern Nutzen es auf sol⸗
che Weise schaffete, wann sich niemand daruͤber zu gehen getrauen
dürfte, und er also deren Ansehen bey der Nachwelt verringern
moͤgte. Es hat sich aber mit allen diesen des Bascha
Vater nicht ab⸗
schrecken lassen, daß er nicht solte zu erst daruͤber gegangen seyn.
Am gemeldten Tag nahm der Bascha von Chaskoi seinen
Des Ba⸗
scha von
Chaskoi
Abschied
von dem
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ter.Ruckweeg, nachdem er sich von dem Herrn Groß⸗Botschafter
beurlaubet, und ihm ein Præsent von einem schoͤnen Pferd und zwey
wol abgerichteten Sperbern gemacht hatte; dann es ist nicht zu
glauben, wie sehr sich die Tüͤrken mit diesen Raub⸗Voͤgeln ergöͤtzen,
indem sie sich derselbigen zum Lerchen⸗ und Wachtel⸗Fang bedienen,
womit sie auch den Herrn Botschafter nachgehends zum öͤftern
zu delectiren gesucht / und es damit folgender massen angefangen:
Türkischer
Vogel⸗
Fang mit
den Sper⸗
bern.Es sitzen einige zu Pferd, halten diese Voͤgel fest in der Hand, und
lassen sie nicht frey auf derselben stehen, wie bey uns im Gebrauch ist;
wann nun eine Lerche oder Wachtel aufstehet, und so nahe kommt,
daß sie vom Sperber kan gesehen werden, werfen sie solchen, so
stark
- 155 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
127
stark sie können, nach dem Raub; erhaschet er nun den Vogel nicht
gleich im ersten Anfall / ist es darum geschehen, und gehet er dieses⸗
mal frey durch: hingegen sind die mehresten so wol geuͤbt, daß ihnen
selten ein Vogel echappiren kan. Zur selbigen Zeit schickte der Herr
Botschafter den Herrn Daniel Lampert Hulin, einen woler⸗
fahrnen und beruͤhmten Leib⸗Arzt, samt einem Dolmetsch, Namens
Gottschalk, in die Stadt Adrianopel, sich der Luft und der da⸗
selbst grassirenden Krankheit besser zu erkundigen, damit, wo dieselbi⸗
ge noch stark anhielte, Er die Stadt entweder vorbeygehen, oder
doch nur in Eil durchziehen koͤnnte, damit durch einigen Aufent⸗
halt niemand von den Seinigen angesteckt und damit die ganze Ge⸗
sandtschaft in Gefahr gesetzet wuͤrde. Den 16. war wiederum ein
Rast⸗Tag, woran sich einige an statt der Ruhe, die Jagd besser
gefallen liessen.
Den 17. sind wir gleich frühe über die obbemeldte beruͤhmte
Brücken gegangen, und haben die Maritz zur rechten Seiten gelassen,
welche uns bisher bestäͤndig zur lincken Hand geblieben. Auf dem halben
Weeg jenseit des Flusses kamen wir von weiten bey dem Dorf Chir⸗
mente vorbey, so auf einen Berg gebauet, und gleichsam an dem Fel⸗
sen hanget. Worauf wir endlich zwey Stunde vor Adrianopel lie⸗
gend geblieben, von dar der vor zwey Tagen abgeschickte Leib⸗Arzt wie⸗
der zu uns gekommen, und erzehlet, daß zwar in der Stadt eine Seuche
grassire, und man Geschwulst, rothe Blattern und mehr andere Zei⸗
chen an denen Patienten finde, aber die Luft noch nicht inficirt wäre;
es erstreckten sich die Zahl der Todten täͤglich nicht hoͤher als auf 3 bis
4. und dieses nur unter den gemeinen Leuten, welche mehr von ihrer
unordentlichen Lebens⸗Art, als von einer ansteckenden Krankheit dahin
stüͤrben, es käme auch wol darzu, daß an manchem Tag gar keiner be⸗
graben wuͤrde; weswegen der Herr Groß⸗Botschafter sich ent⸗
schlossen, mit seinem ganzen Gefolg die Stadt zu beziehen, in wel⸗
chem Absehen Er noch selbigen Abend den Quartier⸗Meister Kraft
mit einem Dolmetsch hinein geschickt, die Quartier allda einzurichten.
Ehe aber solche noch weg waren, kame einer von des Mollach oder Des Mol⸗
lach zu A⸗
drianopel
Abferti⸗
gung an
die Ge⸗
sandt⸗
schaft.
Landrichters nahen Anverwandten, der ihm auch wegen seines ho⸗
hen Alters in seinem Amt adjungirt war, und brachte mit sich aus
der Stadt unterschiedliche Kuchen, Fruͤchte und Blumen füͤr
den Herrn Botschafter. Hierauf haben wir uns den 18. dito, auf
- 156 -
Erstes Buch/ Neunte Abtheilung.
128
erhaltene Nachricht wegen der eingerichteten Quartier, in schöͤnster
Einzug in
die Stadt
Adriano⸗
pel.
Ordnung nach der Stadt begeben; aus welcher uns die Spahi und
Janitscharn, unter welchen viel erst angehende sich befunden, in ihrer
gewoͤhnlichen Confusion und Kleidung, mit ihren Stecken in den
Händen, wodurch sie eher Vieh⸗Treibern als Soldaten ähnlich sa⸗
hen, entgegen giengen; die alten Janitscharen hatten ihre Ordens⸗
Hauben, die jungen Ankömmlinge aber kleine rothe Kaͤpplein, so noch
mit keiner Leinwand umwunden waren, auf den Kopf. Zwischen
diesen sind wir, nebst den Vornehmsten aus der Stadt, welche mehr
denn eine halbe Meil dem Herrn Botschafter entgegen geritten,
Der dazu⸗
mal kranke
Bostangi
Bascha
kommt dem
Herrn Bot⸗
schafter
entgegen. mitten hindurch in die Stadt eingezogen. Es hat sich auch so gar
der dazumal alte und kranke Bostangi Bascha, oder Ober⸗Aufse⸗
her über die Kaiserliche Gebäu und Gaͤrten, in seinen ohnweit der
Stadt gelegenen Garten bringen lassen, um den Herrn Groß⸗
Botschafter seine Reverenz zu bezeigen, und seine Dienste zu offe⸗
riren; deme Se. Excellentz nach Jhrer Ankunft wiederum zwey E⸗
delleute, den Herrn von Weipler und Ausem in gleicher Verrich⸗
tung zugeschickt: Er fertigte auch den Herrn Hulin und Dorschaͤus,
seine beyde Leib⸗Aerzte, an ihn ab, welche seine Kranckheit untersuchen,
und ihme hierwider dienende Mittel verordnen solten.
Es liegt aber diese Stadt Adrianopel in Thracien an der
Beschrei⸗
bung der
Stadt A⸗
drianopel.Maritz / in welche vom Aufgang her die Tunsa flieset. Von Lam⸗
pridio in Elagabalo wird sie Oresta genennt: in folgenden Zeiten
aber hat sie nach Ammiani Zeugnuͤß Uscudama geheisen / endlich
aber, nachdem sie Kaiser Adrianus erneuert, nach Jhm den Na⸗
men Adrianopel angenommen, welches die Tüͤrken Edrene aus⸗
sprechen; diese Erneuerung aber ist im 885ten Jahr nach Erbauung
der Stadt Rom von bemeldtem Kaiser vorgenommen worden. Die
Ebene daselbst ist nicht so groß, wie sie Seyfried beschreibt, son⸗
dern zum Theil mit Hügeln umgeben, und auch selbst die Stadt
auf einige derselben angebauet. Um das Jahr Christi 1363. hat
selbige der Sultan Amurath den Christen zu erst hinweggenom⸗
men, von welcher Zeit an so wol er, als alle nachfolgende Orienta⸗
lische Kaisere, sie zu ihrer Residenz erwehlet, bis um das 1455te
Jahr die Türken Constantinopel eingenommen haben. Jn ihren
Umkreiß macht sie eine runde Figur, ist mit einer Mauer umgeben,
zwischen welcher in gleicher Weite von einander stehende Thüͤrne auf⸗
gefüh⸗
- 157 -
Abbildung:
Prospect des Serallien
pag. 129
- 158 -
- 159 -
129
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
geführet sind, an denen ehedessen viele Griechische Schrifften zu le⸗
sen waren, welche aber die alles verzehrende Zeit auch wieder aus⸗
gelöschet. Die Zügel selbst wurden zu dieser Schrifft gebraucht,
indem sie auf eine solche Manier aus der Mauern herausgerucket
worden, daß sie allerhand Buchstaben dardurch vorstelleten, deren zwar
noch einige davon zu sehen, doch nicht in solcher Ordnung und Voll⸗
kommenheit, daß man einen ganzen Sensum heraus bringen koͤnnte.
Das Kaiserliche Serallien liegt ungemein plaisirlich; dann auf der Kaiserliche
Serallien.
einen Seiten gehet es auf die fruchtbarste und lustigste Felder hin⸗
aus auf der andern aber wird es durch den Caradare⸗Fluß, oder
der Arda / und nach Seyfrieds Benennung Capriza / von der
Stadt abgesondert.[12] Selbiges ist mit einer hohen Mauer umfangen,
aber das mittlere Gebäu mehrentheils von dergleichen Holz wor⸗
innen keine Wüͤrmer wachsen. Es ist uͤber dieses mit Bley bedeckt,
und gar artig mit gruͤner und rother Farb bestrichen; so geben auch die
auf den Dächern verguͤldete Knoͤpfe demselbigen eine nicht geringe
Zierde. Seyfried meinet, es falle wegen der weit herfüͤr stehenden Dä⸗
cher mehr Licht in die Zimmer und das innere Hauß, wovon ich aber
gerad das Gegentheil glaube; dann eben darum sind die Daͤcher so
weit herausgeruckt, damit sie einen Schatten verursachen, und auf
solche Weise die Strahlen der Sonnen destomehr aufhalten sollen.
Wir werden auf der Ruck⸗Reise bessere Gelegenheit haben, von diesem
Serallien zu handeln, als welches uns auf Kaiserlichen Befehl aufge⸗
schlossen und gezeigt worden. Jn diese Stadt pflegt sich der Sul⸗
tan entweder zu seiner Recreation zu begeben, oder wann er sich in
Constantinopel nich recht sicher weiß. Doch ist er auch hier nicht
Des Mu⸗
stapha
Dethroni⸗
sirung zu
Adriano⸗
pel.allezeit von der Gefahr befreyet, und hat des jezt regierenden Kaisers
Ahmed Bruder, der Mustapha, diese Stadt zimlich fatal für
sich befunden; dann weil er den Janitscharen vier Jahr und drey
Monat den Sold schuldig blieben, wurde er von ihnen angeklagt, daß
er der Jagd allzu sehr ergeben wäre, hingegen die Regierungs⸗Sorge
an den Nagel hienge, und derowegen des Reichs allhier entsetzt, an des⸗
sen statt sie seinen Bruder auf den Thron erhoben. Er ist aber gleich⸗
wol eines natuͤrlichen Todes gestorben, oder, wie einige gar wahrschein⸗
lich dafür halten, durch des Ahmeds Anhänger mit Gift aus dem
Weeg geräumt worden,[13] nachdem er drey Soͤhne, den Mamud / Dessen hin⸗
terlassene
Söhne.
Assan und Osman hinterlassen, die uͤbrigen aber sind noch bey sei⸗
nen
R
- 160 -
130
Erstes Buch, Neunte Abtheilung.
nen Lebs⸗Zeiten entweder gestorben, oder sonst auf die Seiten ge⸗
schafft worden: diese drey hinterbliebene aber werden von den Janit⸗
scharn sehr geliebt, welche ihnen auch zu Vormuͤndern verordnet sind;
Des Jün⸗
gern Gunst
bey den Ja⸗
nitscharn.weswegen man gaͤnzlich dafuͤr haͤlt, daß der Juͤngere aus ihnen noch
einmal zum Kaiserthum gelangen doͤrfte, weil er wegen seiner Freyge⸗
bigkeit von denen Tüͤrken gar sehr æstimirt wird. Dann die Tuͤrcken
Die Suc⸗
cession
haftet auf
dem Otto⸗
man. Hauß.sehen nicht auf das Alter oder die erste Geburth, sondern lassen sichs
genug seyn, wann sie in ihrer Wahl nur das Köͤnigliche Ottoman⸗
nische Hauß nicht vorbey gehen.
Morgens um 2. Uhr kame ein Tuͤrck mit einer Trummel vor
Ramazam
oder die
grosse Fa⸗
sten.die grosse Moschee, und gieng von daran durch die ganze Stadt, das
gewöhnliche Zeichen zur dreyssig⸗tägigen Fasten damit zu geben, wel⸗
che Fasten sie Ramazam, das darauf folgende Fest aber Bai⸗
ram nennen, so unsere vierzig tägige Fasten und darauf fol⸗
gende Ostern einigermaßen vorstellen kan. Diese Zeit hindurch es⸗
sen und trinken die Tuͤrken niemal bey Tag, schmauchen auch keinen
Toback vor der Sonnen Untergang: so bald sie aber die Sterne am
Himmel erblicken, stellen sie Gastereyen an, und brechen sich in kei⸗
nem Ding etwas ab; verrichten also dasjenige bey der Nacht, wel⸗
ches sie sonsten nur bey Tag zu thun gewohnt sind: wie sie dann, weil
sie des Tags über nichts essen dörfen, eben darum auch nicht arbeiten;
doch muß dieses von denenjenigen nur verstanden werden, welche von
guten Vermoͤgen sind, da hingegen diejenige, die nur so viel haben, als
sie mit ihrer Hand⸗Arbeit verdienen, mit ihren nuͤchternen Mägen
gleichwol die Hände nicht doͤrfen feyren lassen. Diesen Monat hin⸗
durch werden ihre Kirchen⸗Thuͤrne, deren allda gar viele und nach
ihrer Art sehr wol gebaute anzutreffen, mit vielen Lichtern behenkt,
so daß man zu weilen um eine einige Kirche etliche tausend Ampeln
brennen siehet: dann weiln ihre Moscheen oft mit vier und noch mehr
solchen Thürnlein versehen, und ein jedwedes derselben wiederum in so
viele Hoͤhen oder Absätze abgetheilet ist, die alle absonderlich muͤssen be⸗
leuchtet werden, kan man sich leicht die Rechnung machen, daß unzaͤhlich
viel Lampen darzu erfordert werden, damit solche allenthalben ein be⸗
ständiges und genugsames Licht haben. Bey allen diesem Licht aber tap⸗
pen sie gleichwol in der Finsternuͤß herum; und denenjenigen welchen taͤg⸗
lich ein neues Licht aufgesteckt wird, bleiben nichts destoweniger die
Herzen durch ihre falsche Lehre in beharrlicher Dunkelheit. Hier ge⸗
niessen
- 161 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
131
niessen die Weiber mehrere Freyheit, als anderer Orthen, und doͤrfen
sich öfters unter den Leuten sehen lassen. Die starke Handlung, wor⸗
Einwoh⸗
ner / Gas⸗
sen/ Haͤu⸗
ser / Kir⸗
chen Kauf⸗
manschaft /
Fruchtbar⸗
keit der
Stadt A⸗
drianopel.
zu das vorbey fliesende Schiffreiche Wasser vieles contribuiret, hat
unterschiedliche Nationen hieher gezogen: die Häuser sind viel schö⸗
ner und groͤsser als in allen denen Städten, so wir bishero noch ge⸗
sehen haben, die Gassen hingegen sehr eng und ungleich. Sonsten
trifft man allhier wenig Sehenswürdiges an, auser einigen vorneh⸗
men mit Kupfer bedeckten Moscheen/ denen die angebauten hohe und
kunstreiche Thuͤrne, die mit mancherley dicken und kuͤnstlich- ausge⸗
hauenen Säulen besezte Gaͤnge, die von Metall gegossene Saͤulen⸗
Füsse und Blatten, der kostbare Marmol, die Gleichheit des Bo⸗
dens, die zierlich geschnitzten Thuͤren, schöͤne Brunnen, prächtige Ein⸗
gänge, verguldete Knoͤpfe, und mit sonderbahrer Kunst gewirkte Tep⸗
piche ein vortrefliches Ansehen machen. Das Erdreich ist sehr frucht⸗
bar, so daß weder an Wein noch andern Fruͤchten der geringste Man⸗
Röm. Ca⸗
tholischer
Gottes⸗Dienst da⸗
selbst.gel erscheinet, wie dann hiesiges Gewaͤchs vom Wein füͤr das beste
in der ganzen Türkey gehalten wird. Unsern Gottes⸗Dienst
versehen zwey Priester aus dem Orden des H. Franciscus mit nicht
geringer Erbauung bey ihrem sehr kleinen Christen⸗Haͤuflein; sie sind
aber in der Tracht von der Tuͤrkischen so wenig, als die Armenianer,
Griechen, Araber und Juden unterschieden; als welche aus einem
langen mit Pelzwerk gefüͤtterten Rock und weiten bis auf die Schuhe
herabhangenden Hosen bestehet, dabey haben sie auch einen langen
Bart, und werden durch nichts als den Haupt⸗Schmuck von den Turban
daran wer⸗
den die
Türken er⸗
kannt.
Türken unterschieden: dann diese werden gleich an ihren Turban er⸗
kannt, weil solchen niemand / als sie allein, gebrauchen darf, an dessen
statt sich andere pelzerner Hauben bedienen, welche sie, absonderlich aber
die Juden, mit bunter oder schwarz⸗ und weiser Leinwand, doch we⸗
der so dick noch breit, und auf eine ganz andere Manier als die Tür⸗
ken, umwinden. Allhier haben wir auch einen erfahrnen Feldscheerer
Christlicher
Feldscherer
daselbst.
angetroffen, der ehedessen unter dem Graf Guido Stahrenber⸗
gischen Regiment gedienet hatte, aber zu Anfang des verwichen Kriegs
von den Türken gefangen worden, und hernach viele Jahre bey einem
Herrn als ein Sclav dienen muͤssen, bey dem er ein so leidliches Tractament
gehabt, daß er auch niemal von ihm einigen Schlag empfangen; und
weil er seinem Herrn dabey wol und treulich gedient, hat dieser ihn
noch vor seinem Absterben die Freyheit geschenkt / und seine Erben
im
R 2
- 162 -
Erstes Buch / Neunte Abtheilung /
132
im Testament dazu verbunden, daß sie diesem seinen so wol verdienten
Knecht ein gewisses Stuck Geld, anbey auch Brod und Fleisch für sei⸗
ne Haußhaltung, so lange er leben wuͤrde, umsonst reichen solten. Die⸗
ser Mann lebet noch mit samt seiner Frauen, die gleichfalls eine
Billiches Sclaven⸗Tracta⸗
ment bey
den Tür⸗
ken.Christin ist, ob er gleich bereits schon das achtzigste Jahr zuruck ge⸗
legt hat / und geniesset das von seinem Herrn ihm vermachte Legat
in erwünschter Ruhe; dann dieses muß man den Türken nachsagen,
daß sie die Diener und Sclaven, durch deren Fleiß und Bemuͤhung
sie sich einen Nutzen schaffen koͤnnen, sehr wol und oft besser, als die
Christen die ihrige, halten. Die ersten Jahre sind für solche ungluͤck⸗
liche Leute am beschwehrlichsten, absonderlich wenn sie noch jung,
weil die Tuͤrken selbige entweder mit Schmeicheln, oder, wann dieses
nichts verfangen will, mit der Schäͤrfe zu ihren Glauben zu bringen
suchen; wann aber dieser Sturm uͤberwunden, wird man finden,
daß die Gefangenschaft nirgend erträglicher als bey den Tüͤrken seye,
und wann ein Knecht in einer Kunst erfahren ist, gehet ihm nichts
anders als die Freyheit ab, ausser welche er alles andere hat, was ein
freyer Mensch sich nur wuͤnschen kan: dabey aber muß man auch die⸗
ses wissen / daß sie so hart daran kommen, einen solchen Menschen von
sich zu lassen, als guͤtig sie sich in andere Weege gegen ihm bezeigen,
und wann sie ja gezwungen werden, ihn füͤr baar Geld zu dimittiren,
wissen sie ihn theuer genug anzuschlagen. Ein Exempel ihrer Hart⸗
näckigkeit sehen wir in diesem Punct an einem gewesenen Sclaven,
mit Namen Anton Armaroli, einem gebohrnen Venetianer; die⸗
ser wurde erstlich an einen Griechen, nachgehends aber an einen Ar⸗
menier verkaufft, welcher ihm versprochen, nach Verfliessung zweyer
Jahre die Freyheit wieder zu geben; nachdem aber dieselbige vorbey
waren, hat ihn sein Herr, aus Hofnung / einen noch groͤssern Ge⸗
winn von ihm zu ziehen, gleichwol nicht loß gelassen: weil er nun also
sein wol bedachtsames Versprechen leichtsinniger Weise wider zuruck
gezogen, hat jener gleichfalls dafür gehalten, daß er nun nicht mehr
schuldig sey, länger treu zu verbleiben, weswegen er seine Zuflucht zu
uns genommen. Als er nun deswegen von seinem Herrn vor Gericht
belanget worden, hat er sich nicht nur genugsam verantwortet, son⸗
dern auch durch den hohen Vorspruch des Herrn Groß⸗Bot⸗
schafters seine Freyheit erlanget.
