Über das Werk
Von Laila Dandachi
Die Darstellung der Audienz des Großbotschafters Graf Damian Hugo von Virmont
[1] folgt im Wesentlichen
den künstlerischen Vorbildern des flämisch-französischen Künstlers Jean–Baptiste
Vanmour (1671–1737), der nicht nur den niederländischen, [2] sondern auch den französischen [3] und venezianischen
[4]
Gesandtschaftsempfang bei Sultan Ahmed III. im Audienzsaal des Topkapı-Palastes
abbildete.
Jean-Baptiste Vanmour begann seine Karriere als Porträt-, Genre- und
Architekturmaler in Valenciennes (Frankreich) und wurde 1692 von Charles de
Ferriol, dem französischen Botschafter, im Zuge seiner Mission ins Osmanische
Reich als Maler beschäftigt. Die Darstellungen der Audienzen beim Sultan waren
Bestandteil eines ca. 100 Bilder umfassenden Œuvres, das nicht nur Architektur-
und Genreszenen von Konstantinopel oder den Provinzen des Osmanischen Reiches
zeigen, sondern auch religiöse und staatliche Prozessionen sowie Porträts von
hohen Würdenträgern am Hof des Sultans und von dessen Untertanen. Seit 1699
betrieb er ein eigenes Atelier und nahm vor allem von europäischen Botschaftern
Auftragsarbeiten an, wie z.B. für den holländischen Botschafter Cornelis
Calkoen. Jedoch ließ er einige Arbeiten von Mitarbeitern anfertigen, deren Werke
aber häufig eine geringere Qualität aufweisen. [5]
Während seines 30-jährigen Aufenthalts in Konstantinopel, tauschte sich Vanmour
mit osmanischen Miniaturmalern wie Abdülcelil Çelebi bzw. Levnī und Musavvir
Hüseyin aus, die, wie er selbst zahlreiche Bilder von Audienzen, Festivitäten,
Paraden und Porträts von osmanischen Würdenträgern anfertigten. Vor allem in
Bezug auf die Bildkomposition und der Repräsentation von Kostümen, Schmuck und
Waffen ließ sich Vanmour von ihnen inspirieren. [6]
Alle drei bekannten Audienzgemälde von Vanmour weisen große Gemeinsamkeiten auf
und unterscheiden sich nur in bestimmten Details, wie z.B. in der Gestaltung des
Audienzsaals (arz odası) und im Ablauf des Zeremoniells. Im Gegensatz zur
Abbildung der französischen Gesandtschaft fehlen bei den anderen Darstellungen
die Eingangstür des Audienzsaales, wohingegen bei der venezianischen auch auf
die obere Fensterreihe verzichtet wurde. [7]
Bei der Übergabe der Kredenzschreiben an den Sultan bzw. Großwesir lassen sich in
der Darstellung sowohl der niederländischen von Vanmour als auch der
habsburgischen Gesandtschaft bei Driesch die größten Gemeinsamkeiten finden:
Während der Audienz der niederländischen Gesandtschaft übergibt der sich vor dem
Sultan verbeugende Dolmetscher Alexander Ghika die Briefe den drei am linken
Bildrand abgebildeten Würdenträgern, die dann Calkoens Nachricht dem Sultan
überreichen werden. [8] Bei dem Wesir unmittelbar vor dem Thron des Sultans handelt es
sich offensichtlich um den Großwesir Ibrahim Pascha, da dessen Turban und Kaftan
an das oben erwähnte ganzfigurige Gemälde Vanmours erinnern (s. Porträt des osmanischen Großbotschafters Ibrahim
Pascha als Großwesir). Auf dem rechten Bildrand erscheinen zusammen
mit dem niederländischen Gesandten Cornelis Calkoen die sechs ausgewählten
Mitglieder, die mit prächtig geschmückten Kaftanen ausgestattet wurden und
jeweils von zwei Janitscharen in den Audienzsaal hineingeführt werden. Sowohl
denselben Turban als auch den mit goldenem Blumenmuster dekorierten Kaftan trägt
auch der Çavūş Pascha, der Befehlshaber der Botengarde des Sultans, die die
ausländischen Gesandten zur Audienz beim Sultan begleiten. [9]
Ähnlich wie später bei der französischen Audienz [10] erscheinen
die Gesandten in Begleitung der Botengarde in deutlich höherer Zahl, was
insgesamt der Repräsentation des habsburgischen Gesandtschaftszuges während der
Audienz beim Sultan eine größere Bedeutung verleiht. Hingegen schenkt der
Künstler der Übergabeszene vor dem Thron des Sultans weniger Aufmerksamkeit: Der
Dolmetscher vor dem Sultan verbeugt sich hier nicht wie bei den anderen
europäischen Audienzen, und die drei Wesire sind hier nicht deutlich voneinander
unterscheidbar. Darüber hinaus treten die Herrschaftsinsignien des Sultans in
den Hintergrund: Der Säbel hinter seiner rechten Schulter tritt nur schemenhaft
in Erscheinung, während der Turban (!) neben einer Schatulle zu seiner Linken –
bei Calkoens Audienz sind zwei mit Aigretten geschmückte Turbane dargestellt –
nicht konkret als solcher zu erkennen ist. Außerdem fehlt die Reihe mit der
Darstellung der vier Prinzen, die sich in den anderen Gemälden Vanmours zwischen
dem Thron und dem Gesandtschaftszug positionieren.
Mit dem Verzicht auf eine demonstrative Zurschaustellung der sultanischen Macht
sowie auf die Demutsbezeugung vor dem Sultan möchte der Künstler offensichtlich
die gleichwertige Stellung der habsburgischen Gesandtschaft veranschaulichen,
was bereits z.B. im Reportagebuch von Conrad Weiss über den Wechsel der
Großbotschafter im Jahr 1719 [11] durch die Anwendung von ähnlichen
künstlerischen Stilmitteln verwirklicht wurde. [12]
Es ist daher gut möglich, dass die zeichnerische Vorlage für den Kupferstich von
Vanmour selbst oder – aufgrund seiner sichtbar geringeren Qualität – von einem
seiner Mitarbeiter im Atelier stammt, denn Cornelius von den Driesch vermerkt in
seinem Reisebuch, dass ein französischer Maler dem kaiserlichen Großbotschafter
sein Gemälde der englischen Audienz brachte. [13] Tatsächlich
befindet sich in der Gemäldesammlung des niederländischen Botschafters Calkoen
eine weiteres Gemälde von geringerer Qualität, das eine europäische Audienz –
vielleicht die englische? – beim Sultan zeigt. [14] Die Frage stellt sich dabei,
ob die oben genannten Änderungen in dem kaiserlichen Bild bereits von Vanmour
bzw. von einem seiner Mitarbeiter oder doch erst von dem Kupferstecher in
Nürnberg vorgenommen wurde.