Den - 163 -
Reise von Philippopel bis Adrianopel.
133
Den 19. und 20ten sind wir allhier still gelegen, in welcher Zeit
von Wien aus so wol Couriers ankommen, als auch wieder zuruck
spedirt worden; es haben auch durch des Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ters Bemuͤhung einige Gefangene unterdessen ihre Freyheit erhalten, Des Herrn
Botschaf⸗
ters Ver⸗
richtung zu
Adriano⸗
pel.
ein anderer aber, welcher unlängst zwischen Nissa und Sophia zu
uns geflohen war, und nun, da er deswegen Geld von den Türken be⸗
kommen, wiederum zu ihnen uͤberlaufen wollen, wurde von den Unsri⸗
gen aus der Flucht zuruck gezogen. Bey dieser Gelegenheit haben wir
auch die Kirchen und Kauf⸗Häuser besehen, da dann nicht mit Still⸗
schweigen zu übergehen, daß, obschon die Türken von dem Vor⸗
nehmsten bis auf den Geringsten bey den Eingang der Kirchen die
Schuhe abzulegen gewohnt sind, der Herr Groß⸗Botschafter
seine Stiefeln doch niemal aus⸗ noch andere Schuhe angezogen, wor⸗
wider gleichwol die Tuͤrken niemaln was eingewendet. Hier sind aufs
neue von dem Bostangi Bascha der Herr Hulinus und Dor⸗
schaͤus verlangt worden/ damit sie nach genau untersuchter Krank⸗
heit / welche doch in nichts anders als einem von hohem Alter herkom⸗
menden bloͤden Gesicht und boͤsen Augen bestunde, die mit sich brin⸗
gende Arzney appliciren oder deren Gebrauch anweisen moͤchten,
welche aber nicht eher hinaus kommen wolten, bevor er ihnen nach Lands⸗
Gewohnheit die benoͤthigten Pferde zugeschickt häͤtte. Diesen haben
sich alsdann der Feldscheerer Morelli / und Frankenberg der A⸗
pothecker zugesellet, und bey eben dieser Occasion erhielte ich auch
Erlaubnüß, das Serallien oder den Kaiserlichen Pallast von
aussen, wie ich ihn vor beschrieben habe, und den darzu gehöͤrigen
Garten von innen zu besehen. Es zeigte sich allhier gleich, daß ein Zierlicher
Garten an
dem Se⸗
rallien.
Kaiserlicher Gärtner oder vielmehr Ober⸗Aufseher über die Kaiserli⸗
che Gebäue und Lust⸗Häͤuser allda wohnen müsse, indem alles, wo
man nur hinsahe, gar unvergleichlich nett abgezeichnet, und in ganz
ungemeine Ordnung gebracht war. Gleich vor dem Hauß des Ba⸗
scha, so gegen dem Serallien uͤber liegt, und nur von einem Fluß davon
abgesondert ist, fielen einem neun schändlich zugerichtete irrdene Blu⸗
men Stoͤcke mit gemeinen schier halb verwildeten und mit Graß haͤu⸗
fig bewachsenen Nägelein in die Augen; die Bäume im Garten stun⸗
den in schoͤnster Confusion, dabey sich der Gaͤrtner, wie es schiene,
ein Gewissen machte, auch nur einen einigen ungleichen Zweig daran
zu beschneiden, und lieber der Natur ihren Lauf ließ; die kurzen
R 3
Weege
- 164 -
134
Erstes Buch / Zehende Abtheilung /
Weege zeigten von seiner Ungedult, welche ihm nicht verstattete, ei⸗
nerley Gang lang fort zu gehen, vielmehr aber sich auf eine oder an⸗
dere Seiten bald wieder hinum zu schlagen; deren Enge erlaubte
nicht, mit jemand in Gesellschaft zu spatzieren, sondern erforderte
lauter tiefsinnige Philosophos, welche nur immer mit sich allein zu
reden gewohnt sind, es seye dann, daß sie sich resolviren, wie die
Schnee⸗Gäͤnse hinter einander fort zu streichen; an dessen Kruͤmme
aber solte man sich leichtlich einen Jrr⸗Garten vorstellen koͤnnen, in
welchen man die Leute, ehe man sichs versiehet, aus dem Gesicht
verliehrt; doch sahe man nichts desto weniger einige breite Strassen
darinnen, welche vielleicht nur dem Kaiser und seiner Suite zur Be⸗
quemlichkeit in solcher Distanz angegeben worden. Wind⸗Kraut,
Schaaf⸗Linsen und andere rare Gewaͤchse liesen sich allhier eben so
wol, doch sehr gesparsam, antreffen, an welchen noch darzu das
Unkraut seine Tyranney auszuüben suchte, und diesen Kostbarkeiten
auf unterschiedliche Weise den Untergang drohete. Doch mag diese
nachlässige Sorgfalt vermuthlich daher kommen, weil gegenwaͤrti⸗
ger Kaiser seit dem Tod seines Bruders wenig mehr nach Adria⸗
nopel kommt, folgends dessen Abwesenheit auch die Kaiserli⸗
chen Gebäue entgelten muͤssen; dann ausser diesem muß man beken⸗
nen, daß die Tüͤrken auf ihre Gaͤrten was zu wenden pflegen. Es
Visite des
Bostangi
Bascha bey
dem Herrn
Botschaf⸗
ter.hat sich aber auch der Bostangi Bascha selbst gefallen lassen, sei⸗
ne Visite bey dem Herrn Groß⸗Botschafter abzulegen, welcher
ihn von dem Adel bey dem Eingang empfangen, in dem Zimmer
selbst aber mit Chocolate und eingemachten Fruͤchten tractiren las⸗
sen, dagegen er den Herrn Botschafter mit frischen Obst und
Weintrauben in Uberfluß versehen hat.
Zehende Abtheilung.
DEn 21ten sind wir nach einem Aufenhalt von dreyen Tagen
wiederum von Adrianopel aufgebrochen, und haben un⸗
sere Reise über die fruchtbaren Felder der Landschaft Thra⸗
cien fort gesetzet. Unterwegs trafen wir zu beiden Seiten Kirchhö⸗
fe, Gräber, Brunnen, Städte, Flecken und Dörfer an, und zur Lin⸗
ken sahen wir Burnupampukli / Karabaiera / Oul⸗Bascha
und
- 165 -
Reise von Adrianopel bis nach Ziorly.
135
und Haskoi, zur Rechten aber zwey kleine Flüsse, Bosnaquoi
und Sekenderkoi / über welche zwey steinerne Brücken geschlagen
waren; der eine davon welcher auf den Land⸗Charten nicht zu finden,
kam uns schon auf halben Weeg nach Hapsa / der andere aber bey jetzt
gedachtem Ort selbst zu Gesichte; und weil die Pest noch nicht nach⸗
gelassen, haben wir uns in das Ort nicht hinein gewagt, son⸗
dern auf dem Feld unter freyen Himmel unser Lager aufgeschlagen,
und daselbst der frischen Luft genossen. Zu Hapsa siehet man eiPrächtiger
Haan zu
Hapsa.
⸗
nen sehr prächtigen Haan / an welchem zwey Fluͤgel angehengt sind,
deren jeder aus sieben grossen Schwibboͤgen bestehet, unter welche
die Heerden und das Joch⸗Viehe köͤnnen gestellet werden. Jn der
Mitten hat es einen Brunnen, eine sehr grosse zierliche Pforte, der
Boden ist mit Quater⸗Steinen gepflastert, gerad gegen über stehet
eine Moschee mit drey Gewoͤlbern, welche so wol als der Haan selbst
mit Bley bedeckt sind. Hier zu Land drischet man nicht / wie bey Dreschen
mit Och⸗
sen.
uns, mit Flegeln, sondern mit den Ochsen auf freyen Feld, wes
wegen man auch grosse Haufen mit Getraid auf dem Felde liegen
siehet; dieses aber geschiehet folgender Gestalt: es wird eine lange
runde Walzen, welche zwischen zwey kleine Hoͤlzer eingefaßt ist, von
denen in der Runde herum gehenden Ochsen, die von den aͤussersten
anfangen, und sich nach und nach immer naͤher zu dem Mittel⸗Punct
wenden, herum getrieben, und dieses so lang und viel, bis das Stroh
völlig zerstückelt, und die Köͤrner von ihren Aehren los worden;
welche alsdann auf der Erden liegend von den Steinlein und Staub
gereiniget und ausgewehet werden.
Den 22ten als am Tag Maria Magdalena, wurden vor unsern
Aufbruch einige Messen gelesen; nach deren Vollendung giengen
wir über Manarelliquoi nacher Babaeskisi / oder Eski Baba /
oder auch nur Baba, und liesen den Bach Sugitleka samt dem
Dorf Jeneackenscheli rechter Hand, linker Hand aber Qulelli/
Tgollimar und Quantiquoi liegen. An diesem Tag kamen Zween
Sclaven
kommen zu
uns.
zween Sclaven zu uns geloffen, davon der eine ein Schwed aus
Stockholm / seiner Profession ein Strumpfstricker, der andere aus
der Mark⸗Brandenburg / ein Schuster, war. Sie hatten von
Adrianopel aus die ganze Nacht ihre Flucht fortgesetzt, bis sie uns
erlangt haben. Der Herr Groß⸗Botschafter hatte dieselbige be⸗
reits von dem Stadt⸗Richter zurück fordern lassen, weil er durch sei⸗
ne
- 166 -
136
Erstes Buch / Zehende Abtheilung /
ne Ausspäͤher von ihrem Darseyn schon Nachricht erhalten / gabe
auch dabey vor der Schwed seye von Luͤbeck gebuͤrtig, weil er son⸗
sten keine genugsame Ursach wuͤrde gehabt haben, ihn, als der kein
Teutscher wäre, abzufordern; allein so lang wir uns in der Stadt
aufhielten, hat sich der Herr dieser Sclaven auf sein Land⸗Gut reti⸗
rirt, und selbige mit sich genommen, auch allda mit den Füͤssen an
einen Stock schliessen lassen: es hat aber eine von seinen Weibern,
welche aus der Walachey gebuͤrtig war, und barmherziger als die
andern seyn mogte, ihnen Gelegenheit und Mittel an die Hand ge⸗
geben, wie sie sich los machen koͤnnten, indem sie ihnen einen Sack
zu gelangt, worein sie Feilen und andere eiserne zu ihrer Erledi⸗
gung dienende Instrumenten gesteckt, mit welchen sie ihre Banden
aufgelöset; und weil sie uͤber dieses noch zwey Thuͤren offen gelassen,
fanden sie bey ihrer Erledigung destoweniger Schwührigkeit: wie
uns dieses alles einer von den Beiden umstäͤndlich erzehlet hatte.
Es wurde auch schon vorher von einem aus unseren Priester für
sie Geld gebotten, allein ihr geitziger Herr wolte keinen nicht anders
als für 150. Ducaten uͤberlassen. Sie versicherten uns, daß sich noch
mehr dergleichen Sclaven zu Adrianopel befäͤnden, welche aber
von ihren Herrn auf gleiche Weise weg geschaffet worden.
Den 23ten brachen wir in der Nacht auf, wie wir schon ehe
bey heisen Tagen gewohnt waren, und nachdem wir uͤber zwey Was⸗
ser, die Eskibaba / oder, wie es andere nennen/ Mela und Na⸗
mastir gesetzt, sind wir zu Burgas, einem beruͤhmten Mark⸗Fle⸗
Dem Hn.
Botschaf⸗
ter stunde
ein grosses
Unglück
bevor. cken / ankommen. Heute hätte dem Herrn Groß⸗Botschafter ein
grosses Ungluͤck begegnen koͤnnen, wann es der Hoͤchste, deme dafuͤr
herzlich gedanket seye, nicht noch in Gnaden verhütet; dann
da setzte sich sein Pferd unvermuthet auf die beiden hindern Füͤsse,
und wolte seinen Reuter aus dem Sattel heben, es hat aber Se. Ex⸗
cellenz so viel Zeit gefunden, noch vor dem gaͤnzlichen Fall herab zu
springen, so daß Er zwar den rechten Fuß und Schulter ein wenig
verrenket, aber dagegen in Gefahr stunde, mit samt dem Pferd um
das Leben zu kommen. Des andern Tags blieben wir bey Burgas
stehen, und wurde gegen dem Mittag Befehl ertheilet, daß keiner
aus dem Lager gehen solte, weil etliche tausend Mann Tartarn allda
Reicher
Haan zu
Burgas.vorbey marchiren wuͤrden. Der hier sich befindende Haan ist gleich
dem zu Hapsa auf diejenige Weise eingerichtet, von welcher ich
schon
- 167 -
137
Reise von Adri[a]nopel bis nach Ziorly.
schon oben an einem Ort gemeldet, daß es dergleichen in Asien gar
viele gebe, die nemlich von ihren erstern Stiftern mit so reichen Ein⸗
kommen versehen sind, daß den Fremden Reiß, Brod und andere
Sachen umsonst gereichet werden muͤssen. Der Groß⸗Vizir Jb
Jbrahim
ein Stifter
vieler Haa⸗
ne.
⸗
rahim hat durch das ganze Reich so viel dergleichen öͤffentliche
Würths⸗Häuser oder Haan gestiftet, als Tage in einem monatli⸗
chen Jahre zu zehlen, welche er auch alle sehr reichlich begabt hat.
Dieser lebte zu Zeiten des Kaiser Solimans, welcher die
starke Ungarische Vestung Siget belagert, aber auch davor sein
Leben lassen müssen; weil nun Jbrahim des Kaisers Tod auf eine Dessen klu⸗
ge Verhä⸗
lung von
des Kai⸗
sers Tod.
verschmitzte Weise ganzer 40. Tage verborgen gehalten / und dem
Reich nicht geringen Nutzen dardurch zu gewendet, haben sie ihm
grosse Ehre und Freyheiten wider ihre Gewohnheit ertheilet, indem
sie sich sonst für die empfangene Gutthaten schlecht erkäͤnntlich bezei⸗
gen. Unter andern Vortheilen, welche sie ihm zu erkannt, ist bilDardurch
erworbene
Freyhei⸗
ten.
⸗
lig oben anzusetzen / daß er und alle seine Nachköͤmmlinge dem Na⸗
men eines Hans oder Köͤnigs füͤhren durften; diesem wurde noch
beygesetzt, daß niemand bey dessen Familie weder mit dem Schwerdt
noch durch den Strang oder auf eine andere gewaltthätige Weise
darf hingerichtet werden, welches Privilegii die Familie der Kiu⸗
perli sich auch zu erfreuen hat. Die gröste Straffe, die man
ihnen anzuthun fähig ist / bestehet darinnen, daß man sie ins Elend
verschicken kan, welches aber doch auch so weit eingeschrenkt,
daß, wider die sonst gewöͤhnlichen Gesetze und Ordnungen dieser
Barbarischen Völker, die Güter bey den Erben bleiben muͤssen, nicht Erbe der
Exulanten
ist der Tür⸗
kische Kai⸗
ser.
aber in den gemeinen Seckel oder zu des Sultans Schätze gebracht
werden darfen; dann ausser diesem pflegt der Sultan der ver⸗
bannisirten Güter einzuziehen, und sich für den Erben derselben
darzugeben / mit was Recht oder Unrecht solches auch geschiehet
darauf wird wenig regardirt. Nunmehr ist aus diesem Geschlecht
nur noch ein einiger vorhanden / so 19. Jahr alt ist, und noch keine
Kinder hat.
Den 25. als am Jacobi Tag, sind wir auf Carischtran kom⸗
men, und hatten zur linken Seiten unsers Lägers ein morastiges
Wasser, welches so klein war, daß man daruͤber springen oder doch Kaiserl.
Lust⸗Hauß
zu Carisch⸗
tran.
dardurch gehen kunte, an dessen Ende drey viereckigte gespitzte und
aus Quater⸗Steinen verfertigte Säulen stunden, so in der Mitten
S
eine
- 168 -
Erstes Buch, Zehende Abtheilung /
138
eine Höle hatten, wordurch das Wasser in des Sultans Lust⸗Hauß
geleitet wurde, welches wir auf den Nachmittag besehen, aber lang
nicht so beschaffen gefunden, daß es eine tuͤchtige Wohnung für ei⸗
nen grossen Prinzen abgeben sollen. Das Gebäͤu war an sich selbst
viereckigt, und hatte auf der Erden kleine mit hoͤlzernen Gittern ver⸗
machte Zimmer, in denen die Weibsbilder aufbehalten werden: man
sahe auch zwey Bäder allda / die an Schönheit mit den Zim⸗
mern voͤllig accordirten; und duͤrfte man in Teutschland noch wol
Ställe antreffen, so dieser Köͤniglichen Wohnung einen Wett⸗
Streit ihrer Vortreflichkeit halben anbieten koͤnnten. Der Hüter
dieses Serallien empfienge den Herrn Botschafter bey dem Ein⸗
gang mit dem gewöhnlichen Geschrey, füͤhrte ihn durch das ganze
Viele Kin⸗
der bey den
Türken
was rares. Hauß, præsentirte Jhm seine junge Zucht, mit welcher er sich gar
viel wuste, weil es bey den Türken gar was seltsames wann ei⸗
ner viel Kinder hat: darunter war auch eines von dreyen Jahren,
die eine jede Sache gar eigentlich mit ihren Namen zu nennen
wuste: sie war auch nicht haͤßlich von Angesicht, zuͤchtig, die Haa⸗
Farbe der
Haare und
Nägel.re nach Türkischer Mode mit Safran, die Nägel an den Fingern
aber mit Berg⸗Zinober oder Purpur gefärbet, welches also zu ge⸗
het: Sie haben ein Graß⸗grünes Pulver, dasselbige machen sie
naß, bestreichen auf den Abend die Nägel damit, und verbinden
sie, alsdann veräͤndert sich die Nacht uͤber diese Farb in roth, wel⸗
che den Häͤnden also anklebt, daß man sie kaum durch vieles Wa⸗
schen in 14. Tagen wieder herunter bringen kan. Füͤr die Ursach sol⸗
cher Gewohnheit geben sie dieses an, daß, weil die Mäͤnner beschnit⸗
ten wären, die Weiber doch auch was haben muͤsten, welches ihr
Geschlecht von andern unterscheidete, wie wir dessen von unsern
Führer dem Mehemet berichtet worden. Allein die Verständigern
unter ihnen wissen eine andere Ursach vorzubringen, und sagen, es ha⸗
be diese Mode der Männer Eifersucht und zwar zu dem End er⸗
dacht / damit die in Orient zur Geilheit geneigte Weiber sich nicht
selbst stilleten, und mit ihrer eigenen Person eine fleischliche Suͤnde
begiengen, welches auf solche Weise leichtlich gemerket und nach
Verdienst gestraffet werden koͤnnte; welchen Gebrauch doch auch die
Armenier, Grichen / Juden und Christen observiren: jedoch ver⸗
hindert dieses, daß andere Voͤlker in der Tuͤrkey diesen Gebrauch
beybehalten, gleichwol nicht, daß man die erst angefüͤhrte Ursach
nich
- 169 -
Reise von Adrianopel bis nach
Ziroly
.
139
nicht für sehr wahrscheinlich halten solte, da indessen andere Natio⸗
nen es nur wegen Landes⸗Gewohnheit mit machen, und in dieser an
sich selbst indifferenten Sache sich andern gleich stellen.
Da wir bey dem Serrallien Hüter waren, und unser Adel Caf⸗
fé trank, liesse sich der Herr Groß⸗Botschafter mit dem Capi⸗
gi Baschi in ein freundliches Gespraͤch ein, und fragte unter an⸗
dern, ob auch daselbst ein Haan seye, der so reiche Einkünfte / als
wie der zu Hapsa und Burgas / habe / daß man darinnen den Rei⸗
senden die Kost umsonst reichen müsse? worauf Er zur Antwort be⸗
kam, daß zwar ein Haan sich allda befinde, habe aber damit keine
solche Beschaffenheit, wie mit jenen Beiden; diesem setzte er noch
hinzu, wie einige von denselben, vornemlich aber in Asien, solche
Einkünften hätten, daß man nicht allein den Menschen, sondern
auch dem Joch⸗Vieh seine nothwendige Verpflegung reichen muͤste,
es wären aber mit der Zeit diese Stiftungen durch Nachläͤssigkeit oMiß⸗
brauch der
Stiftun⸗
gen.
der Geitz derjenigen, so die Güter in Verwaltung gehabt, ganz und
gar abkommen. Fragte dabey uns: ob es nicht auch also bey uns
zu gienge, daß viele Sachen, so einen guten Anfang gehabt, mit der
Zeit immer abnehmeten, bis endlich ihr völliger Untergang erfolge?
Was solten wir nun hierauf diesen Barbarn antworten? Ach daß
wir doch mit Grund der Warheit das Gegentheil hätten behaupten
köͤnnen, aber werden wir nicht taͤglich, GOTT sey es geklagt, eines
andern überführet? Wie viele geistliche und weltliche Stiftungen
sind nicht im Teutschland von ihren ersten Stiftern gemeinen Nu⸗
tzens wegen mit grossem Vortheil aufgerichtet und mit reichlichen
Einkommen versehen worden, von welchen man anfaͤnglich den groͤ⸗
sten Seegen verspuͤhret? Sind aber nicht eben dieselbe von nach⸗
lässigen und ungerechten Haußhaltern zum öftern also beschnitten
und eingezogen worden, daß man jetzo kaum ein kleines Merkmal
ihrer vorigen Gestalt mehr zu sehen bekommt? Es hat aber auch
gleichwol nicht mit allen diese Beschaffenheit; die einige MannaManna⸗
gettische
Stiftung
in Wien.
⸗
gettische Stiftung in Wien, in welcher schon viel brave Mäͤnner
zum nicht geringen Nutzen der Oesterreichischen und aller Teut⸗
schen Landen erzogen worden, kan uns ein Exempel von getreuen
Verwaltern sothaner Stiftungen vorstellen; angesehen solche durch
deren Fleiß und Sorgfalt so hoch angewachsen, daß sie nunmehro
noch
S 2
- 170 -
Erstes Buch / Zehende Abtheilung.
140
noch einmal so grosse Unkosten erträget, als anfangs geschehen
können. Durch diese Gelegenheit nun hatten wir erfahren, wie der
Haan zu Burgas seinen Anfang genommen.
Mehr bemeldter Jbrahim hatte unter seinen übrigen Kin⸗
dern auch einen Sohn, welcher Stadthalter oder Bascha in Bos⸗
nien gewesen, wider den aber bey dem Sultan täglich von den
Unterthanen Klagen einliefen, wie er viele Neuerungen vornähme,
mit Steuren, Gaben und ungewöͤhnlichen Kopf⸗Geld sie beschwehre⸗
te, und mit denen, so sich dessen zu geben weigerten, sehr scharf ver⸗
führe / welches der Sultan seinen Vater, der damaln Groß⸗
Vizir war, zu verstehen gab; worauf dieser den Sultan versicher⸗
te, wie er daran seyn wolte, daß dergleichen von ihm ins kuͤnftige
nicht mehr solte vorgenommen werden; hierauf schickte er zween
Kaiserliche Caͤmmerlinge, welche mit bessern Recht Henkers⸗Knechte
heisen können, zu seinem Sohn, die ihm ohne Verzug seinen
Kopf bringen musten. Als er nun deswegen von dem Sultan zu
Rede gesetzt worden, hat er darauf geantwort, daß er auf solche
Weise seinem Versprechen nachgekommen, nach welchem er sich ver⸗
bunden, daß Se. Majestät von seinem Sohn dergleichen Klagen
nicht mehr hoͤren solten; und aus dessen Verlassenschaft ist nun hier
der erste Haan zu Burgas erbauet und dabey jaͤhrlich grosse Ein⸗
künften zu Unterhaltung und Nutzen der Reisenden angewiesen wor⸗
Wo das
Wort
Haan sei⸗
nen Ur⸗
sprung her
habe. den, läßt auch sehr wahrscheinlich, daß von diesem Jbrahim die
offentliche Würthshäuser den Namen Haan bekommen haben.
Nachdem der Capigi Baschi seine Rede hiemit geendiget, erinner⸗
te sich der Herr Botschafter, daß er gestern noch von einem eini⸗
gen Vettern dieses Jbrahims gedacht hatte, und wolte demnach
wissen, wo sich dann derselbige anjetzo aufhielte, ob er vielleicht eine
Charge im Feld oder am Hof bekleidete? bekam aber zur Antwort, wie
er sich auf dem Lande auf seinen Gütern aufhalte / ein einsames Le⸗
ben führe, und zu Staats⸗Sachen gar nicht gebraucht wuͤrde, wei⸗
len die Pforten vielmehr darauf bedacht ware, daß dieses Geschlecht
ganz und gar moͤgte vertilget werden; und als der Herr Botschafter
Alcorans
Gesetze von
Verwal⸗
tung der
Aemter.ihm dargegen den Einwurf machte / wie dieses dem Alcoran entgegen
liefe, weil derselbige haben wolle, daß ein jeder, der bey guter Ge⸗
sundheit und Verstand sey, entweder in Kriegs⸗ oder Staats⸗Sa⸗
chen sich solle gebrauchen lassen: läugnete jener zwar nicht, daß
die⸗
- 171 -
Reise von Adrianopel bis nach Ziroly.
141
dieses im Mahometischen Gesetz enthalten, es wuͤrde aber von den
Vornehmen, und denen, so die Regierung verwalten, schlecht beob⸗
achtet: man gebrauche nur diejenigen zu öffentlichen Bedienungen,
welche dem Hof anständig, andere aber liesse man dessen ungeachtet
dannoch sitzen / und bekümmere sich nicht darum, ob beide Theile dar⸗
zu geschickt sind, oder nicht; es wäre dieses eben die Ursach / daß
brave und geschickte Männer vielmaln vorbey gegangen, nichts wer⸗
the Leute aber durch Recommendation ganzen Ländern zu Regen⸗
ten vorgesetzt wuͤrden, und um eben dieser Ursache willen des Reichs
gänzlicher Ruin noch endlich zu befuͤrchten stuͤnde: er wolle, so bald
er nach Stambul komme, dieses dem Groß⸗Vizir mit mehrern
vorstellen.
Ach, wie wäre es doch zu wuͤnschen, daß auch viele Christliche Miß⸗
brauch in
Vergebung
der Aem⸗
ter.
Fürsten hierüber keine Ursach zu klagen hätten; was für vortref⸗
liche Leute finden sich nicht oͤfters an Euren Hoͤfen, die Jhr Euch im
Rathen und Thaten aufs beste koͤnntet zu nutz machen, welche aber,
weil sie die Gunst Eurer Ministers nicht besitzen, ja vielmehr von
ihnen, als Leuten, welche sich gar vielfäͤltig von ihren Affecten regi⸗
ren lassen, angefeindet werden, nicht in die Hoͤhe noch zu Eurer
Bekanntschaft gelangen können, sondern wol die Zeit ihres Lebens
in dem Winkel der Vergessenheit still sitzen, und als ein verachtetes
Lichtlein sich selbst verzehren muͤssen, da sie doch / wann man sie her⸗
für gezogen, und so zu reden öfentlich auf den Leuchter gestellet hät⸗
te, nicht nur in Eurem Füͤrstlichen Hauß leuchten, sondern wol gar
das ganze Land mit ihrem Glanz erfüllen koͤnnen. Wiewol die
Staats⸗Bedienten nicht jederzeit in diesem Stuck die Schuld allein,
ja vielleicht wol die wenigste daran haben. Es gibt noch viel beherz⸗
te und gewissenhafte Leute darunter, so sich den Nutzen eines Lan⸗
des oder Reichs lieber, als ihr Privat-Interesse seyn lassen; weswe⸗
gen kluge Regenten sich in Wehlung ihrer Ministers nicht selbst in
Licht stehen, sondern sich bemuͤhen sollen, diejenige auszusuchen, wel⸗
che dem gemeinen Wesen gute Dienste zu leisten vermoͤgen: auf sol⸗
che Weise werden die bereits angenommene in ihrer Pflicht desto si⸗
cherer erhalten, wann sie durch so kluge Wahl den hohen Verstand
ihres Principals erkennen; andere geschickte Leute aber aus allen
Ländern und Nationen herbey gezogen, weil sie einen solchen Hof
für
S 3
- 172 -
142
Erstes Buch / Zehende Abtheilung /
für denjenigen heut zu Tag gar seltsamen Ort ansehen / wo die Tugend
und Verdienste belohnet werden.
Jedoch damit wir mit unsern moralisiren grossen Herren nicht
beschwehrlich seyn/ wollen wir davon abbrechen, und wiederum in den
Nach dem
Alcoran
soll man
auch den
Feinden
Glauben
halten.Alcoran hinein gucken, in welchen sich der Herr Botschafter mit
dem Mehemet / als einem in seinen Gesätzen gar wol erfahrnen
Mann, zimlich vertieft hatte, wie Er dann unter andern daran lobte,
daß derselbige haben wolle, man solle auch die Feinde, mit welchen man
in Frieden lebe, gegen andere, die sie anfallen, vertheidigen, und daß sie
so bald von GOtt wuͤrden verlassen werden, so bald sie ihren Freun⸗
den oder Feinden nicht Glauben halten und von dem mit ihnen ge⸗
machten Vertrag abweichen würden. Hier fande sich nun der Türk
betroffen, indem er gänzlich dafür hielte, es ziele dieses auf den von den
Musulmaͤnnern ohnlängst gebrochenen Stillstand, und wolle Er
ihnen hiemit ihre Treulosigkeit vorruͤcken, weshalben er sich auf das
äusserste bemühete, diesen Schandflecken von seiner Nation abzuleh⸗
nen, und vielmehr darzuthun, daß das Kriegs⸗Feuer nicht von ihnen,
sondern uns wäre angezündet worden, ja daß sie hierbey nicht mehr
gethan, als was ihnen das natuͤrliche Recht erlaubet/ indem sie nur
Gewalt mit Gewalt abgehalten hätten. Diese eifrige Vertheidigung
seines Volks hörte der Herr Botschafter mit guter Gelassenheit
an, und gab ihm hierauf mit lachendem Mund zu verstehen, daß Er
mit leichter Mühe wuͤrde darthun koͤnnen, wer Urheber von dem ver⸗
wichenen Krieg gewesen; Er hielt aber für rathsamer, die fast geheil⸗
te Wunde unberuͤhrt und verdeckt zu lassen, als sich der alten Feind⸗
seeligkeit ohne einigen Vortheil zu erinnern: wiewol es mir auch vor⸗
gekommen, als ob Se. Excellentz, als ein weit aussehender Herr,
dieses nur zu dem Ende vorgebracht, damit, wo sich etwan ein neuer
Feind wieder uns herfür thun solte, sie dardurch moͤgten angefrischt
werden, gesamter Hand die Waffen zu ergreiffen und sich demselbi⸗
Andere Po⸗
litische Ge⸗
spräche des
Herrn Bot⸗
schaftersgen einmüthig zu widersetzen. Es hat auch der Herr Botschafter
seine politische Klugheit auf eine andere Weise bey eben dieser Ge⸗
legenheit an den Tag gelegt, wann Er unter dem Schein einer son⸗
schafters derbahren Vertraulichkeit gegen diesem Mann ihn versicherte, daß
er ihme anjetzo etwas zu offenbahren gedaͤchte, welches Er vielleicht
mit besserem Nutzen verschweigen wuͤrde; er habe nemlich angemer⸗
ket, daß diesem anjetzo in schöͤnstem Flor stehendem Reiche nun nichts
weiter
- 173 -
Reise von Adrianopel bis nach
Ziorly
.
143
weiter abgehe / als eine ordentlich⸗eingerichtete Handelschaft, vermoͤg
welcher allen und jeden frey stehen moͤgte, die Handlung in fremde
Länder zu treiben, und sie auf so sichern Fuß zu stellen, daß die Kauf⸗
manschaft keine Gefahr dabey zu befuͤrchten, denen Unterthanen aber
desto gröͤsserer Nutzen davon zu hoffen stuͤnde; welches Er jedoch nur
einig und allein in diesem Absehen vorgebracht, damit der Orientali⸗
schen Compagnie die freye Aus⸗ und Einfuhr in diese Länder moͤgte
leicht gemacht werden.
Man bliebe aber bey dieser Unterredung nicht in den SchranTheologi⸗
sche Ge⸗
spraͤch.
⸗
ken der Welt⸗Weißheit, oder der philosophischen Sitten Lehre, es
vertieften sich diese vornehme Disputanten so gar in Goͤttlichen
Betrachtungen. Es wurde weiß nicht von wem die Materie von dem
Schmerzen des Zipperleins auf die Bahn gebracht, und dabey erin⸗
nert, daß derjenige, der damit behaftet, grosse Gedult darzu vonnoͤ⸗
then hätte; welche Gelegenheit der Mehemed Aga in acht nahme,
und diese Tugend ungemein erhebte, indem er sie einen Schluͤssel zum Lob der Ge⸗
dult / und
anderer
Tugenden.
Himmel nennte, welche wir sonderlich noͤthig hatten, wann wir uns den
Eingang zu der ewigen Freude eröfnen wolten. Deme der Herr
Botschafter beyfügte, daß nicht allein die Gedult, sondern auch
alle andere Tugenden solche Schluͤssel waͤren, gleich wie im Gegen⸗
theil die entgegen gesetzten Laster für so viel Schlösser passirten,
die uns denselbigen verschlossen hielten, welche aber durch eine
reumüthige und aus einem zerknirschten und gläubigen Herzen ent⸗
springende Abbitte unserer begangenen Suͤnde und Laster wiederum
koͤnten aufgeschlossen oder zerbrochen und uns damit ein freyer Zutritt
zu GOtt unsern himmlischen Vatter verstattet werden; daß aber sol⸗
che Abbitte von uns täglich zu widerholen, daran wuͤrde kein Ver⸗
ständiger zweifeln: wann aber, so oft wir uns selbsten durch vielfaͤl⸗
tige Ubertrettung der Göͤttlichen Gebote diese Thuͤr verschliessen, der
barmherzige GOtt durch unsere Reue nicht bewegt wuͤrde, dieselbige
wiederum zu eröͤfnen / müsten unfehlbar alle Menschen an ihrer See⸗
ligkeit verzweifeln. Hierbey nahme der Herr Botschafter Anlaß,
diese Frage aufzuwerfen: Warum solche Gnade nur den Menschen
und nicht auch den gefallenen Engeln gegeben seye; und da jene nach
so vielfältig und oft wiederholten Suͤnden wieder aufstehen koͤnnten:
diese ehmaln reineste und himmlische Geister dargegen ihre kaum began⸗
gene Suͤnde mit der ewigen Straffe büssen muͤßten? Worauf der
Türk
- 174 -
144
Erstes Buch / Zehende Abtheilung /
Warum
die Men⸗
schen und
nicht die
Engel nach
dem Fall
wieder zu
Gnaden
aufgenom⸗
men wor⸗
den. Türk zur Antwort gab / daß die sonderbahre Liebe GOttes gegen den
Menschen, als einer der edelsten Creaturen, dessen eine Ursache seye.
Diesem aber setzte der Herr Botschafter entgegen, wie aber ja kein
Zweifel, daß die Engel weit vortreflicher als die Menschen
wären, und folglich um eben dieser Ursach willen der grosse GOtt
zu jenen eine grössere Liebe, als zu diesen tragen muͤste / als die mit
jener Englischen Vortreflichkeit in keinen Vergleich koͤnnten gezogen
werden: Hier wolte es nun bey dem Tuͤrken nicht recht mehr fort,
und war durch solchen Einwurf ganz zweifelhaftig worden, doch be⸗
sane er sich indessen auf keine unebene Antwort / wann er sagte: es
wäre den Engeln ein grösser Licht, als denen Menschen gegeben wor⸗
den / vermittelst dessen sie das Gute von dem Bösen besser unterschei⸗
den, die Schwehre der Sünde, und den darüber entbrannten Zorn
GOttes genauer erwegen und deutlicher einsehen köͤnnen, weswegen sie
dann auch schärfere Straffe verdienet; deme er noch beysetzte, daß er
nicht so gelehrt, und erfahren, auf alle solche Theologische Spitz⸗
findigkeiten so gleich zu antworten; er bäte inständigst, es ihme zu
gut zu halten, wann er etwas nicht gruͤndlich beantwortet hatte; zu
Constantinopel wolle er dem Herrn Botschafter wem stellen /
der Jhme in allen dergleichen Materien Satisfaction leisten solte.
Hierauf rühmten Se. Excellentz des Mehemets guten Verstand
und Geschicklichkeit, setzten aber hinzu, daß der Glaube eine Ga⸗
be GOttes wäre, und zur Erlangung der ewigen Seeligkeit höchst
nothwendig; wir indessen wären hievon folgendes überzeigt, daß
GOTT, als Er eine andere und zwar die Menschliche Natur an⸗
nehmen und also GOtt und Mensch zugleich seyn wollen, welches
ein unverwerfliches Zeichen einer ganz auserordentlichen Liebe gewe⸗
sen, doch darinnen eine noch weit groͤssere und unbegreiflichere erwiesen,
daß Er dem Menschen nach dem Fall Mittel an die Hand gegeben,
durch welche er wiederum aufstehen und sich mit Jhm versöhnen koͤnn⸗
te; sintemalen Er den vornehmsten Zweck seiner angenommenen
Menschheit nicht wuͤrde erhalten haben, wann niemand sich gefun⸗
den, den er hätte retten koͤnnen; daß aber denen Engeln kein Mittel
zu ihrer Erlösung übrig geblieben, erhelle daraus, weil sie gleich nach
ihrem Fall auser Stand gesetzt worden, etwas wiederum zu verdie⸗
nen/ oder, weil ihre Werke wegen der einmal verlohrnen und nicht
wieder
- 175 -
145
Reise von Ziorly bis vor Constantinopel.
wieder erhaltenen Gnade, in den Augen GOttes nicht angenehm
seyn kunten, sondern füͤr unguͤltig und todt angesehen wurden.
Eilfte Abtheilung.
NAch diesem geendigten Gespraͤch und genommener NachtErste An⸗
sicht des
Meers.
⸗
Ruhe sind wir den 26. dito weiter fort nach Ziorli gangen,
und haben denselbigen Tag das erstemal zur rechten Seiten
das Meer zwischen dem Hellespont liegen sehen, von welchem wir
noch 4. Stunde entfernet waren: man kunte viele Schiffe auf dem⸗
selbigen beobachten, die mit ihren Seegeln herum fuhren. All⸗
hier halte ich für unnoͤthig, von den Haan oder Moscheen et⸗
was mehr zugedencken, weil sie durch die ganze Tuͤrkey anzutreffen
und bey nahe in allem einander gleich kommen. Den 27ten haben
wir unsern March bis auf Kunickli unter beständigen Jagen fort⸗
gesetzt, und trafen allda eine solche Menge Haasen an, daß man hätte Menge der
Haasen.
glauben sollen / sie wären aus der Luft herunter gefallen; einer von
unsern Janitscharen kunte sie alle auf der Erden liegen sehen, welche er
uns auch gar fleisig zeigte: ein anderer war so fix und accurat im Wer⸗
fen, daß er mehr als einen mit seinem Stecken getoͤdtet. Dieses Dorf
ist nicht sehr groß, und hanget an einem Huͤgel, an welchem der Gli⸗
cyner⸗Fluß vorbey streicht, den einige in den Land⸗Charten
besser gegen Ziorly zu setzen; solcher ist, wie die mehresten andern,
mit einer steinernen Brüͤcke versehen. Mitten auf dem Weeg wur⸗
de uns ein Dorf mit Namen Segbanloi gezeigt, das so viel als einen
Segban⸗
loi/oder
Hunds⸗
Hüter.
Hunds⸗Hüter bedeutet; dann so lang wir Christen Constantinopel
noch innen hatten, nachdem die Türken Adrianopel schon einge⸗
nommen, gebrauchten diese bemeldten Ort an statt eines Wacht⸗
Hauses, um auf diejenige Christen, welche auf dem Land wohnten,
Achtung zu geben, damit sie nicht zu den Jhrigen in die Stadt uͤber⸗
gehen moͤgten, und hiervon wird auch wol der Ort seinen Namen be⸗
kommen haben; sintemalen die Christen vor Zeiten von denen Tüͤrken,
da diese noch die Oberhand hatten, nur füͤr Hunde gehalten und auch
also genennet worden, und folglich dieser Ort den Namen bekom⸗
men, daß man ihn einen Hüter der Hunde hiese, weil man von dar⸗
aus auf die Christen Achtung gegeben. Nachdem aber die Tüͤrken
etlich
T
- 176 -
Erstes Buch / Eilfte Abtheilung /
146
Die Tür⸗
ken werden
höflicher. etlichmal geklopft worden, haben sie nun beynahe mehr Leutseeligkeit
an sich genommen, als sie vorhero Grausamkeit spuͤhren lassen, wie
dann auch ihre politische Regierung noch taͤglich zunimmt.
Den 28ten dito liesen wir zwey Doͤrfer, als Herackle zur rech⸗
ten und Tezantiquoi zur linken, liegen, und marchirten eine gute
Zeit neben dem Ufer des Meers fort. Einige unter uns hatten das
Meer noch niemal gesehen; andere bezeigten eine Verwunderung
über die vielfäͤltigen und unterschiedliche Arten der Muscheln, und heb⸗
ten derselben einige auf; wieder andere suchten Schwammen, so zum
theil noch halb leicht und weich, theils aber durch das Salz⸗Wasser
die Natur der Binsen⸗Steine an sich genommen. Einige von un⸗
sern Leuten, welche ihr beherztes Gemüth zeigen wolten, sind zu Schif⸗
fe gegangen, haben die Segel aufgezogen, und sich eine Strecke ins
Meer gewagt. Jndem kamen wir noch selbigen Tag auf Selym⸗
bria, einen Hafen, so an dem Meer zwischen dem Hellespont
Lange Mauern
vor Con⸗
stantino⸗
pel.sehr nahmhaft und bekannt ist. Man gibt vor, daß die lange Mau⸗
ren von dem Schwarzen Meer bis hieher sich erstrecket habe, womit
ehedessen die nahe um Constantinopel gelegene Güter und Lust⸗
Häuser eingefangen waren, und soll dieselbige vierzig tausend Schritt,
oder nach anderer Scribenten Meinung 280. Wetläͤufe, welche fuͤnf
und dreissig tausend Schritt ausmachen / von der Stadt entfernet
gewesen seyn; ihre Breite bey 20. Römer⸗Schuhe ausgemacht,
ihre Länge aber sich auf 420. Wettläͤufe oder ein und füͤnfzig tau⸗
send und füͤnf hundert Schritte erstrecket haben; und damit solche
von der Besatzung desto bequemer moͤgte defendirt werden, waren
die Durchgaͤnge der Thuͤrne noch mit andern Thuͤrnen verwahret,
auf welche man von unten auf nur durch einen einigen Weeg steigen
kunte, so daß eines jedweden Thurns Besatzung die Feinde, wann sie
auch schon bis zwischen die Mauern avancirt wären, noch lange
hätte aufhalten koͤnnen. Diese Mauern war von dem Anfangs recht⸗
gläubigen nachgehends aber zu der Eutychianischen Ketzerey üͤberge⸗
trettenen Kaiser Anastasius, der nachgehends von dem Donner
erschlagen worden / zu erst wider der Scythen und Bulgarn Ein⸗
fall erbauet worden, wie der Kirchen⸗Scribent Evagrius erzehlt.
Es ist aber dieselbige von den Barbarn, die von dem Schwartzen und
Meoti⸗
- 177 -
Reise von Ziorly bis vor Constantinopel.
147
Meotischen Meer, von der Jnsul Colchis und dem Berg Caucasus
her in Europa eingefallen, öfters eingenommen, und uͤber einen
Haufen geworfen worden, welche aber Justinianus / der andere
Kaiser nach dem Anastasius / wiederum repariren und die bemeld⸗
ten Thürne darzu bauen lassen, damit die von dem schwarzen
Meer nach dem Hellespont Reisende einen sichern Weeg hätten,
wofür auch schon vorher Anastasius gesorget, da er eine Meer⸗
Enge allda zu weegen gebracht, und Constantinopel / welche da⸗
mals nur eine Halb⸗Jnsul war / zur einer völligen kleinen Jnsul ge⸗
macht. Ehe man gar hinzu kommt, trifft man einen mittelmaͤssigen
Bach süsses Wassers an, und bey demselbigen einen grossen Mo⸗
rast, worüber eine ungemeine lange Brüͤcke, von mehr als dreisig
Jochen ist, welche aber dazumal ganz trucken stunde; und dieses
mag zu dem Ende geschehen seyn, damit wann die heftigen Meer⸗
Wellen den Strom zuruͤck treiben, und mit Meer⸗Wasser anfüͤllen,
die Reisenden doch nichts destoweniger fort kommen koͤnnten / weil
das ergossene Wasser hier einen Ort hat, wo es zusammen lauffen
kan. Das Schloß zu Selymbria liegt auf einer Anhöhe, welches
Selym⸗
bria.
so wol gegen das Meer als das trockene Land siehet, und zeigen die
daselbst noch vorhandene alte eingefallene Mauren und Thürne, daß
dasselbige ehedessen muͤsse befestiget gewesen seyn. Man gehet zu sol⸗
chem durch drey Pforten hinein, woran sich mancherley in Oni⸗
kel gehauene Grichische Schrifft vor dem muß præsentirt haben,
welches an einigen aber noch sehr wenigen käͤnntlichen Buchstaben ab⸗
zunehmen, als die man mit genauer Noth für Grichische halten
kan; die mehresten hat die Gewalt des Winds und das Alterthum
zu nichte gemacht. Jn der Vorstadt ist ein Kaiserliches Proviant⸗
Hauß / in welches das Getraid von dasiger Landschaft gebracht wird.
Jn der obern Stadt oder Schloß haben die Grichische Möͤnche ei⸗
ne zwar kleine aber schöne und zierliche Capelle, um welche keine
Fenster sind, das Licht aber durch das Dach hineinfäͤllt: zur Sei⸗
ten derselbigen haͤngen grosse dicke Wachs⸗Kerzen, so die Lieb⸗
haber der seeligsten Jungfrau ihr zu Ehren aufgeopfert haben / deren Wunder⸗
thätige
Bildnis
der Jung⸗
frau Ma⸗
ria.
wunderthätige Bildnis allhier aufbehalten wird. Die Gestalt die⸗
ser Bildnis ist flach, aus einer silbernen Blatte geschlagen, und in einen
Kasten eingeschlossen, allwo sie durch ein Glaß kan gesehen werden.
Jn dieser Kirche sollen sich auch noch Gebeine von einer andern Hei⸗
ligen
T 2 - 178 -
Erstes Buch / Eilfte Abtheilung /
148
Gebeine
der Heil.
Zena. ligen befinden welche nach Bericht des Vorsteher dieses Orts,
der ein ansehnlicher alter Mann war, Zena
[14] soll geheissen haben. Es
wolte diese Gebeine der Kaiser Constantin von Rom nach seiner
Stadt führen, nachdem aber das Schiff an das Selymbrische Ufer
gekommen, kunte es weder durch den Wind, noch durch Schiff⸗
Stangen abgetrieben werden, so lang es diesen Heil. Cörper aufhat⸗
te, weswegen man sie in solche Kirche gebracht, um an demjenigen
Ort zu ruhen, den die Heilige ihr selbst darzu bestimmt hatte; wor⸗
auf das Schiff seinen Lauf wieder ungehindert fort setzen können.
Von dieser Kirche wolte der Vorsteher behaupten, daß sie eine von
denen sieben seye, deren in der Offenbahrung Johannis gedacht
wird; allein daß der gute Alte seine schlechte Wissenschaft in der Kir⸗
chen Historie damit verrathen, erhellet daraus, weil daselbst aus⸗
drüͤcklich gemeldet ist, daß dieselbige Kirchen in Asien gelegen, da doch
Selymbria noch zu Europa gehöͤret: zudem werden bemeldte Kir⸗
chen ordentlich mit Namen genennt, und kan also auch um dieser Ur⸗
sach willen für keine aus derselbigen gehalten werden; aber so weit
war dazumal dieser liebe Mann in den Grichischen Geschichten noch
nicht gekommen.
Den 29. Julj
blieben wir zu Selymbria / in welcher Zeit
Nachricht
von Scla⸗
ven.
der Herr Botschafter durch seine Ausspäher Sclaven aufsuchen
lassen, davon er so viel Nachricht bekommen, daß zwey von einem
Juden nach Constantinopel geführt worden, eine in dem vorigen
Krieg bey Belgrad gefangene Sclavin aber in dem Kaiserl. Pro⸗
viant-Hauß aufbehalten und zu einer Wäscherin gebraucht würde,
welcher aber, weil sie eine Dienst⸗Magd des Sultans ist, und von
niemand als Jhm selbst kan los gegeben werden, der Herr Bot⸗
schafter nicht eher als zu Constantinopel dem Passarowitzischen
Friedens⸗Vertrag gemäß abfordern kunte. Daselbst ist auch ein
Venetianischer Hauptmann mit seiner Gemahlin zu uns gekommen,
der zwar vorher schon die Freyheit erhalten, aber wegen gemachter
Schulden sich nicht von dannen machen durfte, ist aber gleichwol
auf Sr. Excellenz Vorspruch entlassen worden, und bis für die
Mauren der Stadt mit uns gezogen. Hierauf kamen wir bis
Tschemetschen / oder bis an die grosse Brücke, nachdem wir um
11 Uhr Vormittag bey einem andern kleinen Städtlein, so mir nie⸗
mand zu nennen wuste, vorbey gegangen waren. Auf dem Weeg hat⸗
ten
- 179 -
149
Reise von Ziorly bis vor Constantinopel.
ten wir das Meer beständig zur rechten, und sahen wir viel kleine
Nachen und Last⸗Schiffe, so die Waaren, als Melonen, Kuku⸗
mern rc. der Tüͤrken gröͤste Delicatessen, von den Insuln des Helle⸗
sponts anders wohin führten. Besagte grosse Brüͤcke bestehet aus
vier kleinern, da immer eine ein kleines Stuͤck Erde von der andern
unterscheidet, davon die erste 9. die zweyte 5. die dritte und vierte
aber 7. Schwibbögen von ungleicher Grösse und Breite hat. Un⸗
ser mit Ried und Binsen allenthalben bewachsenes Lager stunde also,
daß wir zur Rechten vor uns das Meer, zur Linken die Brüͤcke und
den Morast, hinter uns das feste Land hatten, worauf ein Dorf,
und jenseit der Brücke noch ein anderes Dorf gelegen war. Diesen
Tag kam endlich der Herr von Dierling / Secretair bey der BotZuruck⸗
kunft des
Hn. von
Dierling /
und Zei⸗
tung we⸗
gen der
Pest.
⸗
schaft, mit dem Dolmetsch, welche voraus geschickt gewesen,
Kundschaft wegen der Krankheit einzuholen, wieder zu uns, und
zwar mit der Nachricht, daß allda die Pest sehr überhand nehme, so⸗
daß der Sultan sich bemuͤssiget gesehen, seine Wohnung zu ändern,
und mit seinem Hof nach dem schwarzen Canal zu gehen, weswegen
wir uns eine zeitlang auf dem Feld aufhalten müsten, um daselbst,
bis sich das Ubel gelegt, der freyen Luft zu geniessen; doch wuͤrde
das Lager nicht weit von der Stadt entfernet seyn, so wol die benö⸗
thigten Lebens⸗Mittel desto bequemer daraus anzuschaffen, als auch
die Geschäͤften mit weniger Hinternisse zu tractiren: wir vernahmen
auch zugleich, daß daselbst ein Tefterdar / oder Vorsteher von der Tefterdar
wer sie
sind.
Cammer, deren bey den Tüͤrken drey sind, seines Amts entsetzt wor⸗
den / weil er der Militz ihren Sold nicht auszahlen lassen, als um
welcher Ursach willen der Aufruhr zu Nissa seinen Anfang genom⸗
men.
So bald wir den 31 über die grosse Brücke gegangen, und die Hö⸗
he des Bergs erreicht hatten, sahen wir auf einmal die Stadt Con⸗
stantinopel vor unsern Augen liegen, nach welcher wir auf unsern
so kleinen Tag⸗Reisen längstens verlangt, ja recht sehnlich geseufzet
haben, weswegen wir auch Kutschuk Tschemetschen / oder der
kleinen Brücke desto geschwinder zu eilten; und wird diese letztere da⸗
rum so genennt, weil sie das feste Land, welches durch das Meer
abgerissen, wiederum an einander haͤnget. Von dar kamen wir nach
Haznadar Tschiflick / einem nicht gar eine Meile von Con⸗
stantinopel entlegenen Lust⸗Hauß, woselbst wir Taut Bascha,
wo
T 3
- 180 -
Erstes Buch / Eilfte Abtheilung.
150
wo sich die Türkische Armee zu versammlen pflegt, zur Linken, zur
Rechten aber das Meer zwischen dem Hellespont, und vor uns
den Canal des schwartzen Meers hatten, von welchen wir nun weiter
nicht dann anderthalb Stund entfernet waren. Wann wir nur
den Berg hinan giengen, kunten wir Bisantz oder Stambul völ⸗
lig vor uns liegen sehen, davon wir aber um der Pest willen,
woran täglich noch viel Leute dahin sturben, entfernet bleiben mu⸗
sten, um dessen Wegnehmung wir den Himmel beständig angeflehet,
damit wir nicht an Erreichung unsers Zweck, die Alterthümer da⸗
rinnen zu besehen, gehindert wuͤrden, wann dieses Ubel so lang als
die Gesandtschaft hätte dauern sollen.
Abgeord⸗
nete von
der Repu⸗
blic Ragu⸗
sa.Als wir noch dahin unterwegs waren, kamen die Abgeordnete
von der Republic Ragusa, welche ehedessen dem Köͤnigreich Un⸗
garn einverleibt gewesen, nun aber unter Tüͤrkischer Bothmäßigkeit
stehet, zu dem Herrn Botschafter / ihr Bewillkommungs⸗Com⸗
pliment bey Jhm abzulegen. Jhr Anbringen bestunde darinnen,
daß sie Befehl hätten, dem Herrn Groß⸗Botschafter / dessen
Ruhm sich schon längst allenthalben ausgebreitet hätte, im Namen
der Republic ihre schuldigste Ehrerbietung zu bezeugen: es erfreue
sich dieselbige sehr, daß Se. Excellenz in allem hohen Wolseyn in
diesen Orientalischen Ländern angelangt wäre, Sie aber, als Dero
Gesandte / hätten sich sonderlich auch zu dem Ende allhier eingefun⸗
den, ihre Freude daruͤber, und die Ergebenheit, mit welchem sie in
ihren Herzen dem Erz⸗Herzoglichen Hauß noch beständig zuge⸗
than verblieben, an den Tag zu legen; sie haͤtten sich zwar vorgenommen,
Sr. Excellenz gar bis an die kleine Brücke entgegen zu kommen,
wären aber durch unsern starken March, dessen sie sich nicht verse⸗
hen hätten, daran gehindert worden. Dieses beantwortete der
Herr Botschafter mit wenig Worten, nennte sie dabey nur Ab⸗
geordnete der Republic/ ob sie sich gleich vorher selbsten den Na⸗
men der Gesandten beygelegt, und dankte ihnen, füͤr die Jhm hie⸗
rinnen erwiesene Ehre; deme Er noch beyfuͤgte, wie es billig und
lobwürdig seye, daß sie in der Liebe und Treue gegen das Erz⸗
Herzogliche Hauß / unter dessen Bothmässigkeit sie ehmaln ge⸗
standen, und von dem sie ihren Ursprung hatten, noch beständig
verharreten. Nachgehends begab sich der Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter mit etlichen wenigen aus dem ersten Adel, und einigen Hauß⸗
Bedien⸗
- 181 -
Reise von Ziorly bis vor Constantinopel.
151
Bedienten nach dem Lust⸗Gebäu, da indessen wir uͤbrigen uns un⸗
ter den Zelten einquartirten.
Dieses Lust⸗Hauß ist von einem Vorsteher der Kammer oder Lust⸗Hauß
vor Con⸗
stantino⸗
pel.
Zahl⸗Meister, welchen die Türken auf ihre Sprach Haznadar
nennen, erbauet worden, das aber nach geschlossenen Frieden zu
Passarowitz der Sultan dem Jbrahim Bascha / der gegen⸗
wärtig die von der Pforten abgeschickte Groß⸗Botschaft zu Wien
versiehet, und erster Bevollmächtigter bey gedachtem Friedens⸗Schluß
gewesen, geschenket, jedoch den Namen von seinem ersten Erbauer
noch beständig behalten. Vor dem obern Theil des Hauses stehet
ein Brunnen⸗Kasten, welcher das aus einem Marmel oder Alaba⸗
ster verfertigten Brunnen haͤufig hervor stossende Wasser auffängt;
gedachter Brunnen aber hat seinen Ursprung in des Türkischen Hn.
Groß⸗Botschafters Zimmer, von dar dessen Wasser durch Röhren
in das untere Hauß und den Kraut⸗Garten geleitet wird. Ein an⸗
derer Blumen⸗ und Lust⸗Garten stehet uͤber des Botschafters Woh⸗
nung, so zwar nicht sehr groß, aber mit auf Pyramiden Art ge⸗
schohrnen Lorbeer⸗ und Cypressen⸗ wie auch andern Frucht⸗Bäumen
aufs zierlichste besetzt und eingetheilet ist; dergleichen Gäͤrten nebst
ihren Gebäͤuen man an dem Gestad des Meers und anderwäͤrts in
grosser Menge antrifft.
Nachdem nun der Herr Groß⸗Botschafter mit denen SeiDes Me⸗
hemetes
Compli⸗
ment we⸗
gen des
Hn. Groß⸗Botschaf⸗
ters glück⸗
licher An⸗
kunft.
⸗
nigen an diesem letzten Ort gluͤcklich angekommen, hat Ihn unser
Führer Mehemed Aga, Kaiserlicher Kämmerling, folgender Ge⸗
stalt complimentirt: Jch empfinde keine geringe Freude /
daß Eu. Excellenz, Groß⸗Botschafter bey dem Groß⸗
Sultan / bis vor die Mauern der Stadt Constanti⸗
nopel gluͤcklich gebracht habe; weswegen ich mich
alsobald in die Stadt verfüͤgen/ und GOTT dem
HERRN den Jhm dafüͤr gebuͤhrenden Dank nach
unserer Weise abstatten werde / weil es Jhm gefallen/
Eu. Excellenz unter meinem Geleit bisher in allem ho⸗
hen Wolseyn zu erhalten. Meines Theils wuͤrde es
mir höchst⸗erfreulich gewesen seyn/ wann nach Dero
unver⸗
- 182 -
152
Erstes Buch / Eilfte Abtheilung / rc.
unvergleichlichen Meriten Dieselbe allenthalben hätte
bewuͤrthen koͤnnen; es werden aber Eu. Excellenz gnä⸗
dig geruhen/ die Zeit und dem auf dem Land in höch⸗
ster Duͤrftigkeit lebenden armen Bauers⸗Volk etwas
nachzusehen; meine vornehmste Bemuͤhungen soll nur
dahin gerichtet seyn/ wie forthin nunmehro aus der
Stadt alles im Uberfluß angeschaffet werde / und in
keinem Stuck der geringste Mangel erscheine. Anjetzo
aber will mich ungesäumt zu dem Groß⸗Vizir bege⸗
ben / um demselben Eu. Excellenz gluͤckliche Ankunft
zu hinterbringen / welche Botschaft Jhm auch nicht
anders als sehr angenehm wird zu vernehmen seyn.
Als auf das letztere der Herr Botschafter sich vernehmen ließ,
wie er solches durch die Seinige zu verrichten gedenke, versetzte jener,
daß solches zwar in dessen Belieben stuͤnde: jedoch erfordere es sei⸗
ne eigene Pflicht und Schuldigkeit, dieses auch selbsten über sich
zu nehmen: deme er noch mehr in einer geschickten, leichten und wol
gesetzten Reden beygefügt, so daß weder an deren Erfindung
noch Kunst und Zierlichkeit im geringsten was zu de⸗
sideriren gewesen.
Ende des Ersten Buchs.
Der
Türckischer Bot⸗
schafter am Röm.
Kaiserl. Hof.
- 184 -
Der
Historischen Nachricht
Von der
Rom. Kaiserlichen Groß⸗Botschaft
nach der Ottomannischen Pforten
Zweytes Buch.
Erzehlung dererjenigen Begebenheiten / die sich zu⸗
getragen / seit dem sich die Botschaft vor Constan⸗
tinopel im Läger unter den Zelten aufge⸗
halten.
Erste Abtheilung.
NAchdem sich nun Mehemed in die Stadt beNachricht
an dem
Groß Ve⸗
zier von
unserer
Ankunft.
⸗
geben, ertheilte der Herr Groß⸗Botschaf⸗
ter alsobald Befehl, daß man dem Groß⸗
Vezier Jbrahim die Nachricht von seiner
Ankunft in das hiesige Läger hinterbringen solte;
zu welchem Ende Herr Baron Seebach,
Hof⸗Marschalk, und Obrist⸗Wachtmeister
unter dem Virmondischen Regiment, in Beglei⸗
tung der Dolmetschen Herrn Theyls / zwey von seinen Laqueyen, und
drey Granadirern, dahin abgefertiget wurde. Als er nun ohne Auf⸗
U
schub
- 186 -
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
154
schub Audienz erhalten, ist er noch selbigen Abend mit dieser Antwort
Antwort
desselbigen.an den Herrn Groß⸗Botschafter zurück gekommen, wie dem
Groß⸗Vezier durch so unverwerfliche Zeugen hoͤchst angenehm zu
vernehmen gewesen, daß Se. Excellentz der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter / nach so viel überstandenen Beschwehrlichkeiten nunmeh⸗
ro bey der Kaiserlichen Residenz glücklich angelanget, er wolle
sich indessen äusserst dahin bemuͤhen, und ernstlich anbefehlen, damit
alles, was man nur verlangen und zu dieser Jahrs⸗Zeit zu bekommen
seyn mögte, auf ersten Wink angeschafft wuͤrde. Dazumal kamen
drey Söhne unsers Füͤhrers des Mehemeds in unser Lager, bey
Drey Söh⸗
ne des Me⸗
hemeds
machen bey
dem Herrn
Botschaf⸗
ter ihre
Aufwar⸗
tung.dem Herrn Groß⸗Botschafter ihre Aufwartung zu machen, wor⸗
unter zwey noch unmuͤndig, der dritte aber, ob er schon das sieben⸗
zehende Jahr noch nicht zuruck gelegt / schon verheyrathet / und der
vierte beständig mit uns auf der Reise gewesen. Diese wurden von
Sr. Excellentz mit Caffé tractirt, sie aber verehrten Jhm zur Be⸗
zeugung ihres Respects ein aus weisen Adlers⸗Federn verfertigten
Sonnen⸗Wädel, welche nur oben an der aͤusersten Spitzen in schwar⸗
ze Farb gedaucht / unten aber, wo die Handhebe hinein gestossen
wird, von rothen mit Gold auf das zierlichste gestüͤckten Sammet,
gefasset waren, deren sich allein die Vornehmsten, einen Luft damit
zu machen, bedienen.
Benach⸗
richtigung
an drey
Gesandte
von des
Hrn Groß⸗Botschaf⸗
ters Gegen⸗
wart.Den 1. Augusti schickte der Herr Groß⸗Botschafter auf
einmal drey aus dem zweyten Adel, nemlich die Herren Baronen von
Studenitz, und Locher, und den Herrn von Wetstein/ einen Edel⸗
mann aus der Schweitz, ab seine Ankunft zu Haznadar Schiftlick
dem Französischen, Englischen und Holländischen Gesandten zu ver⸗
melden, welches auch der erste bey dem Marquis de Bonac, der
zweyte bey dem Graf Stanian / und der dritte bey dem Graf
Warum
solche allen
dreyen zu
einer Zeit
geschehen.Colyers verrichtet. Es haben aber Se. Excellentz diese drey Her⸗
ren darum zu einer Zeit abgeordnet, weil, wie bekannt, Frankreich
und Engelland noch immer bey der Pforten um den Rang strei⸗
ten, ob gleich diese Controvers im Roͤmischen Reich schon laͤngst bey⸗
gelegt ist, so daß keiner dem andern im geringsten daselbst weichen
will; welches auch die Ursach gewesen, warum bey der vorigen
Groß⸗Botschaft, die doch sonsten der Graf von Oettingen ruhm⸗
würdigst versehen, der Französische Gesandte Herr von Ferriol, und
eben dieser Kaiserliche Groß⸗Botschafter niemaln zusammen ge⸗
kom⸗
- 187 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
155
kommen, weiln er den Englischen Gesandten
[15] eher als ihn vorgelas⸗
sen, da doch jener eher als dieser zu Jhm gekommen, oder vielmehr
schon in seinem Hause zugegen gewesen, und die Visite abgestattet,
welches Er ihm ja Ehrentwegen nicht versagen koͤnnen, und zwar um
so viel weniger, da der Französische Gesandte diese Höflichkeit verab⸗
säumet hatte. Jedoch wer den Herrn von Ferriol kennet, und wie
er öfters solche Dinge bey der Pforten und anderswo tentiret, wo⸗
mit er nirgend auslangen können, wird sich über diese seine Auf⸗
fuͤhrung destoweniger verwundern. Damit aber gleichwol bey so guter
Veständnuͤß der beyden Cronen solcher Verdruß vermieden wuͤrde,
hat man die Ankunft allen dreyen zu gleicher Zeit intimirt, welches
auch gar wol aufgenommen worden: und da der Franzöͤsische Ge⸗
sandte in dem Königlichen Pallast zu Pera / als seiner gewöhnli⸗
chen Wohnung, der Engelländische aber auf seinem Lust⸗Hauß zu
Belgrad, ohnweit des Schwarzen Meers sich aufhielte, kunte es
ohne dem nicht anders seyn, als daß dieser wegen Entlegenheit des Orts
einige Stunden später als jener die Nachricht erhalten; welches sich
dann der Herr Groß⸗Botschafter kluͤglich bedienet, keinen auf
solche Weise beleidiget, noch einem vor dem andern den Vorzug zu
gestanden, und sich also auf keiner Seiten einigen Verdruß zugezogen.
Diese drey Abgeordnete haben die Herrn Gesandten zu Mittag bey
sich zur Tafel behalten, und endlich mit gebuͤhrender Danksagung
wegen dieser Höflichkeit und ergebenster Gratulation zu glüͤcklicher
Ankunft an den Herrn Groß⸗Botschafter wiederum dimittirt.
Der erstere kame schon Nachmittags um fuͤnf Uhr im Lager an; die
zwey andern aber kunten kaum bey spater Nacht zu uns gelangen, Des Fran⸗
zösischen
Gesandten
Abferti⸗
gung an
den Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafter.
weil sie sich wegen der vielerley Weege im Wald veriret hatten.
Ehe aber der Herr von Studenitz sich wieder einstellete, fanden sich
schon der Canzler von der Franzoͤsischen Nation, zween Secretarien von
dem Gesandten, nebst unterschiedlichen Kaufleuten und Bedienten
bey uns ein, unsern Herrn Groß⸗Botschafter im Namen ihres
Gesandten und der ganzen Nation zu felicitiren. Diesen aber ist Des Tüͤr⸗
kischen Dol⸗
metschen
Absendung
an den
Hrn. Groß⸗
Botschaf⸗
ter.
der erste Dolmetsch bey der Pforten, Maurus Cordatus / des
berühmten Mauri Cordati Enenkel von der Mutter her, und der die⸗
sen Namen um seines Mütterlichen Groß⸗Vatters hohen Verdien⸗
sten wegen angenommen, noch zuvor gekommen, als der von dem
Groß⸗Vizier zu dem Ende abgeschicket war, den Herrn Groß⸗
Botschaf⸗
U 2
- 188 -
156
Zweytes Buch / Erstte Abtheilung /
Hochach⸗
tung der
Dolmet⸗
schen son⸗
derlich des
Mauri
Cordati.Botschafter zu complementiren. Es ist dieses ein sehr reicher
Mann, und wegen seiner Treue bey dem Sultan und Groß⸗Ve⸗
zier in sonderbahren Gnaden, ohnerachtet er ein Christ und der
Catholischen Religion zu gethan ist; wie dann auch überhaupt die
Dolmetschen bey den Türken in grossem Ansehen sind / und denen
Richtern und Referendarien der Rechts⸗Sachen gleich geachtet wer⸗
den. Dieser fragte den Herrn Botschafter, wie Jhm die hiesige
Luft anstünde; es hätte der Sultan dem Groß⸗Vizier durch ein
Hand⸗Schreiben, wie auch einigen andern, Befehl ertheilet, einen ge⸗
sunden und unverdächtigen Ort vor die ankommende Gaͤste auszu⸗
Dessen Ab⸗
forderung
der Anrede
an den
Sultan. suchen. Bey eben dieser Gelegenheit wurde der Herr Groß⸗Bot⸗
schafter von ihm um Communicirung derjenigen Anrede ersucht,
deren Er sich bey der Audienz gegen dem Sultan gebrauchen
würde; denn die Pforte hat die Gewohnheit, daß man alle seine
Reden dem Kaiser zugleich geschrieben übergibt, damit man sich
auf eine Antwort könne gefast machen: er setzte darzu, wie er zum öf⸗
tern dergleichen Anrede ein ganzes Monat bey sich im Hause hätte,
auf welche im Namen des Kaisers solte geantwortet werden, und
wäre zu dieser eine noch gar kurze Zeit uͤbrig, in welcher er sich zu ei⸗
ner Antwort fertig halten muͤßte. Der Herr Botschafter verwun⸗
derte sich über dieses unerwartete Zumuthen, und gab ihm mit freund⸗
lichen Gesicht und laͤchlenden Minen zu verstehen, wie Er eben noch
nicht darauf gedacht, mit was für Worten seines Kaisers Be⸗
fehl Er vortragen wolte; dann nachdem ihm der Innhalt bekannt
wäre, würde es an Worten nicht fehlen, absonderlich wo die Sa⸗
che und Wahrheit selbst reden muͤsten, sintemaln man nur in Er⸗
manglung dieser an jene zu denken hätte: Er seines theils pflege / von
der Wahrheit secundirt / an die Worte nicht eher zu gedenken, als
wann sie bey verstatteter Audienz in Gegenwart grosser Fürsten und
Potentaten vorgebracht werden sollen; Er wolle sich aber gleichwol
nach der Gewohnheit accomodiren, und mit nechsten seine Rede auf⸗
setzen, und ihme uͤberschicken. Etliche Stunden hernach hat noch ein
Geschenke
und Brief
des Groß⸗Viziers. anderer von des Groß⸗Viziers Hauß⸗Officiern, den die Türken
Aga nennen, seine Aufwartung gemacht, und den Herrn Botschaf⸗
ter mit Blumen, Früchten und mit von zweyen Pferden getragenen
feinen Zucker und Caffe-Bohnen regalirt: 33. Träger wurden ge⸗
braucht,
- 189 -
Von des Hrn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
157
braucht, welche die in Gläsern und erhabenen Köͤrblein auf runde
hölzerne Tafeln gestellte Sache auf ihren Köͤpfen herbey brachten.
Diesen hat der Groß⸗Vizier noch einen Brief beygelegt, von wel⸗
chem die Dolmetschen versichern wolten / daß er mit so grosser Zäͤrt⸗
lichkeit geschrieben seye, daß auch ein Verliebter seiner Gelieb⸗
ten nichts anmuthigers vorschwatzen könne. Es schützte der
Groß⸗Vizier darinnen eine ganz auserordentliche Neigung und
Sympathie vor, mit welcher er dem Herrn Groß⸗Botschafter
zugethan wäre; Er solte doch, so viel Jhme nur immer moͤglich, ei⸗
len, damit sie bald zusammen kämen; es schiene ihm ein jeder Au⸗
genblick zu lang und beschwehrlich, in welchem er von Jhme ent⸗
fernet leben muͤste: wobey er dem Herrn Botschafter frey stelleDessen An⸗
erbieten
mit klin⸗
genden
Spiel in
die Stadt
zu ziehen.
⸗
te, mit fliegenden Fahnen und klingenden Spiel in die Stadt einzu⸗
ziehen. Welches leztere aber Se. Excellentz nicht ohne Verdruß
vorlesen hoͤrten, und Sich deswegen vernehmen liessen, wie davon
noch nicht die Rede gewesen, und damit zu verstehen geben wolte,
daß Er dißfalls schon selbst wuste, was zu thun wäre; es bemuͤhete
sich aber der Dolmetsch, Herr Theyls / seiner Gewohnheit nach,
dieses zum besten auszulegen / indem er dem Herrn Botschafter
vorstellete, wie die Pforte hierdurch nur den Æstim gegen Jhm und
in seiner Person zugleich gegen Jhro Römischen Käiserlichen
Majestät bezeigen wolle, als Die Jhme unangefragt dieses zustuͤn⸗
de / welches Sie keinem andern Koͤniglichen oder Füͤrstlichen Ge⸗
sandten einräumen wüͤrde. Es hätten der Englische und Holländi⸗
sche Gesandte dergleichen Ansuchung gethan; und zwar bemühete sich
dieser durch vieles Bitten nur so viel zu erhalten, daß er bey seiner
Zuruckkunft von dem Paßarowitzer Friedens⸗Schluß etliche für sein
eigen Geld erkaufte grosse Flauten oder Hautbois für sich duͤrfte her⸗
gehen lassen: jener aber verlangte nichts mehr, als ihm nur eine eini⸗
ge Fahne zu verstatten, wurde aber gleichwol beiden als eine solche
Sache abgeschlagen, welche niemand als dem Kaiserlichen Bot⸗
schafter könte verstattet werden; vielleicht habe der Groß⸗Vizier
vermeinet, es wäre Sr. Excellentz diese Affaire bekannt, und dahe⸗
ro etwan im Zweifel, ob dieses Verboth Jhme auch angehen folte.
Es wolte sich aber der Herr Botschafter mit allem diesem nicht
befriedigen lassen, welcher darauf beharrete, daß deswegen noch kei⸗
U 3
ne
- 190 -
Zweytes Buch, Erste Abtheilung.
158
ne Anfrag geschehen, und diese Sache im Ceremoniel schon ge⸗
nugsam debattirt und keinem fernern Zweifel unterworfen wäre.
Hierauf liessen Se. Excellentz unter die Träger ein Trank⸗Geld aus⸗
theilen / und sie ihrer Weege wiederum fortgehen.
Portiuncu⸗
la Fest ge⸗
feyert.Den 2. Augusti / am Tag Portiuncula, an welchem der HErr
Christus dem H. Francisco die Wundenmahl auf dem Berg Alver⸗
nia in Jtalien eingedruckt hat, wurde in dem grossen Zelt ein schoͤ⸗
ner Altar aufgerichtet, mit den gestern vom Groß⸗Vizier zu einem
ganz andern Absehen geschickten Blumen gezieret, und zu beiden
Seiten die reich mit Gold gestickte Standarten ausgebreitet; un⸗
terschiedliche Priester, unter andern aber der Abt zu Domben Graf
von Schrottembach / lasen Messe, und breiteten das Lob GOt⸗
tes aus; der Schall der Trompeten und Paucken samt den übri⸗
gen musicalischen Instrumenten und lieblichsten Stimmen feuerte
die von Goͤttlicher Liebe ohne dem schon brennende Gemuͤther noch
mehr an / und der meinste Theil vom Adel und Hauß⸗Bedienten wol⸗
ten durch eine reumüthige Beicht und Geniessung des allerheiligsten
Sacraments ihren Schutz⸗Heiligen den Grossen Franciscum ver⸗
Des Engli⸗
schen und
Holländi⸗
schen Ge⸗
sandten
und des
Mehemeds
Aga Ab⸗
fertigung
an den
Hrn. Bot⸗
schafter. ehren. Unterdessen haben der Englische und Holländische Gesandte
ihre Legations-Secretarien ins Lager geschickt, bey dem Herrn
Groß⸗Botschafter das Bewillkommungs⸗Compliment abzule⸗
gen; welche Höflichkeit auch der Mehemed Aga, zweyter Bevoll⸗
mächtigter bey dem Friedens⸗Schluß zu Paßarowitz, nicht unterlas⸗
sen wollen, sondern hat durch seinen Kiaha oder Hofmeister bey Sr.
Excellentz die Begrüͤssung ablegen, und Jhnen zum Zeichen der
Freundschaft unterschiedliche Geschenke aus seinem Garten und Tei⸗
chen von Melonen, Weintrauben, Birn, Krebsen und Fischen offe⸗
riren lassen: er gab anbey zu verstehen, daß sein Herr des andern Ta⸗
ges sich selbst einfinden wuͤrde, wann es Sr. Excellentz nicht be⸗
schwehrlich, oder wegen des an selbigem Tag bevorstehenden Einzugs
Des Herrn
Botschaf⸗
ters Ant⸗
wort auf
des Mehe⸗
med Aga
Compli⸗
ment. die Zeit nicht schon zu weit verlaufen wäͤre. Worauf der Herr Bot⸗
schafter geantwortet, wie Jhme die Gegenwart seines Freundes je⸗
derzeit nicht anders als lieb und angenehm seyn könnte; deme Er
noch seinen Glüͤckwunsch wegen des neu erhaltenen Schatz⸗Meister
Amts beyfügte, mit dem Zusatz, daß ihme daraus noch mehr Ehren
und Dignitæten zu wachsen moͤgten: dem Kiaha aber wuͤnschte Er /
daß ihme die von seinem Herrn bisher bekleidete Charge solte zu theil
wer⸗
- 191 -
Abbildung:
Plan von Constantinopel
- 192 -
- 193 -
Abbildung:
Einzug des Röm. Kayserlichen
Groß⸗Botschaffters in Constantinopel.
- 194 -
- 195 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
159
werden. Es liesse ihm auch der Herr Botschafter weil Er wuste,
daß der Mehemed Aga ein dicker und fetter Mann war, und für
seinen Wanst gar sehr sorgte, im Schertz zu entbieten: wann ihme da⸗
mit gedienet wäre / wolle Er ihn nach zuruckgelegter dreisigtägigen
Fasten öfters mit Chocalate bedienen, weil er, als ein grosser Lieb⸗
haber von einen strengen und maͤßigen Leben, nach so langem Fasten
dessen gar sehr benöͤthigt seyn duͤrfte.
Heute ist einer von unsern Fuhr Leuten, so schon lang Kraftloß geVermeinte
eingerisse⸗
ne Pest.
⸗
wesen, unversehens umgefallen, wordurch gleich der Ruff entstanden, er
seye von der Pest angesteckt gewesen, welches auch keine geringe Furcht
und Schrecken in unserm Lager verursachet; man hat aber bey
genauer Untersuchung ganz ein anders befunden, und haben uns die
Leib⸗Aerzte und Feldscheerer versichert, daß wir deswegen nichts zu Offerirung
eines Scla⸗
ven an den
Marquis
de Bonac.
befürchten hätten. Hierauf wurde abermal der Herr von Wetstein
zum Französischen Gesandten Marquis de Bonac geschicket / um
ihm einen Gefangenen aus Languedoc, den die Edelleute erst neu⸗
lich loß gekaufft, zu præsentiren. Dazumal ist auch Herr Kramer /
Cassirer und Verwaldter der Kaiserlichen Geschencke, und mit gefüͤhrAuspack⸗ und Ein⸗
theilung
der Kaiser⸗
lichen Præ⸗
senten.
⸗
ten Gelder, nebst dem Uhrmacher Holzmann / mit bemeldten Præ⸗
senten in die Stadt geschickt worden, damit solche ausgepackt und
nach der ihnen vom Hof mitgegebenen Vorschrifft eingetheilt werden
könnten. Weil aber die meisten Vizire sich dazumal in ihren Provin⸗
zen aufhielten, muste man auf Befehl des Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ters von solcher Richt⸗Schnur etwas abweichen, und die ihnen zu
gedachte Verehrungen an andere austheilen; wobey aber gleichwol
des Hofs Intention nach Möglichkeit beobachtet worden.
Einzug in
Constanti⸗
nopel.Nunmehro haben wir den 3ten besagten Monats unsern Ein⸗
zug in die Stadt Constantinopel fast auf gleiche Weise, wie zu
Wien / gehalten: Gleich bey anbrechenden Tag wurden die muthig⸗
sten mit dem kostbarsten Zeug geschmüͤckte Pferde aus dem Kaiserli⸗
chen Stall gezogen, deren Zäume und üͤbrige Ruͤstung aus fein ge⸗
schlagenen und mit vielerley Steinen besetzten Silber verfertigt wa⸗
ren. Kurz vor sieben Uhr sind wir mit fliegenden Fahnen unter
Trompeten⸗ und Paucken⸗Schall und anderer Music aus dem Lager
gegen die Stadt marchirt, welche wir so gleich im Gesicht hatten.
Der Herr Groß⸗Botschafter, der sich des vom Sultan Jhm
zuge⸗
- 196 -
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
160
zugeschickten und mit einer von Gold gestickten Decke aufgebutzten
Pferds bedienet, liesse ein anderes von seinen eigenen mit kostbaren
Zeug auf Teutsche Art geziertes nachführen / deme einige mit
sechs und zwey Pferden bespannte Wägen folgten, unter welchen
sich auch drey von dem Sultan / der solche aus sonderbarer Neigung
gegen diese Groß⸗Botschaft abgeschickt, befunden haben, wobey
absonderlich ein Zug grauer Schimmel mit rothen Schweifen se⸗
henswürdig gewesen. Auf dem halben Weeg kam der Dolmetsch
von der Pforten, den Herrn Groß⸗Botschafter zu compli⸗
mentiren, so von dem Obristen der Bothen oder Chiaoux Ba⸗
schi und zween Spahiler Agasi samt noch einigen andern beglei⸗
tet war. Auf unsern Zug musten wir bey einem Lust⸗Garten vor⸗
Frühstuck
unter Wee⸗
ges.
bey, welchen eine Sultanin auf ihre Kosten anlegen lassen, daselbst
sind wir abgetretten, um das darinnen füͤr uns zubereitete Früͤh⸗Stuck
einzunehmen; dann weil wir noch weit zu marchiren hatten, wurde
für uns gesorget, damit nicht einige von den unsrigen auf dem Weege
verschmachten moͤgten. Allhier ist der Herr Groß⸗Botschafter von
denenjenigen, welche man Jhm entgegen geschickt, nochmaͤlen empfan⸗
gen, in das für Jhn zu bereitete Zimmer geführt / auf den für Jhn
gestellten Sessel angewiesen, (an dessen statt sich die Tüͤrken ihrer ge⸗
wöhnlichen Sofaus bedient) und mit Caffé und unterschiedlichen
nach Lands⸗Art, doch nicht übel zugerichteten Speisen tractirt wor⸗
den; der Scherbeth muste an statt des Trunks dienen, und was bey⸗
Des Sul⸗
tans Edel⸗
Knaben be⸗
dienen den
Herrn Bot⸗
schafter. nahe noch nicht erhöͤrt worden, des Sultans Hasodaͤ oder Edel⸗
Knaben dabey aufwarten. In der Mitte des mit Gold Silber
und allerhand raren Gemählden auf das kostbarste ausgezierten
Speiß⸗Saals stunde ein gedeckter Tisch / woran 40. Personen ganz
gemächlich sitzen kunten, wobey wider die Türkische Gewohnheit
einige zu diesem Ende verfertigte Bänke gestellt waren: hieran nun
wurde der erste und zweyte Adel logirt, da indessen die andern auf den
mit Persianischen Teppichen belegten Boden herum lagen / und ihr
Früh⸗Stuck, so gut sie kunten, verzehrten, bey welchem, wann nicht
einer ungefehr ein Schälgen Scherbeth bey dem Kopf kriegte, sie ih⸗
Türken be⸗
dienen sich
keiner gül⸗
denen und
silbernen
Geschirre.ren Durst mit Wasser löschen musten. Die Speisen wurden alle in
Porcellanenen, steinern und iradischen Geschirren aufgetragen, der⸗
gleichen man sich auch zum Trank bedienet; sintemalen ihnen der Ge⸗
brauch
- 197 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
161
Gebrauch guldener und silberner Geschirre bey Tisch durch ein den
gemeinen Wesen sehr zuträgliches Gesetz verbotten ist; wie ich mich
dann auch nicht entsinnen kan, daß ich jemaln bey einem vornehmen
Türken etwas von Gold oder Silber auf dem Tisch gesehen, es muͤ⸗
ste dann etwan die an statt des Tisches daselbst gestellte runde Platte
nebst einem Hand⸗Becken zum waschen, und einem Rauch⸗Vaß, das
Gesicht, die Hände und dem Bart damit zu beraͤuchern, gewesen
seyn; wie sie dann die dem Herrn Botschafter vorgelegte Messer
auch anderweit entlehnt hatten. Hingegen ist an Speisen, wie uns
nachgehends die Soldaten und Bedienten erzehlt, ein solcher Uber⸗
fluß gewesen, daß über die hundert Schuͤsseln von ihnen wieder zu⸗
rück gekommen, von den Tuͤrken aber mit samt den Loͤfeln, deren wir
uns bey dem Essen bedient, unter die Grichischen Knaben ausge⸗
theilet worden; angesehen sie es für grosse Sünde wuͤrden gehalten
haben, wann sie etwas von demjenigen zu sich nehmen sollen, welches
die Unglaubigen oder Jaouer berührt und verunreinigt hätten. Es
hat auch darum keiner von ihnen etwas gekostet, weil niemand vor
Aufgang des Abend⸗Sterns oder der Sonnen⸗Untergang wegen ih⸗
rer grossen Festen was geniessen durfte/ wie schon im vorigen ange⸗
zeigt worden, da die meisten aus ihnen gewohnt, selbige Zeit uͤber
den Tag mit schlaffen / und die Nacht imit andern Verrichtungen
zuzubringen.
Hier hat sich ein gebohrner Sachs / Namens Schmied, ein Ein abge⸗
fallener
Sachs
kommt zu
der Bot⸗
schaft.
nichtswuͤrdiger Mensch, bey uns eingefunden, der sich bey der vori⸗
gen Botschaft unter den Grafen von Oettingen vor einen Edel⸗
mann ausgegeben, nachgehends aber aus einer mir unbekannten Ur⸗
sach freywillig den Türkischen Glauben angenommen; dieser Gotts⸗
vergeßne Mensch hat sich gleichwol kein Bedenken gemacht, vor dem
Herrn Botschafter zu erscheinen, und Jhm zu ersuchen, daß Er
die Gnade für ihn haben, und dem Groß⸗Vizir bey Gelegenheit
sein weiteres Glüͤck und Fortkommen recommendiren wolle. Die⸗
ser hat auch nachgehends auf dem Weeg und bey der Ruckkehr mit
dem Herrn von Klimberg viel von seiner Frauen, welche er zu
Hauß bey den Seinigen gelassen, von seinen mit ihr gezeugten Kin⸗
dern, alten Bekannten und Freunden geschwatzt: und als gedachter Hr.
von Klimberg ihn unter andern fragte, ob er nicht bisweilen aus
Reu angetrieben nach Teutschland zuruck, oder an GOTT und die
künf⸗
X
- 198 -
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
162
künftige Ewigkeit gedächte, nahm er solches nur für Scherz auf
und machte ein Gespott und Gelächter daraus. Aber du leichtfer⸗
tiger Boͤßwicht! ist ein GOTT im Himmel, der sich um der Men⸗
schen Thun und Lassen bekuͤmmert, so wird er dich um deiner Frech⸗
heit und Treulosigkeit willen schon zu finden wissen; und wer weiß,
ob wir nicht nechstens von Seiner an dir vollzogenen gerechten Ra⸗
che Nachricht empfangen. Jedoch, was halte ich mich läͤnger bey
diesem Treulosen auf, ich will mich lieber wiederum auf den Weeg
zu meiner Gesellschaft wenden.
Eine grosse
Menge Zu
⸗
schauer vor
Constanti
⸗
nopel. Nachdem wir nun, wie
gesagt, in bemeldten Garten so herrlich
tractirt worden, sind wir nach
empfangenen wol riechenden Was
⸗
sern und Rauchwerk von dar wiederum
aufgebrochen, und naͤher ge
⸗
gen die Stadt
geruckt vor welcher sich eine unglaubliche Menge
Leute von allerhand Alter Geschlecht
und Condition eingefunden,
unsern Einzug mit anzusehen: die
Königliche und andere Gesand
⸗
ten, welche
sich dazumal auf ihren Lust⸗Häusern zu Belgrad auf
⸗
hielten,
haben sich etliche Stunden weit hieher verfuͤgt, den propren
Einzug der Römisch⸗Kaiserlichen
Groß⸗Botschaft mit
anzusehen; da ihre Bedienten sich
indessen an die Strassen gelagert; und
damit sie solchen desto öfter
betrachten kunten, sind sie mit ihren
Pferden immer einen naͤhern Weeg
voraus gesprengt, und haben sich
wiederum an einen solchen Ort
gesetzt, wo wir noch einmal vorbey
ziehen musten. Ja so gar der Sultan und Groß⸗Vizir selb
⸗
sten sollen
bey dem Canal des schwarzen Meers in
einem Winkel
verborgen gewesen seyn, und uns in
geheim aus einem Fenster ob
⸗
Beschrei
⸗
bung des
Zugs in der
Stadt. servirt haben. Die Türken giengen mit ihren grossen
mit Kaisers
⸗
Leinwand
umwundenen Buͤnden, welche sie Kalibi nennen, und
dreymal grösser, als die sonst
gewöhnlichen seyn, die sie auch nur
bey den grösten Solennitäten
aufsetzen / ganz hochmüthig voran;
worauf wir in eben dieser Ordnung
die neulich bey dem Abzug aus
der Kaiserlichen Residenz Stadt Wien gehalten worden, durch
die Stadt Constantinopel gezogen. Die Janitscharn stunden in
ihrer Ordens⸗Tracht, nemlich mit
uͤber den Rücken haͤngenden Hau
⸗
ben und
langen an den vordersten Enden aufgeschüͤrzten Roͤcken,
nicht allein an den Pforten, sondern
auch an vielen Orten der Stadt in
zwey
⸗
- 199 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
163
zweyfacher Linie, damit sie das Volk
abhielten, und uns durch Ejup /
eine von dem H. Job so genannte
Vorstadt, begleiteten.
Es ist aber diese Stadt Constantinopel erstlich von PauBeschrei⸗
bung der Stadt Con⸗
stantinopel.
⸗
sanias erbauet worden, wie solches in dem ersten Buch der Supple⸗
mentorum des Q. Curtii zu lesen[16]. Vor Zeiten wurde sie By⸗
sanz genennt von Bysante, oder Byzeno, des Neptuni und Croës⸗
sæ, einer Tochter der Jo, Sohn, wie Stephanus dißfalls vorgibt,
oder, nach der Meynung Eustachii, von einem Füͤhrer der dem
Thracischen König Byza zugehörigen Flotte; oder auch wol von By⸗
za dem Admiral der Flotte, welche der Grichischen Stadt Me⸗
gara zustäͤndig war; woraus dann folgen muͤste, daß Bysanz eine
Pflanz⸗Stadt der Megarenser gewesen, wie Porphyrogeneta
von Them. im 2. Buch 1. Cap erzehlet. Sie kan ihren Ursprung
schon sieben hundert Jahr vor Christi Geburt, oder nach Erschaf⸗
fung der Welt ohngefehr 3500. von denen Zeiten herholen, da das
Jsraelitische Reich untergieng, und Hiskias in Judäa, Hosea in
Jsrael und Salmanasser in Assyrien regieret hatten. Diesen ih⸗
ren ersten Namen hat sie wol tausend Jahr, bis auf die Zeiten
Constantini des Grossen / ersten Christlichen Kaisers, behalten,
welcher, nachdem er sie auf das neue von Grund auf erbauet, sie
kuͤnftig hin nach seinem Namen nennen lassen; und bey dieser Gele⸗
genheit ist der erste Grund zum Christlichen Glauben in Orient wie⸗
der gelegt worden. Nachdem sie nun 1047. Jahr eine Residenz
des Orientalischen Christlichen Reichs beständig gewesen, und eben
dasselbige unter einem andern Constantino, einem Sohn Manue⸗
lis Paläologi / und Bruder Joannis / wiederum verloschen, ist
sie unter erst bemeldten Kaisers Regierung um das Jahr Christi
1453, von Mahomet dem Zweyten mit 400000. Mann belagert,
und nach einer Zeit von 54. Tagen mit stuͤrmender Hand eingenom⸗
men worden, von dar an sie mit dem jetzt regierenden Ahmed dem
Dritten 17. Türkische Kaisere auf dem Thron gesehen, weil sie
alle ihre Residenz allhier aufgeschlagen, welche sie vorher zu Prusa
in Asien gehabt hatten. Selbiges ist, gleichwie das alte Rom, auf
sieben Hügeln gelegen, weswegen man es auch das neue Rom ge⸗
nennt; wiewol anjetzo fast gar kein Merkzeichen mehr davon vor⸗
handen, und wuͤrde Constantinus / wann Er wiederum zuruck
in
X 2
- 200 -
164
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
in diese Welt kehren solte, Mühe genug haben, wofern Er sein vo⸗
riges Constantinopel mitten in dieser Stadt finden wolte, so gar
unähnlich ist sie ihr selbst worden. Dieses aber muß man ihr lassen,
daß keine so vortrefliche Gegend in der Welt, als diese / anzutreffen:
sie ist von dem Luxinischen und Hellespontischen Meer umge⸗
ben, und daher zur Kaufmannschaft überaus bequem; liegt in Form
eines Driangels, so daß zwey Spitzen davon gegen das Meer, die
dritte aber gegen das feste Land siehet. Gegen Mittag hat sie den
Hellespont / gegen Aufgang den Auslauf des schwarzen Meers /
der ungemein grosse und Schiffreiche Hafen liegt ihr gegen Mitter⸗
nacht, und Landwerts gehet ihr die Sonne unter, wohin man uͤber das
schwarze Meer / so die Türken Caradenis nennen, kommen
kan: wann nun mit dieser vortheilhaftigen Situation die heutige
Manier zu fortificiren verknuͤpft wäre, wuͤrde kaum in der Welt
ein festerer Ort zu finden seyn. Auf der Land⸗Seite hat sie zu un⸗
terschiedlichenmal einen dreyfachen aber mehrentheils mit Erden,
Steinen und Schollen angefüͤllten Graben; ist auch daselbst mit einer
doppelten Mauer, und gegen dem Meer zu nur mit einer einfachen
versehen: an derselbigen stehen unterschiedliche vier⸗ und achteckigte
Thuͤrne, welche die Roͤmer noch erbauet, davon die obern die untere
an Grösse übertreffen; und ob sie schon ehmaln wären capable ge⸗
wesen, eine ganze Armee aufzuhalten, so sind sie doch nicht mehr im
Stand, sich nur vor einen kleinen Anlauf zu schüͤtzen; wie dann so
wol die Mauern als Thürne so schlecht beschaffen, daß sie an
vielen Orten grosse Risse haben, und zu verwundern, wo sie nicht
Türken
pflegen
nichts aus⸗
zubessern. noch gar über einen Haufen fallen: dann die Tüͤrken pflegen selten
was auszubessern, weil sie sagen, daß sie zum Verstoͤren und Nie⸗
derreissen, nicht aber zum aufbauen kommen seyn. Diese Stadt hat
zwey und zwanzig Pforten, davon sechs Landwerts stehen, als eine
unter dem Pallast Constantini unweit des grossen Markts, den die
Türken heutiges Tags Fener nennen, welchen Platz sich Constan⸗
tinus um dieser Ursach willen zu seiner Wohnung soll erwehlet ha⸗
ben, weil Er solchen am gesuͤndesten befunden, so er mit dreyen an
unterschiedliche Oerter ausgesetzten Fischen probirt; die andere
Pforte siehet gegen Adrianopel / die dritte stehet auf der Höͤhe des
siebenden Bergs; die vierte ist die guͤldene Pforte; die fuͤnfte gehet
gegen
- 201 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
165
gegen Selymbria; die sechste findet man bey den sieben Thuͤrnen;
die uͤbrigen sechszehen sind gegen das Meer zu gerichtet, und zwar
laufen eilf davon gegen den Canal, und fuͤnfe gegen das Meer zwi⸗
schen dem Hellespont, darunter die Pforten des Seralliens nicht
mit begriffen sind: unter diesen fuͤhrten die erstern bey den Alten den
Namen Blachernea, heut zu Tag die Burg⸗Pforte; Cynigos,
anjetzo Xilo-Pforten; Phanaria, Agia, Jubalica, die Mehl⸗
Holz⸗Saamen⸗Fisch⸗ die Neorii und Demetrii, und die letztere
die Mist⸗Pforten; dann sind auch noch die Loͤwen⸗Condesca⸗
la⸗ und noch zwey andere Pforten, welche die Geschicht⸗Schreiber
zu nennen vergessen haben. Gedachte Mauern und Pforten sind
mit vieler Grichischen und Lateinischen Schrifft geziert / dafür man
an der Vornehmen Häuser Türkische lesen kan. Die Gassen sind
sehr enge, schlüpfrig, abhängig, die Häͤuser gröͤsten Theils von Leim
und Holz erbauet, also daß man die Stadt weder von innen schoͤn,
noch von aussen stark oder fortificirt nennen kan; die Wohnungen
hingegen mit Leuten dermassen angefuͤllt, daß oft unter einem Dach,
oder auch wol in einem Zimmer etliche Haußhalten anzutreffen:
wann man nun den unbeschreiblichen Gestank, die rohe unverdauliche Ursach der
öftern
Contagion
in Constan⸗
tinopel.
Speisen, als Pfeben, Gurken, und dergleichen, mit welchem sich der
Pöbel fast nur allein naͤhrt, und das liebe Wasser darzu trinket,
in Erwegung ziehet, wird sich niemand wundern, wann bey entste⸗
hender grossen Sommer⸗Hitze viel dahin sterben; vielmehr wäͤre es
für was seltsames zu halten, wann sich bey einer so grossen Menge
Volks und unordentlichen Lebens⸗Art das Gegentheil finden solte.
Jn den meisten Gassen, durch welche wir diesen Tag gefüͤhrt worden,
sahen wir Häuser, die man eher für Spelunken der wilden Thiere, als
Wohnungen der Menschen hätte halten sollen, und mit dergleichen
raren Gebäuen sind noch darzu die vornehmsten Haupt⸗Strassen
am meisten angefuͤllt; dann die anderen, so mit mehrerer Zierlichkeit
aufgebauet, finden sich nur an denen Plätzen, welche dem An⸗
lauf des Volks nicht so sehr unterworfen, und wo auch die Stadt
am wenigsten bewohnt ist. Wir haben wol üͤber drey Stunden mit
unsern Zug in der Stadt zugebracht, und gleichwol kaum den sech⸗
sten Theil davon betretten. Diejenigen Gebäu, so an dem HafenDie schön⸗
sten Gebäu
außer der
Stadt.
liegen, übertreffen diese in der Stadt an Pracht und Ansehen; und
längst dem Canal bis an das schwarze Meer præsentiren sich viele
Lust⸗
X 3
- 202 -
166166
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
Lust⸗Häuser vornehmer Personen, Gärten, Weinberge, Wiesen,
Sultans
verschlosse⸗
ner Pallast.
Wälder, Städte und Flecken. Es hat auch der Sultan daselbst
einen verschlossenen Pallast für das Frauen⸗Zimmer, welcher Be⸗
sicktas genennet wird, worinnen Er den ganzen Sommer uͤber zu
residiren pflegt, wiewol auch der in der Stadt befindliche ein recht
Königliches Ansehen hat, von welchem man auf zwey Meere hinaus
sehen kan, worein aber niemand, er sey dann ein Tuͤrk oder Beschnit⸗
Bezahlte
Curiosité
eines Frau⸗
enzimmers. tener, gelassen wird. Kurzweilig ist zu hören, was man von eines
ausländischen Gesandten Gemahlin erzehlet: diese hatte grosses Ver⸗
langen, das Königliche Gebäu oder Serallien in der Stadt von in⸗
nen zu sehen, weswegen sie dem Kuslir Aga / oder Obersten der
verschnittenen Mohren, mit welchen sie durch ihr langes Daseyn in
gute Bekanntschaft gekommen / mit grossen Verheissungen dahin zu
vermögen gesucht, daß er ihr darzu behüͤlflich seyn moͤgte. Der
Mohr, welcher die Gefahr, in welche er sich setzen wuͤrde, schon
voraus sahe, wo er solches ohne des Sultans Consens vorneh⸗
men wuͤrde, und doch gleichwol den Vortheil, welchen er daraus zie⸗
hen kunte, nicht verabsäumen wolte, entschloß sich, dem Sultan
davon Nachricht zu geben, welcher es endlich mit diesem Beding er⸗
laubte, daß sie in keiner andern als Tuͤrkischen Kleidung darinnen er⸗
scheinen, der Mohr aber Jhn sichere Nachricht geben solte / an wel⸗
chem Ort und in welcher Ordnung er sie stellen wolle, damit er im
Vorbeygehen und Ausmusterung eines Schlaff⸗Gesellens unter sei⸗
nen Cuncubinen ihr, als ware es eine aus diesen, das Schnuptuch
zu werfen und damit in sein inneres Gemach noͤthigen koͤnnte, da⸗
selbst seine Kurzweil mit ihr vorzunehmen. Dieses wird abgeredter
massen ins Werk gerichtet, die Dame auf bestimmten Tag in Tüͤr⸗
kischer Tracht zu erscheinen invitirt, welche sich auch um angesetzte
Stunde eingestellt: hierauf führt sie der Mohr in ihrer Unschuld
hinein, erzehlt ihr aber anbey, wie es bey ihnen der Gebrauch, daß
diejenige, welche der Sultan auf erst beschriebene Weise zu sich be⸗
ruffe, Jhm auf dem Fuß folgen muͤsse, und wann ihr dergleichen be⸗
gegnen und sie solches abschlagen wuͤrde, stuͤnde ihnen beiden ein gros⸗
ses Unglück bevor, und koͤnnten sie in Gefahr laufen den Kopf zu
verliehren; sie zwar, weil sie sich an einem solchen Ort eingefunden:
er aber, daß er sie hinein gefuͤhrt; nunmehro seye es an dem, daß sie
sich
- 203 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
167
sich zu einem oder dem andern resolviren muͤsse. Indem nun der
schlaue Kopf ihr dieses alles mit solchen Umständen vorgestellet, ent⸗
stehet augenblicklich ein Tumult vor der Thuͤr, der Sultan tritt
hinein, der Verschnittenene eilet dem Kaiser entgegen, und läßt
diese ganz bestuͤrzt unter den andern stehen. Da sie sich nun in solcher
Angst befindet, stehet der Sultan schon neben ihr, gibt ihr das
gewöhnliche Zeichen, und zwingt sie damit, in sein Schlaff⸗Zimmer
zu folgen, wo die Comœdie des Amphitruo noch einmal aufge⸗
führet worden; der Gesandte indessen liesse sich von seiner Alcme⸗
na nichts böses träumen, welche gleichwol in diesem Tuͤrkischen
Frauen⸗Zimmer mehr erfahren, als sie vielleicht zu wissen begehrt
hat, bis sie erst den andern Tag wiederum zuruck geschickt und dar⸗
mit des neuen Mercurii und seines Knechts Sosiä listiger Betrug
entdeckt worden.
Dieser in der Stadt liegende Kaiserliche Pallast samt dem dar⸗
zu gehörigen Garten begreifft in seinem Umkreiß bey die anderthalb
Meilen / welchem aber der in der Vorstadt weder an Gröͤsse noch
Weitläuftigkeit beykommt. Jedoch stoßt an diesem letztern des ViVornehme
Palläste an
dem Se⸗
rallien.
⸗
zirs / an des Vizirs seinen Pallast aber derjenige, so dem Ni⸗
schanschi Bascha zu stehet, dergleichen auch noch mehr in der
Ordnung folgen; dann es pflegen sich die Vornehmsten des Hofes
zu Sommer⸗Zeit, wie auch im Früͤhling und Anfang des Herbsts
mehr an dem Canal, als in der Stadt aufzuhalten, so wol in ihren
Gärten und Lust⸗Häusern der frischen Luft zu geniessen, indessen da
in der Stadt zur selbigen Zeit die Pest, wie jährlich zu geschehen
pflegt, herum wütet: als auch, damit sie in allen Begebenheiten dem
Kaiser desto näher seyn. Gegen dem Constantinopolitanischen Wacht⸗Thurn bey
Constanti⸗
nopel für
des Lean⸗
ders Thurn
gehalten.
Pallast und der an einem Berg gegen über liegenden Asiatischen
Stadt Scudari præsentirt sich mitten im Meer, wo das Euxini⸗
sche oder schwarze und das zwischen den Hellespont zusammen⸗
fließt, ein Thurn, welchen viele für denjenigen gehalten, nach wel⸗
chem der bey den Poeten und sonst allenthalben so bekannte Juͤng⸗
ling Leander zur Nachts⸗Zeit durch Sturm und Wellen nach sei⸗
ner geliebten Hero zu schwimmen pflegen, welches er auch so lang an⸗
getrieben, bis er einsmals bey ungestuͤmmen Wetter, als ihr der
Wind das zum Weegweiser verordnete Licht in der Latern ausge⸗
löscht,
- 204 -
168
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
löscht, des Weegs verfehlt und durch den Wirbel fort gerissen im
Angesicht ihrer untergehen und ein Opfer ihrer thörichten Liebe wer⸗
den muͤssen; wobey er dann folgenden Vers in seiner Angst zum oͤf⸗
tern soll wiederholt haben:
Parcite, dum propero; mergite, dum redeo.
Schont wilde Fluthen nur noch jetzt, laßt mich das Ufer
fassen,
im Ruckweg will ich eurer Wuth mich gerne üͤberlassen.
Allein es verrathen diejenige, die solches auch nur muthmassen duͤrf⸗
te, ihre grosse Unwissenheit in der Historie mehr als zu viel; dann
daß ich alle andere, welche von dieser Geschicht ausführlich
gehandelt, mit Stillschweigen uͤbergehe, so ist aus dem einigen Ovi⸗
dio klärlich zu erweisen, daß diese Meer⸗Enge des Hellesponts zwi⸗
schen Sestus / auf der Seiten von Europa / und Abydus / auf dem
Asiatischen Boden, zu suchen seye, über welche der thörichte und un⸗
vorsichtige Jüngling zu schwimmen in Gewohnheit hatte, wann er
seinen närrschen Begierden genug thun wolte: und daß eben daselbst
die nicht gluͤckseeligere Hero, und eines solchen Zufalls wol wuͤrdige
Priesterin, weil sie ihren unsinnigen und nun mit Meeres⸗Wellen
streiteten Liebhaber nicht zu Hüͤlfe kommen kunte, aus lauter Jammer
sich von einem hohen Thurn herab gestüͤrzt, damit sie doch mit dem⸗
jenigen im Tod moͤgte vereiniget seyn, welchen sie im Leben nicht mehr
umarmen köͤnnen.
Um diese Gegend haben die Tüͤrken 2. Schloͤsser, so heutiges Tags
die Dardanellen genennt werden, und mit Stuͤcken wol besetzt sind,
Dardanel⸗
len.woselbst alle aus dem hohen und Egaͤischen Meer ankommende Schif⸗
fe visitirt und die ein⸗ und ausfahrende Waaren untersucht werden,
so daß keiner hier vorbey schiffen, noch die Seegel aufziehen darf, be⸗
vor er ans Land gestiegen, und nach genauer Besichtigung und Schä⸗
tzung seiner aufhabenden Güter dem Zoll⸗Schreiber die Gebüͤhr da⸗
für erstattet hat. Mehr benannter Thurn aber dienet den Schiffen⸗
den zu einem Weegweiser, nach welchem sie sich bey der Nacht rich⸗
ten den Constantinopolitanern aber zum Wacht⸗Thurn, von wel⸗
chem sie die aus dem Meer heran kommende Schiffe observiren koͤn⸗
nen. Es stehet derselbige mitten im Meer / und kan von Winden
und
- 205 -
Von des Hn. Botsch. Ankunft und Einzug in Constant.
169
und Wellen auf beiden Seiten bestüͤrmet werden, wovon er aber
gleichwol, weil er auf einen unbeweglichen Felsen ruhet, keinen
Schaden zu fürchten hat. Das ganze Gebäu formirt ein
zweyfacher von ungleicher Grösse zusammen gesetzter viereckigter
Thurn, worauf die Türken einiges leichtes Geschütz gepflantzt ha⸗
ben / so von den Janitscharn beständig bewachet wird; und gibt dessen
weise Farbe bey heitern Wettern einen solchen durchtringenden Glanz
von sich, daß man ihn ohne Verletzung des Gesichts nicht wol an⸗
schauen kan. Am meisten ist daran zu verwundern, daß, ob er Brunnen⸗
Wasser
mitten im
Meer.
gleich zwischen zweyen gesalzenen Meer⸗Wassern liegt, es ihm doch
an süssen Wasser niemaln fehlet; und reicht der in der Mitte des
Felsen eingehauene Brunnen⸗Kasten so viel Wasser, als man des⸗
sen benöthiget ist, welches beständig aus dem Felsen herfür quillet,
und nicht, wie man etwan meinen moͤgte, von dem Regen⸗Wasser
aufgesammlet wird.
Als wir durch eine andere Pforten wiederum aus der Stadt Kirchhof
der Tür⸗
ken.
gekommen, befanden wir uns wiederum, so zu reden / in einem
steinern Wald / dessen wir kein Ende sehen kunten. Dann, wie
schon im vorigen Buch erinnert worden, pflegen die Tuͤrken einem
jeden Toden ein neues Grab zu machen, welches sie mit Marmel
oder andern Steinen und Saͤulen auszieren, daher ihre Kirchhöͤfe
in eine also unermeßliche Weite anwachsen, daß man nur von de⸗
nen darauf befindlichen Steinen gar wol ein steinernes Constanti⸗
nopel an statt des gegenwaͤrtigen hoͤlzernen aufbauen koͤnnte. So
bald wir uns wieder ausserhalb der Stadt befanden / begab sich der
Herr Groß⸗Botschafter von seinem Pferd in den Wagen, des⸗
sen Exempel einige andere folgten, um sich vor der Sonnen⸗Hitz da⸗
rinnen zu verbergen; die andern aber behielten ihre Pferde zwischen
den Füssen, und rieten damit nach dem vorigen Lager: Zu welcher
Zeit Seiner Excellenz von dem Französischen Gesandten ein
Teutscher von ihm los gekaufter Sclav an statt des ihm üͤberschickten
Lanquedoker verehrt wurde.
Den 4ten Augusti fertigten Se. Excellenz aus dem ersten Des Frey⸗
herrn von
Zweifel Ab⸗
fertigung
an den
Groß⸗Vi⸗
zir.
Adel den Freyherrn von Zweiffel / samt dem Dolmetsch Herrn
Vorner, den Sprach⸗Knaben Carl Ludwig Momartz
[17] und
einige andern seiner Bedienten zum Groß⸗Vizir ab / so wol in
sei⸗
Y
- 206 -
Zweytes Buch / Erste Abtheilung /
170
seinem Namen für die gestrig überlassene Pferde zu danken, als auch
zugleich zu vernehmen, um welche Stunde es Jhm am gelegensten
wäre, des Herrn Botschafters Visite anzunehmen. Es legte
aber eben an diesem Tag der Mehemet Aga seine Besuchung ab,
und brachte die Nachricht, wie er eben dergleichen Commission an
Des Me⸗
hemets Aga
Zuspruch.Se. Excellenz von dem Groß⸗Vizir hätte. Hierauf dankten Die⸗
selbige für die von Jhm durch die abgestattete Visite erwiesene Höf⸗
lichkeit und freundliches Andenken, ersuchten ihn aber zugleich, dem
Commis⸗
sion an
dem Groß⸗
Vizir.
Groß⸗Vizir in seinem Namen für die Jhnen angebottene Ehre
hinwiederum gebuͤhrenden Dank abzustatten, und zu melden, wie
Sie nichts mehr wuͤnschten, als bestäͤndig oder wenigstens sehr oft
um Jhn zu seyn, weil Sie Sachen von grosser Wichtigkeit mit
Jhm abzuhandeln hätten; es würde Jhnen sehr schwehr fallen, wann
Sie durch die leidige Seuch noch länger von der Stadt solten abge⸗
halten und an ihren Handlungen gehindert werden, weil dadurch
auch zugleich das gemeine Wesen würde leiden müssen. Es hielte
aber der Herr Botschafter höchst vernüͤnftig dafuͤr, daß es nun Ge⸗
legenheit gebe, zu dem Ende an einem dritten Ort auser der Stadt zu⸗
sammen zu kommen, welches vor Jhm noch keinem zugestanden wor⸗
den; wiewol es auch der Mehemet dem Herrn Botschafter von
dem Groß⸗Vizir ungebetten versprochen, auch sich anerbotten, Jhn
dahin zu begleiten, worauf Se. Excellenz zu verstehen gaben, daß es
Jhnen sehr angenehm seyn würde, und zwar um so viel mehr, damit
er dasjenige bekräftigen könnte, was bey dem Passarowitzischen Frie⸗
dens⸗Tractaten abgehandelt worden; und hierauf haben sie den noch
übrigen Theil des Vormittags in allen Vergnuͤgen zugebracht. Die⸗
ser Mehemet war ein ansehnlicher, bescheidener, freundlicher, hold⸗
seeliger und schöͤner Mann, auch bey den Seinigen wegen der Erfah⸗
renheit im Gesetz und andern Sachen in grossen Estime; seine an⸗
nehmlichen Gebehrden und angebohrne Sanftmuth verursachten, daß
er gleichsam immerzu laͤchelte. Unterdessen hat sich auch ein Dol⸗
metsch von den Venetianern eingefunden, um zu vernehmen, wie viel
der Herr Botschafter erlösete Sclaven aus ihrem Lager mit sich
führete, damit zu deren Heimreise könnte Anstalt ge⸗
macht werden.
Zweyte
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir. 171
Zweyte Abtheilung.
DEn 5. dito hat der Herr Groß⸗Botschafter in Besuchung
des Groß⸗Vizirs.
Begleitung seiner ganzen Suite die Visite bey dem Groß⸗
Vizier, oder Obrist⸗Feld⸗Herrn und Stadthalter des
Türkischen Reichs abgelegt, und zwar in eben dieser Ord⸗
nung und mit demjenigen Pracht, als bey dem Einzug in die Stadt
beobachtet worden, auser daß man die Fahnen und Paucken
zuruckgelassen, und die Trompeten nicht geblasen, dergleichen auch
geschehen, da Se. Excellentz den 8ten darauf bey dem Sultan die
Audienz gehabt; unsere Soldaten aber haben das Lager verwahrt,
damit nicht, wie bey dergleichen Gelegenheit gar gerne zu geschehen
pflegt, unter solcher Zeit uns etwas daraus entwendet wuͤrde. Hierzu
wurden jedesmal so wol für den Herrn Groß⸗Botschafter, als
auch für die andern alle die Pferde aus des Sultans oder des
Groß⸗Viziers Stall hergegeben: die Janitscharen waren wieder⸗
um an vielen Orten der Stadt ausgetheilet, und viele vornehme
Kriegs⸗Bedienten, Räthe, Cammerherrn und Richtere hatten uns
mit ihren hohen Buͤnden begleitet. Der Chiaoux Baschi, oder Fehlge⸗
schlagene
List des
Chiaoux
Baschi
Oberster der Bothen, welches eine ansehnliche Bedienung bey den
Türken bedeutet, war zu Einholung des Herrn Groß⸗Botschaf⸗
ters abgeschickt, wobey er sich allerhand Finessen bediente, um Dem⸗
selben zur linken Hand zu reiten, weswegen er Jhm bald dieses bald
jenes zeigte und erklärte, nur damit er Ursach mit Jhm zu reden
und nahe an seiner Seiten zu seyn haben moͤgte; allein es wusten
Se. Excellentz durch allerhand Wendung seines Pferds dieses gar
artig zu vermeiden; weil sich aber der Türk durch eine so höfliche
Reprimande nicht wolte abweisen lassen / liessen Sie ihm öͤffentlich sa⸗
gen, daß er voraus reiten solte, weil es sich nicht schicken noch sein
Character zulassen wolle, jemand an der Seiten zu leiden, welchem
Befehl auch der Türk gehorsamlich nachlebte, und sich den daruͤber
gefaßten Verdruß im geringsten nicht merken ließ. Hieraus wuͤrde
wol der Herr von Ferriol / gewesener Französischer Gesandter nichts
gemacht haben, wann jener unter dem Reden nichts anders als die
linke Seiten gesucht häͤtte, ob er schon sonst ein Mann von sehr ho⸗
her
Y 2
- 208 -
Zweytes Buch / Zweyte Abtheilung.
172
Des Herrn
von Fer⸗
riols Af⸗
faire mit
dem Tür⸗
kischen
Hof.her Stirn war: ja dieser Herr von Ferriol, sage ich, welcher wegen
seiner Händel in der ganzen Türkey und Frankreich bekannt ist, abson⸗
derlich wegen der bewusten Affaire, die er mit dem Türkischen Hof
gehabt, worinnen er doch nicht reussiren koͤnnen; dann als er ge⸗
sucht, bey dem Türkischen Kaiser mit dem Degen an der Seiten
zur Audienz gelassen zu werden, hatte er zu dem Ende ein weit klei⸗
ners Seiten⸗Gewehr, als sonst gewöͤhnlich, verfertigen lassen, damit
er solches desto eher unter seinen Kleidern verbergen koͤnnte. Allein
dieser Anschlag ist noch zeitlich entdeckt worden, und weil er sich nicht
nach der Lands Gewohnheit accommodiren wollen, sondern vielmehr
protestirt, daß ihm solches zukäme, muste er, da er bereits schon vor
dem Zimmer stunde, doch, ohne den Kaiser zu sehen, wieder abzie⸗
hen, kunte auch mit aller seiner Bemuͤhung nicht mehr zu wege brin⸗
gen, daß man ihn nochmaln vorgelassen hätte.
Bey diesem Zug sind wir durch eben die Pforten gefüͤhrt wor⸗
Grosser
Brand zu
Constan⸗
tinopel.den, durch welche wir vor etlichen Täͤgen unsern Einzug genommen,
dabey wir aber einen ganz andern Weeg gehalten, doch endlich zu
derjenigen Gegend gekommen, wo im 1718ten Jahr den 17. Ju⸗
li der grosse Brand in der Stadt ohnweit dem Meer entstan⸗
den; dann weil der Nord⸗Wind das Feuer sehr heftig angeblasen,
sind dardurch 51000. Häuser, 2283. Kramladen, 171. Kirchen,
152. Palläste, 130. Oefen / 80. Roß⸗Mühlen, 98. Stadt⸗Bäder,
1601 ofentliche Schulen in die Asche gelegt, und bey 14 bis 15000.
Menschen auf einmal verbrandt worden. Dabey haben der Kaiser
und Moufti, ihr oberster Priester, sehr viel gelitten, als denen ihre
meisten Palläste dardurch im Rauch aufgangen. Um zwey Uhr in der
Nacht ist die Brunst entstanden, und hat sich nicht eher als des andern
Tags um 4. Uhr wieder gelegt, also daß die Stadt von diesem schäd⸗
lichen Feuer bey 30. Stunden illuminirt gewesen. Aber man hat
sich darüber nicht so gar sehr zu verwundern; dann weil die Häͤuser
denen Hüner⸗Ställen sehr gleich kommen, gar nahe an einander ste⸗
hen, aus Holz und Leimen zusammen geklebt sind, welcher leztere vom
Feuer ohnedem bald erhitzt wird, anbey die Gassen so eng, daß die
Dächer beynahe an einander stossen / kan es nicht anderst seyn, als
daß bey einmal ausgebrochenen Feuer ganze Gassen darauf gehen
müͤssen / und kan auch die Flamme nicht eher gestillt werden, bis es kei⸗
ne zum Brennen taugliche Materie mehr findet; weswegen man
die
- 209 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
173
die Hauser entweder niederreissen und solcher gestalt dem Feuer die
Nahrung entziehen, oder der Flamme ihre Wut so lange lassen muß,
bis sie von selbst wieder nachlaͤßt; so beschwehrlich aber das eine, ab⸗
sonderlich bey Nacht und entstehenden Nord⸗Wind ist, so gefährlich
und betruͤbt duͤrfte manchem das andere Mittel vorkommen. Doch
darüber haben viele ihre besondere Gedanken gehabt, daß / wie kurz
vor des Graf von Oettingen Ankunft in die Stadt Constanti⸗
nopel 72000. Häuser abgebrannt sind: also auch jetzo nur den Tag
Merkwür⸗
dige
Feu⸗
ers⸗Brunst
bey der vo⸗
rigen Ge⸗
sandt⸗
schaft.
vor den geschlossenen Frieden zu Passarowitz diese grosse Feuers⸗
Brunst entstanden. Im Vorbeyziehen kunten wir noch die traurige
Merkmale davon sehen, nemlich, die verbrannten Kirchen⸗Daͤcher,
das zerschmolzene Bley, die zersprungene Glaß⸗Scheiben / zerstörte
und verbrochene Brunnen, und dann auch des Kaisers Arcadii
Säulen / welcher das Erdbeben ohne dem schon stark zugesetzt
hat, daß man wegen ihrer vielen Risse sie aller Orten mit eisernen
Reifen belegen müssen, anjetzo aber durch das Feuer und dem Rauch
ganz schwarz worden; wie sie dann auch heutiges Tags die Verbrannte
genennt wird, und unter diesem Namen allenthalben bekannt ist.
Endlich sind wir in des Groß⸗Vizirs Pallast, und zwar in
Groß⸗Vi⸗
zirs Pal⸗
last.
demjenigen angelangt, welche dieselbige insgemein, wann sie gleich ih⸗
re eigene Häͤuser haben, zu derjenigen Zeit bewohnen, in welcher sich
der Sultan in der Stadt aufhält, weil solcher nicht weit von der
Kaiserlichen Burg, und sie also gleich, wann man ihrer vonnoͤthen
hat, bey der Hand seyn können. Dieser hatte drey Höfe, wo⸗
selbst die Janitscharen in Ordnung stunden, auf dessen ersten die Be⸗
dienten, auf dem andern der Adel, und auf dem dritten nahe bey der
Stiegen der Herr Groß⸗Botschafter selbsten von dem Pferde
stieg. Es hat dieser Pallast zwar einen sehr weiten Umkreiß, aber
die Bau Kunst ist gar schlecht daran observirt, und durch die un⸗
zehlichen Winckel ganz verstellt. Hier giengen die Chiausen mit
ihren Strauß⸗Federn auf dem Haupt und silbernen oder mit Sil⸗
ber beschlagenen Stäblein in den Händen voran, wie von deren Be⸗
schaffenheit schon in dem ersten Buch Meldung geschehen; dann die⸗
se Chiausen sind nichts anders als Bothen, welche man darzu ge⸗
braucht, daß sie fremde Gaͤste empfangen, oder sie, ihnen den Weeg
zu zeigen, voraus schicket: wir selbsten befanden uns in der Mitte /
und einige andere aus den Tüͤrken folgten.
Im
Y 3 - 210 - 174
Zweytes Buch / Zweyte Abtheilung /
Jm Hinaufgehen trafen wir zur rechten Hand den Harem,
Der Ha⸗
rem oder
das Sa⸗
rallien der
Kaiserli⸗
chen Prin⸗
zeßin.oder das Serallien der Kaiserlichen Prinzeßin an, in welchem sie
viele hundert Sclaven ihres Geschlechts um sich hat, wie mich
diejenige, welche es gesehen, berichtet haben, über die sie zu gebieten,
sich ihrer Dienste nach Gefallen gebraucht, sie beschenkt, straffet, fort⸗
schaft, befördert, wie es ihr im Kopf kommt; es wird aber auser de⸗
nen Verschnittenen kein ander Mannsbild hineingelassen, wie dann um
dieser Ursach willen acht abscheuliche Mohren bestäͤndig vor der Thuͤr
Wer des
jetzigen
Groß⸗Vi⸗
zirs
Ge⸗
mahlin.
die Wacht halten, welche diejenige, so sich etwas zu nahe hinzuma⸗
chen wollen / abhalten. Aber was wüͤrden so viele Wachter nutzen,
wann die keusche Schamhaftigkeit oder eheliche Treue manquirte?
Vor diesem Zimmer haͤnget ein mit Gold schoͤn gestickter Vorhang,
und die darinn wohnende ist des Groß⸗Viziris
Gemahlin, des regieren⸗
den Kaisers Ahmed Prinzeßin, welche dazumal das 15te Jahr noch
nicht erreicht hatte. Vorher war ihr schon der Ahli Bascha, der
die Grichische Landschaft Morea den Venetianern abgenommen und
unter das Türkische Joch gebracht, zu ihrem Gemahl gegeben, da
sie noch ein Kind von acht Jahren gewesen; doch hat er diese seine
Gemahlin, oder vielmehr Gespons, niemaln mit einem Aug gesehen,
noch viel weniger beruͤhrt, ob er sie schon zum Lohn seiner Tapfer⸗
keit damaln zur Ehe bekommen, als er nach uͤberwundenen Feind
siegreich wiederum zu Hauß angelanget. Es ist aber dieses eine bey
den Türkischen Kaisern schon lange hergebrachte Gewohnheit, daß
sie denen Stadthaltern oder Baschen, die sie uͤberreden wollen, daß
sie ihnen mit sonderbahrer Gnade zugethan wären, zum Zeichen ih⸗
res beständigen Wolwollens, ihre Prinzeßinnen, so bald sie nur ge⸗
bohren sind, zur Ehe versprechen, daher es dann leichtlich kommen
kan, wie es auch oft geschiehet, daß sie unterschiedlichen gegeben
Politique
der Türki⸗
schen Kai⸗
ser in Aus⸗
stattung
ihrer Prin⸗
zessinnen. werden, ohne daß sie ihre zugedachten Maͤnner, oder diese sie, jemaln
zu sehen bekommen. Hierunter aber ist eine grosse Politique dieser
Kaisere verborgen; dann erstlich versorgen sie auf solche Weise ihre
Prinzessinnen auf das reichlichste, ohne daß es ihnen im geringsten
was kostet, indem sie sich einen solchen Tochter⸗Mann erwählen,
der das Kind, wann es noch in der Wiege liegt, mit einer kostba⸗
ren Morgen⸗Gab versehen, dabey auch Königlich und auf das proper⸗
ste erziehen lassen muß, ob sie schon noch in ihres Kaiserlichen Herrn
Vaters Händen ist: Hernach dienets ihnen auch darzu, daß sie auf
eine
- 211 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
175
eine ganze unverdächtige Manier derjenigen Schätze an sich ziehen
können, welche ihnen um ihrer Macht willen verdächtig scheinen, und
vor welchen sie in Gefahr stehen, Reich und Leben zu verliehren;
dann weil es für keine geringe Ehre geachtet wird, des Kaisers Ei⸗
dam zu seyn / welches gleichwol andere mit neidischen Augen anse⸗
hen, greifen sich in diesem Stuck auch die Allergeitzigsten über die
maßen an, und wollen in Unterhaltung ihrer zugedachten Gemah⸗
lin für verschwenderisch gehalten werden. Hierbey ist auch noch Neben des
Kaisers
Prinzessin
darf keiner
eine Frau
oder Con⸗
cubin ha⸗
ben.
was besonders anzumerken, daß, ob schon das Mahometische Ge⸗
setz jedermann frey lässet, vier rechte Ehe⸗ Weiber und darneben so
viel Concubinen zu haben, als man ernehren kan, es jedoch durch
die Gewohnheit eingeführt ist, daß niemand, der eine Kaiserliche
Prinzeßin zur Ehe hat / weder andere rechtmäßige noch auch Kebs⸗
Weiber darneben haben darf, sondern alle zum Zeichen der schuldigen
Hochachtung gegen das Kaiserliche Geblüth, von sich schaffen
muß: wordurch diese schlaue Regenten ohne Zweifel inten⸗
dirt, damit ihre Prinzessinnen allein Erben seyn, wann ihr Ge⸗
mahl ohne Kinder absterben solte / welches sich gar bald ereignen kan,
und solte es auch durch ihre eigene Beyhuͤlfe geschehen; oder damit sie
doch mit andern in die Erbschaft eintretten koͤnnen, wann etwan aus
einer andern Ehe ein maͤnnlicher Erb uͤbrig wäre: und durch diese
Maxime ergiessen sich alle Ströme des Reichthums in das Kaiserli⸗
che Meer, von dar sie aber nicht leicht wiederum heraus fliessen.
Wie aber diese vorgedachte Prinzeßin in ihrer noch ersten
UnDer Groß
⸗Vizir Jbra
⸗
him des
Kaisers
Tochter
⸗Mann.
⸗
schuld so
geschwind zu zweyen Männern gekommen, solches hat sich
folgender gestalt zu getragen:
Nachdem Ahli in dem für die Tür
⸗
ken
unglüͤcklichen Treffen bey Peterwardein
geblieben / ist Jbra
⸗
him
von Grichisch⸗ Weisenburg zuruck
gesandt worden, den
Verlauf dieser Schlacht und Ubergab
der Vestung dem Hof aus
⸗
führlich zu
berichten, da er dann zum Caimacan oder Stadthal
⸗
ter erklärt,
und ihm zugleich diese jungfräͤuliche Wittib zur Gemah
⸗
lin gegeben
worden / ohnerachtet er schon selbst aus andern Toͤchter
erzeuget, welche schon verheyrathet
und älter als diese ihre neue
Mutter waren. Er hat aber seine neue
Braut oder vielmehr Ge
⸗
mahlin im
ersten Jahr eben so wenig als der Ahli gesehen, weil sie
noch nicht mannbar wahr, und
deswegen in ihres Kais. Herrn Vat
⸗
ters Residenz
so lang verblieben, bis sie das Jahr darauf an Kräf
⸗
ten
- 212 -
176
Zweytes Buch, Zweyte Abtheilung
/
ten so weit zugenommen, daß sie ihm
in seinen eigenen Pallast zu
Vermehrung seines Geschlechts
überlassen werden kunte; bey wel
⸗
chem sie sich
nunmehro aufhäͤlt, sein Vergnüͤgen vermehren hilft,
und ihn im uͤbrigen füͤr sie sorgen
laͤßt, die andern Weiber und Scla
⸗
vinnen aber
hat er nach Landes⸗Gebrauch von dieser Zeit alle von
Dessen
liebste
Sclavin.
sich weg schaffen muͤssen. Unter
diesen letztern war eine Venetia
⸗
nerin, die er über die massen liebte, und von den Janitscharen um
800. Ducaten gekauft hatte, welche
er seinen Zugzieher, den die
Türken Mardar nennen, zur Ehe
gegeben: als sie nun einmal
krank darnieder lag, liesse sie den
Jußoff oder Joseph / einen Ju
⸗
den, der des
Kaiserlichen Leib⸗Arztes, auch eines Juden, Tochter
⸗
Mann war, zu
sich beruffen, um ihre Krankheit zu untersuchen:
wie er nun befunden, daß solche von
der üͤberfluͤßigen Gall herkä
⸗
me, und dabey
wuste, daß sie ihre Sclavinnen mit Schlä
⸗
gen und
allerhand seltsamen Plagen grausam tractirte, hat er sie, ob
er gleich ein Jud war, zu mehrerer
Sanftmuth und einem Christen
anständigern Wandel ermahnet; sie
solte gedencken, wie sie von Ca
⸗
tholischen
Eltern gebohren, die nicht gewohnt wären, die Armen
und Gefangenen so unbarmherzig zu
tractiren: Worauf sie aber ge
⸗
antwortet,
wie die in der Dienstbarkeit gezeugt⸗ und gebohrne Mäg
⸗
de keines
bessern Tractaments wuͤrdig waͤren; sie muͤsten sich nur
an dasjenige gewohnen, was sie die
Tage ihres Lebens wuͤrden zu lei
⸗
den haben.
Und es ist auch gewiß, daß kein erbarmenswüͤrdigerer
Stand auf der Welt zu finden, als
derjenigen Sclavinnen, welche
bey denen abtruͤnnigen Christinnen
dienen muͤssen, indem diese ge
⸗
meiniglich
viel schlimmer als die gebohrnen Tuͤrkinnen selbst sind:
sie affectiren eine strenge
Ernsthaftigkeit, und damit machen sie ihrer
Sclavinnen Dienste nicht nur
haͤrter, sondern auch fast unerträg
⸗
lich. Doch
was halten wir uns laͤnger bey denen Sultaninnen und
Türkischen Weibern auf; laßt uns
viel lieber wieder zu den Mäͤnnern
kehren, mit welchen wir jederzeit
ungehindert umgehen koͤnnen: dann
ich glaube nicht / daß jemand von
unsern Leuten mit Wahrheit sagen
wird, er habe eine solche
Gemeinschaft mit den Tüͤrkischen Wei
⸗
bern gehabt,
wordurch er etwas von ihren Heimlichkeiten erfahren
hätte. Nachdem wir nun noch etliche
andere Zimmer zwischen
denen auf beeden Seiten rangirten
Türken vorbey gegangen, wurden
wir in dasjenige geführt, wo der Groß⸗Vizir den Herrn Groß
⸗
Bot
⸗
- 213 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
177
Botschafter empfangen hat.
Es ist aber allhier zu wissen, daß Gebrauch
bey Abstat
⸗
tung der
Visiten.
bey den vornehmsten Tuͤrken der
Gebrauch / daß, wann man bey ei
⸗
nem die Visite
ablegen will, man eher in dem Zimmer, als der Herr
desselbigen, seyn müsse; alsdann
kommt erst nach einer kleinen Ver
⸗
weilung der
Patron des Hauses, welcher von zweyen, so ihn unter
den Achseln gefasst / geführet wird;
hinter ihm aber folgen seine Pa
⸗
ge und
Bedienten, die mit ihrem gewöͤhnlichen Geschrey ihres Herrn
Ankunft zu erkennen geben. Jene Mode
schreibt sich von dieses Vol
⸗
kes Hochmuth
her / welche sich besser als andere achten; wie ich dann
eben diese Gewohnheit auch zur
andern Zeit beobachtet, nicht weniger
aber auch wahrgenomen, daß, wie sie
nicht aufstehen, wann sie jemand
bey dem Eintritt sitzend antrifft,
also auch niemand im Weggehen beglei
⸗
ten, sondern
es durch ihre Bediente verrichten lassen. Der einige Mouff
⸗
ti /
ihr oberster Priester, hat die Ehre, daß ihn der Groß⸗Vizir Jm Anse
⸗
hen des
Moufti.
bey seiner Ankunft entgegen kommen,
und bey dem Weggehen wie
⸗
derum bis an
die Thuͤr des Zimmers begleiten muß, von dar er gleich
⸗
falls andern
zur Begleitung uͤberlassen wird. Der Sultan selbst
stehet von seinem Thron auf, wann
Jhn der Moufti zu besuchen
kommt, da doch der Groß⸗Vizir sich
vor seinem Kaiser mit dem
Angesicht auf die Erde wirft, um
damit zu verstehen zu geben, daß
er, welcher doch in dem ganzen Reich
der Vornehmste, in Gegen
⸗
wart des
Sultans der Geringste / ja noch weniger als der Geringste
ist. Das Zimmer des Groß⸗Vizirs, welches an dem bey den
Sofaus erhabenen Ort mit weis
Sammeten von Gold gestickten
Teppichen belegt war, ist nicht
sonderlich groß, aber von Tüͤrken
also angefüͤllt gewesen / daß sie
uns bey nahe solten zerquetscht haben,
und gieng das Geträng erst recht an,
als die Kaiserliche Geschen
⸗
ke durch die
Heiducken hinein gebracht worden: so war auch der gan
⸗
ze Pallast
von den vornehmsten Feld⸗Herren und Staats⸗Bedienten
besetzt, welche ihn gleich als einen
von Himmel herab gestiegenen Gö
⸗
tzen verehrt,
und die gröͤsten Männer unter ihnen so gar seine Fuͤs
⸗
se geküßt
haben.
Hierauf wurden dem ersten Adel in demjenigen Zimmer, wo
der Herr Groß⸗Botschafter mit dem Groß⸗Vizir neben einan⸗
der auf der Sofaus sassen, die Caftans ausgetheilt, gleich wie
denen andern in dem nechst daran stehenden, welche letztere sich auf
hundert Stuck beliefen; über besagtem Zimmer waren noch vier
andere,
Z
- 214 -
Zweytes Buch/ Zweyte Abtheilung.
178
andere, von zimlicher Groͤße, die zu des Groß⸗Vizirs oder der
Türkische
Canzley. Türkischen Reichs⸗Canzley dieneten; woselbst die Herrn Canzeli⸗
sten wie s. v. die Schweine auf dem Boden herum gelegen, und weder
mit Polster noch was anders versehen gewesen, ausser daß vor oder viel⸗
Schreib⸗Zeug. mehr neben ihnen auf der Seiten ihre Schreib⸗Truͤhlein stunden,
worinnen sie ihre Feder, Dinten / Messerlein, Papier und andern
Werkzeug verwahret hatten; dabey ich bemerkt, daß sie sich
weder der Gäͤnse⸗noch Schwanen⸗Kiel zum Schreiben bedienen,
sondern ihre Schreib⸗Federn aus Rohr machen, wie dann auch ihre
Dinte und Papier viel dicker und groͤber als das unsrige ist: wann
sie schreiben, legen sie die Hand unter das Papier, welche ihnen an
statt des Tisches, Pult⸗Brets und alles andern dienen muß, so daß
sie ihre ganze Schrifft gleichsam in der Luft verfertigen. Doch wir
begeben uns wieder in das Audienz-Zimmer, allwo nach beider⸗
seits gewechselten Bewillkommungs⸗Complimenten der Herr Groß⸗
Botschafter folgende Rede in Lateinischer Sprache gehalten:
Seine geheiligte Römische Kaiserliche auch in Germa⸗
Rede des
Groß Bot⸗
schafters
an den
Groß⸗Vi⸗
zir.
nien / Spanien / Hungarn / und Böheim Königliche Maje⸗
stät rc. rc. Carl der VI. wuͤnschen allen denen, so hieran
gelegen ist / zu dem vor einem Jahr geschlossenen Frieden
vielfältiges Glück / und haben mich als Jhren geringsten
Diener mit einigen Vornehmen von Adel Seines Hofes zu
Eur. Excellentz abgefertiget / in Dero Person nicht allein
Sie selbst, sondern zugleich den ruhmwuͤrdigsten Kaiser
der Ottomannischen Pforten zu begrüssen; und hierinnen
bestehet der Befehl meines allergnädigsten Kaisers: was
aber mich anbelangt/ erfreue ich mich sehr/ daß aus
Dessen sonderbahrer Gnade Gelegenheit habe / Eur. Ex⸗
cellentz mündlich zu sprechen / und Jhnen meine Dienst⸗
geflissenheit zu bezeugen. Jch wuͤnsche / daß Euer Excel⸗
lentz in derjenigen hohen Wuͤrde / in welcher Sie bereits
stehen / ein hohes Alter erreichen / und derselbigen noch
mehr andere groͤssere Belohnungen nach Dero hohen Ver⸗
diensten beygelegt werden moͤgen. Mir aber bitte ich
hierbey aus / daß dieselbige mich mit ihrer unverfälsch⸗
ten
- 215 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
179
ten und unverbruͤchlichen Freundschaft beständig beehren
wollen. Mein allergnädigster Kaiser / wie auch Jhro
Hochfürstl. Durchlaucht der Prinz Eugenius von Savoyen
haben anbey zur Bestaͤttigung ihrer durch mich versicher⸗
ten Gewogenheit und Freundschaft verlangt / daß ich Eu.
Excellentz gegenwaͤrtige Schreiben einhäͤndigen solle.
Nachdem der Herr Groß⸗Botschafter seine Rede geendiUberlie⸗
ferung des
Kaisers
und Prin⸗
zen Eugenii
Schreiben.
⸗
get, wurde Sr. Römisch⸗Kaiserlichen Majestät Schrei⸗
ben dem Groß⸗Vizir durch den Herrn Carl Grafen von Ba⸗
thyani / unter dem Kaiserlichen Caraffischen Curassier-Regiment
Obrist⸗Lieutenant; derjenige aber, welchen auf Befehl des Prin⸗
zen Eugenii der Hof⸗Kriegs⸗Rath an Jhn abgehen lassen, durch
Herrn Otto Friederich von Oebschelwitz / Ingenieur-Hauptman,
überreichet. Als nun hier ein beystehender Bascha dem Herrn Gra⸗
fen den Seinigen abnehmen wolte, entschuldigte sich dieser mit ei⸗
ner wolanstäͤndigen Manier, wolte die angebottene Höfligkeit nicht
annehmen, sondern uͤberlieferte solchen in des Groß⸗Vizirs eigene
Hände, welcher hierauf mit den Gebaͤrden und mit dem Mund be⸗
zeigte, daß ihme solche so wol als ihre grossen Uhrheber höchst
angenehm wären; wie er es dann auch dem Herrn Botschafter
durch den Dolmetsch der Pforten dem Mauro Cordato versi⸗
chern lassen. Damit ich aber bey dieser Gelegenheit etwas von des
Groß⸗Vizirs Alter, Natur, Gemüths⸗Neigung und übrigen Sit
Groß Vi⸗
zirs Be⸗
schaffen⸗
heit.
⸗
ten gedenke / so ist derselbige allem Ansehen nach nicht weit uͤber das
fünfzigste Jahr hinaus, und wird von jederman für einen braven /
bescheidenen, liebreichen, klugen und vorsichtigen Mann gehalten, der
die Gesetze genau beobachtet, ein Liebhaber des Friedens ist, und die
Tugend auch an seinen Feinden lobet und bewundert; die Militz er⸗
hält er durch seine Freygebigkeit bey ihren Pflichten, welche sonst
des Kaisers Geitz leichtlich zur Aufruhr bewegen könnte: seine Klei⸗
dung ließ sehr modest, und bestunde in einem langen weis Atlasen
und mit Belz gefütterten Rock, kunte aber nicht besser als durch den
Haupt⸗Bund von denen andern unterschieden werden, als der zimlich
hoch und viereckigt unten etwas weiter als oben, und gleichsam
Schlangen⸗weis in die Hoͤhe hinauf gieng, hatte einen ganz weissen
Umschlag, ausser daß eine guldene Schnur einmal über zwerch
durch⸗
Z 2 - 216 -
180
Zweytes Buch / Zweyte Abtheilung /
durchhinginge, und dessen Ende gleichfalls mit guldenen Fäͤden durch⸗
zogen war, welche auch Büschel⸗ weis durchschimmerten. An dem
Finger hatte er einen uͤberaus grossen und feurigen Diamant steckend;
seine Messer⸗Scheide, wie auch das Heft an dem Messer waren mit
Sapphir, Chrysolith, Carfunckel, Schmaragd, Türkis und andern
kostbaren Steinen reichlich besetzt.
Höret den
Herrn Bot⸗
schafter ste⸗
hend an.
So bald der Herr Botschafter seine Rede geendiget, wel⸗
che, weil es die erste gewesen, der Groß-Vizir wider die Lands⸗
Gewohnheit stehend angehöret, liessen sich beide auf den sehr schöͤ⸗
nen und mit Gold reich gestickten Sofaus nieder. Der Groß⸗
Vizir nahm seinen Platz in den Winkel, gabe Seiner Excel⸗
lentz die Stelle zur rechten Hand, und kehrten beide ihr Gesicht ge⸗
gen die Thüͤr zu, von welcher aber der Groß⸗Vizir mehrers ent⸗
fernet war: ich verstehe aber hier die Haupt Thuͤr, als nach welcher
man bey dergleichen Gepraͤng zu urtheilen pflegt; dann sonsten waͤ⸗
re der Groß⸗Vizir einer andern kleinen Thür naͤher gewesen, durch
welche er nach seinen geheimen Zimmer gehen kunte. Als sie nun
daselbst sich mit einander freundlich unterredet, hat der Herr Groß⸗
Botschafter der Kriegs⸗Gefangenen gedacht, welche Vermög der
Paßarowizer Friedens⸗Tractaten beiderseits müsten ausgewech⸗
selt werden; wobey er auch Mittel vorschlug, wie diejenige, deren
Namen Er aufgezeichnet, zu erfragen wären, und auf was Weise
der Groß⸗Vizir dieses löblich⸗ und GOtt⸗gefällige Werk am
füglichsten befoͤrdern koͤnnte. Unterdessen wurde Caffé, suͤsse Fruͤch⸗
te, Rosen⸗Wasser, Biesam und andere wolriechende Sachen aus⸗
getheilt, davon ein jeder nach Belieben zu sich nehmen kunte: der
Groß⸗Vizir aber nebst andern Vornehmen des Hofes nahme we⸗
gen der noch wehrenden Fasten im geringsten nichts zu sich, damit
sie andern kein böͤses Exempel geben moͤgten. Wolte GOtt! daß
dieses alle Obrigkeitliche Personen beobachteten, und nicht in der
vorgefaßten Meinung stünden, als ob sie an gar kein Gesetz gebun⸗
den wären, so dörfte sich vielleicht das gemeine Volk auch nicht so
viel heraus nehmen, wann sie von ihren Obern nicht geaͤrgert wuͤr⸗
Præsent
des Groß⸗
Vizirs an
den Herrn
Botschaf⸗
ter.den. Bey dem Abschied wurde der Herr Groß⸗Botschafter von
dem Groß⸗Vizir mit einem aus Gold gewüͤrkten und mit Zobel ge⸗
fütterten Caftan, samt einem schöͤnen Rappen mit Sattel und Zeug
nebst einem kostbaren Säbel beschenket, davon Er das Kleid, ehe Er
noch
- 217 -
Des Hn. Groß⸗Botsch. Audienz bey dem Groß⸗Vizir.
181
noch aus dem Hof geritten, wieder von sich gelegt, des Pferds aber
sich auf dem ganzen Heimweeg bedienet hatte. Hier wurden wir auch
erinnert, daß wir den vorigen Weeg nicht wieder nehmen solten,
weil der Sultan hierum in der Naͤhe unserer wartete, und uns zu
sehen verlangte; weswegen wir uns, ob wol nicht ohne Beschwehr⸗
nis wegen der engen Gassen, in Ordnung stellten, und einen andern
Weeg aus der Stadt führen liessen, als wir hinein gekommen sind.
Es waren die Höfe im Hauß so dicht mit Leuten angefüͤllt, daß wir
kaum durch kommen kunten, welches auch die Ursach war, daß viele
ihre vorigen Pferde unter dem Volk nicht finden koͤnnen, und ohne
Zweifel zu Fuß hätten heimgehen muͤssen, wann ihnen dißfalls der
Türken Höflichkeit nicht wäre zu statten kommen, als welche frey⸗
willig wieder andere an deren statt zugefuͤhret hatten.
Den 6ten ist ein von den Franciscanern zu Adrianopel ausgeloͤß⸗
ter Sclav von Neapolis gebürtig / nach einer zweytägigen Krank⸗
heit in der Nacht ploͤtzlich gestorben, und auch alsobald begraben wor⸗
den, weil zu besorgen stunde/ es duͤrfte der Coͤrper wegen der gros⸗
sen Hitze einen uͤblen Geruch machen, und zu böͤsen Krankheiten Ge⸗
legenheit geben. Diesen Morgen wurden unterschiedliche entweder
Amts oder anderer Geschäͤfte halber in die Stadt geschickt; Graf
Kinigl mit dem Dolmetsch Herrn Theyls an den Groß⸗
Vizir abgefertigt; der Herr von Dierling aber, als Botschafts⸗
Secretair, samt dem ersten Kaiserlichen Dolmetsch bey der Pforten,
Herrn Vorner / nach dem Reis⸗Effendi / oder Reichs⸗Canzler
abgesandt; und als diese letztern auf den Mittag wieder zurüͤck kom⸗
men, sind sie alsobald wieder dahin versendet worden, wie sie dann auch
die darauf folgende ganze Nacht in ihres Kaisers Verrichtungen
zu gebracht. Fast eben um diese Zeit kam der Französische Gesandte in
Französi⸗
schen Ge⸗
sandten
Visite bey
dem Herrn
Groß⸗Bot⸗
schafter.
Begleitung vier und zwanzig Person, so theils Edelleute, theils
Hauß⸗Bediente oder Kaufleute von Galata und Pera waren, aus
der Stadt ins Lager zu uns geritten, dem Herrn Groß⸗Bot